Das IX Hauptstück.
Von Fügung der Bindewörter.
(Conjunctionum.)

[589] 1 §. 1 Anmerkung.


Das Bindewort und, nebst andern seines gleichen, knüpfet gleiche Zahlen und Endungen der Hauptwörter zusammen.


Z.E. Geduld und Hoffnung; Glück und Zeit etc. Zeit und Stunde ist noch nicht da. Gnädigster König und Herr! Mein Herr, und mein Gott, u.s.w. Es müßte denn seyn, daß in Ansehung der Zahlen, die eine Sache, so ihrer Natur nach, nur einfach oder vielfach wäre, dennoch mit einer andern entgegengesetzten zusammengehörte: z.E. Kaiser und Stände des Reichs; Sonne, Mond und Sterne etc. Sowohl der König, als seine Unterthanen. Sonst aber würde es ein Fehler seyn, zu sagen: ich habe Tag und Nächte vergebens gewartet. Es muß heißen: Tag und Nacht; oder Tage und Nächte. Er rühret weder Hand und Füße, ist falsch; es muß heißen, weder Hände noch Füße, oder weder Hand noch Fuß. Haben die lateinischen Dichter das nicht beobachtet, wie man mir einwendet: schlimm genug!


2 Anmerkung.


2 §. Die Bindewörter verknüpfen auch gleiche Arten und Zeiten der Zeitwörter mit einander.


Z.E. Wo er geht und steht, nicht stund; was wir wünschen und hoffen, nicht hoffeten. Das will ich thun[589] oder lassen. Wenn sie nun so nahe auf einander stehen, so fällt es freylich nicht schwer, solches zu beobachten: allein, wenn die Rede weitläuftiger wird, so fehlen hier sehr viele Schriftsteller: Z.E. Er trat ihm das Land mit allen landesherrlichen Hoheiten und Gerechtigkeiten ab; und hat sich dessen, zu ewigen Zeiten, für sich und seine Nachkommen, beyderley Geschlechts, begeben. Dieß ist falsch: denn es muß in der jüngstvergangenen Zeit bleiben, und begab sich dessen etc.


3 Anmerkung.


3 §. Gewisse Bindewörter stehen niemals allein, sondern fodern ihre Gefährten; die man ihnen richtig zuordnen muß, wenn die Rede deutlich werden soll.


Z.E. Auf weder, folget noch; Er scheuet weder Gott noch Menschen; weder Tod noch Leben. Er glaubet weder Himmel noch Hölle. Es ist also falsch, wenn einige das noch, nach nichts setzen; z.E. er will nichts (weder) davon hören, noch sehen. Man darf auch das weder nicht zweymal setzen; wie Rothfischer, ein Bayer, schrieb: sondern es muß darauf ein noch folgen. Auf wiewohl, folget doch oder jedoch; auf zwar kömmt gleichwohl, oder jedoch, oder jedennoch; auf nicht allein kömmt sondern auch; auf entweder folget oder; auf obschon, oder obgleich, kömmt so, doch, oder gleichwohl, oder nichts destoweniger; auf wie, folget so. Gleichwohl, dennoch, und doch, setzen wenigstens ein Widerspiel voraus. Wer nun dieses nicht beobachtet, der schreibt unrichtig, und wird undeutlich.


4 Anmerkung.


4 §. Die meisten Bindewörter stehen im Anfange der Rede; nur und, auch, doch, aber, und alle, die eine Schlußfolge[590] anzeigen, stehen bald vorne, bald nach andern Wörtern.


Z.E. Und es begab sich, daß etc. Auch dieses ist noch zu merken etc. Doch will ich dir nichts vorschreiben etc. Aber nach dreyen Tagen trug sichs zu e.tc Hier hätte man auch sagen können: Nach dreyen Tagen aber etc. Die übrigen von der letzten Classe heißen also: Daher, deswegen, derowegen, derohalben, deshalben, dannenher und d. gl. Denn man spricht eben sowohl: Also bleibt es dabey; als: Es bleibt also dabey. Daher ist es nun gewiß, daß etc. und: Es ist also daher1 gewiß. Derowegen sage ich, und: Ich sage derowegen etc. u.s.w.


5 Anmerkung.


5 §. Die Bindewörter, willen und halben, stehen allemal nach denen Worten, welche die Ursache in sich halten, warum etwas geschieht; wegen aber, oder von wegen, kann hinten und vorne stehen.


Z.E. Wegen deiner Bosheit, wirst du gestrafet: oder deiner Bosheit wegen etc. Deiner Laster halben, kann es dir nicht wohl gehen. Willen aber hat insgemein das um vor sich: Um Davids, meines Knechtes willen, um deiner Sünde willen, u.d.gl. Einige pflegen das um auch zum wegen zu setzen: welches aber nicht so gut ist, als das von; Von wegen deiner großen Barmherzigkeit.


6 Anmerkung.


6 §. Das verursachende Bindewort daß, fodert in vergangenen und gegenwärtigen, d.i. dem Redenden[591] gewissen Sachen, die anzeigende Art; in künftigen, und ungewissen, oder doch zweifelhaften Dingen aber, die verbindende Art der Zeitwörter.


Z.E. Ich versichere dich, daß ich dein Freund bin. Du siehst ja, daß man dich höher schätzet, als andere deines gleichen. Wir wissen, daß Krösus reich gewesen ist, daß Cyrus eine Monarchie gestiftet hat. Allein hingegen heißt es: bemühe dich, daß du gelehrt, reich, berühmt werdest. Hoffe nur, daß dir alles gelingen werde, wenn du das deine redlich thun wirst. Er will nicht glauben, daß ich sein Freund sey. Er meynet, daß ich reich sey. Ich wollte, daß er käme u.d.m. Die Poeten weichen zuweilen davon ab. Aber es sind auch immer Fehler, die einer Nachsicht nöthig haben, die ihnen ein le Clerc nicht bewilligen wird. S. die Parrhasianen; von der Poesie.


7 Anmerkung.


7 §. Die Alten brauchten in einer Bedingungsrede das Bindewort so, im Anfange und in der Mitten: Z.E. Herr, so du willst, so kannst du mich wohl reinigen; allein heute zu Tage brauchet man von vorne lieber wo, wenn, wofern, oder dafern.


Z.E. Wo du mir treu dienest, so will ich dich reichlich belohnen. Wenn du thust, was dir gebühret, so wird man dir auch gütig begegnen. Dafern du kömmst, oder wofern du nicht ausbleibst; so wird es dein Schaden nicht seyn. Das So würde in allen diesen Fällen sehr altväterisch klingen. Man läßt aber manchmal noch zierlicher das erste Bindewort weg: z.E. Kömmst du zu mir; thust du das Deine, u.d.gl. so wird es dein Schaden nicht seyn.


8 Anmerkung.


8 §. Das Bindewort daß, kann auch zuweilen ausgelassen werden, wenn es nach einem Wunsche, einer[592] Bitte, oder Hoffnung, oder Versicherung von etwas, zu stehen kömmt.


Z.E. Ich hoffe, es werde gewiß geschehen, d.i. daß es geschehen werde. Ich wünsche, Gott wolle Sie in seinen Schutz nehmen; der Himmel wolle Sie gesund sparen; ich bitte, Sie geben sich keine Mühe; er versicherte mich, es sey wahr. Wir glauben fest, es werde geschehen: unsere Muttersprache werde noch allgemeiner werden. Man saget, es sey nunmehr geschehen; der Frieden sey geschlossen.


9 Anmerkung.


9 §. In einem Wunsche nimmt daß, gemeiniglich die jüngstvergangene Zeit der verbindenden Art der Zeitwörter zu sich.


Z.E. O daß du den Himmel zerrissest, und führest herab! Ach daß dieses geschähe! Hätte ich Flügel, daß ich flöge, und irgendwo bliebe! Könnte ich die Zeit erleben, daß du dich bessertest, und mir die Freude machetest etc. Wie gern sähe ichs, daß du klug würdest, und dein Bestes bedächtest! oder auch bedenken möchtest, oder bedenken wolltest. Bisweilen aber ist es auch die gegenwärtige Zeit der verbindenden Art. Z.E. Ich wünsche, daß er kommen möge. Gott bezahle dirs! Daß dir Gott helfe!


10 Anmerkung.


10 §. Wann die Wörter damit, auf daß, und daß, eine Absicht, oder Endursache bedeuten: so fodern sie die gegenwärtige Zeit der verbindenden Art.


Z.E. Ich sage dir solches, damit du es ein andermal wissest; ich erinnere es, damit man es nicht vergesse; ich melde es, auf daß es hernach niemanden unbekannt sey; ich warne ihn,[593] daß er behutsam sey, oder werde. Ich bitte ihn, daß er dahin gehe, oder zu mir komme. Meine Absicht ist, daß er sich gut aufführe, u.d.gl.


11 Anmerkung.


11 §. Das Bindewort und, wird, wenn viele hinter einander folgende Wörter einer Art verbunden werden sollen, ordentlich nur vor dem letzten gesetzet.


Z.E. Gut Regiment, gut Wetter, Zucht, Ehre, fromm Gemahl, fromme Kinder, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen. Hievon wird nun ausgenommen, wenn etwa zweyerley Stücke allemal gewissermaßen zusammen gehören; denn da wird zwischen jedes Paar, ein und gesetzet: als Weib und Kind; Haus und Hof; Acker und Vieh; Kleider und Schuh; Hände und Füße; Stock und Degen. Die Poeten aber pflegen sowohl, als die Redner, in der Hitze des Affects, bisweilen das und, entweder gar auszulassen, oder häufiger zu verdoppeln: welches man denn zu den Figuren zählet; und ASYNDETON, und POLYSYNDETON nennet.


12 Anmerkung.


12 §. Es ist ein Misbrauch der Kanzleyen, die weitschweifigen Bindewörter ohne Noth zu verdoppeln.


Z.E. Sintemal und alldieweil; wie und welchergestalt; wie und was maßen; so und dergestalten; immaßen und in Betrachtung; wannenhero und weswegen; solchergestalt, und angeregter maßen, u.d.m. Lauter unnütze Umschweife, welche die Schreibart nur langweilig und wortreich machen: daher sie auch schon zum Spotte geworden.


Fußnoten

1 Ein gelehrter Mann wendet hier ein, dieß also daher sey eine unnütze Wiederholung, weil daher eben soviel bedeute, als also. Es kann seyn, daß es bisweilen soviel heißt: aber es heißt auch oft daraus, wie hier leicht zu sehen ist. ERGO EXINDE PATET, es ist also, daher (EXINDE) gewiß. Manchmal machet man aus solchen Verdoppelungen, die einen Nachdruck haben, grammatische Figuren, PLEONASMOS, und EXERGASIAS.[594]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 589-595.
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