Karthago

[559] Karthago, d.h. Neustadt, Stadt und Republik auf der Nordküste von Afrika in der Nähe von Tunis, Colonie des phönizischen Tyrus, um 880 v. Chr. durch Dido gegründet, stand auf einer Halbinsel und zählte bei ihrem Untergange noch 700000 E. Wie Tyrus war K. eine Handelsstadt und hatte eine große Industrie; ihre Seefahrten richtete sie hauptsächlich in das von Sicilien westlich gelegene Becken des Mittelmeeres, an die nordwestlichen Küsten Afrikas bis über die canarischen Inseln hinaus, in den atlantischen Ocean bis Britannien, vielleicht bis in die Ostsee. Die Karthager unterwarfen sich die nordafrikanische Küste bis Mauretanien, eroberten und colonisirten Sardinien, Corsika und einen Theil Sicilien, die balearischen Inseln und einen großen Theil der span. Küste; ihr Karawanenhandel erstreckte sich im inneren Afrika bis an den Niger. Die Verfassung war aristokratisch, indem nicht nur der Rath, sondern auch die Priesterschaft aus den edlen Geschlechtern genommen wurde. Der Rath beschloß über Krieg und Frieden, sowie über Gesetzgebung; ein Ausschuß desselben scheint über die Erhaltung der Verfassung gewacht und eine politische Polizei geübt zu haben, auch konnte derselbe Feldherren vor seinen Richterstuhl ziehen und zum Tode verurtheilen. Die ausübende Gewalt war bei den Suffeten, die so ziemlich den römischen Consuln entsprochen zu haben scheinen. In sehr wichtigen Staatsangelegenheiten wurde die Volksversammlung zu Rathe gezogen. Ihrem Charakter nach zeigen sich die Karthager als ächte Semiten: Ackerbau, Industrie und Handel mit gleichem Eifer pflegend, fanatisch, grausam, wollüstig, treulos, in der Verzweiflung zur Selbstvernichtung bereit. K. war ein erobernder Staat wie England, bemannte nur die Flotte mit eigenen Leuten, während es die Heere aus Berbern (Numidiern und Mauren), Spaniern, Galliern u. Griechen anwarb. Jahrhunderte lang kämpften sie mit den Griechen um den Besitz Siciliens und waren im Begriff sich desselben zu bemächtigen, als sie mit den Römern in den ersten punischen Krieg (265–241 v. Chr.) verwickelt wurden, der sie Sicilien, Sardinien und Corsika kostete. Hamilkar, Hasdrubal und Hannibal eroberten zwar den größten Theil Spaniens, aber der zweite punische Krieg (218–201 v. Chr.) entriß K. nicht nur alle auswärtigen Besitzungen, sondern auch den größten Theil des afrikan, Gebiets. Dennoch glaubten sich die Römer nicht sicher und begannen 150 den dritten punischen Krieg. der 146 v. Chr. mit der Zerstörung K.s und der Vernichtung des ganzen Volkes endigte. Später erstand [559] ein neues K. als röm. Colonie, die sich seit Augustus immer mehr hob und die bedeutendste Stadt Afrikas wurde; sie war auch in der christlichen Zeit eine der wichtigsten Metropolen (Cyprian). Im 5. Jahrh. Hauptstadt des Vandalenreichs, wurde sie endlich 647 von den Arabern zerstört.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 559-560.
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