Vorrede.

Der weise König Salomon in seinem Prediger am 12. Cap. vers. 12. saget: Viel Bücher machens ist kein Ende. Zielend sonders Zweiffel auff unsre letzte Zeit / von welcher wir lesen in der Weissagung Danielis am 12. vers. 4. Daß in selber viel kommen werden / unnd grossen Verstand finden.1

In der Grundsprach stehet fůr kommen / ein Wort2 das so viel heisst / als hurtig hin und widerlauffen / alle Winckel aussuchen / kundschafften und erforschen / allermassen solches von denen gesaget wird / welche David ausgesändet / 2. Sam. 24. v. 28. Dieses Wort hat eine gute / und dann auch eine böse Deutung; als 2. Par. 16. v. 9. wird es gebraucht von der Vorsehung und Allwissenheit Gottes: In dem Buch Job am I. Cap. v. 7. wird es von dem bösen Feinde gesagt / dz er das Land durchzogen habe. Es wird auch eben dieses Wort gebraucht von denen / die von einem Meer zum andern umlauffen / unnd deß Herrn Wort suchen / und doch nicht finden / Amos 8. vers. 12.

Wie nun dieses Wort zweydeutig / so kan auch das Wörtlein viel3 von der Anzahl / und dem Innhalt der Bücher und derselben Verständniß erkläret werden. Nicht weniger Zweiffel verursachen folgende Wort: grossen Verstand finden4 Dann finden nach der edlen Grundsprache so viel ist / als vermehren / hauffen / und bedeutet auch zancken / mit Worten streiten / in welcher Meinung dort der Prediger sagt / 1. Cap. am 18. vers. Wo viel Weißheit (oder Verstand) ist / da ist viel gremens / (oder streitens) das Wörtlein aber / welches hier Verstand heist / wird so wol guter Meinung / fůr eine heilsame nutzliche Wissenschafft / als böser Meinung / fůr einen falschen unnd irrigen Wahn genommen.

Aus besagtem erhellet / das der Prophet Daniel von dieser unsrer Zeit / in welcher deß Bůcherschreibens kein Ende / und das schwätzige Alter der Welt nicht ersättigen kan / weissaget; wie viel gute und böse Bücher geschrieben / und die nutzlichen und unnutzlichen Wissenschafften durch viel nichtige Streitschrifften vermehret werden sollen; in welchem man sich doch mehr deß viel Wissens / als eines guten Gewissens befleissigen werde. Die Juden geben diese Wort also: viel werden sich verwageln (erkůhnen) unnd wird sich grössen der Verstand.

Daß diese Zeit auf uns geerbet / ist aus denen allen Orten ůberfůllten Buchläden zu ersehen. Vor Jahren haben die geschriebenen Bůcher mit fast Königl. Vnkosten můssen zusammen gebracht werden / welche jetzund durch die Druckerkunst um ein Spottgeld zu erkauffen sind; und ist solche / ausser allem Zweiffel durch sonderliche Göttliche Vorsehung / biß zu diesen letzten Zeiten verborgen geblieben / in welchen das Wort Gottes ausgebreitet / und alle Kůnsten und Wissenschafften zu höherer Vollkommenheit erhaben / und mit vollem Schein an das Liecht gesetzet werden solten. Wir stehen gleichsam auff einem hohen Berg / sehen oder können zurucke in die vergangenen Zeiten sehen; beobachtende / was zuvor geschehen / und mit lang gedultiger Bemůhung ist erfunden worden: sind auch schuldig unsren Nachkommen mehr / oder ja so viel in Geist- und Weltlichen Schrifftgůtern zu hinterlassen / als wir von unsren geehrten Vorfahren ererbet haben; und solcher Gestalt soll auch deß nutzlichen Bůcherschreibens kein Ende seyn.


An meinem geringsten Ort ist der gute Vorsatz jüngst in Druck gegebener Gesprächspiele gewesen / die liebe Jugend von bösen Geschwetz / welche gute Sitten verderben / ab- und zu nutzlicher Zeitvertreibung anzufůhren. Nach dem aber besagte Spiele in VIII. Theilen zu Ende gebracht / hab ich diesen grossen Schauplatz / oder (wie H. Lutherus die Theatra genennet) das Spielhaus Lust- und Lehrreicher Geschichte / eines- vnd dann jämmerlicher Mordgeschichte anders Theils / zu Nachfolge der Tugenden / und Fliehung der Laster / zu eröffnen beginnen / unnd also einen mehrern Spielvorrath / so wol frölicher als trauriger Erzehlungen / beyschaffen wollen.

Weil nun solcher Arbeit erster Theil in L. Erzehlungen bestehend / sehr wol beliebet worden / wie in der Zuschrifft Meldung beschehen / folgen hiermit noch CL. und also zusammen CC. denen auch noch das dritte hundert mit der Zeit angefůget werden könte. Gott der Stiffter alles Guten verleihe / mit den erfreulichen Friedens-Zeiten / die nutzliche Fortsetzung aller löblichen Friedenskůnste; dessen vätterlichen Obschutz wir hiermit den Leser / und uns seiner beharrlichen Gewogenheit wolmeinend befehlen.

1

Dieses ist ins gemein / und nicht von der Propheceyung allein zu verstehen / wie Conradus Grasserus in der Vorrede über das 9. Capitel Danielis f. 6. 7. 8. auß der Grundsprach erweiset / und von allen Wissenschafften / welche schrifftlich verabfasset worden / außleget.

2

וטטשי Ieschetetu, circumcursitare alacriter, omnia perimari, pervestigare, untersuchen / durchforschen.

3

םיכו

4

הכות העד

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664.
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