Siebentes Kapitel

[218] Das Vogelschießen – das Schwenkschießen – Rosas Herbst-Feldzug – Betrachtungen über Flüche, Küsse und Landmilizen


Nichts tut mir bei dieser an sich schönen Historie mehr Schaden, als daß ich mir vorgenommen, sie in vier Alphabete zusammenzudrängen; ich habe mir dadurch selber allen Platz geraubt, auszuschweifen. Ich gerate hier metaphorisch in den Fall, worin ich einmal ohne Metapher war, als ich den Durchmesser und den Umkreis der Stadt Hof ausmessen wollte. Ich hatte nämlich den Catelschen Schrittzähler mit einem Haken rechts an den Hosenbund und die am Schenkel niederlaufende Seiden-Schnur unten am Knie an eine krumme Stahlspitze angemacht, und die drei Weiser auf einer Scheibe – denn der erste Weiser zeigt 100, der zweite 1000 Schritte, der dritte bis 20000 – liefen ordentlich wie[218] ich selber, als ein Frauenzimmer kam, das ich nach Hause führen sollte. Ich bat sie, mich zu entschuldigen, da ich den Catelschen Schrittzähler angetan und nun in der Längenmessung von Hof schon so viele Schritte gemacht: »Sie sehen offenbar«, setzt' ich dazu, »daß der Schrittzähler, wie ein Gewissen, jeden Schritt aufschreibt – und mit einem Frauenzimmer muß ich noch dazu kleinere Schritte machen und tausend in die Quere und rückwärts; das rechnen die drei Weiser aber alles zum Durchmesser es geht gar nicht, Vortreffliche!« Jetzo sollt' es eben deswegen gehen, und man lachte mich aus. Ich schraubte mich aber fest ein und schritt nicht vor. Zuletzt versprach ich doch, daß ich sie mit meinem Schrittzähler heimführen wollte, wenn sie – denn ich konnte mich nicht niederkrempen bis auf die Hüfte – zweimal nach meinen Weisern sehen und mir sie ablesen würde, das erstemal jetzo, das zweitemal in ihrem Hause, damit ich die Schritte, die ich mit besagtem Frauenzimmer täte, von der Größe Hofs subtrahieren könnte. – – Der Vertrag wurde redlich genug gehalten. Dieser kleine Bericht soll mir einmal Nutzen schaffen, falls mein perspektivischer Abriß von der Stadt Hof- die Hoffnung dazu will ich nicht genommen haben – wirklich ans Licht träte, und falls Höfer, die mich mit dem Frauenzimmer und mit dem nachschleifenden Zähler am Knie gesehen, mir vorwürfen, es hinke alles und neben einem Frauenzimmer könne man kaum seine Schritte abmessen, geschweige die einer Stadt. – –

Der Andreastag war schön und hell und nicht sehr windig; es war ordentlich warm und nicht so viel Schnee in den Furchen, daß man damit eine Nußschale voll Wein abkühlen oder einen Kolibri hätt' erwerfen können. Dienstags vorher hatte Siebenkäs mit hinaufgeschauet, als die Vogelstange ihren majestätischen Bogen beschrieb und niederging, um den schwarzen Gold-Adler mit seinem offnen Flugwerk aufzuspießen und mit ihm in die Höhe zurückzusteigen. Er wurde bewegt, da er dachte: der Raubvogel droben hält und verteilt in seinen Fängen die ängstlichen oder die heitern Wochen deiner Lenette, und unsere Fortuna hat sich in diese schwarze Gestalt zusammengezogen und verwandelt und nur die Flügel und die Kugel behalten. –[219]

Als er am Andreasmorgen in seinen abgekürzten, mit Galoschen besetzten Stiefeln von Lenetten mit Küssen schied, sagte sie: »Unser Herrgott gebe dir Glück und Stern – und bewahre dich, daß du mit dem Gewehre kein Unglück anrichtest.« – Sie fragte noch etliche Male, ob er nichts vergessen habe – das Augenglas – oder das Schnupftuch – oder den Beutel. »Überwirf dich ja nicht (bat sie noch zuletzt) draußen mit dem Hrn. v. Meyern!« – Und noch zuletzt, als vor dem Rathause schon einige Probedonnerschläge der Trommel fielen, setzte sie ängstlich hinzu: »Erschieße dich um Gottes willen nicht selber – es wird mir den ganzen Vormittag eiskalt über den Leib laufen, sooft ein Schuß geschieht.« –

Endlich wickelte der zusammengeringelte Schützenknäul sich in langen Fäden ab, und der wallende Zug schlug, wie eine lange Riesenschlange, unter Trommetenschall und Trommelknall laufende Wellen, und jeder Schütze war ein Schlangenbuckel. – Eine Fahne, gleichsam der Kamm der Schlange, war auch dabei, und unter ihr war ein Fahnenträger angebracht, der seinen Rock als die tiefere Fahne trug. – Die Stadt-Soldateska, die mehr durch Gehalt als Anzahl glänzte, durchschoß mit weißen Rockblättern den gefleckten Kalender der Schützengesellschaft. – Der versteigernde Haarkräusler tanzte als der einzige gepuderte gemeine Mann mit der bleichen Hutgriffspitze daher, in der gehörigen Entfernung von den vornehmen ledernen Zöpfen, die er heute angebunden und gepudert hatte. – Die Menge fühlte, was wahre Hoheit sei, als sie gebückt hinaufsah zum Schützendirektor, zum Hrn. Heimlicher von Blaise, der mitzog als die Aorte des ganzen Schlagadersystems, als das Elementarfeuer aller dieser Irrlichter und Zündpulver und, kurz zu reden, als schottischer Meister der Schützenloge. – Glücklich war die Frau, die herausguckte und vor welcher der Mann vorbeizog als Schützenglied – glücklich war Lenette, denn ihr Mann war mit dabei und sah höflich hinauf, und die kurzen Stiefeln standen ihm recht gut, die im alten und neuen Stil zugleich gearbeitet waren und wie Menschen an den alten Adam den kurzen neuen angezogen hatten.

Ich wünschte, der Schulrat Stiefel hätte etwas nach dem Andreasschießen[220] gefragt und herausgesehen nach seinem Orest; aber er rezensierte fort. –

Als nun diese Prozessionraupen auf der Vogelwiese des Schießgrabens wie auf einem Blatte wieder aneinanderkrochen – als der Adler im Horste des Himmels wie das Wappentier der Zukunft hing – als die Blasinstrumente, die bisher die wandelnde musikalische Truppe nicht fest genug am Mund ansetzen konnte, jetzt geradeaus schrieen an den Lippen der stehenden – und als der Zug, laut trabend und die Gewehre auf den Boden stauchend, ins leere hallende Schießhaus rauschte: so war, genau genommen, kein Mensch mehr recht bei Sinnen, sondern jeder seelenbetrunken; und doch war noch nicht einmal geloset, geschweige geschossen. Siebenkäs sagte sich selber: »Es ist nur eine Lumperei, aber seht, wie wir alle taumeln, wie bloß eine welke ununterbrochne, zehnmal ums Herz herumgeführte Blumenkette von süßen Kleinigkeiten es halb erstickt und halb verfinstert.« Unser saugendes Herz ist aus durstiger Brauseerde gemacht, die ein warmer Regen aufbläht und die dann im Schwellen und Steigen allen Pflanzen in ihr die Wurzeln entzweireißet.

Nun ließ Hr. v. Blaise, der in einem fort meinen Helden anlächelte und die andern anfuhr mit der Grobheit der Herrschsucht, die Lose ziehen, welche die Ahnenfolge der Schützen ordneten und entschieden. Die Leser können dem Zufalle nicht ansinnen, daß er das Glückrad halte und hineingreife und hinter seiner Binde unter 70 Nummern gerade die erste für den Advokaten herausfühle und fange; indessen zog er doch die 12te für ihn. – Endlich gaben die tapfern Deutschen und Reichsstädter auf den römischen Adler Büchsenfeuer. Zuerst trachtete man ihm nach der Krone. Der Eifer und das Zielen der Kronwerber war der Wichtigkeit der Sache angemessen: waren nicht mit diesem goldnen Wetterdache, wenn die Kugel es herabstieß, die Kroneinkünfte von 6 fl. frk. verbunden, wobei ich beträchtliche Kronengüter nicht einmal anschlage, die in drei Pfund Werg und in einem zinnernen Barbierbecken bestehen?- Die Menschen taten was sie konnten; aber das Schießgewehr setzte die Krone des Adlers leider nicht unserem Helden, sondern Nro. 11, seinem[221] Vormann, dem hektischen Sachsen, auf. Der Mann braucht, es, da er wie der Prinz von Wallis die Kronschulden noch eher hatte als die Krone selber.

Nichts wendet bei einem solchen Vogelschießen alle Langweile mehr ab als die gute Einrichtung, daß dazwischen ein Schwenkschießen eingeschoben wird; ein Mann, der auf das langsame Viertelausschlagen von 69 Schüssen mit seinen eignen warten muß, hat Kurzweile genug, wenn er unterdessen seine Büchse für niedrigere Dinge laden kann, z.B. für einen Kapuzinergeneral. Das Schwenkschießen in Kuhschnappel ist nämlich von dem an andern Orten eingeführten nicht verschieden, sondern eine Leinwand rutschet hin und her, auf der die gemalten Eßwaren wie auf einem Tischtuch stehen, die man durchlöchern muß, um die Originale davon einzuernten, wie die Kronprinzen die Konterfeien ihrer Bräute und dadurch diese selber erheben, oder wie Hexen bloß das Abbild zerstechen, um das Urbild zu treffen. Die Kuhschnappler schossen diesesmal nach einem auf die Geh-Leinwand gefärbten Kniestück, von dem recht viele behaupteten, es repräsentiere einen Kapuzinergeneral. Es ist mir bekannt, daß einige sich mehr an den roten Hut, den das Stück aufhatte, hielten und es darum gar für einen Kardinal ausgaben oder für einen Kardinalprotektor; aber diese habens offenbar erst mit denen auszufechten, die beiden Sekten widersprechen und sagen, es stelle nur die babylonische Hure vor, nämlich eine europäische. Aus diesem mag man ungefähr schließen, was an einem andern Gerüchte sein mag, dem ich in der ersten Stunde widersprach, daß nämlich die Augsburger sich an dieses effigie-Arkebusieren gestoßen und daher wirklich dem Reichsfiskal schriftlich vorgestellet hätten, sie fänden sich beschwert und die eine Konfession litte darunter, sobald im Hl. Röm. Reich nur ein Ordengeneral und nicht zugleich ein lutherischer Generalsuperintendent abgeschossen würde. Ich hätte gewiß mehr davon vernommen, wär's nicht bloßer Wind. Ja ich mutmaße sogar, daß dieses Märchen weiter nichts sei als eine falsche Tradition von einem andern Märchen, das mir neulich ein Wiener von Geburt über dem Essen vorlog: es hätten sich nämlich[222] in den ansehnlichen Reichsstädten, worin die Nivellierwaage des Religionfriedens ein schönes Gleichgewicht der Papisten und Lutheristen festgestellt, viele lutherischerseits geregt und beschwert, daß, ob darin gleich Nachtwächter und Zensores, d.i. transzendente Nachtwächter, Wirte und Bücherverleiher in gleicher Zahl vorhanden wären, doch stets ein zahlreicheres papistisches Personale gehangen würde, so daß recht klar, es sei nun mit oder ohne Jesuiten, ein so wichtiger und hoher Posten im Staate, als der Galgen sei, gar nicht nach jener reichsgesetzlichen Parität wie das Reichs-Kammergericht, sondern mit einiger Parteilichkeit für Katholiken besetzet worden. – Ich wollte neulich im Dezember der Literaturzeitung öffentlich gegen die Sage aufstehen; aber das Reich wollte die Einrückgebühren nicht auf sich nehmen.

Ob man gleich aus dem Schießstand nur auf einen Kapuziner hielt: so war doch das Schwenkschießen in seiner Art so wichtig als das stehende. Ich muß sagen, es waren Eß-Prämien auf die verschiedenen Gliedmaßen des Ordengenerals gesetzt, die anlockend waren für Schützen, die dachten. Ein ganzes böheimisches Schwein wurde als Pürschgeld für das Herz des gedachten Kapuziner-Peischwas gegeben, welches man aber nur durch einen einzigen Ruß-Klecks, nicht größer als eine Schmink-Musche, angedeutet hatte, um den Schützen den Treffdank mit Fleiß recht sauer zu machen. Der Kardinalhut war leichter zu bekommen, daher war er nur mit zwei Flußhechten besetzt. Der Zierdank eines Okulisten, der den zwei Augäpfeln des Protektors neue aus Kugeln einsetzte, bestand in ebensoviel Gänsen. Da er mitten im Gebet gemalet war: so verlohnt' es wohl der Mühe, durch seine gefalteten zweischürigen zweimännischen Hände eine Kugel zu treiben, weils nicht weniger war, als schoß man einem rennenden geräucherten Schweine die zwei Vorderschinken unter dem Leibe hinweg. Jeder Fuß aber war gar auf einen Hinterschinken fundiert. Ich mache mir nichts daraus, es auf Kosten des Reichsflecken öffentlich zu erklären, daß nichts am ganzen Protektor schlechter – mit einem schmälern Mahlschatz und Treffer – salariert war als der Nabel; denn es war nichts aus ihm mit der besten Kugel zu holen als eine Bologneser Wurst.[223] Der Advokat war um die Krone gekommen; aber das Glück warf ihm nachher dafür den Kardinalhut zu, worin zwei Flußhechte lagen. – Hingegen den Kopf des Adlers und den Kopf des Generals deckte eine echte passauische Kunst vor seinen Kugeln zu. Er hätte der babylonischen Hure wenigstens gern ein Auge ausgeschossen, um eine Gans zu fällen – es ging auch nicht.

Die Pürschregister, die echt sind, weil sie unter den Augen des Turniervogts v. Blaise vom Schützensekretär geschrieben wurden, melden, daß der Kopf, der Ring im Schnabel und das Fähnlein wirklich den Nummern 16, 2, 63 in die Hände fielen.

Siebenkäs hätte seiner lieben Frau wegen, die mit der Mittagsuppe auf ihn wartete, sehr gewünscht, wenigstens den Zepter, worauf man jetzo hielt, den Adlerfängen auszubrechen und an seine Büchse anzuschienen als Bajonett.

Alle Nummern, die diesen goldnen Eichenzweig zu brechen suchten, waren vorüber, nur die schlimmste nicht, sein Vordermann und Hausherr – dieser feuerte, und der vergoldete Harpune zitterte – Siebenkäs feuerte, und der Aalstachel schoß hernieder. – Die Herren Meyern und Blaise lächelten und gratulierten – die Quer- und Gerade-Pfeifer stießen bei der Ankunft eines neuen Vogelgliedmaßes in ihre Hifthörner (wie Karlsbader bei der Ankunft eines frischen Badgasts tun) und sahen dabei strenge und aufmerksam in ihre Partitur, ob sie gleich ihre Trompeterstückchen schon öfter geblasen hatten wie Nachtwächter – alle Infanten, ich meine alle Jungen, stellten ein Wettrennen nach dem Zepter an – aber der Pritschenmeister trat zerstäubend unter sie und las den Zepter auf und händigte mit der einen Hand die Regierunginsignie dem Advokaten ein, mit der andern seine haltend, die Pritsche.

Siebenkäs besah lächelnd den kleinen Holzast, an dem oft die summenden Schwärme ganzer anfliegender Staaten fortgetragen werden, und verbarg seine Freude unter diese Satire, die der regierende Heimlicher vernahm und auf sich bezog: »Ein schöner Froschschnepper! – Es sollte eigentlich ein Honigvisierer sein, es werden aber die Bienen selber damit zerknickt, um ihre Honigblase auszuleeren – wie Kinder bringen die Woiwoden und Dynasten[224] die Landes-Bienen um und zeideln statt der Waben die Mägen. – Ein recht närrisches Gewehr! – Es ist von Holz und etwan ein abgebrochenes, vergoldetes, zugespitztes, ausgezacktes Stück von einem Schäferstabe, womit die Schäfer oft auf der Weide das Fett aus den Schafen winden66 – insofern ja!« – Er fühlt' es selber nicht mehr, wenn er die größte satirische Bitterkeit ausgoß, von der in seinem Herzen kein Tropfen war: er verkehrte oft mit einem Scherze, den er nur aus Scherz sagte, Bekannte in Feinde und begriff nicht, was die Leute böse machte und warum er nicht mit ihnen so gut wie ein anderer spaßen dürfe.

Er steckte den Zepter unter den Überrock und trug ihn, weil vor dem Essen nicht bis zu seiner Nummer herum geschossen werden konnte, in seine Behausung. Er hielt ihn straff und steif voraus wie der Schellenkönig seinen und sagte zu Lenetten: »Da hast du einen Vorlegelöffel und eine Zuckerzange in einem Stück!« Er meinte nämlich die zwei zinnernen Schieß-Prämien, den Vorlegelöffel und die Zuckerzange, die beide in Gesellschaft einer Ambe von 9 fl. frk. dieses Zepterlehn begleiteten. Es war genug für einen einzigen Schuß. Darauf stattete er den Bericht vom Hecht-Fang ab. Lenette, von der er wenigstens erwartet hätte, sie würde in den ersten fünf Sekunden die fünf Tanzpositionen in einem Haushalle durchmachen und Eulers Rösselsprung dazu auf dem Schachbrett der Stube, Lenette tat, was sie konnte – nämlich gar nichts, und sagte, was sie wußte – nämlich die Nachricht, daß die Hausherrin sich bei der Buchbinderin über das Außenbleiben des Mietzinses greulich aufgehalten und über ihren eignen Mann dazu, der ein Fuchsschwänzer und Komplimentarius sei und die Leute nicht grob genug mahne. »Ich erzähle«, wiederholte der Zepter-Inhaber, »ich habe heute die Flußhechte und einen Zepter glücklich geschossen, Wendeline Egelkraut!« und klopfte vor Ingrimm mit der Zepter-Zornrute auf den Tisch, auf welchen die zwei Gedecke und Bestecke getragen wurden. Sie antwortete endlich: »Lukas ist schon gelaufen gekommen[225] und hat mir alles hinterbracht; ich habe eine rechte Freude darüber, aber ich glaube, du wirst noch viel mehr schießen. Das sagt' ich auch zur Buchbinderin.« Sie lenkte wieder ins Fahrgleis; aber Firmian dachte: »Jammern kann sie laut genug, aber jubilieren nicht, wenn unsereiner mit Hechten und Zeptern unter den Armen heimkehrt!« – Geradeso war die Ehefrau des zärtlichen Racine, als dieser einen geschenkten langen Beutel mit Louis XIV d'or in die Stube warf.

– Woher habt ihr, liebe Weiber, die Unart her, daß ihr gerade, wenn der Eheherr gute Nachrichten oder Geschenke bringt einen unausstehlichen Kaltsinn gegen seine Fracht auskramt, und daß in euch gerade, wenn das Schicksal den Wein euerer Freude blühen lässet, die Fässer mit dem alten trübe werden? Kommts von euerer Sitte, an euch, wie euer Ebenbild, der Mond, nur die eine Seite zu zeigen, oder von einer mürrischen Laune gegen das Schicksal, oder von einem süßen überströmenden Freudengefühl, welches das Herz zu voll macht und die Zunge zu schwer? – Ich glaube, es kommt oft von allem auf einmal her. – Bei Männern – und auch bei Weibern, immer bei einem unter Tausenden – kanns noch von der melancholischen Betrachtung über die Haifische kommen, die uns den Arm abreißen, mit dem wir unten im finstern Meer vier Perlen der Freude beklommen und atemlos sammeln; oder von einer noch tiefern Frage: ist nicht die innigere Wonne nur ein Ölblatt, das uns eine Taube über unsere um uns brausende ausgedehnte Sündflut hereinträgt67 und das sie aus dem fernen hoch über die Fluten steigenden sonnenhellen Paradiese abgenommen? Und wenn wir von dem ganzen Olivengarten statt aller Früchte und Blüten nichts erhalten als nur ein Blatt, soll uns dieses Friedenblatt und diese Friedentaube mehr geben als Frieden, nämlich Hoffnung? –

Firmian ging mit einer Brust voll wachsender Hoffnungen auf den Schießgraben zurück. Das Menschenherz, das in Sachen des Zufalls gerade gegen die Wahrscheinlichkeitrechnungen kalkuliert,[226] und das darum auf eine Terne hofft, weil es eine gewonnen – denn daraus sollt' es eben das Widerspiel schließen –, oder das darauf zählt, die Adlerklaue zu holen, weil es den Zepter dazu aufgelesen, dieses im Fürchten und Hoffen unbändige Menschenherz brachte auch der Advokat auf den Graben mit.

Er erwischte aber die Klaue nicht. Nach den ineinandergefalteten betenden Fängen oder Händen des Kapuzinergenerals, diesen Exponenten und Devisen zweier Vorderschinken, feuerte Siebenkäs gleichfalls – umsonst.

Es tat nichts; es war noch immer mehr am Adler, als jetzo an Polen wäre, wenn man dieses oder sein Wappen – es ist ein silberner im roten Blutfelde – auf einem Throne oder einer Vogelstange in die Höhe richtete und von einer Schützengesellschaft verschiedener Armeen abschießen ließe.

Noch nicht einmal der Reichsapfel war herunter. Nro. 69, ein schlimmer Vorfahr, Hr. Everard Rosa von Meyern, hatte zum Schusse angelegt – er wollte diesen verbotenen Apfel brechen – ein solcher Stettiner und Fangball für Fürsten selber war ihm zu wichtig, als daß er des Gewinstes wegen nach ihm hätte fangen wollen, ihn flammte bloß die Ehre an – er schoß.... und er hätte ebensogut rückwärts zielen können. Rosa, dem diese Obstart zu hoch hing, mengte sich errötend unter die Zuschauerinnen und teilte selber Äpfel, nämlich Parisäpfel aus und sagte jeder, wie schön sie sei, um sie zu überreden, er sei es selber. In den Augen einer Frau ist ihr Lobredner anfangs ein recht gescheuter Mensch, endlich ein ganz hübscher Mensch; Rosa wußte, daß die Weihrauchkörner der Anis sind, dem diese Tauben wie toll nachfliegen.

Unser Freund brauchte sich vor keinem Obstbrecher zu ängstigen – vor dem 2ten, 8ten, 9ten gar nicht – als vor dem 11ten, vor der Büchse des Sachsen, der wie ein Teufel schoß. Es gab wenige unter den Siebzigern, die nicht diese verdammte Galgennummer zum Henker, wenigstens ins – Pflanzenreich verwünschten, wo sie gerade mangelt68. Der Friseur drückte ab – schoß dem Adler ins Bein – und das Bein blieb samt der Reichskugel droben hangen.[227]

Der Mietmann und Advokat trat ein, aber der Hausherr blieb im Schießstand, um sich über seinen Unstern satt zu fluchen. Jener setzte sich unter dem Anlegen seines Kugelziehers auf die erhöhte Kugel vor, gar nicht auf diese zu halten, sondern auf den Schwanz des Adlers, um dieses Obst bloß herab zu – schütteln.

In einer Sekunde fiel der wurmstichige Weltapfel ab – Der Sachse fluchte über alle Beschreibung.

Siebenkäs betete beinahe innerlich, nicht weil eine zinnerne Senfdose, eine Zuckerdose und 5 fl. frk. mit dem Apfel in seinen Schoß niederregneten, sondern über das gute Schicksal, über die warme, wie ein Glanz heraustretende Sonne im Ringe eines fernen Gewölkes. »Du willst«, dacht' er, »meine Seele prüfen, gutes Geschick, und bringest sie daher, wie die Menschen Uhren, in alle Lagen, in steilrechte und waagrechte, in ruhige und unruhige, um zu sehen, ob sie recht gehe und recht zeige. – – Wahrlich, sie soll es!« –

Er ließ diese kleine bunte Vexier-Erdkugel von einer Hand in die andere laufen und spann und weifte folgenden Kettenschluß: »Welche Kopien-Ahnenfolge! Lauter Gemälde in Gemälden, Komödien in Komödien! – Der Reichsapfel des Kaisers ist ein Bild der Erdkugel und hat eine Handvoll Erde als Kern69 – mein Reichsapfel da ist wieder ein verkleinertes Bild des kaiserlichen und hat noch weniger Erde, gar keine – die Senf– und Zuckerdosen sind wieder Bilder dieses Bildes. – Welche Reihe von Verkleinerungen, ehe der Mensch genießet!« – Die meisten Freuden des Menschen sind bloße Zurüstungen zur Freude, und seine erreichten Mittel hält er für erreichte Zwecke; die brennende Sonne des Entzückens wird unserem schwachen Auge nur in den 70 Spiegeln unserer 70 Jahre gezeigt – jeder Spiegel wirft ihr Bild dem andern milder und bleicher zu – und aus dem siebzigsten Spiegel schimmert sie uns erfroren an und ist ein Mond geworden70.[228] Er lief nach Haus, aber ohne den Apfel, dessen Ernte er seiner Frau erst abends notifizieren wollte. Es letzte ihn sehr, wenn er während seiner Schieß-Vakanzen aus dem öffentlichen Getümmel in seine enge stille Stube schleichen, das Wichtigste hurtig erzählen und sich dann wieder ins Getöse werfen konnte. Da seine Nummer eine Nachbarin von Rosas Nummer war und da also beide dieselben Schießferien hatten; so wunderts mich, daß er auf den Venner von Meyern nicht auf demselben Steige unter seinem Fenster traf; denn dieser wandelte seines Orts mit aufgehobenem Kopfe da wie eine Ameise auf und nieder. Wer einen jungen Herrn dieser Art erschlagen will, such' ihn unter (wenn nicht in) dem Fenster eines Mädchen auf; so hebt ein vorsichtiger Gärtner, der Maueresel oder Kellerasseln töten will, nur die Blumentöpfe in die Höhe und merzet sie darunter in Partien aus.

Siebenkäs traf den ganzen Nachmittag keinen Span mehr; den Schwanz selber, an den er sich vorher so glücklich gewandt hatte, um den Hl. Römischen Reichsapfel zu kriegen, bracht' er nicht herunter. Er ließ sich spät mit der Miliz des Reichsfleckens nach Haus pfeifen und trommeln. Er machte vor der Tür seiner Frau den Ruprecht, der den Kindern am Andreastage zum ersten Male Schrecken und Obst zubringt, brummend nach und warf ihr statt aller Äpfel den – geschossenen ein. Man halt' ihm den Spaß zu gut; ich sollte aber solche Winzigkeiten gar nicht berichten.

Als sich Firmian aufs Kopfkissen legte, sagt' er zu seiner Frau: »Morgen um diese Zeit wissen wirs, Frau, ob wir ein Paar gekrönte Häupter auf diese Kopfkissen bringen oder nicht – morgen unter dem Niederlegen will ich dich wieder an diese Minute erinnern.« – Als er aus dem Bette sprang, sagt' er: »Heute spring ich wohl zum letztenmal als gemeiner Mann ohne Krone heraus.« Er konnt' es nicht erwarten, bis er den betaueten defekten Vogel voll Schußwunden und Knochensplitterungen wieder sah; aber seine Hoffnung, sich an ihm zum König zu schießen, hielt nur so lange an, als er den Adler nicht sah. Er ging daher gern einen Vorschlag des listigen Sachsen ein, der immer den Kugeln seines Nummernnachbars mit seinen vorgearbeitet hatte; der Vorschlag[229] war: »Halbpart im Gewinst und Verlust beim Vogel und Kardinal«. Diese Maskopei verdoppelte die Hoffnungen des Advokaten, indem sie solche halbierte.

Aber die zwei Waffenbrüder brachten den ganzen Vormittag nicht einen bunten Splitter herunter; denn nur gefärbte Späne können Vogelschützen, und nur ungefärbte können Wespen brauchen. Jeder hielt innerlich den andern für seinen Unglückvogel; denn in Sachen des Zufalls will lieber der Mensch nach abergläubigen Gründen erklären als gar nicht erklären. Die flatterhafte babylonische Hure wich so spröde aus, daß der Haarkräusler einmal nahe am Kerle, der sie hin und her zog, vorbeiknallte.

Aber nachmittags traf er endlich mit seinem Kupidos-Pfeil ihr schwarzes Herz und also das Schwein dazu. Firmian erschrak fast: er sagte, er nehme von diesem Schwein, diesem Herzpolypen am Herzen des babylonischen Lustmädchen, nichts an als den Kopf, er müßte denn selber etwas treffen. Jetzo stand nur noch der Vogel-Torso, gleichsam das Rumpfparlament, an die Stange gepfählt, das die Kron-Lustigen zu dissolvieren suchten. Das Lauffeuer der Begeisterung ging jetzo von Brust zu Brust, von jedem Zündpulver aufgeschürt, das von einer Büchsenpfanne aufflog; und mit dem arkebusierten Vogel zitterten allemal die übrigen Schützen zugleich. –

Ausgenommen den Hrn. von Meyern, der fortgegangen und – da er alle Menschen, besonders unsern Helden in solchen Erwartungen sah – zur Frau Siebenkäs marschieret war, bei der er der König einer Königin und mit mehr Gewißheit als ein Schützenkönig zu werden hoffte. Das Augenglas, hinter dem er nach jenem Adler und nach dieser Taube zielte – denn er hielts wie Pariser mitten in der Stube vor –, sollt' ihm, dacht' er, wenigstens die Taube erlegen helfen. Aber ich und die Leser schleichen ihm nachher alle in die Siebenkäsische Stube nach.

Die 70 Nummern hatten schon zweimal vergeblich zum Königschusse geladen: der zähe Stummel auf der Stange regte sich kaum. Die armen zappelnden Menschenherzen wurden beinahe von jeder Kugel durchbohrt und erschüttert. Die Besorgnisse[230] wuchsen, die Hoffnungen wuchsen; aber die Flüche am meisten, diese Stoßgebete an den Teufel. Die Theologen hatten im 7ten Jahrzehent dieses Jahrhunderts den Teufel oft in der Feder, als sie ihn entweder leugneten oder behaupteten; aber die Kuhschnappler Schützen weit mehr, besonders die Patrizier. –

– Seneca hat unter den Mitteln gegen den Zorn das einfachste ausgelassen: den Teufel. Die Kabbalisten rühmen zwar die Heilkraft des Schemhamphorasch, eines entgegengesetzten Namens, sehr; aber ich sehe, daß das Fleck- und Scharlachfieber des Zorns, das man leicht aus dem Phantasieren des Patienten vermerkt, vielleicht ebensogut, als ob man Amulette umhinge, nachlässet und weicht, wenn man den Teufel anruft; in dessen Ermanglung die Alten, denen der Satan ganz fehlte, bloßes Hersagen des Abc's anrieten, worin freilich der Name des Teufels mit schwimmt, aber in zu viele Buchstaben verdünnet. So erlösete auch das Wort Abrakadabra, diminuendo ausgesprochen, vom körperlichen Fieber. Wider das Entzündungfieber des Zorns müssen nun desto mehre Teufel genommen werden, je mehr materia peccans (Krankheitmaterie) durch die Absonderung des Mundes abzuführen ist. Gegen den kleinen Unwillen ist »der Teufel!« oder »alle Teufel!« hinlänglich. Aber gegen das seitenstechende Fieber das Zorns würd' ich schon »den Satan und seine höllische Großmutter« verschreiben und das Mittel doch noch mit einem Adjuvans (Verstärkung) von einigen Donnerwettern und Sakramenten versetzen, da die Heilkräfte der elektrischen Materie so bekannt sind. Man braucht mir nicht zu sagen, daß gegen völlige Hund- oder Zornwut solche Gaben dieses spezifischen Mittels wenig verfangen; ich würde allerdings einen Preßhaften dieser Art »von allen Schock Teufeln fortführen und zerreißen« lassen. Immer bleibt der Teufel offizinell: denn da sein Stich uns in Zorn versetzt, so muß er selber dagegen genommen werden, wie man den Skorpionenstich durch zerquetschte Skorpionen heilt. – –

Der Tumult der Erwartung rüttelte die Edelleute mit der Groschengalerie des Staats in eins zusammen; die Edelleute oder Patrizier vergessen bei solchen Gelegenheiten – so auch auf der Jagd, in ökonomischen Geschäften –, wer sie sind, nämlich etwas[231] Besseres als Bürgerliche. Einem Edelmann sollt' es meines Erachtens nie aus dem Kopfe kommen, daß er sich zum Volke verhalte, wie die Schauspieler jetzo zum Chorus. Zu Thespis' Zeiten sang der Chorus die ganze Tragödie handelnd ab, und ein einziger Schauspieler, der Protagonist hieß, fügte einige Reden ohne Gesang über die Tragödie hinzu – Äschylus führte einen zweiten ein, genannt Deuteragonist – Sophokles gar einen dritten, den Tritagonisten – Neuerer Zeiten blieben die Spieler stehen, und der Chorus wurde gar weggelassen, man müßt' ihn denn als beklatschend in Rechnung bringen. So ist nach und nach auf der Erde, dem Nationaltheater der Menschheit, der Chorus oder das Volk weggeschoben worden – nur mit mehr Vorteil als auf dem engern Theater – und aus Spielern, wozu man besser die Protagonisten (Fürsten), die Deuteragonisten (Minister) und die Tritagonisten (Große) angestellt, zu richtenden und klatschenden Zuschauern erhoben worden, und der athenische Chorus sitzt bequem auf dem Parterre neben dem Orchester und Theater unserer guten Haupt- und Staataktio nen. –

Es war schon 2 1/2 Uhr und der Nachmittag kurz; der lecke Vogel wankte nicht. Alle Welt schwur, der Schreiner, der ihn ausgebrütet aus dem Bloch, sei eine Kanaille und hab' ihn aus zähem Astholz gebauet. – Endlich schien er sich entfärbt und geschunden zu senken. Der Friseur, der wie alle gemeine Leute nur gegen einzelne Personen, nicht gegen eine Gesellschaft gewissenhaft war, nahm jetzo ohne Bedenken statt der Doppelflinte heimlich doppelte Kugeln, eine für sich, eine für seinen Mitschützen, um durch dieses Zersatzmittel den Adler niederzuschlagen. – – »Der Satan und seine höllische Großmutter!« sagt' er nach dem Schusse und brauchte gehörig die obengedachte kühlende Methode. –

Er fußte nun auf seinen Mietmann und gab seine Büchse dazu her. Siebenkäs platzte hinauf – – »alle Schock Teufel«, sagte der Sachse, »sollen mich zerreißen!« wobei er die Dosis der Teufel wie der Kugeln ohne Not gegen sein Fieber verdoppelte.

Beide ließen nun mutlos ihre Hoffnungen wie ihre Büchsen sinken; denn es waren mehre Prätendenten an diesen Thron vorhanden,[232] als man deren einmal unter dem Galienus zählte, die auf den römischen wollten und deren nur dreißig waren. Die feuernde Septuaginta hielt abwechselnd entweder Schießröhre oder Sehröhre in Händen, um zu sehen, daß dieses im Himmel hängende Sternbild mehr Kugeln einschließe als das astronomische des Adlers. Alle Gesichter der Zuschauer waren gegen diese Keblah des Vogels gebreitet, wie die jüdischen nach dem ruinierten Jerusalem. – Die alte Sabel saß ohne Kunden hinter ihrem Ladentisch voll Freßmittel und guckte selber hinauf. – Die ersten Nummern gaben sich gar nicht die Mühe, ein Sukzessionpulver wieder auf die Pfanne zu schütten – Firmian bejammerte die dumpfen im dicken Erdenblute schwimmenden Menschenherzen, für die jetzo die untergehende Sonne und der gefärbte Himmel und die weite Erde unsichtbar waren oder vielmehr eingekrochen zu einem zerhackten Holzstrunk; das gewisseste Zeichen, daß ihre Herzen im ewigen Gefängnis des Bedürfnisses lagen, war, daß niemand eine witzige Anspielung auf den Vogel oder auf das Königwerden machen konnte. Der Mensch kann nur an Dingen, die seine Seele ohne Ketten lassen, Ähnlichkeiten und Beziehungen wahrnehmen. Firmian dachte: dieser Vogel ist für dieses Volk der wabre Vorlaß mit dem Federspiel, den ich versteigert habe, und das Geld liegt als das Luder darauf. Er hatte aber doch drei Gründe, weswegen er gern König geworden wäre – erstlich um sich tot zu lachen über seine Krönung – zweitens seiner Lenette – und drittens des Sachsen wegen.

Allmählich feuerte die zweite Hälfte der 70 Ältesten ab, und die ersten Nummern luden wieder zum Spaße wenigstens. Kein Mensch schoß mehr ohne eine zwiespännige Ladung. Unsere zwei hanseatischen Bündner näherten sich wieder dem Schusse, und Siebenkäs borgte sich, da der Abend immer dunkler wurde, ein schärferes Augenglas, das er, wie einen Finder am Teleskop, auf die Büchse schraubte.

Nro. 10 hob das Vogelpräparat aus der Angel, der Schießklotz klebte nur noch durch seine Schwere daran, weil sie das Holz fast mit Blei gesättigt und inkrustieret hatten, so wie gewisse Quellen Holz in Eisen umsetzen. –[233]

Der Sachse durfte den Adler-Rumpf nur bestreifen, so fuhr der Stößer nieder, ja nur die Stange – ach, der Abendwind durfte nur einmal stark ausschnauben. Er legte an – zielte ewig (denn 50 fl. hingen jetzt in der Luft), drückte los – das Zündkraut verloderte allein – die Musikanten hielten schon die Trompeten waagrecht und die Notenblätter steilrecht – die Jungen standen schon um die Stange und wollten das fallende Gerippe auffangen – der Pritschenmeister konnte vor Erwartung keinen Spaß mehr machen, und seine staunende Seele saß mit oben neben dem Federvieh – – der gepreßte Haarkräusler drückte wieder ab – das Zündkraut brannte wieder allein – er schwitzte, glühte, bebte, lud, zielte, drückte und schoß – – entweder zwei oder drei haßfurtische Ellen hoch über den Vogel hinaus.

Er trat still und bleich und mit kalten Schweißen zurück und tat keinen einzigen Fluch, ja ich vermute, er schickte einige heimliche Gebete ab, damit sein Bundgenoß das Federwildpret durch Gottesgnade erangelte. –

Firmian trat hin, – dachte mit Fleiß an etwas anderes, um seine pochende Erwartung anzuhalten – zielte nach diesem im Abenddunkel schwebenden Anker seiner kleinen Stürme nicht lange – feuerte – sah den Block wie Fortunens Rad sich oben dreimal umkreisen und endlich – losspringen und herunterfliegen...

– Wie bei der Krönung der alten französischen Könige allzeit ein lebendiger Vogel in den Himmel flatterte; – wie bei der Apotheose der römischen Kaiser ein Adler aus dem Scheiterhaufen gen Himmel stieg: so flog bei der Krönung meines Helden einer herunter. – –

Die Jungen und die Trompeten schrien – der eine Teil des Volkes wollte den neuen König wissen und sehen, der andere strömte dem Hanswurste entgegen, der das zersplitterte Kugeln- Gehäuse und Besteck, den Adlerbauch, emporgehalten durch die Mitläufer trug – der Kräusler lief schreiend entgegen: »vivat der König!« und sagte, er selber sei einer mit – und Firmian trat still unter die Türe und war froh, aber gerührt....

Jetzo ist es einmal Zeit, daß wir alle in die Stadt laufen und nachschauen, was Rosa, während der Ehemann den Thron bestieg,[234] bei der Frau desselben gewann, ob einen schönern oder einen Pranger, und wie viele Stufen er zu einem von beiden hinaufkam. –

Rosa klopfte vor Lenettens Tür an und schritt sogleich hinein, damit sie nicht erst herauskäme und sähe, wer da sei. Er habe sich von der Schützengesellschaft losgerissen – ihr Mann komme bald nach, und er erwarte ihn hier. – Die Büchse desselben sei wieder recht glücklich: mit diesen Wahrheiten ging er der Erschrocknen entgegen, aber mit einem angenommenen vornehmen kalten Erdgürtel auf dem Gesicht. Er schritt gleichgültig in der Stube auf und ab. Er fragte, ob das Aprilwetter sie gesund lasse; ihn matt' es mit einem schleichenden Fieber ab. Lenette stand furchtsam am Fenster, mit den Augen halb auf der Straße, halb auf der Stube. Er blickte im Vorbeigehen nach ihrem Nähtisch und nahm ein rundes papiernes Haubenmesser und eine Schere und legte alles wieder hin, weil ihn einige Nadelbriefe anzogen. »Das ist gar Numero 8«, sagte er, »diese Nadeln sind viel zu groß – Madam71. – Man könnte die Köpfe zu Schrot Nro. 1 gebrauchen. – Hier haben Sie Schrot Nro. 8, nämlich einen Brief Nro. 1. – Die Dame muß mir danken, an der Sie ihn verstecken.«

Dann trat er schnell an sie und zog ein wenig unter ihrem Herzen, wo sie einen ganzen Köcher oder eine Dornhecke von Nadeln zum Verlage stecken hatte, eine kühn und gleichgültig heraus, hielt sie ihr unter die Augen und sagte: »Sehen Sie die schlechte Verzinnung; jeder Stich damit schwärt.« Er warf die Nadel zum Fenster hinaus und machte Miene, die übrigen Nadeln aus der Gegend des Herzens, worein das Schicksal ohnehin lauter übel verzinnte drückte, herauszuziehen und wohl gar seinen Nadelbrief in dieses schöne Nähkissen zu schieben. Aber sie sagte mit einer eiskalten Gegenwehr der Hand: »Geben Sie sich keine Mühe.« – »Ich wünschte«, sagt' er und sah nach der Uhr, »Ihr Hr. Gemahl käme; der Königschuß muß längst getan sein.«

Er nahm wieder den papiernen Hauben-Karton und die Schere[235] zur Hand, aber als sie ihm mit einem Blicke voll Sorge, er verderbe ihr Muster, nachsah, holt' er lieber ein in Hippokrene getauchtes poetisches Blatt heraus und schnitt es zum Zeitvertreib wie einen flachen Diamanten zu konzentrischen Herzen in einer Schneckenlinie. Er, der das Herz immer wie Auguren dem Opfervieh zu stehlen suchte, dem wie einer Koketten Herzen, wie Eidechsen die Schwänze, nachwuchsen, sooft er seines verloren, er hatte das Wort Herz, das die Deutschen und die Männer fast zu erwähnen scheuen, immer auf der Zunge oder Gemmenabdrücke davon in der Hand.

Ich glaube, er ließ die Nadeln und die vollgereimten Herzen darum da, weil die Weiber immer mit Liebe an einen Abwesenden denken, dessen Nachlaß ihnen vor Augen steht. Rosa gehörte unter die Menschen beiderlei Geschlechts, die überall keinen Scharfsinn, keine Feinheit und keine Menschenkenntnis zeigen, außer in der Liebe gegen ein fremdes Geschlecht.

Er katechisierte aus ihr jetzt allerhand Koch- und Waschrezepte heraus, die sie trotz ihrer frommen Einsilbigkeit mit aller Fülle von Wörtern und Zutaten verschrieb. Zuletzt macht' er Anstalt zum Abzug und sagte: die Zurückkunft ihres Gemahls wär' ihm erwünscht, da er mit ihm über eine gewisse Sache nicht gut draußen auf dem Schießgraben unter soviel Leuten und im Beisein des Hrn. v. Blaise sprechen könne. – »Ich komme wieder«, setzt' er dazu, »aber die Hauptsache will ich Ihnen selber sagen«, und setzte sich mit Stock und Hut vor sie hin. Er wollte eben anfangen, als er merkte, sie stehe: er legte alles weg, um ihr einen Stuhl gegenüberzustellen. Seine Nachbarschaft schmeichelte wenigstens ihrer Schneiderischen Haut; er roch paradiesisch, sein Schnupftuch war ein Bisambeutel und sein Kopf ein Rauchaltar oder eine vergrößerte Zibetkugel. So bemerket auch Shaw, daß das ganze Viperngeschlecht einen eignen Wohlgeruch ausdampfe.

Er hob an: sie errate leicht, daß es den fatalen Prozeß mit dem Hrn. Heimlicher betreffe. – Der Hr. Armenadvokat verdiene zwar in der Tat nicht, daß man sich für ihn verwende, aber er habe eine treffliche Frau, die es verdiene. (Er druckte »treffliche«[236] durch einen flüchtigen Handdruck mit Schwabacher.) – Er habe das Verdienst, daß er den Hrn. v. Blaise zu einem dreimaligen Aufschub seines Neins gebracht, weil er selber bisher nicht mit dem Hrn. Advokaten sprechen können. – Aber jetzo nach dem neuern Vorfalle, wo ein Pasquill des Hrn. Leibgebers, dessen Hand man gut kenne, an einer Ofenstatue des Hrn. Heimlichers zum Vorschein gekommen72, sei von des letzten Seite an ein Nachgeben oder gar an ein Herausgeben der Erbschaft nicht zu denken. – Darüber aber blut' ihm nun das Herz, zumal da er seit seiner Kränklichkeit zu vielen Anteil an allem nehme; er wisse recht gut, in welche mißliche Lage ihre (Lenettens) häusliche Verfassung durch diesen Prozeß geraten, und er habe oft über manches vergeblich geseufzet. – Mit Freuden woll' er ihr daher, was sie zum Kostenverlage brauche, vorschießen – sie kenne ihn nur noch nicht und stelle sich das, was er allein für sechs kuhschnappelsche Armenanstalten aus reiner Menschenliebe monatlich tue, vielleicht kaum vor, er habe aber seine Belege.

– – In der Tat zog er sechs Quittungen der Armenkommissionen heraus und hielt sie ihr hin. – Ich würde mich nicht als den unparteilichen Mann beweisen, für welchen ich gelte, wenn ich nicht frei eingestände, daß der Venner einen gewissen Trieb wohlzutun und aufzuhelfen gegen Dürftige jedes Alters und Geschlechtes von Jugend auf in Taten gezeigt, und daß eben das Bewußtsein einer solchen weitherzigen Handelweise gegenüber der engherzigen kargen in Kuhschnappel ihm einen gewissen besondern Stolz gegen die filzigen Richter seiner freigebigen Verführungen zu eigen gemacht. Denn sein Gewissen gab ihm das Zeugnis, daß er diese Sünden erst beging, wenn er, seine Verwandlung aus einer Spinne in einen wohltätigen Edelstein rückwärts[237] umkehrend, wieder schillernde Gewebe spann und mit ihnen voll glänzender geweinter Tautropfen einiges fing. – –

Für eine solche Frau vollends wie Lenette – fuhr er fort – tät' er wohl andere Dinge; und ein Beweis sei schon, daß er den Gesinnungen des Heimlichers gegen ihr Haus Trotz biete und daß er selber von ihrem Mann Reden verschluckt, die er wahrlich als Patrizius noch von niemand einzustecken gewohnt gewesen. – »Fodern Sie doch Geld, beim Himmel, soviel Sie brauchen«, beschloß er.

Die zitternde Lenette glühte vor Scham über die Enthüllung ihrer Armut und ihres Verpfändens. Er suchte die Wogen in ihr durch einige Tropfen glattes Öl zu stillen und tadelte daher seine Braut in Baireuth vorläufig: »Ich wünsche«, sagt' er, »daß sie, die zu viel lieset und zu wenig arbeitet, in Ihre Schule der Haushaltung gehe. Wahrlich, eine Frau von solchen Reizen wie Sie, die sie selber nicht kennt, von solcher Geduld, von solchem häuslichen Fleiße sollte ein ganz anderes Haushalten zum Spielraum haben.« Ihre Hand lag jetzo im Fußblock und Personalarrest der seinigen still; die Demut der Dürftigkeit band ihr die Flügel, die Zunge und die Hände. Seine Freundschaft und seine Habsucht achteten bei Weibern keine Grenzsteine, die er alle diebisch auszuheben suchte; die meisten Männer gleichen in ihrem zerstörenden Hunger dem Häher, der die Nelke zerrupft, um den Nelkensamen aufzuhacken. Er drückte jetzt an ihr niedergesenktes Auge einen langen feuchten Blick der Liebe an, ließ ihn da noch fest, wenn sie es aufhob, und brachte so absichtlich – indem er die Augenlider gewaltsam offen hielt und noch dazu an rührende Sachen dachte – mehr Tropfen aus der Augenhöhle herauf als nötig sind, kleinere Kolibris zu erlegen. Jede erlogene Rührung wurde in ihm, wie in guten Schauspielern, eine wahre und jede Schmeichelei ein Gefühl der Achtung. Er fragte, als er Tropfen genug im Auge und genug Seufzer in der Brust verspürte: »Wissen Sie, warum ich weine?« Sie sah unschuldig- und gutmütig-erschreckend auf in seine Augen, und ihre tropften. »Darüber (fuhr er aufgemuntert fort), daß Sie kein so gutes Los haben, als Sie verdienen.« – Selbstischer Zwerg! jetzt hättest du die[238] bange, in allen Tränen einer langen Vergangenheit ertrinkende Seele schonen sollen!

Aber er, der nur künstlerische, flüchtige, winzige Vexierschmerzen und nie erwürgende Qualen kannte, schonte die Gequälte nicht. Was er indes zur Brücke von seinem Herzen in ihres machen wollte, den Kummer, das wurde gerade der Schlagbaum; ein Tanz oder irgendein fröhlicher Taumel der Sinne hätte ihn bei dieser gemeinen rechtschaffnen Frau weiter gebracht als drei Kannen selbstischer Tränen. Er lud hoffend seinen blühenden, mit Kummer betrachteten Kopf auf die Hände in ihren Schoß ab....

Aber Lenette schoß in die Höhe, so daß er kaum sich nachbringen konnte. Sie schauete ihm fragend in die Augen..... rechtschaffene Frauen müssen, glaub' ich, eine eigne Theorie über die Blitze der Augen haben, um die gelben der Hölle von den reinen des Himmels abzusondern – der Wüstling wußte von seinem Auge so wenig, wie Moses von seinem ganzen Antlitz, daß es blitze. Ihr Auge fuhr gleichsam vor dem versengenden fremden zurück; es ist aber auch meine historische Pflicht- da so viele tausend Leser und ich selber auf den wehrlosen Everard eindringen –, es nicht zu verbergen, daß Lenette den ganzen Abend die etwas rohen und freien Zeichnungen, die ihr der Schulrat Stiefel von den Kriegschauplätzen aller Wüstlinge und besonders des gegenwärtigen mit einer sehr breiten Reißkohle vorgezogen hatte, im Kopfe aufbreitete und über jeden Rück- und Vorschritt Rosas argwöhnisch stutzte.

Und doch werd' ich jetzo dem armen Schelm mit jedem Worte schaden, das ich weiter schreibe; ja viele Damen, die aus den salischen Gesetzen oder aus Meiners wußten, daß man sonst geradeso viele Strafgelder gehen mußte, wenn man die weiblichen Finger berührte, als wenn man den männlichen mittlern weghieb – nämlich 15, Schillinge, diese Damen, die schon über Rosas Finger-Drücken sich so sehr ereifert haben und es strafen wollen, diese werden vollends nicht zu versöhnen sein, wenn ich fortfahre, weil sie aus Mallet73 wissen, daß sonst Leute, die wider[239] fremden Willen küßten, durch Urtel und Recht Landes verwiesen wurden. – Ja viele jetzige Weiber beharren noch auf der Strenge der altdeutschen Pandekten und verweisen den Lippendieb – da in den Rechten74 Landesverweisung und Verstrickung an einen Ort einander ablösen und ersetzen – zwar nicht aus dem Zimmer, aber sie zwingen ihn doch, darin zu bleiben; auf ähnliche Art verurteilen sie einen Schuldner, dem sie ihr Herz gegeben, und ders gar behalten will, zum Einlager im Torus. –

Der aufspringende Rosa hatte nach seinem Fehlsprunge nichts zur Entschuldigung seines Fehlers mehr übrig als die Vergrößerung desselben – er umhalste demnach die marmorne Göttin.... Aber es steht mir eine Bemerkung im Weg, die ich vorher machen muß. Viele gute Schönen beschirmen nämlich ihr Versagen durch Gewähren; sie leisten, um sich für ihren tugendhaften Feldzug selber zu besolden, in kleinern Dingen keinen Widerstand, sie geben mehre Besitztümer und Verschanzungen von Kleidern und Worten preis, um geschickt dem Feinde – zuvorzukommen und zu begegnen, so wie kluge Kommandanten die Vorstädte abbrennen, um oben in ihrer Festung besser zu fechten. –

Ich machte diese Reflexion bloß, um zu bemerken, daß sie auf Lenetten gar nicht passe. Sie hätte mit ihrem engelreinen Geiste und Körper geradezu in den Himmel eintreten können, ohne sich erst umzukleiden; sie konnte ihr Auge, ihr Herz, ihren Anzug, alles mit hinauf nehmen, nur ihre Zunge nicht, die ungebildet und unbedachtsam war. Sie sträubte sich also gegen die Hausdieberei, die Everard an ihren Lippen verüben wollte, auf eine Art, die für einen so kleinen Obstdiebstahl zu ernsthaft und zu unhöflich war, und die es nicht so sehr gewesen wäre, wenn Lenette sich des Schulrates grelle Weissagungen von Rosa hätte aus dem Kopfe so schlagen können.

Rosa hatte auf einen angenehmern Grad der Weigerung gerechnet. Seine Hartnäckigkeit half ihm nichts – gegen die größere. Ein Mückenschwarm von leidenschaftlichen Entschlüssen sauste betäubend um ihn. Aber da sie endlich sagte – sie wirds[240] vom Schulrat haben –: »Gnädiger Herr, es steht ja in den hl. Zehn Geboten, du sollt dich nicht lassen gelüsten nach deines Nächsten Weib«: so tat er aus dem Kreuzwege zwischen Liebe und Groll einen langen Sprung in seine – Tasche und holte einen welschen Strauß heraus. »So nehmen Sie nur, Sie Häßliche, Unerbittliche, nur diese Vergißmeinnicht zum Angedenken – mehr begehr' ich beim Henker ja nicht!« Er hätte den Augenblick mehr begehrt, wenn sie ihn nahm; aber sie drückte wegsehend den seidnen Strauß mit zwei Händen zurück. Jetzt wurde die Honigwabe der Liebe in seiner Seele zu echtem Honigessig gesäuert; er wurde verflucht toll und warf die Blumen weit auf die Tafel hinüber und sagte: »Es sind Ihre versetzten Blumen selber – ich hatte sie ausgelöset bei der Taxatrizin – Sie müssen sie wohl behalten.« – Nun wich er von dannen, verbeugte sich aber, und die wunde Lenette tats auch.

Sie nahm den giftigen Strauß und besichtigte ihn am helleren Fenster – ach ja wohl waren es die Rosen und die Rosenknospen, an deren Eisendornen gleichsam das Blut von zwei zerstochnen Herzen hing. Indes sie so weinend und erliegend und mehr betäubt als aufmerksam durchs Fenster sah, nahm sie es wunder, daß ihr Seelenpeiniger, der laut die Treppe hinabgeflogen war, doch nicht herauskam aus der Haustüre. Nach langem aufmerksamen Lauern, worin die Angst wie ein Trost den Kummer überschrie und die Zukunft die Vergangenheit, galoppierte pfeifend und mit der Hutspitze gen Himmel zielend der gekrönte Haarkräusler daher und schrie einlaufend nur vorläufig hinauf: »Frau Königin!« Denn er mußte vor allen Dingen in seine eigne Stube einbrechen und vier Leute auf einmal zu Königen ausrufen und zu Königinnen. – –

Es ist nun Pflicht, den Leser in den Winkel mitzunehmen, wo der Venner hockt. Er war von Lenetten geradesweges zur Perückenmacherin hinabgestiegen im doppelten Sinn, eine jener gemeinen Frauen, die das ganze Jahr gar nicht daran denken – denn kein Pferd muß so viel wegarbeiten wie sie –, etwan untreu zu werden, und die es nur dann werden, sobald ein Versucher kommt, den sie weder locken noch fliehen, und die vielleicht[241] beim nächsten Brotbacken den Vorgang wieder vergessen haben. Überhaupt ist der Vorzug, den die meisten weiblichen Honoratiores ihrer Treue vor der Treue der höhern Damen geben, ebenso groß als zweifelhaft, da es in den mittern Ständen nur wenige Versucher gibt – und nur rohe dazu. Rosa war – so wie der Erdwurm zehn Herzen75 führt, die von einem Ende des Wurms bis zum andern langen – innen mit ebensoviel Herzen besetzt und gefüttert, als es Arten von Weibern gibt; für feine, plumpe, fromme, sittenlose, für alle hatt' er sein besonderes Herz zur Hand. Denn wie Lessing und andere so oft den einseitigen Geschmack mißbilligen und den Kunstrichtern einen allgemeinen predigen, der die Schönheiten aller Zeiten und Völker empfindet, ebenso dringen Weltleute auf einen allgemeinen Geschmack für lebendige zweifüßige Schönheiten, der keine Manier ausschließet, und welchen alle letzen. Den hatte der Venner. In seiner Seele war ein solcher Unterschied zwischen seinen Empfindungen für die Perückenmacherin und zwischen denen für Lenetten, daß er aus Rache gegen diese sich auf der Treppe vorsetzte, den Unterschied zu überspringen und zur Hausherrin zu schleichen, deren engbrüstiger Mann sich draußen für eine andere Krönung konföderierte und abarbeitete. Sophia (so hieß sie) hatte immer beim Buchbinder Perücken ausgekämmt, wenn der Venner dort saß und Romane seines Lebens heften ließ: da hatten beide einander durch Blicke alles gesagt, was keine fremden verträgt. Meyern trat mit der kühnen Miene in die kinderlose Stube, die einen Epopöen-Dichter verriet, der sich über den Anfang wegsetzt. In der Stube war ein Verschlag von Brettern, worin wenig oder nichts war – kein Fenster, kein Stuhl, einige Wärme aus der Stube, ein Wandschrank und das Bette des Paars. –

Rosa hatte sich sogleich nach den ersten Komplimenten unter die Türe des Verschlags gestellet, weil er so spät nicht gern jedem vorbeilaufenden Auge – denn die Straße ging dem Fenster vorbei – eine anstößige Vermutung mitgehen wollte. Auf einmal sah Sophie ihren Gatten um das Fenster rennen. Der Vorsatz[242] einer Sünde verrät sich durch überflüssige Behutsamkeit: Rosa und Sophia fuhren so sehr über den Renner zusammen, daß diese dem Edelmann riet, in den Verschlag zurückzutreten, bis ihr Mann wieder auf den Schießgraben zurück sei. Der Venner stolperte ins Allerheiligste zurück, und Sophie stellte sich unter die Pforte des Verschlags und tat – da ihr Mann die Tür aufmachte und hereintrat –, als wenn sie aus ihr herauskäme, und zog sie hinter sich nach. Er hatte kaum die Standerhöhung ausgesprudelt, als er mit der Klage entfloh: »Die droben weiß es gar nicht.« Die Freude und ein schneller Trunk hatten seine lichtesten Gedanken mit einem Heerrauch entkräftet; er lief an die Treppe hinaus, schrie unten hinauf – denn er wollte wieder zurück zur Schützen-Prozession –: »Madam Siebenkäsin!«- Sie eilte die Hälfte herab und hörte zitternd den frohen Bericht – und warf ihm entweder als Maske der Freude oder als eine Frucht der größern Liebe gegen den glücklichern Gatten – oder als eine andere, der Freude gewöhnliche Frucht der Angst die Frage hinab: ob Hr. v. Meyern noch drunten sei. – »War er denn bei mir da?« sagt' er – und seine Frau versetzte ungebeten unter der Stubentüre »War er denn im Hause?« – Lenette antwortete argwöhnisch: »Hier oben – aber er ist noch nicht hinaus.«

Der Haarkräusler wurde mißtrauisch – denn Lungensüchtige trauen keiner Frau und halten, wie Kinder, jeden Schornsteinfeger für den Teufel mit Hörnern – und sagte: »Es ist nicht richtig, Sophel!« Die kurze Hirnwassersucht vom heutigen Trinken und der halbe Anteil am Throne und an den 50 fl. verstärkten seinen Mut so sehr, daß er sich innerlich vorsetzte, den Venner auszuprügeln, wenn er ihn in einem gesetzwidrigen Winkel ertappte. Er machte demnach Entdeckreisen – erstlich im Hausplatz, und seine Fährte und Witterung war Rosas wohlduftender Kopf – er folgte der Weihrauchwolkensäule in die Stube nach und merkte zuletzt, der Ariadnensfaden, der Wohlgeruch, werde immer dicker und hier unter diesen Blumen liege die Schlange, wie überhaupt nach Plinius76 wohlriechende Wälder Nattern beherbergen. Sophia wünschte sich in die unterste von[243] Dantes Höllen hinab, aber im Grunde saß sie ja schon drunten. Dem Friseur leuchtete ein, daß ihm, halte sich der Venner einmal im zugeklappten Meisenkasten des Verschlages auf, daß ihm dann der Petz gewiß bleibe im Bärenfang; und er sparte sich also bis zuletzt das Gucken in diesen auf. Es ist historisch gewiß, daß er ein Frisiereisen ergriff, um mit diesem Visitiereisen den Kubikinhalt des finstern Verschlags zu messen. Drinnen schwenkt' er im Dunkeln die Zange waagrecht, stieß aber an nichts. Darauf schob er die Sonde oder den Sucher in mehr als einen Ort hinein, zuerst ins Bette, dann unter das Bette, brauchte aber jedesmal die Vorsicht, daß er die Beißzange, die nicht glühend war, auf- und zudrückte, falls etwan eine Locke im Finstern zwischen die beiden Tellereisen fiele. Der Kloben fing nur Luft. Jetzt kam er an einen Wand- und Kleiderschrank, dessen Türe seit sechs Jahren aufklaffte; denn da in diesem lüderlichen Haushalten der Schlüssel vor ebenso vielen Jahren verloren war, so mußte das Einschnappen des Schlosses verhütet werden; aber heute war die Türe eng angezogen – der schwitzende Venner tats und stand darin. – Der Kräusler drückte sie gar ins Schloß hinein, und jetzo war das Zuggarn über die Wachtel gezogen.

Er konnte nun ruhig machen, was er wollte, und allen Geschäften gelassen vorstehen; denn der Venner konnte nicht 'raus.

Er sandte die blutrote widerbellende Sophia an den Schlosser und dessen Mauerbrecher ab; sie war aber des festen Vorsatzes, bloß eine Lüge statt des Schlossers mitzubringen. Nach ihrem Abmarsch holt' er den Altreis Fecht herab, damit dieser zugleich der Zeuge und der Meßhelfer dessen wäre, was er im Schilde führte. Der Schuhflicker schlich in die Stube nach. Der Hektiker ging in den Kanarienbauer hinaus und redete den im Bauer selber inhaftierten Vogel an, indem er mit der Zange an die Pforte der Engelsburg klopfte: »Gnädiger Herr, ich weiß, Sie sitzen darin – regen Sie sich – jetzo bin ich noch mutterseelenallein – ich breche still mit der Zange den Schrank auf und lasse Sie fort.« – Er legte das Ohr an die Türe dieses Spandaus und sagte, als er den Arrestanten seufzen hörte: »Sie schnaufen jetzo, gnädiger Herr – denn ich lieg' an der Tür – wenn der Schlosser kommt und[244] aufbricht, so sehen wir Sie alle, und ich rufe das ganze Haus her. – Ich verlange aber nur ein Geringes – und lasse Sie im stillen herausspringen, bloß Ihren Hut will ich und einige Groschen Geld und Ihre Kundschaft.«

– Endlich klopfte der Baugefangne innen an seine Klosettüre und sagte: »Ja, ich stecke hier innen. Lass' Er mich nur heraus, Er soll alles haben. – Ich will von innen mit aufsprengen.« Der Perückenmacher und der Altreis setzten das Brechzeug am Sprachgitter des Burgverließes an, und der Gefangne stieß von innen heraus; während dem Erbrechen der Jubelpforte unterhandelte der Friseur weiter und verfällete den Klausner in die Kosten des Schlosserlohns – und endlich setzte Rosa wie eine bewaffnete Pallas aus der geöffneten Stirnhöhle ans Licht. »Ohne mich«, sagte Fecht, »hätt's der Hausherr gar nicht aufgebracht.«

Rosa machte große Augen über diesen Neben-Erlöser aus dem Personalarrest – nahm den wohlriechenden Hut ab (den der berauschte Kräusler auf seinen Kopf und also in den Realarrest setzte) – warf beiden aus der Westentasche einige Tropfen vom goldnen Regen zu – und eilte aus Furcht vor ihnen und dem Schlosser barköpfig im Finstern nach Hause. – Der Friseur aber, dessen Scheitel nahe an der dreifachen Krone der vorigen Kaiser77 und der jetzigen Päpste war – denn der Vogel warf ihm die Krone zu, der Venner den Hut, und die Frau wollt' ihm auch etwas aufsetzen – der Friseur ging wohlgemutet mit der neuen Märtererkrone aus Filz, die er schon unter dem ganzen Schwenkschießen dem Venner beneidet hatte, in den Schießgraben hinaus, um wieder hereinzuziehen mit seinem Nebenkaiser unter seinen Reichskindern und Hintersassen.

Der Perückenmacher nahm seinen einem Mitkönige anständigern Hut vor dem königlichen Bruder, Siebenkäs, ab und erzählt' ihm einiges. Der Heimlicher v. Blaise lächelte wie Domitian heute freundlicher als jemals, wobei dem Vogelkaiser nicht wohl ward; denn Freundlichkeit und Lächeln macht das Herz, wie[245] spiritus nitri das Wasser, kälter, wenn es kalt, und wärmer, wenn es warm war – von einer solchen Freundlichkeit war nichts zu erwarten als ihr Widerspiel, wie in der alten Jurisprudenz78 die größere Frömmigkeit einer Frau bloß bedeutete, daß sie mit dem Teufel einen Bund gemacht. Aus den Marterwerkzeugen Christi wurden heilige Reliquien – oft werden aus solchen Reliquien der Heiligen erst die Folterinstrumente. – Der herrliche Zug ging unter dem nickenden Blitzen des ganzen wankenden Sternenhimmels, in den neue Sternbilder zerplatzender Raketen aufzogen. Die Nummern, die nach dem Könige den Schuß gehabt, feuerten in die Luft und salutierten mit dieser Kanonade gleichsam das königliche Paar. Die zwei Könige gingen nebeneinander, und der zur Perückenmacher-Innung zünftige konnte vor Freude und Bier nicht recht stehen, sondern hätte sich gern auf einen Thron gesetzt. – – Aber darüber, über diese 70 Jünger des Adlers und über die zwei Reichsvikarien, versäumen wir ganz andere Dinge. –

Nämlich die Stadtsoldaten, die mit dabei sind – eigentlich die Marktfleckensoldaten79. – Ich will viel über sie denken und nur halb so viel sagen. Eine Stadtmiliz, eine Landmiliz, besonders die kuhschnappelische, ist ein ernsthafter Heerbann, der bloß zum Verachten der Feinde gehalten wird, indem er ihnen unhöflich stets den Rücken, und was darunter ist, zukehrt, so wie auch eine gut geordnete Bibliothek nur Rücken zeiget. Hat der Feind Herz: so verehret der Heerbann wie der tapfere Sparter die Furcht; und wie Dichter und Schauspieler den Affekt selber heftig empfinden und vormachen müssen, den sie mitzuteilen wünschen, so sucht der besagte Bann das panische Schrecken erst selber zu zeigen, in das er Feinde versetzen will. Um nun einen solchen Kriegsknecht oder Friedenknecht in der Mimik des Erschreckens zu[246] üben, wird er täglich am Tore erschreckt; man nennt es ablösen. Ein Friedenkamerad schreitet gegen das Schilderhaus und fängt Feld- und Friedengeschrei an und macht nahe vor seiner Nase feindliche Bewegungen; der wachhabende schreiet auch, macht noch einige Lebensbewegungen mit dem Gewehr und streckt es sodann und läuft davon; der Sieger aber behauptet in dem kurzen Winterfeldzuge das Schlachtfeld und nimmt den Wachtrock um, den er jenem als Beute ausgezogen. Allein damit nicht einer allein auf Kosten der andern erschrocken werde: so wechseln sie mit dem Siegen ab. Ein solcher Krieger voll Gottesfrieden kann oft im Kriege sehr gefährlich werden, wenn er gerade im Laufen ist und sein Gewehr mit dem Bajonett zu weit wegwirft und so den zu kühnen Nachsetzer harpuniert. Kostbare Milizen dieser Art werden zu ihrer größren Sicherheit an öffentliche Plätze, wo sie unverletzlich sind, z.B. unter die Tore gestellt, und so werden solche Harpunierer recht gut von der Stadt und ihrem Tor bewacht; wiewohl ich doch oft, wenn ich vorbeiging, gewünschet habe, man sollte einem solchen Ritterakademisten einen starken Knüttel in die Hände geben, damit er etwas hätte, womit er sich widersetzen könnte, falls ihm ein Durchreisender sein Gewehr nehmen wollte.

Manchem wird es vorkommen, als ob ich auf diese Art die Mängel der Landmilizen nur künstlich verdeckte, und ich mache mich darauf gefasset; aber es ist nicht schwer einzusehen, daß dieses Lob auch auf alle kleine, auf der Fürstenbank stehende Heere reiche, die angeworben werden, damit sie anwerben. Ich will mich darüber jetzt auslassen. Villaume gibt Erziehern den Rat, die Kinder »Soldatens« spielen zu lehren, sie exerzieren und Wache stehen zu lassen, um sie durch dieses Spiel an gelenke und feste Stellungen des Körpers und Geistes zu gewöhnen, d.h. um sie geradezurichten und abzuhärten. In Campens Institut ist dieses Soldatenspiel schon lange für Eleven im Schwung. War es denn aber Hrn. Villaume so wenig bekannt, daß diese Schulexerzitien, die er uns vorschlägt, schon längst von jedem guten kleinen Reichsfürsten eingeführet waren? Glaubt er denn, es ist etwas Neues, wenn ich ihn versichere, daß die Fürsten junge[247] starke Kerle, sobald sie die heilige Länge haben, abholen und exerzieren lassen, um ihre Landeskinder mores, Stellung und alles zu lehren, was in der Kreuz- und Fürstenschule des Staats erlernet werden muß? In der Tat verstehen oft in den winzigsten Fürstentümern und Reichsgauen die Soldaten alles, was zu wirklichen gehört: sie präsentieren ihr Gewehr, stehen aufrecht an Portalen und können rauchen, wenn nicht feuern, lauter Dinge, die ein Pudel leicht erlernt, aber ein Bauerntölpel schwer. Ich leit' es aus diesen Kriegübungen her, daß sich viele sonst gescheute Männer bereden ließen, die Vexier-Soldateska kleiner Reichsstände für eine wirkliche ernsthafte zu halten, da sie doch sonst hätten sehen müssen, daß mit so kleinen Heeren weder ein kleines Land zu verteidigen noch ein großes anzufallen sei und daß es auch dieses gar nicht brauche, weil in Deutschland die Parität der Religionen schon die Parität der Mächte vertritt. – Hunger, Frost, Blöße, Strapazen sind die Vorteile, welche Villaume durch das Soldatenspiel seinen Zöglingen als ebenso viele Schulen der Geduld zu schaffen meint; das sind aber eben gerade die Vorteile, die die Staats-Realschule für die obengedachten jungen Kerle und noch besser als Villaume gewinnt, und darauf zweckt ja alles ab. Es ist mir recht gut bekannt, daß häufig ein Drittel des Landes gar nicht zum Soldaten gemacht und mithin in nichts geübt wird; es ist aber auch das wahr, daß, wenn es nur einmal so weit gebracht ist, daß zwei Drittel des Landes die Flinte statt der Sense auf der Achsel haben, daß alsdann dem letzten Drittel, weil es beträchtlich weniger zu mähen, zu dreschen und zu leben hat, die gedachten Vorteile (des Hungers etc.) fast gratis zuwachsen, ohne daß das Drittel einen einzigen Schuß tut. Man vervielfältige nur in einem Lande – in einem Ländchen – in einer Land- – in einer Mark- – in einer Grafschaft die Kasernen in hinreichender Anzahl: so werden sich von selber die restierenden Häuser als Fuggereien und Wirtschaftgebäude um die Kasernen anlegen, ja als echte Klöster, worin die drei Kloster-Gelübde – es ist niemand Pater Provinzial als der Fürst – nicht sowohl abgelegt als gut gehalten werden.

Wir hören jetzt die zwei Reichsvikarien in ihre Behausung[248] treten. Der Friseur züchtigt seine Frau mit nichts als mit dem Rapport der Sache und zeigt ihr den Hut. Der Advokat belohnte die seinige mit dem Kusse, den sie andern Lippen abgeschlagen. Sie machte ihm, wenn nicht mit der Erzählung, doch mit der Erzählerin eine Freude und versteckte überhaupt nichts als den italienischen Strauß und dessen Erwähnung – sie wollte seinen frohen Abend nicht trüben und ihn nicht auf die Schmerzen und Vorwürfe jenes andern bringen, wo sie es verpfändete. – Ich hatte mit vielen Lesern erwartet, Lenette werde die Botschaft der Thronbesteigung viel zu kaltsinnig aufnehmen – sie betrog uns alle: viel zu freudig tat sie's; aber aus zwei guten Gründen: sie hatte die Nachricht schon vor einer Stunde erhalten, und also hatte das erste weibliche Trauern über eine Freude der Freude darüber schon Platz gemacht; denn Weiber gleichen dem Wärmmesser, der in einer schnellen Wärme einige Grade sinket, eh' er um viele ordentlich steigt. Der zweite Grund, der sie so nachgiebig und teilnehmend machte, war ihr beschämendes Bewußtsein des vorigen Besuchs und des verhehlten Straußes; denn man ist oft hart, weil man stark war, und übt Duldung – weil man sie braucht. – Nun wünsch' ich der ganzen königl. Familie wohl zu schlafen und gesund im achten Kapitel zu erwachen.

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Der Stoff der Allegorie ist leider wahr: die Schäfer wissen lebendigen Schafen mit Stäben das Fett aus dem Unterleibe zu drehen.

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Bellarmin und die Rabbinen sagen, daß die Taube das Blatt, das sie dem Noah zutrug, aus dem Paradies abgeblattet, das zu hoch für die Sündflut lag.

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Denn bekanntlich gibt es keine Gewächse mit eilf Staubfäden.

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Wenigstens schreibts ein wittenbergischer Chroniker, es sei Erde im Apfel, den freilich sonst kein Nürnberger aufschneiden durfte. Wagenseil de civ. Norimb. p. 239.

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Dr. Hooke rät den Sternsehern, sich das Sonnenbild so lange von Planspiegeln zurückwerfen zu lassen, bis es erloschen scheint. Priestleys Geschichte der Optik.

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Den Lesern sag' ichs, daß eine große Nummer große Nadeln, und den Leserinnen sag' ichs, daß eine große kleinen Schrot anzeigt.

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Es erinnert nämlich jeder sich noch aus dem zweiten Kapitel, welche ehrenrührige Anrede an Blaise Leibgeber auf den die Gerechtigkeit vorstellenden Ofen mit sympathetischer Dinte geschrieben. Als daher einmal an einem kalten Herbsttage die Themis für eine große Gesellschaft geheizet werden mußte: so war das kurze Pasquill, das ihn einen Injustizminister und dergleichen nennt, schon dem größern Teil der Gäste durch die Hitze lesbar geworden, eh' man nur daran gedacht, es abzukratzen. Von Blaise machte aber kein Hehl daraus, daß es entweder Leibgeber oder Siebenkäs gemacht.

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Dessen introduction dans l'histoire de Dannemarc.

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Art. 159. P. G. O.

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Der Bruder des Doktor Hunters fand sie. S. van Dalems Reise durch England.

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Pl. H. N. XII. 17.

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Bekanntlich wurde dem Römischen Kaiser eine goldne Krone in Rom aufgesetzt, eine silberne in Aachen, eine eiserne in Pavia. Ein König hat einen Kopf, der alle Kronen zu tragen vermag, Kronen von allen Ländern, von allen Metallen, sogar von Quecksilber.

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Zanger und Heil vermuten aus dem häufigern Seufzen beim Namen Jesu, aus dem frühen Kommen in die Kirche, aus dem späten Gehen nichts Gutes; etwas ist an der Sache und ein solches Wesen nicht ganz vom Teufel rein.

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Wenig oder nichts gebührt der jetzigen Landwehr von dem Lobe, das ich der vorigen in der ersten Auflage gegeben; viel gerechter dürften dasselbe sich die regelmäßigen Soldatenheere der kleinren Souveräne jetzo zueignen.

Quelle:
Jean Paul: Werke. Band 2, München 1959–1963, S. 218-249.
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