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[433] Das Fräulein Ammer kost allhier
Mit Schnick, dem allerliebsten Tier.
Sie füttert ihn, soviel er mag,
Mit Zuckerbrot den ganzen Tag.[433]
Und nachts liegt er sogar im Bett,
Da wird er freilich dick und fett.
Einstmals, als sie spazierengehen,
Sieht man den Hundefänger stehen.
[434] 
Er lockt den Schnick mit einer Brezen,
Das Fräulein ruft ihn voll Entsetzen.
Doch weil er nicht gehorchen kann,
Fängt ihn gripsgraps der böse Mann.
[435] 
Seht, wie er läuft, der Hundehäscher!
Und trägt im Sack den dicken Näscher.
Gern lief er fort, der arme Schnick,
Doch ist er viel zu dumm und dick.
[436] 
»Den schlacht' ich!« spricht der böse Mann,
»Weil er so fett und gar nichts kann.«
Das Fräulein naht und jammert laut,
Es ist zu spat; da liegt die Haut.[437]
Zwei Gülden zahlt sie in der Stille
Für Schnickens letzte Außenhülle.
Hier steht der ausgestopfte Schnick. –
Wer dick und faul, hat selten Glück.
[438] 
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