|
Lange verzögert sein Rad. Kein wallender Staub
Kündet den Kommenden an.
Immer noch horchet mein Ohr. Vergebens! kein Laut
Fröhlicher Hörner ist nah'.
Trüb', wie das sinkende
Jahr, ist die Kaiserstadt.
Still ist sein Giebel, und leer sein Fürstengemach.
Hat er sein niedriges Dach mit Söhnen der Schlacht
Wieder im Felde gespannt?
Bricht er den Schlummer, der Freund des eisernen Spiel's,
Wenn sich der Hahnenruf heb't?
Stürmet sein Heergebot
Seine Gewaltigen
So wie die Flocken der Nord, die Fluren hinan?
Männer der Wunden2! euch ehr't der Barde. Sein Herz
Folgt euch in jede Gefahr.[135]
Thaten des Stahles gethan mit mächtiger Faust
Feiert mit Wonne sein Spiel.
Aber in dieses Lied
Krache kein Flammenschlund,
Klirre kein Eisengeschmeid, und brause kein Roß!
Joseph ist jetzo nicht Held, nicht wohnet er jetzt,
Männer der Wunden! mit euch.
Joseph ist Vater des Volk's. Dem Vater des Volk's
Singet sein Barde dieß Lied.
Wünsche des dankenden,
Seufzer des liebenden,
Stimmen des lobenden Volk's! o tönet darein!
Stille beherrschte das Land. Da schwang sich ein Weh,
Moldau von deinem Gestad',
Elbe! von deinem Gestad', jetzt heller, und jetzt
Ohrebetäubend empor.
Eben so rauschet in
Wipfeln das Espenlaub
Leise, nun stärker, und nun erbrauset der Sturm.
Elbe! was klagest du so? Was klagest du so,
Moldau! zur bebenden Luft?[136]
Tränket ein Gegner in euch den blutigen Spieß?
Wälzet ihr Leichen in's Meer?
Täuschte das Adleraug'
Joseph's ein feindlicher
Heerzug, und stemmt sich kein Schild entgegen? – O nein!
Dieß ist die Klage der Noth. So furchtbar ertönt
Mangel zur bebenden Luft.
Ganze Geschlechter die seh'n nach Früchten des Pflug's,
Schätzen des Lebens umsonst.
Bleich ist ihr Antlitz, und
Dämmernd ihr Augenlicht.
Tief aus dem Eingeweid' heult ihr Hunger empor.
Jetzo vernimmt ihn das Ohr von Joseph. Sein Herz,
Vaterempfindungen voll,
Flügelt sich, Elbe! zu dir vom thürmenden Wien,
Flügelt sich, Moldau! zu dir.
Harre der Boten nicht,
Die dir dein Herrscher schickt!
Joseph ist Herrscher. Kein Bot', er selber, er kömmt!
Er! der Entscheider des Werth's, er kennet, und liebt,
Elbe! dein tapferes Volk.[137]
Moldau! die Söhne von dir sind Busen von Stahl,
Felsen im Schwalle der Schlacht.
Kann er sie schmachten seh'n?
Mutter des Herrschers! er
Erbte dein göttliches Herz. Er eilet, er kömmt!
Sing' ich ihn jetzo den Wunsch, den feurigen Wunsch,
Der sich im Geiste mir hebt?
Töne dir ruf' ich hervor, o könnt' ich auch so
Rufen die Fürsten der Welt!
Alle sie stünden, und
Sähen auf Joseph, und
Sprächen: O Beispiel! wer liebt, wie dieser, sein Volk?
Saiten, o jauchzet es nach! Wer liebet sein Volk,
Wie mein Gebieter es liebt!
Hält ihn im thürmenden Wien sein goldenes Dach
Herrscherergötzungen voll?
Hält ihn ein liebender
Bruder, ein Schwesternpaar,
Hält ihn der zärtlichste Blick Theresien's auf?
[138]
Schreckt ihn das sinkende Jahr, der Flügel des Nord's
Von den Sudeten3 herab?
Schrecken ihn Felsen den Freund der Arbeit, und Wald,
Tiefen und Höhen, und Strom?
Scheuchen ihn Hütten, wo
Landmann und Mangel wohnt,
Scheucht ihn das blasse Gesicht des Hungers zurück?
So wie der kommende Tag den schweigenden Flug
Räub'rischer Eulen verstralt,
Schatten und Nebel zerstreut, so schwindet die Noth
Vor dem Gebieter hinweg.
Einsicht und Rath und Fleiß,
Huld und Gerechtigkeit
Hellen, wie Sonne, vor ihm die Gegenden auf.
Klein ist sein dienend Gefolg. Und wär' er denn nicht
Joseph auch ohne Gefolg?
Feier und Ehrengepräng' verlenkt er, begnügt,
Menschenretter zu seyn.
Auch der Geringste tritt[139]
Freudig vor ihn, und spricht,
Kehret entzücket, und ruft: Ein Herrscher, wie Gott!
Harfe! das wirb'le du nach! Ein Herrscher, wie Gott,
Ist er ein Vater des Volk's.
Hätten ihn Fremde, nicht wir, ihr Freudengeschrei
Schlüge die Wolken hinan.
Aber wir Söhne Teut's,
Stiller und thätiger,
Jauchzen zwar minder, als sie; doch lieben wir mehr.
1 Nach Böhmen, 1771.
2 d.i. die Krieger!
3 Von dem Riesengebirge.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro