Die dritte Reise[129] 1

Die Flüsse sind los. Die Weiden sind grün.

Die Nachtigall rufet den Gatten ins Laub.

Auf, Krieger! auf, auf! Und hörest du nicht

Den ehernen Ruf in's Gefild?


Schön wirbelt der Ruf. Ihn höret dein Roß,

Und wiehert und stampfet. Auf, Krieger! entheb'

Dein Heldengeschmeid' der ruhigen Wand!

Auf, schmücke dich, zäume dein Roß!


Hinan in's Gefild! hinan in's Gefild!

Dort warten sie deiner die Lenker der Schlacht.

Du kennest sie längst. Sie kennen auch dich.

Ihr saht euch in Feuer und Staub.


Hinan in's Gefild! hinan in's Gefild!

Der Waffen und Heldenbemühungen Freund,

Der Liebling des Ruhm's, dein Vater und Haupt,

O Krieger! auch Joseph ist dort.
[130]

Im thürmenden Wien, da saß er und schalt

Den zögernden Winter, und wünschte den Lenz,

Und seufzte, sobald im Saale sein Aug'

Die Väter im Panzer ersah.


Und schlief er, da war's, als kläng' ihm das Erz,

Als wehten die Fahnen, und blitzte der Stahl,

Als krachten um ihn die Donner der Schlacht.

O Krieger! er träumte von dir.


Nun kehrte der Lenz. Noch gab er den Kuß

Der scheidenden Schwester2, ein Bruder und Held,

Und wandte sich weg, und eilte zu dir,

O Krieger! in's Eisengefild.


Hat etwa sein Wien nicht Reize genug,

Nicht gold'ne Gerichte, nicht Göttergetränk,

Nicht Hallen, geschmückt mit jeglicher Kunst,

Nicht Tänze, nicht Saitengetön?


Und brannte nicht erst im feiernden Wien

Auf Joseph's erhabener Mutter Gebot[131]

Zur neidischen Nacht ein sterniger Bau,

Ein sterniges Blumengefield'3?


Und locket der Tag, hat Joseph nicht Lenz

In deinem Gebiete, du feierndes Wien!

Nicht Vögelgesang, und Fluthengeräusch,

Nicht Blumen, und Schattengewölb'?


Und will er nicht ruh'n, und suchet er Schweiß,

Wie? schallet kein Jagdruf? erhitzt ihn kein Hirsch?

Und fasset er nicht im Haine den Spieß,

Und stößt ihn dem Eber in's Herz?


Und ehrte sein Volk ihn minder darum?

Und blieb' er nicht Herrscher der Deutschen auch dann?

Und freu'ten vor ihm sich Fürsten nicht so?

Und freuen sich Fürsten nicht so?


Doch kann er? – Und wie, wie trieb' er von sich

Die Geister der Ahnen, sein helles Geleit?[132]

Sie schweben um ihn, und winken. Er schaut,

Sieht Arbeit und Ehre vor sich.


Wie zwäng' er den Ruf, den mächtigen Ruf,

Der stets ihm die schwellende Seele durchfährt?

Ihn hörte der Knab', und Jüngling mit Lust;

Wie zwäng' ihn nun Joseph der Mann?


Schön locket der Ruf, den Söhnen von Teut

Ein Schirmer, den Fürsten ein Beispiel zu seyn,

Von allen gefolgt, von keinem erreicht,

Unsterbliche Thaten zu thun.


Ha, lockender Ruf! Er folgt dir, er folgt!

Ha, Geister der Ahnen! Er folgt euch, er folgt!

Dort trägt ihn sein Roß in Wolken von Staub

Die reisigen Haufen hinan! –


Und blieb' ich zurück, sein Barde? Mein Geist,

Nimm Flügel, und folge durch Wolken von Staub!

Und dulde mit ihm den brennenden Tag,

Die Wasser vom Himmel herab!


Und lebet das Feld auf Joseph's Gebot[133]

Von seinen Versuchten, und wieherts umher,

Und donnert der Grund vom Schlage des Hufs,

Dann schaure du freudig empor.


Dann sieh'st du die Glut der krieg'rischen Lust

Auf Joseph's Gesichte, dann siehst du den Muth,

Den Lenker der Schlacht, des narbigen Mann's,

Des Jungen in Waffen entflammt.


Dann ahnet's dir schön. Dann sing'st du zunächst

Am Rosse des Herrschers: O spielet nur itzt

Auf Joseph's Gebot dieß eiserne Spiel!

Einst sieg't ihr auf Joseph's Gebot.


Und glitte vielleicht dem Herrscher indeß

Ein Tropfen des Schweißes die Wangen herab,

Und finge mein Kranz den gleitenden auf,

Wo glich' ihm in Deutschland ein Kranz?

Fußnoten

1 Nach Ungarn 1770.


2 Antonia, vermählten Dauphine.


3 Im kaiserlichen Lustschlosse Belvedere genannt aus Gelegenheit der dauphinischen Hochzeitfeier.


Quelle:
Michael Denis: Auserlesene Gedichte, Passau 1824, S. 129-134.
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