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[220] (Zu Halberstadt den 22ten des Hornungs 1762.)
Läßt die Natur aus ihrer Hand
Erobrer gehn, o dann bebt schauervoll die Erde
Erwartend, daß auf manches Land
Tod und Verwüstung kommen werde!
Wenn ein zukünftiger Tyrann
Grimm aus dem Auge weint, das kaum sich aufgeschlossen
Dann sehen Engel weinend an
Der Hölle jungen Bundsgenossen.
Der Sonnen Antlitz wird entfärbt
Wenn sie den Heuchler sieht, dem Gift im Blute schleichet
Der künftig mit dem Hauch verderbt,
Wenn er als Freund die Hände reichet.
[221]
Bey der Geburt des Wuchrers lacht
Der Geiz, und schreckt mit Hohn die Wollust von der Wiege
Und giebt mit schielen Blicken acht
Wo Gold für seine Hände liege?
Den Dummkopf drückt die Trägheit an
Mit weichem Arm und spricht bey seiner ersten Thräne:
Sey ruhig werd ein fetter Mann,
Und über Glück und Unglück gähne!
Der Neidische kommt auf die Welt
Mit Blicken um sich her als wollt er trotzig wissen:
Warums der Mutter noch gefällt
Den Vater mehr als ihn zu küssen!
O Muse, frag die Gottheit nicht
Warum sie alle die herab zur Erde schickte
Nein singe nur: Wem Sonnen-Licht
Der Tugend, aus den Augen blickte!
[222]
Die Luft ward harten Eises Zwang,
Der Winter schickte sich dem Frühling auszuweichen,
Da Spiegel der Natur entdrang
Um ihr an Gütigkeit zu gleichen!
Ganz sanft war er gemacht von ihr,
Sein Schutzgeist lächelte lobsprechendes Vergnügen
Er sahe besser noch, als wir
Den Menschen-Freund in allen Zügen!
So wie er ist, ließ ihn hervor
Die fröliche Natur aus ihren Meister Händen
Und sagte: sein gefällig Ohr
Wird sich zur Freundes Muse wenden.
O Gleim ward nicht dein Saytenspiel
Bespannet vom Apoll im Kriegerdampf verlohren,
So werde Lied, so sey Gefühl
Am Tage welcher ihn gebohren!
[223]
Was hör ich? süsser Saiten-Klang
Dringt in mein Herze tief, vom Himmel wird gerufen:
»Das Glück begleitet Spiegels Gang,
Bis auf des Alters höchste Stuffen.«
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