Sièyes

[214] Sièyes, Emmanuel Joseph, geb. 1748 zu Frejus, war beim Ausbruch der Revolution Generalvikar des Erzbischofs von Chartres, wirkte 1789 im Januar durch das Pamphlet qu'est ce que le tiers état? (was ist der 3. Stand?) wenigstens ebensoviel zur Volksaufregung als Mirabeau durch seine Reden, war Mitglied der Nationalversammlung, regte die Eintheilung Frankreichs in Departemente an, stimmte im Convent für den Tod des Königs, zog sich während der Schreckenszeit zurück, war hierauf Gesandter in Holland und Berlin, kehrte 1799 zurück und half, obgleich Director, Bonaparten bei der Ausführung des 18. Brumaire. Er brachte nach diesem Staatsstreiche eine nach seinen Ideen entworfene Verfassung zum Vorschein, in welcher der Regent des Staats (premieur électeur) eine durchaus passive Stellung einnehmen und den ruhenden Schwerpunkt bilden sollte. Bonaparte wies sie mit schneidendem Hohne zurück u. brachte S. bald in eine solche Stellung, daß er sich zurückzog. Nach der Restauration als Königsmörder verbannt lebte er bis zur Julirevolution in Brüssel, st. zurückgekehrt 1836 zu Paris. S. war in seinen Aeußerungen kurz und schneidend wie Napoleon I., beurtheilte die wirklichen Zustände ganz richtig, machte sich aber beinahe lächerlich, wenn er schaffend auftreten wollte (»der Metaphysiker der Revolution«).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 214.
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