Abends

Es ist ganz dunkel. Und die Küsse fallen

Wie heißer Tau im dämmernden Gemach.

Der Wollust Fackeln brennen auf und wallen

Mit roter Glut dem dunklen Abend nach.


Das Fieber jagt ihr Blut mit weißem Brand,

Daß sie sich halb schon seinem Durst gewährt.

Sie bebt auf seinem Schoß, da seine Hand

In ihrem Hemd nach ihren Brüsten fährt.


Hinten, im Vorhang, in der Dunkelheit

Steht auf das Bett, der Hafen ihrer Gier.

Wie Wolken auf dem Meere lagert breit

Darauf der Dunst von schwarzem Elixier.


Wie wird es sein? Sie friert in seinem Arm,

Der ihren nackten Leib hinüberträgt.

Es zittert auf in ihrem Schoße warm,

Um den er wild die beiden Arme schlägt.


Ihr blondes Haar brennt durch die Nacht, darein

Die tiefe Hand des feuchten Dunkels wühlt.

Der Sturm der Wollust läßt sie leise schrein,

Da seinen Biß sie in den Brüsten fühlt.[176]

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg; München 1964, S. 144-145,176-177.
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