Maria Christina

[102] Maria Christina, Gemahlin Ferdinands VII. von Spanien, geb. 27. Apr. 1806, Tochter Königs Franz I. von Neapel und der Maria Isabella von Spanien, vermählt mit Ferdinand VII. den 11. Dec. 1829, gebar ihm 2 Töchter, Isabella 10. Oct. 1830. u. Marie Luise (jetzige Herzogin Montpensier) 30. Jan. 1832. Sie beherrschte ihren Gemahl vollständig und bewog ihn durch Decret vom 31. März 1830 das salische Erbfolgegesetz aufzuheben, wodurch ihrer ältesten Tochter die Nachfolge, ihr selbst die Regentschaft während ihrer Minderjährigkeit zufallen mußte. Die absolutistische Partei war entschieden für Don Carlos, des Königs Bruder und rechtmäßigen Nachfolger, daher mußte M. sich auf die Constitutionellen stützen, wenn sie sich nach des Königs Tod halten wollte. Sie bewog deßwegen den todtkranken König zur Entlassung seiner absolutistischen Minister und zu einer Amnestie der meisten polit. Flüchtlinge. Nach des Königs Tod (29. Sept. 1833) brach alsbald der Bürgerkrieg aus und die Regentin gab das Estatuto real, eine der franz. Charte nachgebildete Verfassung, weil sie sonst von der constitutionellen Partei zu einem weiteren Schritte gezwungen worden wäre. Durch das Estatuto spaltete sich diese in 2 Theile, die Moderados, dem frz. Juste milieu entsprechend, u. die Progressi- [102] stas, die Männer des Fortschritts. M. war natürlich die Stütze der ersteren; diese verloren zwar das Vertrauen der Nation, weil sie den Bürgerkrieg nicht beenden konnten und wurden durch die Militärrevolution von la Granja (13. Aug. 1836) gestürzt, kamen jedoch durch die Corteswahlen wieder an das Ruder. Als Espartero den Bürgerkrieg beendigt hatte, führte M. den Plan aus, durch das Ayuntamientogesetz die Leitung der Gemeinden in die Gewalt der Regierung zu bringen, Espartero aber benützte den daraus entstandenen Aufstand so gewandt, daß M. keine andere Wahl hatte, als Spanien zu verlassen. Von Frankreich aus leitete sie alsdann die Coalition der Moderados und Demokraten gegen Espartero, durch welche dieser 1843 gestürzt wurde. Sie kehrte wieder nach Spanien zurück, ließ ihre schon 1833 mit einem Gardeunteroffizier Munnoz eingegangene morganatische Ehe feierlich einsegnen, denselben zum Herzog von Rianzares ernennen und bemühte sich noch eifriger als früher auf alle mögliche Weise für ihre zahlreiche Nachkommenschaft ein ungeheures Vermögen zusammenzuraffen. Dies Treiben war eine Hauptveranlassung zur Revolution im Juli 1854, durch welche sie abermals aus Spanien vertrieben wurde. Vgl. Spanien.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 102-103.
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