Pflanze

[516] Pflanze, von dem lat. planta, ist ein Organismus ohne willkürliche Bewegung. Die P. ernährt sich, wächst, pflanzt ihre Art fort, ist dagegen an den Ort ihrer Entstehung, so weit nicht äußere zufällige Momente einwirken, gebannt u. unterscheidet sich eben dadurch vom Thier, welchem eine wenn auch noch so geringe freie Bewegungsfähigkeit zukommt. Die P. kann ausschließlich von unorganischen Stoffen leben, das Thier nicht. Das Thierreich wurzelt im P.nreich, letzteres verwandelt die leblosen Elemente der unorganischen Welt zu lebenden Organismen um. Die durch die gesammte P.nwelt verbreiteten chemischen Elemente sind der Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und nächst diesen der Stickstoff. Von den übrigen Elementen, welche sich immer nur in verhältnißmäßig kleinen u. veränderlichen Mengen in den P.n finden, kommen vornehmlich noch die Kieselerde, Kalkerde, das Natron und Chlor in Betracht. Außer dem Jod, Brom, Phosphor, Schwefel, Kali, Kalkerde u. Eisen, welche allgemein im P.nreiche verbreitet sind, haben sich noch Spuren von Mangan und Kupfer in lebenden P.n gefunden. Die niedrigste Form einer P. ist die einer geschlossenen mit Ernährungsflüssigkeit gefüllten Zelle z.B.: als Spore der gefäßlosen Kryptogamen, als Staubpilz, als rother Schnee (Protococcus nivalis); die höchste Form eine in Blüte stehende oder mit Früchten bedeckte Gefäß-P., Aggregat von Zellen und Gefäßen, z.B. einer unserer Obstbäume. Der Stoffwechsel ist im Wesentlichen der gleiche bei beiden; bei beiden zersetzen unter dem Einfluß des Sonnenlichtes alle grünen Theile die in der Atmosphäre enthaltene Kohlensäure in der Art, daß sie den Sauerstoff als Sauerstoffgas abgeben und den Kohlenstoff zu ihrer eigenen Entwicklung zurück halten. Bei Mangel an Sonnenlicht zur Nachtzeit geben alle grünen Theile, wie alle nichtgrünen, Kohlensäure an die Atmosphäre dadurch ab, daß sie eben so viel Volumen Sauerstoff aufnehmen und an diesen die zur Kohlensäurebildung nöthige Quantität Kohlenstoff abtreten. Der bei Tag gewonnene Kohlenstoff übersteigt indessen immer den bei Nacht an die Luft abgegebenen. Während die P. auf diese Weise in gasförmiger Gestalt 2 Haupttheile ihrer Constitution, den Kohlenstoff und Sauerstoff, aufnimmt, dient vornehmlich die Wurzel dazu, die übrigen constituirenden Bestandtheile in flüssiger Form, aufgelöst und suspendirt in Wasser, zu gewinnen. Die 3 Hauptbestandtheile C + H + O verwendet der P.norganismus zu den mannigfaltigsten bis jetzt auf keine Weise darstellbaren chemischen Combinationen, die theils als P.nkörper, theils als Secretionen, theils als Excretionen des P.norganismus auftreten. Die Gefäße, welchen außer den Zellen die chemische Verwandlung der aufgenommenen Nahrungsstoffe der P.n zukommt, finden sich nur bei den höheren P., bestehen aus einem cylinderförmigen Schlauch, in dem sich eine ring- oder spiralförmige solide Faser befindet; manchmal sind die ringförmigen Stücke netzartig unter sich verflochten. Die Anordnung und Vertheilung der Gefäße in der P. selbst ist verschieden; bei den einen sind sie zwischen dem Zellensystem unregelmäßig vertheilt, bei den andern stehen sie alle zusammen und bilden einen soliden, zwischen Mark und Rinde befindlichen Holzcylinder. In diesem [516] Falle (bei den 2samenlappigen P.n) steigt der rohe Nahrungssaft in dem Gefäßcylinder von der Wurzel nach oben zu den Blättern, wird in diesen verarbeitet und steigt durch die Rinde als Bildungsstoff für die neuen Zellen und Gefäße abwärts. Sämmtliche Organe der P. lassen sich auf 2 wesentlich verschiedene Systeme zurückführen: die Achse und die appendiculären Organe, deren ausgebildete Form das Blatt ist, während die Achse entweder Wurzel, nach unten wachsend, oder Stengel, nach oben wachsend, ist. Aus Blatt u. Stengel gehen alle Verwandlungen des P.norganismus hervor. Hauptverwandlungen sind diejenigen in die Blüte u. durch diese in die Frucht. Bei allen höheren P.n kommt die geschlechtliche Fortpflanzung vor; die Zeit der Blüte ist zugleich die der Geschlechtsreife und damit der Befruchtung. Der größere Theil der P.n sind Zwitter, bei dem kleinern Theil sind die Geschlechter auf 2 Individuen vertheilt. Die männlichen Organe sind die Staubgefäße (stamina), die weiblichen der Stempel (pistillum); Staubfäden u. Staubbeutel, welche den Blumenstaub enthalten, sind die Theile der Staubgefäße; Narbe, Griffel u. Fruchtknoten sind die Theile des Stempels. Bei der Begattung kommt der Blumenstaub auf die Narbe, von dieser durch das Zellgewebe des Griffels zu den Eiern des Fruchtknotens. Aus den Eiern wird durch die weitere Entwicklung der Same, aus dem Fruchtknoten die Frucht. Bei den geschlechtslosen P.n entwickelt sich die Spore, welche die Stelle des Samens vertritt, zuerst zu einem sogen. Proembryo, aus diesem dann erst durch Knospenbildung die künftige P. Durch Bildung von Adventivknospen können sich auch andere P.ntheile als die Samen, Stengel u. Blätter zu Vermehrung der P.n verwenden lassen. Diese Vermehrung durch Stecklinge dient namentlich dazu, die Eigenthümlichkeit des Individuums zu verpflanzen, während durch den Samen sich nur die Eigenthümlichkeit der Species vermehren läßt. Zur Uebersicht des ganzen P.nreichs werden die Individuen zu P.narten (species), diese zu Geschlechtern (genera) und letztere zu Familien gruppirt. Eine solche Zusammenstellung von Familien nennt man ein natürliches P.nsystem. Abgesehen von früheren Versuchen hat zuerst 1774 Anton von Jussieu ein solches aus 100 Familien bestehend aufgestellt, nachdem sein Onkel Bernhard 1758 dazu den Grund gelegt. Dasselbe ist seitdem namentlich durch Decandolle ergänzt worden. Die Vertheilung der Individuen, Species, Genera und Familien über den Erdball ist Gegenstand der P.ngeographie.Schouw stellte 25 sogen. Reiche auf; die Anzahl sämmtlicher Species schätzt man auf 200000 Arten.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 516-517.
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