Wachsthum

[651] Wachsthum, die Massenzunahme des Individuums; Massenzunahme der anorganischen Individuen d.h. der Krystalle, gewöhnlich »Krystallisation« genannt, wenngleich man auch den Sprachgebrauch beibehalten hat »die Krystalle wachsen« und Linné die bekannte Begriffsbestimmung [651] der Mineralien, Pflanzen und Thiere kurz also gibt: »lapides crescunt, plantae crescunt et vivunt, animalia crescunt, vivunt et sentiunt«. Das W. der anorganischen Individuen geschieht durch äußere Ablagerung ein und derselben an organischen Substanz nach bestimmten dieser Substanz selbst immanenten stereometrischen Gesetzen. Das W. der organischen Individuen dagegen durch innere Aufnahme u. Verarbeitung der organisationsfähigen Materie nach einem der Totalität des Individuums gleichfalls inhärenten Plane. Dort sind alle Molekule des Individuums nach Form und Materie einander durchaus gleich, hier besteht das Individuum aus einer großen Anzahl unter sich verschiedener Elemente, die zum Ganzen des Individuums sich verhalten wie die Theile eines Mechanismus zur ganzen Maschine. Die Grunderscheinung, die sich bei allen Organismen, seien es Thiere oder Pflanzen, millionenfach wiederholt, ist die Zellenbildung u. Metamorphose. Die Massenzunahme des organischen Individuums besteht in nichts anderm als in einer innerhalb des Organismus selbst vorgehenden Zellenbildung. Die Anregung zur Zellenbildung aus dem organisationsfähigen Nahrungssafte geht von jedem einzelnen organisirten Molekule, mit dem der zu verarbeitende Nahrungssaft zusammenkommt, aus. Bei dem Thiere heißt diese Flüssigkeit Blut, bei den Pflanzen Zellensaft. Das W. des anorganischen Individuums ist ein nur durch äußere Zufälligkeiten begränzter endlicher Vorgang, das W. des organischen Individuums ist eine durch immanente Gesetze, die für jede Naturspecies wieder eigenthümliche sind, naturnothwendige endlich abgegränzte Erscheinung.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 651-652.
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