Warnung an den jungen Herrn von H*st

[82] 1764.


Als derselbe der Mahlerey den Vorzug vor der Dichtkunst ertheilte.


Der Du den Pinsel des Apelles

Viel eher wünschest als den Trank des Musenquelles

Und Pindars Saitenspiel;

Sey doch ein Musenfreund, und höre,

Dem feineren Geschmack zur Ehre,

Die Lieder mit Gefühl.


Du bists – Getreulich unterwiesen

Von Deinem Mentor1, kennst Du schon des Parnaß Riesen

Und lachst der Zwerge schon;

Und sprichst von jeglichem Gedichte

Mit viel bedeutendem Gesichte.

Im richterlichen Ton.
[82]

Ich lobe Dich, Du Freund der Lieder,

Doch bleib auf Deiner Hut, und sündige nicht wider

Den richtigen Geschmack,

Sonst wird Dein Eberhard ergrimmen

Und Gottscheds Werke Dir bestimmen

Auf einen ganzen Tag.
[83]

Fußnoten

1 Herr Eberhard, jetziger Professor auf der Universität zu Halle.


Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792, S. 82-84.
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