Sechstes Kapitel

Sechstes Kapitel

[235] In der Kammer, still und donkel,

Schläft die Tante bei dem Onkel.


Sechstes Kapitel

[235] Mit der Angelschnur versehen

Naht sich Lenchen auf den Zehen.


Sechstes Kapitel

Zupp! – Schon lüftet sich die Decke

Zu des Onkels großem Schrecke.


Sechstes Kapitel

[236] Zupp! – Jetzt spürt die Tante auch

An dem Fuß den kalten Hauch.


Sechstes Kapitel

»Nolte!« – ruft sie – »Lasse das,

Denn das ist ein dummer Spaß!«


Sechstes Kapitel

[237] Und mit Murren und Gebrumm

Kehrt man beiderseits sich um.


Sechstes Kapitel

Schnupp! – Da liegt man gänzlich bloß

Und die Zornigkeit wird groß;


Sechstes Kapitel

[238] Und der Schlüsselbund erklirrt,

Bis der Onkel flüchtig wird.


Sechstes Kapitel

Autsch! Wie tut der Fuß so weh!

An der Angel sitzt die Zeh.


Sechstes Kapitel

[239] Lene hört nicht auf zu zupfen,

Onkel Nolte, der muß hupfen.


Sechstes Kapitel

Lene hält die Türe zu.

Oh, du böse Lene du!


Sechstes Kapitel

[240] Stille wird es nach und nach,

Friede herrscht im Schlafgemach.


Am Morgen aber ward es klar,

Was nachts im Rat beschlossen war.

Kalt, ernst und dumpf sprach Onkel Nolte:

»Helene, was ich sagen wollte: –«


Sechstes Kapitel

»Ach!« – rief sie – »Ach! Ich will es nun

Auch ganz gewiß nicht wieder tun!«


Sechstes Kapitel

»Es ist zu spät! – Drum stantepeh

Pack deine Sachen! – So! – Ade!«
[241]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 235-242.
Lizenz:
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