Seemärchen

[285] Und als die Nixe den Fischer gefaßt,

Da machte sie sich abseiten;

Sie schwamm hinaus mit lüsterner Hast,

Hinaus in die nächtlichen Weiten.


Sie schwamm in gewaltigen Kreisen herum,

Bald oben, bald tief am Grunde,

Sie wälzt' mit dem Armen sich um und um

Und küßt' ihm das Rot vom Munde.


Drei Tage hatte sie Zeitvertreib

Mit ihm in den Meeresweiten,

Am vierten ließ sie den toten Leib

Aus ihren Armen gleiten.


Da schoß sie empor an das sonnige Licht

Und schaute hinüber zum Lande;

Sie schminkte mit Purpur das weiße Gesicht

Und nahte sich singend dem Strande.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 285-286.
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