Scharnhorst der Ehrenbote

[133] 1813.


Wen erlest ihr für die großen Toten,

Die einst ritterlich fürs deutsche Land

Ihre Brust dem Eisen boten?

Wen erlest ihr als den rechten Boten,

Götter, für das Schattenland?


Wer ist würdig, solche Mär zu bringen:

»Aufgestanden sind die Söhne Teuts,

Millionen Stimmen klingen:

Unsre Schandeketten sollen springen!?

Auch der Donner klingt's des Streits.«


Wer mag Hermann seine Rechte reichen

Und der Väter Angesichter schaun?

Wahrlich keine von den bleichen

Seelen, die vor jedem Sturmwind streichen,

Die zermalmte schier das Graun.
[133]

Nur ein Held mag Helden Botschaft tragen,

Darum muß Germaniens bester Mann,

Scharnhorst muß die Botschaft tragen:

»Unser Joch, das wollen wir zerschlagen,

Und der Rache Tag bricht an.«


Heil dir, edler Bote! Hohe Weihe

Gibt dein Gang dem deutschen Waffenspiel:

Jeder wird ein Held in Treue,

Jeder wird fürs Vaterland ein Leue,

Wann ein solcher blutig fiel.


Heil dir, edler Bote! Männerspiegel,

Biedermann aus alter, deutscher Zeit!

Herrlich grünt dein Grabeshügel,

Und der Ruhm schlägt seine goldnen Flügel

Um ihn bis in Ewigkeit.


Und er steht uns wie ein heil'ges Zeichen,

Wie ein hohes, festes Götterpfand,

Daß die Schande wird entweichen

Aus dem Vaterlande grüner Eichen,

Aus dem heil'gen deutschen Land.


Wann einst fromme Herzen deutsch sich finden,

Ohne Eide mit dem Händedruck

Werden hier sie Treue binden,

Bräuten, welche Hochzeitkränze winden,

Blühet hier der Ehrenschmuck.


Wann sich Männer nächtlich still verschwören

Gegen Lug und Vaterlandsverrat,

Gegen Gaukler, die betören,

Gegen Memmen, welche Knechtschaft lehren,

Hieher lenken sie den Pfad.


Will der Vater seinen Sohn bewehren,

Hieher führt er ihn im Abendschein,

Heißt ihn knien, heißt ihn schwören,

Treu des Vaterlandes heil'gen Ehren,

Treu bis in den Tod zu sein.


So blüht Tugend aus der Tugend Samen

Herrlich durch die Zeiten ohne Ziel;

Buben zittern bei dem Namen,

Edle rufen Scharnhorst! wie ein Amen

Für das gläubigste Gefühl.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 133-134.
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