23. Als H. Görg Wilhelm Pöhmer von ihm aus Moskaw nach Deutschland verreisete

[135] 1634 November.


Bis hieher war dein Ziel. Nun zeuchst du, süßer Freund,

mit Ehren wieder heim, wo deine Sonne scheint

und meine Hoffnung blüht. Zwar, wäre Wündschen Können,

und wäre Wollen Tun, du soltest nicht von hinnen

und so den Rückzug tun. Ich läge dir stets an,

damit mein langer Weg nicht würd' ohn' dich getan,

o du mein Pylades! Mein Phöbus würde brünstig,

säng' höher als zuvor, weil du ihm wärest günstig,

an dem es ihm sonst fehlt. Kein Ekel, kein Verdruß

des Reisens stieß' mich an, den ich sonst fürchten muß.

Zeuch aber, wie du tust, weil ja der Rat der Sternen

dich heißt zurücke gehn! Der muß mehr sehn und lernen,

der noch nicht gnugsam kan. Du, dieser Jahre Pracht,

hast die Vollkommenheit selbselbsten leer gemacht.

Dein weises Tun tut kund, worzu du bist geboren:

zu nichts, als was dir gleicht. Hast keine Zeit verloren

beim Spiel' und um ein Glas, nicht, wie wol mancher pflegt,

der mehr Herz' in dem Mund', als Mund im Herzen trägt,

der eh' nicht ist ein Man, als bis er kömmt zu Frauen.

Bist jung gegangen hin, um nicht nur anzuschauen,

was Feind mit Feinden tut, bist selbst gebrochen raus,

hast deinen Gegenteil voran gefordert aus,

das Kriegern rühmlich ist. Der neulich große König

war dir nach Würden hold. So zeugst du auch nicht wenig,

wie wol du deine Zeit bei dem hast angelegt,

der unsers Landes Last auf seinen Achseln trägt,

ein Atlas dieser Zeit. Die Blüte deiner Jugend

streut von sich weit und breit den Ruch von aller Tugend.

Kein schönes Buch geht aus, du weißt es, eh' es kömmt,

und kanst es, eh' es der kaum in die Hände nimmt.

Thuanus lebt in dir, des Grotii Gemüte,

des Heinsius sein Geist bewohnen dein Geblüte.

Und solle gleich durch Neid Barclaius untergehn,

so würd' er doch durch dich hinwieder ganz dastehn:[135]

so fertig bist du sein. Du liebst, was wert zu lieben,

und setzest es in dich. Was Opitz hat geschrieben,

was unser Werder singt, das kanst du ohn' Gefähr

und sagst es ohne Buch auf einen Nagel her,

das Keiner von uns kan. Ich wunder' mich der Gaben.

Denn was wir Andern halb, ja kaum nur einzeln haben,

Gedächtnüß, Wissenschaft, Beredsamkeit, Verstand,

das hat der Himmel ganz allein auf dich gewandt.

Das tut ein Geist wie du: er adelt seinen Adel,

wie hoch er durch sich selbst, hält diß für einen Tadel,

zwar vom Geschlechte groß, doch klein am Wissen sein.

Den Stamm, das Rittergut, das erbt man ingemein,

Kunst will gelernet sein. Der Helm, das Feld, die Fahnen

sind der verdiente Lohn der ritterlichen Ahnen.

Wird ihre Tugend nicht den Kindern eingesenkt,

so ist es wie ein Traum, an den man sehnlich denkt

und sich mit Schmerzen freut. Die Ehre wird zur Schande,

die ohne Würden ist. Der Hohn wächst mit dem Stande.

Der ist gedoppelt groß, wo Adel und Verstand

in gleicher Höhe stehn. Dein schönes Vaterland,

das große Nürnberg lacht ietzt mitten in dem Weinen

und blicket schon nach dir. Die hocherfreuten Deinen

sehn auf dich, wenn du kömst. Die schöne Pegnitz läuft,

sie weiß nicht, was für Zier sie in der Eil' ergreift,

reißt Pol und Aklei aus, bricht Rosen und Violen,

mit Näglein untermengt. Des Glückes Schwestern holen

die güldnen Fäden her, Apollo bricht ein Reis

von seinem Lorber ab; der Ehren Kind, der Preis,

versetzt dir einen Kranz, den trägt dir das Gerüchte

auch itzt entgegen schon. Diß sind der Tugend Früchte.

Der Ruhm, der wird dein Lohn. Nun weise deiner Stadt,

was dein geübter Sinn so viel erfahren hat!

Dein Lob, das stirbet nicht. Ich werde weiter müssen.

Mein Sinn ist unvergnügt an Moskau ihren Flüssen,

will stärker Wasser sehn, ist wie schon auf der Rha,

in Amphitritens Schoß, der Göttin von Sala,

und was er itzt nicht weiß. Gott gebe seinen Segen!

Ich ziehe förder hin, Matuta, dir entgegen.[136]

Sei Titan mir geneigt! Ich beuge mich vor dir,

wann du aus Thetis Schoß zu Morgen tritst herfür.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 135-137.
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