Abendlied

[311] Mündlich.


Nun laßt uns singen das Abendlied,

Denn wir müssen gehn,

Das Kännchen mit dem Weine,

Lassen wir nun stehn.


Das Kännchen mit dem Weine,

Das muß geleeret seyn,

Also muß auch das Abendlied

Wohl fein gesungen seyn.[311]


Wohl unterm grünen Tannenbaum,

Allda ich fröhlich lag,

In mein feins Liebchens Armen

Die lange liebe Nacht.


Die Blätter von den Bäumen

Die fallen nun auf mich,

Daß mich mein Schatz verlassen hat,

Das freuet wohl mich.


Daß mich mein Schatz verlassen hat,

Das kömmt wohl daher,

Sie dacht sich zu verbessern,

Betrog sich gar sehr.


Des Abends, wenn es dunkel wird,

Steht er wohl vor der Thür,

Mit seinem blanken Schwerdte,

Als wie ein Offizier.


Mit seinem blanken Schwerdte,

Gleich einem rechten Held,

Mit ihm will ich es wagen,

Ins weite, weite Feld.


Mit ihm will ich es wagen,

Zu Wasser und zu Land,

Daß mich mein Schatz verlassen hat,

Das bringt mir keine Schand.


Das Abendlied gesungen ist,

Das Kännchen ist geleert,

Laß sehn nun wie du Kerl aussiehst,

Mit deinem blanken Schwerdt.[312]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 311-313.
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