Mormonen

[245] Mormonen, od. Heilige des letzten Tages, religiöse Sekte von dem Nordamerikaner Joe Smith (geb. 1805 im Staate Vermont) gestiftet. Derselbe behauptete 1827 von einem Engel eine Schrift auf Metallplatten erhalten zu haben, die er als »Buch der M.« herausgab. Dasselbe erzählt, daß ein Theil Israels nach Amerika ausgewandert sei, daß Christus nach seiner Auferstehung diesem in Amerika das Evangelium gepredigt habe, daß 330 ein Christ Mormon die wahre Lehre aufgezeichnet und sein Sohn Moroni 420 die Bibel der M. vollendet habe. Joe Smith fügte 1833 das »Buch der Gebote« bei, wurde aber mit seinem Bruder Hiram den 27. Juni 1844 von dem Volke ermordet, das die Stadt der Heiligen, Nauvoo am Mississippi, nicht dulden wollte, u. die M. zur Auswanderung zwang. Sie ließen sich 1847 jenseits der Rocky-Mountains an dem großen Salzsee nieder u. erbauten dort ihr »Zion«. Sie zeigten hier die den Angloamerikanern eigene Energie, denn in unverhältnißmäßig kurzer Zeit waren Wohnungen gebaut, Wasserleitungen angelegt, Felder bestellt u. ein Staatswesen eingerichtet. Die Colonie zählte schon 1852 über 40000 Seelen und wurde unter dem Namen Utah als Territorium in die Union aufgenommen, ohne daß sie sich jedoch von der Regierung der Union einen Gouverneur geben ließ. Denn die M. regieren sich auf eigene Weise. An der Spitze steht ein Präsident und Hoherpriester, gegenwärtig Brigham Young, ihm zur Seite 2 Räthe u. 1 Patriarch; dann folgt das »Quorum der 12 Apostel«, hierauf der »hohe Rath« von 12 Mitgliedern. Außerdem besteht unter den M. eine gewisse hierarchische Unterordnung, indem es von Propheten und Aposteln abwärts Presbyter, Diakonen etc. gibt. Bekanntlich hat Joe Smith die Vielweiberei eingeführt u. das neue Institut für sich stark benutzt; dies erinnert an Johann von Leyden und dessen Wiedertäufer, und da überdies auch bei den M. eine Art Gütergemeinschaft herrscht, sie die Erwachsenen durch Untertauchen taufen, nach allen Seiten Apostel ausschicken u. Propaganda machen, so scheint das M. thum seinem Wesen nach die amerikan. Wiederbelebung der alten Wiedertäuferei. Den jüngsten Tag erwarten die M. noch in diesem Jahrh., wobei sie in ihrem Zion allein dem allgemeinen Verderben entrinnen werden; dessenungeachtet aber geben sie sich alle Mühe durch Propaganda aus Europa so viele Einwanderer herbeizuziehen, daß Utah vermöge seiner Einwohnerzahl in die Union aufgenommen werden muß u. die Rechte eines Unionsstaates ausüben kann. – Ueber die M. ist von Gunnison eine eigene Schrift (Philadelphia 1852) erschienen, es bleibt aber noch Manches unklar u. Anderes schwer glaublich. z.B. daß Joe Smith das »Buch der M.« zufällig in seine Hände bekommen habe u. dasselbe nichts Anderes als eine Art von Roman sei, den ein Geistlicher, Salomon Spaulding, gest. 1816, geschrieben, aber an keinen Buchhändler habe verkaufen können. Andere Berichte (so im »Ausland«) schildern die M. viel günstiger.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 245.
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