[39] Erforsche mich Gott! und erfahre mein Herz! Prüfe mich; und erfahre, wie ich es meyne; und sih, ob ich auf bösem Wege bin; und leite mich auf ewigem Wege!
Schöpfer! der du alles kennest,
Was in meinem Herzen ruht:
Der du es mit Namen nennest,
Ob es irrig, ob es gut:
Schaue, was für Dunkelheiten
Sich durch meine Seele breiten;
Und gebiete deinem Licht,
Daß es meine Nächte bricht!
Herr! ich bin mir selbst verborgen.
Wem ist wol sein Herze kund?
Tausendmal in Einem Morgen
Aendert sich sein innrer Grund.
Träume, die kein Wesen halten,
Ungewisse Scheingestalten,
Licht und Schatten, Wahn und Witz
Wechseln stets in seinem Sitz.
[40]
Dennoch richt ich mein Beginnen
Nur nach eignem Dünkel ein,
Und es wollen meine Sinnen
Klüger, als du selbsten, seyn.
O welch döhrichtes Geschöpfe!
Haben denn die schnöden Töpfe,
Die ein leichter Streich zerstört,
Ihren Schöpfer je gelehrt?
Nun! ich weiß durch Tausend Proben,
Daß mein Tuhn mich stets betriegt,
Bis die hohe Macht von oben
Sich zu meiner Schwachheit fügt.
Drum, o einig-weyses Wesen,
Sorge du für mein Genesen;
Und eröffne deinem Knecht,
Was verboten, was gerecht!
Schau herab von deinen Höhen,
Und erforsche meinen Gang!
Sihest du mich irre gehen,
O so warte nicht zu lang!
Reisse mich mit starken Armen
Durch dein heiliges Erbarmen
Von dem Weg, den ich berührt,
Eh er mich zur Höllen führt!
[41]
Herr! ich fühle deine Stärke,
Die mir Licht und Trost verheißt.
Deiner Gnade Wunderwerke
Wirken schon in meinem Geist.
Ja du willt, du willt mich führen,
Wenn sich Bahn und Tag verlieren.
Deine Rechte leitet mich;
Und ich gehe sicherlich.
O wie selig, welcher immer
Unter deiner Führung steht!
Höchster Führer, weiche nimmer,
Bis mein Lauff zum Ende geht!
Leüchte meinem Angesichte,
Bis ich einst in vollem Lichte,
Frey von irrtumsreichem Wahn
Deine Gottheit schauen kan!
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