Der Verdienstadel

[172] Mutter.


Wer klopft so spät? Kein Schwefelfaden,

Kein Kiehn ist mehr in meinem Laden!


Sohn 1.


Nein Mutter, hört es an dem Ton,

Vor eurer Thür ist euer Sohn.


Mutter.


Nachts kommst du, Tagdieb, im Gewitter!


Sohn 1.


Ihr irrt, ich bin nun reich und Ritter,[172]

Und bring euch mit die Fraue mein,

Des Fürsten schönes Töchterlein.


Sohn 1.


Steht immer auf, macht auf den Laden,

Das Ungewitter war mein Wagen.


Schwiegertochter.


Frau Schwiegermutter, ihr verzeiht,

Ich komm zu euch bestäubt, doch weit.


Mutter.


Frau gnäd'ge Tochter, muß mich schämen,

Sie müssen hier vorlieb schon nehmen,

Ich hab erst heute ausgekehrt,

Doch hat sich keiner dran gekehrt.


Mutter.


Mein lieber Sohn, dich zu empfangen;

Ich bin zu arm und voller Bangen,

Das gehet nimmermehr hier an,

Hier war noch nie ein Rittersmann.


Sohn 1.


Macht, liebe Mutter, auf das Zimmer

Von meiner Jugendzeit voll Trümmer,

Da ist der Helm, den ich gemahlt,

Mit Schlägen ward er mir bezahlt.


Schwiegertochter.


Frau Schwiegermutter, seid geküsset,

Der edle Zweig, der aus euch spriesset,

Ich hang an ihm wie eine Frucht,

Und freu' mich eurer guten Zucht.


[173] Mutter.


Ach gnäd'ge Fürstin, zu viel Ehre! –

Da klopft's, daß uns nur keiner störe,

Wer ist schon wieder vor der Thür?

Jetzt ist die hohe Fürstin hier!


Sohn 2.


Dem jüngsten Sohn mach auf die Thüre,

Lieb Mutter, daß er zu dir führe

Die Beute aus dem Mohrenland,

Viel Demant und viel goldnen Sand.


Mutter.


Mein Gott, was soll ich nun beginnen,

Ich kann mich gar nicht mehr besinnen,

Wenn das ein Traum! Ich wäre froh,

Ich brenn vor Freude lichterloh.

Wie soll ich für so hohe Leute,

Wie soll ich zu so großer Freude

Die Schlüssel kriegen, die versetzt,

Die Speise, welche müde letzt.


Sohn 2.


Lieb Mutter, seid doch unbekümmert,

Seht doch wie hell das Silber flimmert,

Die Speisen, wie sie riechen schön,

Ihr Sklaven macht ein schön Getön'.


Mutter.


Wie soll ich hier so ruhig sitzen,

Kann ich nichts putzen? Wie sie blitzen,

Die Teller, seid ihr sicher auch,

Denn Stehlen ist hier gar sehr Brauch.


[174] Sohn 2.


Seid unbesorgt! Wollt ihr von diesem?


Mutter.


Es ist zu fein, hab's abgewiesen.


Sohn 2.


Frau Schwägerin, habt ihr gehört,

Was Mahomed im Koran lehrt?


Schwiegertochter.


Ja daß wir Christen, wollt ihr zeigen,

Ihr laßt im Glase keine Neigen.


Sohn 2.


Ich danke für den frischen Trank;

Dies zu der Mutter hoch erklang.


Mutter.


Was soll ich sprechen, das sich schicket,

Wenn ich die Kostbarkeit erblicket,

So hilft nun all mein Sparen nicht,

An beiden Enden brennt das Licht:

Zwei Ritter sind die Lümmelsöhne,

Mein Töchterlein die Fürstin schöne,

Und so viel Köstlichkeit ist mein,

Als nimmer kam zur Stadt hinein.


Ein Bedienter.


Da ward sie's Teufels vor Vergnügen,

Ein Sohn sie sah im Rauchfang fliegen,

Sie sahen sich bestürzet an,

Wie sich's so traurig enden kann.


Sohn 1.


Wo ist die Mutter hingeflogen?

Auf ihrem Besen weggezogen?


[175] Sohn 2.


Und durch den Rauchfang, daß es kracht,

Des Teufels Herr darüber lacht.


Sohn 1.


Hohläugig sahn mich an die Fenster,

In jeder Scheibe viel Gespenster.


Sohn 2.


Die Tage sind's, die wir versäumt,

Hier eingesperrt, da alles keimt.


Sohn 1.


Wohl wie ein unbewohntes Zimmer

Sehr schleunig fällt in Staub und Trümmer,

Wenn drin erscheint ein Menschentritt,

So rissen wir die Mutter mit.

Und alt in einem leeren Leben,

Und jung in frischer Freude Schweben

Sie hielt nicht aus den Mißverstand,

Den Besen nahm sie gleich zur Hand.


Schwiegertochter.


Ach sieh doch wie die Katzen jammern,

Am Feuerhaken aufwärts klammern,

Ach lieber Mann, mir wird so bang,

Du machst doch nicht denselben Gang?


Sohn 1.


Du mußt doch folgen, wo ich gehe,

Gedenke an die heil'ge Ehe,

Trau meinem Glück', es löst mich aus

An deinem Arm von Stamm und Haus.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 172-176.
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