Hochzeit-Lied

[102] Will singen euch im alten Ton

Ein Lied von alter Treu;

Es sangens unsre Väter schon;

Doch bleibts der Liebe neu.


Im Glücke macht es freudenvoll,

Kann trösten in der Noth:

Daß nichts die Herzen scheiden soll,

Nichs scheiden, als der Tod:


Daß immerdar mit frischem Muth

Der Mann die Traute schützt,

Und alles opfert, Gut und Blut,

Wenn's seinem Weibchen nützt!


Daß er auf weiter Erde nichts

Als sie allein begehrt,

Sie gern im Schweiß des Angesichts

Für ihren Kuß ernährt;
[103]

Daß, wenn die Lerch im Felde schlägt,

Sein Weib ihm Wonne lacht,

Ihm, wenn der Acker Dornen trägt,

Zum Spiel die Arbeit macht,


Und doppelt süß der Ruhe Lust,

Erquickend jedes Brod,

Den Kummer leicht an ihrer Brust,

Gelinder seinen Tod.


Dann fühlt er noch die kalte Hand

Von ihrer Hand gedrückt,

Und sich ins neue Vaterland

Aus ihrem Arm entrückt.

Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 3, Zürich 1819, S. 102-104.
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