Ueber die Philosophie des Hrn. Klotz.

[471] Klotz und die Philosophie! das Paar scheint sich nicht sonderlich zu lieben, und wenn beide gar offenbar gegen einander antipathisiren,[471] was wollte sie verbinden? Nur sollte das Männlein auch also das arme Fräulein unbeschimpft lassen, und nicht an ihrer Ehre kränken.

Gegen die Metaphysik hat Hr. Klotz feierlich eine satyrische Lobrede1 gehalten: er hat ihre allweite Herrschaft, ihre Abstammung von der Zankgöttinn, ihr Regiment über die Theologen, Juristen und Poeten, ihre Nutzbarkeit zu Zänkereien und Erfindung neuer Wörter, ihre Annehmlichkeit und Unsterblichkeit – so fein und langweilig ausgezischt, daß ich nicht weiß, was ich erst fragen soll? ob nach der Gründlichkeit der Materie, oder der Neuheit der Ironie, oder der Bestimmtheit des Spottes, oder der Kürze in Wendungen – wornach zuerst? Hr. Kl. geruhet, die ganze Metaphysik, ohne Einschränkung und Bestimmung, ihrem Wesen und Nutzen, und nicht ihrem Misbrauche nach, ohne Reim und Ursache, schaal und matt auszuzischen – O des Philosophischen Satyrs im achtzehnten Jahrhundert.

Gegen die scientisische Methode, und gegen die Systematische Philosophie und gegen die Barbarischen Kunstwörter der Philosophie hat Hr. Kl. einen magern, wiederholten Spott sich so zur Falte eines verrunzelten Geistes werden lassen,2 daß er auf dieser Saite sehr gerne, leiert. So tief wie Cicero, und so systematisch wie Montagne, sollen unsre Philosophen philosophiren; sie sollen die Metaphysische Grundlage, die Polybius und Tacitus geliefert, weiter ausbauen: sie sollen so genau und bestimmt wie Baco sprechen, und Montesquieu, wie wir schon eine Probe haben, in ein Compendium bringen: das will Hr. Klotz, oder redet wenigstens so unbestimmt, und der trocknen Philosophischen Genauigkeit und Ordnung so gehäßig, als ob er dies wollte.

»Sie rächet sich gegen ihre Verächter!« dies sagt Luther von der Grammatik der Worte, und noch mehr ließe es sich von der Grammatik der Gedanken, von der Philosophie, sagen. Sie rächet[472] sich gegen ihre Verächter, und sie hat sich reichlich an Hrn. Klotz gerochen. Sie, die genaue Philosophie ists, die jeden Satz in seinem Münzengerichtlein bestimmt und vest gemacht hat: sie, die genaue Philosophie ists, die sein Büchlein von der verecundia Virgils geschrieben, die mit ihm über Homer critisiret, die die Mythologie verworfen und uns eine neue geschaffen, die gegen Leßing gestritten, die aus geschnittnen Steinen eine Aeneide und Iliade erbauet, die die Hallische Deutsche Bibliothek, wie ein Weltgeist, und ein rector Archaeus füllet; die in alle Schriften meines Hrn. Verfassers Ordnung bringet; die ihn nie ein Wort zu viel und unzeitig und unerträglich schielend schreiben lässet; die die Baumgartensche Aesthetik, und die Wolfische Philosophie in Stücken zerhauen;3 die in einem Athemzuge ohne ein stummes Wort des Beweises »Hollmann zum Schulphilosophen und Paläologus, der nichts, was schön ist, kennet, Crusius zum Diebe Hoffmanns, und die Darjesianer ihrem meisten Theile nach zu Barbaren ohne Geschmack, ohne Wissenschaft und Känntnisse« macht: sie ists, die große Freundin des Hrn. Klotz, die Philosophie. – – Sie rächet sich gegen ihre Verächter!


Nun komme ich endlich in das rechte Feld des Hrn. Kl., wo er unter geschnittenen Steinen und Münzen und Scherben dasitzt, wie ein Kind unter Schnecken, und bunten Steinchen und Spielzeuge: Ich soll von seinem Buche reden:

1

Ridic. litter.

2

Opusc. var. argum. Ueber das Stud. des Alterth. u.s.w.

3

S. Klotz. Bibl. vom Anfange an bis zum künftigen seligen Ende.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend, nach Maßgabe neuerer Schriften. 1769, in: Herders Sämmtliche Werke. Band 3, Berlin 1878, S. 471-473.
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