[Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust]

[83] Klajus/ der ihme bißher zugehöret/ stunde auf/ und sagete zu Strephon und Montano/ er hätte mit Floridan eine Fehde auszutragen/ so sie nun zu Richtern sich wolten gebrauchen lassen/ so wolte er ihn hiemit auf einen Reimenkampf ausgefordert haben. Floridan hatte dieses kaum gehöret/ da sprang er auf[83] und bate die zween andern/ sie wolten doch des Klajus Begehren stat geben/ und ihnen beyden eine Matery zu solchem Kampf. Strephon und Montano liessen sich endlich/ wiewol langsam/ darzu bereden/ und gaben ihnen beyden auf/ sie solten etwas singen von der Behäglichkeit des Feldlebens/ welches beyde sobald eingiengen und fienge Klajus/ als der geforderet/ der erste an/ also:


Klajus.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust. 1

Wer in satten Lebens-Tagen

Seglet nach der Sorgen Rand

Vnd der Freuden Zeitbehagen/

Liebe Schaf und Schäferstand/

Hasse hochbefürte Dächer und der Städte Goldgemächer.


Floridan.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Wo lebt Ruhe sonder rasten/

Wo schwebt lieber Freyheit Thron?

Wo gläntzt helles Tugend-glasten/

Vnd der Vnschuld Perlen-Krohn?

Freylich freyes Schäferleben kan die wahre Wollust geben.


Klajus.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Wer liebt nicht die bunten Wasen/

Wann sie Luft und Lust beblümt/

Vnd die Kleebeseeten Rasen/

Wann sie gläntzen goldgestriemt?

Schäfern sind alltages Sachen/ was die Samtwelt machet lachen.


Floridan.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.[84]

Was ist über küle Schatten/

Der bey ragen Felsen lauscht/

(Wann uns Sonn und Schritt abmatten/)

Vnd der bey den Büschen bauscht.

Dieser können wir geniessen und mit Lust die Rast versüssen.


Klajus.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Wo die Silberbäche lallen/

Vnd der Aderreichen Quell

Rieselt ihr Krystallen-wallen/

Nimt er freudig seine Stell:

Stillet da sein Durst-bekriegen/ bis ihn Schwall und Rast einwiegen.


Floridan.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Eine Quelle kan ihm geben/

Was sonst viere können nur:

Trank/ der ihme labt das Leben/

Tränke/ matter Matten Chur/

Glas/ dz ihm sein Antlitz zeiget/ unn sein Bad/ worein er steiget.


Klajus.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Bald bestimmt er Sakk und Pfeiffen/

drükkt ein lautes Lied herfür/

Die ihm Leid und Last verschweiffen

Nächst der Lerchen dirdirlir/

Lässet Luft und Vögel walten/ weil die Heerden Tafel halten.


Floridan.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Weidet er nicht Muht und Sinnen

Mit der Felder Lüstelust?[85]

Blumwachs lässt nicht Ruch zerrinnen/

Lust ist seiner Sinnen Must/

Lerchenstimm entzükkt die Ohren/ Feld hat Augenweid gebohre.


Klajus.


Vnsre Hürden Hirenlust ist noch Vielen unbewust.

Sein Pallast sind Wald und Matten/

Sein Zibet der Blumen Ruch/

Seine Lust das Laub voll Schatten/

Freyer Sinn sein Liederbuch/

Gold und Geld begilbte Aerē/ eigne Haab sein samt-verzehrē.


Floridan.


Vnsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust.

Er darf Neid und Haß nicht dulden/

Weil er Hof und Hofart flieht/

Nicht den scheelen Sorgen hulden/

Weil sein Thun auf Vnschuld siht:

Vnn was sonst für nütze Sachē die aus Schäfern Fürsten machen.

Fußnoten

1 Feldbehäglichkeit.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 83-86.
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