[Ihr Matten voll Schatten/ begrasete Wasen]

[4] Es lenkte aber damals nunmehr widerüm das grosse Weltaug/ die Sonne/ zu unsrem Theil Erdreichs ihre gold- und karfunkelgläntzende Flammenräder/ und beseelete/ so zu sagen/ mit ihren abschiessenden Strahlen die kalterstorbnen Felder: Die holdrinnende Pegnitz/ (welche allbereit ihre harte Eisfässel zerflösset/ und in beydē Vferen frey und unverhindert daherschosse) durchnässete/ vermittels der selbstgesuchten Gänge/ die entkleideten Brachen/ und überzoge dieselben mit einer neuen grünbuntlichen Dekke: Das freudige Lufftvolk machete sich hervor/ und begrüssete mit denen anmutigsten Zusammenstimmungen den jetzt-angehenden Lentzen: Kurtz/ es war üm die Zeit/da sich Schäfere und Schäferinnen mit denen bereicherten Heerden widerüm in die frischbegraseten Auen begeben/ die gewönliche Weide zu suchen.[4]

FLORIDAN ware unvermerkt/ indessen er erwänter Massen den Morgen begrüssete/ an den Ort der Triften1 angelanget: Welches war eine breitliegende Ebene/ mit Gras fett und dikk bewachsen/ darunter die schönsten Frülingsblumen/ als Narcissen/ Veilchen/ Feldlilichen/ udg. buntfärbicht hervorblikketen: Mitten durchhin ergossen sich stille Bächlein/ welche von der Pegnitz alda-zweyen Armen abgeleitet/ und eine ergötzliche Weide verursacheten/ An den Enden rauschete die Pegnitz durch beyde Gassen/ und machete mit denen schlank-kriechenden Schlangenkrümmen dem Orte ein lustiges Aussehen Alle diese Lust vermochte soviel in des Schäfers Gemüte/ welches ohne das die Frölichkeit merklich geheitert/ daß er/solche aufs neue zu verehren/ hören liesse folgende Springreimen.2


Ihr Matten voll Schatten/ begrasete Wasen/

Ihr närbicht- und färbicht geblümete Rasen/

Ihr buntlichen Sternen /

Ihr Felderlaternen.

Hört wieder die Lieder von Schäferschalmeyen/

Wir bringen das Springen zu freudigen Reyen/

Wir lassen euch fürter nicht mehr

Vnd geben euch Leben und Ehr.

Ihr vormals-unsäglich behägliche Triften/

Ihr Heiden und Weiden bey lieblichen Lüften/

Ihr Hürden voll Myrten/

Vor unser Bewirten/

Schöpft aber und aber beliebliches Drönen/

Der schleiffenden Pfeiffen Lust-schlürfendes Tönen/

Wir werden euch wieder bewohnen/

Ihr werdet die Lieder belohnen.

Ihr trägen Goldbächlein/ ihr hellen Glasquellen/

Ihr schwällende Wellen/ ihr Silberflut-Zellen/[5]

Ihr Pegnitz-Najaden3

In sumpflichten Pfaden!

Nehmt dieses/ nehmt hiesig-erneurende Lieder/

Wir ringen und klingen und singen hier wieder/

Erbauen gepflogene Freud/

Vnd suchen erfreuliche Weid.

Ihr wollichte Wollenbährete Heerden/

Ihr Bökke bebärtet mit zottichten Bärten/

Ihr Klettergesüchte/

Ihr Mertzengezüchte!

Lauft munder jetzunder/ und irret in Brachen/

Wir sollen und wollen euch wieder Lust machen/

Mit Reimen die Tafel versüssen/

Mit Liedern ersprieslich begrüssen.

Fußnoten

1 Ist ein lustiger Ort bey Mögeldorf/ von dannen die Pegnitz zweyströmig auf die Stadt zuleuft.


2 Anapæst Frülingsgrus


3 Flußgöttinne


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 4-6.
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