O weh!

[68] Knopp verfügt sich weiter fort

Bis an einen andern Ort.

Da wohnt einer, den er kannte,

Welcher Piepo sich benannte.


Aus dem Garten tönt Gelächter,

Piepo ist's und seine Töchter.


O weh!

»Dies, mein lieber Knopp, ist Hilda,

Dort die ältre heißt Klotilda.

Hilda hat schon einen Freier,

Morgen ist Verlobungsfeier,

Doch Klotilda, ei ei ei,

Die ist noch bis dato frei.« –


O weh!

Oh, wie ist der Abend milde!

Knopp, der wandelt mit Klotilde,[68]

Die ihm eine Rose pflückt. –

Und er fühlt es tief beglückt:

Knopp, in diesem Augenblick,

Da erfüllt sich dein Geschick. –


Drauf hat Piepo ihn geleitet,

Wo sein Lager zubereitet.


O weh!

»Hier« – so spricht er – »dieser Saal

Ist für morgen Festlokal.


O weh!

Hier zur Rechten ist die Klause,

Stillberühmt im ganzen Hause;


O weh!

[69] Und hier links da schlummerst du.

Wünsche recht vergnügte Ruh!«


O weh!

Knopp ist durch und durch Gedanke

An Klotilde, jene Schlanke,

Und er drückt in süßem Schmerz

Ihre Rose an sein Herz.

»O Klotilde, du allein

Sollst und mußt die Meine sein.« –


Darauf ist ihm so gewesen:

Knopp, du mußt noch etwas lesen. –


O weh!

[70] Gern erfüllt er sein Verlangen;

Still ist er hinausgegangen

Und bei seiner Kerze Strahl

Hingewandelt durch den Saal. –


Oftmals kann man müde sein,

Setzt sich hin und schlummert ein. –


Erst des Morgens so um achte,

Als die Sonne freundlich lachte,

Dachte Knopp an sein Erwachen.

Er erwacht durch frohes Lachen. –

Dieses tut die Mädchenschar,

Welche schon beschäftigt war,


O weh!

Um an dieses Festes Morgen

Für des Saales Schmuck zu sorgen. –[71]

»Ewig kannst du hier nicht sein« –

Denket Knopp voll Seelenpein.

Und so strömt er wohl verdeckt

Da hervor, wo er gesteckt.


O weh!

Groß ist seines Laufes Schnelle;

Aber ach, die Kammerschwelle

Ist ihm äußerst hinderlich.


O weh!

Hopsa! – Er entblättert sich. –
[72]

O weh!

Heimlich flieht er diesen Ort

Und begibt sich weiter fort.


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 68-73.
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