Atrophie

[315] Atrophie, dem Wortlaute nach Mangel an Ernährung, ist derjenige Vorgang im organischen Körper, durch den entweder der gesammte Organismus oder ein Theil desselben dem Chemismus [315] der sogen. todten Natur verfällt. Das Leben eines alternden Organismus ist nichts anderes als A., an dem menschlichen Körper wird sie gewöhnlich marasmus senilis, Alterschwäche, genannt. Der »Schwund«, in oberdeutscher Mundart die »Schweine« irgend eines Gliedes ist desgleichen partielle A. Allgemeinstes Kennzeichen der A. ist die Abnahme der organischen Masse und Schwäche der Lebensthätigkeit der von A. betroffenen Organe. Sitz dieses organischen Vorgangs ist wesentlich die organische Zelle, sei dieselbe nun die Pflanzenzelle eines verkümmerten Blattes, oder Epidermoidal-, Blut-, Nerven- oder was immer für eine andere thierische Zelle. Ursache der A. ist Mangel an tauglichem Nahrungsstoff, oder die Schwäche der Verrichtungen der organischen Zelle zur Verarbeitung des dargebotenen Nahrungsstoffes. Ferner kann indirekt unverhältnißmäßiger Säfteverlust, z.B. durch Blutungen, Eiterung großer Wunden allgemeine oder partielle A. verursachen, ebenso die durch Arterienunterbindungen gehinderte Zufuhr von Nahrungssaft für die organischen Theile, die unterbrochene Nervenverbindung eines Organs. – Außerdem trägt noch ein ganz spezieller Krankheitszustand des Kindesalters in der Medicin den Namen A. Derselbe besteht wesentlich in Tuberkelbildung innerhalb der Gekrösdrüsen, weswegen die Krankheit auch wohl häufiger als tabes mesenteriaca aufgeführt wird. Man unterscheidet eine torpide und eine von Entzündung der mesenterischen Drüsen begleitete Form. Erstere kann wohl bis auf einen gewissen Grad bestehen, ohne daß das Allgemeinbefinden darunter leidet, letztere Form ist stets mit lokalen und allgemeinen Krankheitssymptomen vergesellschaftet. Der Zustand von Abmagerung tritt bei dieser Krankheit erst später auf. – Die lokalen Symptome dieser Krankheit sind Schmerzen, die sich bis zu kolikartigen Anfällen steigern, in der Mitte des Unterleibs, dieselben werden durch Druck in die Tiefe vermehrt. Damit ist ein abnormer Stuhlgang verbunden. Fieberbewegungen fehlen nie. Die Behandlung der Anfälle ist antiphlogistisch; außer den Anfällen findet die allgemeine Behandlung der Skropheln ihre Anwendung.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 315-316.
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