Marokko

[108] Marokko (Mogrib ul Aksa d.h. der äußerste Westen), Sultanat in Nordafrika zwischen dem Mittelmeer, dem atlant. Ocean, Biledulgerid u. Sahara, Algier. 10–14000 QM. großes Gebiet, von dem Atlas in mehren Zweigen durchzogen, an den Küsten fast überall sandig, fruchtbar im Innern, wenn die Bewässerung nicht fehlt. Die Einwohner, auf 81/2 Mill. geschätzt, sind Berbern, Araber, vermischt u. rein, Tuariks, in den Städten Mauren, Neger u. sehr bedrückte Juden. M. führt Getreide aus, Oel, Datteln, Gummi, Straußfedern u. treibt einen lebhaften Karawanenhandel in den Sudan, wo es europ. Fabrikate gegen Gold und Elfenbein austauscht. Die Industrie liefert Mützen. Seidegewebe, Corduan u. Saffian. Der Sultan, seit 1822 Mulei Abderrahman, führt als einer der Nachkommen des Propheten den Titel Sheriff (Heiliger) u. noch viele prächtig tönende dazu. Seine Regierung ist despotisch, indessen gehorchen ihm nur die Städte und die ackerbauenden Bezirke, die Nomaden in der Wüste sowie die Kabylen im Gebirge zahlen keinen Tribut. Das Land ist durch den Atlas in 2 Hälften getheilt; die nordwestl. begreift Fez und M. im engern Sinne mit der Provinz Sus, die südwestl. die Provinzen Tafilet, Sedschelmesa und Darah. Politisch ist Fez und M. in 28 Bezirke eingetheilt, die von Paschas und Kaids verwaltet werden, die meistens sultanischer Abkunft sind. Die Staatseinkünfte sollen 2600000 Piaster betragen, die Aus gaben nur 990000, die fast ganz auf das stehende Heer von 8000–10000 Mann, meistens geworbene od. gekaufte Neger, kommen. Der Sultan residirt gewöhnlich zu Mequinez (Meknäs); andere bedeutende Städte sind: Fez. M. Tetuan, Tanger, Teza, Elarisch, Saleh, Mogador, Tarudant. Die Spanier besitzen an der Nordküste: Ceuta, Melilla, Penon, Alhucenas. – Die Stadt M., eigentlich Marakesch d.h. die Geschmückte, liegt in einer außerordentlich fruchtbaren Ebene am Fuße des Atlas, hat 100000 E. u. sehr umfangreichen Handel. – M. hatte seit dem Zerfalle des Khalifats verschiedene Dynastien u. verschiedenen Umfang, griff unter den Morabeten und Almohaden auf die pyrenäische Halbinsel hinüber u. war bis zum Anfang des vorigen Jahrh. häufig im Kriege mit Portugal u. Spanien, auch mit andern christlichen Staaten, wenn diese die Verschonung mit marokkanischer Seeräuberei nicht durch Tribut abkauften. Revolutionen, wie sie im Oriente gewöhnlich sind, brachten mehre Dynastienwechsel, einer Revolution [108] im 17. Jahrh. verdankt die jetzige Dynastie der Aliden den Thron. Der gegenwärtig regierende Sultan, Mulei Abderrahman, sonst ein friedliebender Mann, wurde gegen seinen Willen durch Abdel-Kader, der sich auf das marokkan. Gebiet warf u. bei den arab. u. kabyl. Stämmen Unterstützung fand, sowie durch den Fanatismus seiner Unterthanen zum Kriege mit Frankreich genöthigt (1835). General Bugeaud schlug aber mit 7000 Franzosen 20000 Marokkaner. Prinz Joinville bombardirte mit der Flotte Tanger und Mogador, und der Sultan war froh, daß ihm England einen Frieden vermittelte, der ihn kein weiteres Opfer kostete, als daß er einigen Bezirken, die er an der algierischen Gränze ansprach, entsagen u. eine mathematisch genau gezogene Gränzlinie anerkennen mußte. (Die neueste Darstellung des fast unbekannten, den Europäern schwer zugänglichen Reichs hat Augustin, Pesth 1845, gegeben.)

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 108-109.
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