Nervenkrankheiten

[316] Nervenkrankheiten, Neurosen, Neuralgien, sind solche, deren Symptome vorzugsweise in perverser Thätigkeit einzelner Theile des Nervensystems bestehen. Auch spricht man in einem anderen Sinne von N., nämlich wenn das materielle Substrat für den Verlauf eines Krankheitssymptomencomplexes die Substanz der Nerven selbst ist. In diesem Sinne spricht man von Nerven-Entzündung, Nervenschwund (Atrophie). Die gewöhnliche Gebrauchsweise bleibt jedoch die erstere und nach jener Auffassung theilt man die N. als abstracte Bilder der tausenderlei stets verschiedenen Einzelfälle in 3 Klassen: [316] 1) Spastische N., 2) Algien und 3) Paralylitische N., je nachdem der hervorragende Symptomencomplex die Functionen der Bewegungs- oder Empfindungsnerven oder ein Herabsinken der Nerventhätigkeit unter das normale Maß betrifft. Die bekanntesten spastischen Krankheiten sind die Eclampsien (Gichter), das Asthma, der Starrkrampf (tetanus), die Epilepsie, Catalepsie, Hysterie, Hydrophobie. Von Neuralgien sind bekannt: der Gesichtsschmerz (Prosopalgie), Ohrenschmerz (Otalgie), Magenkrampf (Cardialgie), Kolik (Exteralgie), neuralgia ischiadica oder Hüftschmerz. Als paralytische Nervenleiden sind zu erwähnen: die Paraplegie, Hemiplegie, Paresis, paralysis agitans. Der Verlauf der N. als Ganzes ist in der Regel ein sehr chronischer, wogegen der Verlauf der einzelnen Anfälle meistens ein sehr acuter ist. Die radicale Heilung dieser Krankheiten gehört häufig zu den schwersten Aufgaben der praktischen Medicin; nirgends ist die Auswahl an Methoden u. Arzneimitteln größer, nirgends aber ihr Erfolg ein unsicherer.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 316-317.
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