Der Färber1

[297] Mitgetheilt von H.v. Wessenberg.


Kummet her! kummet her ihr jungi Leut',

Und still und stille 'ne kleini Zeit,

Und höret was will i eu singe! –

Was dieß Johr sich begebe hat

Zu Miltau in der werthe Stadt,

So gar viel traurige Dinge.

Ein kunstreicher Mahler in dieser Stadt

Mit seiner Frauen erzoge hat

Ei' Tochter und die ist schö' bestellt,

Und sie ist billig zu lobe,

Es lobet sie nu jederma,

Ma' bhalt sie sehr in Ehre,

Sie schicket sie in d' Schul und Lehre,

Ka' schriben und lese nach Begehre,

Man brucht sie nit lang zu weise.[297]

Jeztunter e' braune Färber kam,

Thät sie zur Eh' begehre.

Der Mahler sprach: »Es hat no' Zeit,

Noch all' e Jahre zwey oder drey;

Sie muß no' länger warte.« –

Die Mutter sprach: »Schämt ihr üch nit,

Weil sie noch jung und närrisch ist.« –

Sie thät der Sache wehre.

Es wur' ihm rund abg'schlage.

Das thut ihr i' dem Herze so weh,

Die Antwort sie verdrosse,

Weil sie so heimli hätt' die Eh'

Dem Färber scho versproche.

Er geit ihr au' en ehlige Pfand,

E' schö' Goldstück wohl uf die Hand.

Dabey hät sie versproche,

Sie wöll no warte drey, vier Johr,

Bis das er wieder käm gelofe.

Dabey soll es nu bleibe.

»Ade! mei Kind! izt mu'ni fort,

Mei Herz ist voller Leide.

Sie heißt ihn i Gottsname bald,

Durch Berg und Thal und Wasser und Land

Zu ihre wieder kumme.

Er goht nach seines Vaters Haus,

Den Abschied thut er nemme.

Der Vater geit ihms Gleit hinaus

Wie wackere Handwerksg'selle.

Und do der Färber war eweg,

Wär' niene meh vorhande,

Thut sich e' reiche Wittma dar,

Viel Gut hät er beysamme.

Die Tochter sprach: »O Elteren i bitt,[298]

Mir kommet nit zusamme.

Will lieber bleibe ganz alley,

Kei Wittma' mag ih nit nemme.« –

Der Vater sprach: »Du mußt en ha,

Ih thu di nit lang frage.«

Er ließ sie au zusamme bald,

Die Tochter mit dem alte Ma,

Zu ihrem gröste Schade.

Sie wurde krank wohl a der Stätt,

Ma muß sie legen i das Bett,

Empfindt sie Weh und Schmerze.

Sie war so voller Kümmerniß,

Und durft's au Niemed klage,

Wenn sie sonoft as Goldstück denkt,

Wonihre der Färber hätt gebe.

Sie wurdi krank und kränker je,

Thät nimmer uferstehe. –

Zu Preuß dort in der Rosen, am Tag,

Bey der Nacht hätt er sie g'sehn.

Er hört sie klägeli weine.

Er sieht sie ineme weise Kleid,

»Das ist mi Brut, ihr helle Schei

Was ist ihr doch geschehe?!«

Und dones morndriges Tages war,

Er ließ si setze uf die Post,

Thut nacher Moldau jage.

Allein er kommt ja viel zu spat,

Si Braut ist scho vergrabe. –

Er goht wohl uf de Kilihof,

Nimmt Haue und Spad so viel er mag,

Er thut si nit lang weile,

Er grabt die Todebahr heraus,

Die Tode thut si richten auf,[299]

Sie stellt sie uf die Erde,

»Ach Gott! ach Gott! warum bin i do!

Wer thut mi izt erquäle?!« –

Der Färber sprach: »Kennt ihr mi nit,

Der eu das Goldstück hätt gebe,

Wienihr mir händ so treuiglich,

Wienihr mir händ versproche,

Ihr wöllet no warte dry vier Johr,

Bis daß ih wieder käm geloffe.« –

Er nimmt sie by der wise Hand,

Thut sie nach Hause führe,

Zunihrem erste Bräutigam,

Wienes si thut gebühre.

Er klopfet a der Thüre a

Mit ungehöfligem Herze,

Der Junge hätt ihm aufgethan,

In d'Stube thät er sie führe.

Er wünscht dem Hochzeiter e guti Zeit

Mit ungehöflichem Herze:

»Do bring i eueri Liebi hai

Wohl us der kühligen Erde.« –

Der Hochzeiter verschrikt, fallt in Ohmacht,

Und stirbt au no i der selbige Nacht

Empfindet sie Weh und Schmerze.

Izt wartet sie none halbes Jahr,

So liesset si das neue Paar

Druf no der Kilche führe.

Und das ist ein seltami Eh

Wo diese drey Persone,

Desgleiche nie geschehe wär,

Noch niemal wär vernomme.

1

Der Dialekt, in der diese Romanzen gesungen wurden, ist nicht ganz die ländliche Volkssprache – des hauensteinischen Schwarzwalds; sondern es ist die Volkssprache, die das Hochdeutsche zu sprechen affektirt.

Die Melodie – nach welcher diese Romanzen gesungen wurden, war mehr rhytmische Deklamation, als Melodie. Ein Linienpaar war der Satz des Rhytmus wovon die erste Linie die Kadenz, die zweite das Finale machte.

Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 297-300.
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