Lied/ Von dem Mertzen

[17] In dem Ton: Jesu/ du mein liebstes Leben/ etc.


1

Nun der Winter ist vergangen/

und der Regen ist dahin:

wird der Lentz mit Blumen prangen/

und das Falbe werden grün.

Alle Bäume sich belauben/

und die heissre Turtultauben

girren in dem öden Wald/

daß der Echo gegenhallt.


2

Schauet doch/ die Feigenbäumen

knoten von der Westen Hauch:

die vor trockne Reben schäumen

weinend mit befeuchtem Aug:

da sonst Feld und Wälder lachen/

und die frühen Fittig wachen/

welcher krausses Lufftgesang

schallet mit dem Freudenklang.


3

Nun beginnen wir den Mertzen/

der vom Krieg den Namen hat;[18]


vielleicht/ weil die Sonnenkertzen

sieget ob des Winters Pfad.

Nun die schnellen Schwalben swiren/

und die gute Zeitung führen:

daß der Blumen-reiche Lentz

komm in dieses Landes Grentz.


4

Wie sich nun die Welt verneuet

zu der frohen Frühlings-Zeit;

wie sich Stadt und Feld erfreuet/

und vergißt deß Winters Leid;

also wird nach diesem Leben

Gott das neue Salem geben:

Da wird alles werden neu

bey der Engel Jubelschrey.


5

Was die Lentzen-Sonn erwecket

mit dem jüngst gewendten Lauff/

was der Frost mit Schnee bedecket/

steiget nun verneuet auff:

Also wird es auch ergehen/

wann wir werden aufferstehen;

wann uns weckt nach dieser Zeit

die Sonn der Gerechtigkeit.[20]


6

Du/ mein Gott! sey hoch gepriesen

wegen deiner milden Gnad/

die du mir anher bewiesen/

daß mich freut die grüne Saat;

da die Mandelbäume blühen

und belaubte Sprossen ziehen.

Hat die Erde solchen Schein/

wie schön wird der Himmel seyn!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Christliche Welt- und Zeitbetrachtungen. München 1962, S. 17-21.
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