Veitstanz

[589] Veitstanz, eine in Krämpfen der willkürlichen Muskeln bestehende Krankheit mit eigenthümlichen Körperbewegungen. Der kleine oder Sydenhamm'sche V., auch Muskelunruhe genannt (chorea minor s. Ballismus) besteht in klonischen Rückenmarkskrämpfen, welche die Muskeln zu fortwährenden zweckwidrigen Zusammenziehungen veranlassen, wodurch eigenthümliche, anscheinend possenhafte und alberne Bewegungen hervorgebracht werden, welche in verschiedenen Gruppen nach einander auftreten, bei vollem Bewußtsein des Kranken. Nur im Schlafe tritt Ruhe ein, mit dem Erwachen beginnen die Krämpfe von Neuem. Die Krankheit erscheint vorzugsweise im Kindes- und Knabenalter, dauert meist durch einige Wochen, seltener Jahre lang, und heilt gewöhnlich mit der Pubertät. Veranlassung geben besonders Schreck, geschlechtliche Verirrungen, Erkältung, Würmer, Metastasen etc. Die Behandlung erfordert hauptsächlich Berücksichtigung der Ursachen, geistige Ruhe, passende Diät, Bäder; innerlich krampfstillende Mittel. – Der große V. (lat. chorea major, ch. St. Viti) tritt in einzelnen Anfällen auf mit längeren freien Zwischenräumen; jene bestehen in sonderbaren unwillkürlichen und lebhaften Bewegungen, welche den absichtlich ausgeführten sehr ähnlich sind, wie Hüpfen, Herumspringen, Tanzen, Springen auf Stühle, Tische, Gesticuliren mit den Armen etc. Dabei ist das Bewußtsein häufig mehr oder weniger getrübt und in den höhern Graden steigert sich der Anfall bis zu einer Art von Nachtwandeln oder bis zur Ekstase. Die Anfälle dauern einige Minuten bis Stunden u. haben tage- oder wochenlange Zwischenräume, werden allmälig seltener und schwächer und hören zuletzt ganz auf, Ursachen und Behandlung dieselben wie beim kleinen V. – Vgl. Tänzer.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 589.
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