Der 2. Absatz.

Von dem Wasser.

[30] Das Wasser ist ein von Natur kaltfeucht- und flüßiges Element / zu der Unterhaltung der Menschen / Thier und Pflantzen sehr nothwendig: Es ist eines unter den allerersten Geschöpffen / und nimmt auf dem Erdboden den grösten Platz ein / ja es umgibt die gantze Erden. Das Wasser ist von GOtt dem Allerhöchsten absonderlich geseegnet und so wohl im alt- als neuen Testament mit viel herrlichen Miracklen beglücket und geehrt. Es ist ein absonderliche Beförderung der Früchten und Erdgewächsen. Spiritus Dei ferebatur super aquas,23 sagt der Heil. Text / der Geist des HErrn überschwebt die Wasser gleich zu Anfang der Welt. Ein grosses Wunder des alten Testaments begab sich in dem Wasser / als der Prophet Moyses mit seinem Stab das rothe Meer zertheilt / und das Israelitische Volck mit trucknem Fuß durchgeführt hat: Ein grosses Wunder / als er mit eben dem Stab aus dem harten Felsen dem durstigen Volck frisches Wasser hat fliessen machen: Als er das Wasser des Flusses Nili in Egypten in Blut verwandlet: Als er das bittere Wasser in süsses verkehrt hat: Als dem durstigen Samson aus dem dürren Kinbacken eines Esels mit dem er 1000. Philisteer erschlagen hat / frisches Wasser geflossen ist etc.24 Ein grosses Wunder im neuen Testament hat sich mit dem Wasser begeben / als Christus bey der Hochzeit zu Cana in Galiläa das Wasser in Wein verwandlet: Als der Heil. Apostel Petrus / auch der Heil. Abbt Maurus auf dem Wasser mit trockenem Fuß gangen ist: Als es in dem Schwemm-Teich zu gar allerlei Kranckheiten ein Heylbrunn gewesen: Als der Heil. Raymundus de Pennafort seinen Mantel auf dem Wasser hat ausgebreitet und darauf innerhalb 6. Stunden 160. Meil weit gefahren ist etc. Ein grosses Wunder als dem Heil. Paulo das Haupt abgeschlagen worden / hat selbiges noch 3. Spring auf der Erden gethan / und jedesmahl ein frischer Bronn auf eben selbem Platz entsprungen ist. Dieses alles dienet zu grosser Ehr und zu grossem Lob des Wassers. Aber noch mehr / daß Christus das höchstnothwendige Sacrament unserer geistlichen Widergeburt / das ist / den Heil. Tauff in dem Element deß Wassers hat eingesetzt / und dardurch die menschliche Seel von der Mackel der Erbsünd gereiniget wird. Ja zur Zeit des allgemeinen Sündfluß hat er die lasterhaffte Welt nicht anderst als durch das Wasser reinigen wollen. Eben darum kan geistlicher Weiß durch das Wasser die Unschuld und Reinigkeit / ein gutes reines Gewissen und gute Meynung[30] verstanden werden. Dann gleichwie das Wasser nicht nur an sich selber gantz rein und sauber ist /sondern auch andere Ding / so darmit gewaschen werden / von aller Mackel und Unrath reiniget und säuberet / also das reine Gewissen und gute Meynung leidet nicht nur an sich selbsten keine Unreinigkeit der Sünd und Lasteren / sondern sie reiniget auch alle Gedancken / Wort und Werck / alles Thun und Lassen von denen Macklen der Seelen.25 Dieses seynd die Flüß des lebendigen Wassers / ein Bronn des Wassers /welches springt in das ewige Leben / von welchem Christus im Evangelio meldet.26

Das Wasser wird bey denen Lateinern genennt / aqua, quasi æqua, das ist / gleich oder eben / auch sanfft oder gelind / æquo animo supportare, mit Gleichmüthigkeit mit Sanfftmuth etwas übertragen. Also recht dann ein gutes Gewissen ist zugleich æqua gleich in Fried und Leyd / in Glück und Unglück / in Trost und Trübsaal / es thut alles gleichmüthig übertragen.

Gleichwie auf der Erden nichts gemeiners und nichts häuffigers ist als des Wassers / von welchem sie überall umgeben / durchschnitten und durchtrungen wird / also ist in dem menschlichen Leben nichts gemeiners / und häuffigers als Creutz und Leyden /Trübsaal und Widerwärtigkeit die den Menschen auf allen Seiten anfallen / und umgeben: aber ein gutes Gewissen / wann es schon mit diesen Wasseren gäntzlich angefüllt / und überschwemmet ist / so ist und bleibt es doch allzeit æqua gleich und in ihm selbst beständig / es übertragt alles starckmüthig /und rufft inzwischen zu GOtt mit dem Psalmisten: Salvum me fac DEus, quoniam intraverunt aquæ usque ad animam meam.27 Hilff mir O GOTT /dann die Wässer seynd kommen biß an mein Seel. Da er hingegen antwortet: Cum pertransieris aquam tecum ero.28 Wann du schon durchs Wasser giengest / so will ich bey dir seyn etc.

Wie die Naturkündige anmercken / so seynd die Wasser / welche gegen Aufgang lauffen / besser und gesünder / als die so gegen Untergang lauffen. Ein reines Gewissen und gute Meynung ist ein Wasser /welches seinen Lauff allzeit gegen Aufgang / das ist /gegen GOtt / und dem Himmel richtet / ein böses Gewissen und ein verkehrte Meynung aber richtet sich gegen Niedergang / das ist / nach der Welt / und deßwegen ist jenes geistlicher weiß gesund / dises aber ungesund.

Ferners gleichwie das frische Wasser die von der Arbeit ermattete Menschen und Thier / wie auch von der Sonnen-Hitz vast ausgedörrte Pflantzen und Kräurer erfrischet / oder erquicket / und gleichsam wiederum lebendig machet / also ein gutes Gewissen stärcket / tröstet und erhaltet die menschliche Seel in Ubertragung aller Mühe und Arbeit / und erquicket sie in der Hitz der brennenden Trübsaal und Verfolgung. Wann ein flüchtiger Hirsch von Jag-Hunden aufs hefftigist verfolgt wird / und schon gantz abgemattet ist / nur ein Wasser erreichen kan / und selbes durchschwimmet / da bekommt er wiederum neue Kräfften mit schnellistem Lauff in ein sicheres Orth zu entrinnen: deßwegen ihm füglich diese Sinn-Schrifft kan zugeeignet werden:


Hinc vires & vitam.


Das Wasser ihm zur rechten Zeit /

Kräfften gibt und Sicherheit.29


Eben also wann die menschliche Seel zur Zeit der schweren Verfolgungen die sie von sichtbarlich und unsichtbarlichen Feinden leydt / sich nur in das reine Wasser ihres guten Gewissens und ihrer Unschuld begeben kan / da wird sie gestärckt / und in Sicherheit gesetzt / also daß ihr der Feind so wenig als einer Stadt / welche allenthalben mit Wasser umgeben ist /zu kommen und schaden kan: Da hingegen / wo das Wasser abgehet / ein Vestung gar leicht bezwungen und überwältiget wird: Also auch / wen das böse Gewissen trucket / der ist nicht tauglich der Trübsal und Verfolgung lang zu widerstehen.30 Gleichwie das Wasser den Durst / so groß er ist auslöschet / und die hitzige Leber abkühlet /[31] also thut das gute Gewissen die hitzige Begierd nach denen irrdischen Freuden und Wollüsten auslöschen: dann es ist ihm selbst die gröste Freud und Lust: Secura mens quasi juge convivium,31 sagt der weise Salomon / ein gutes Gewissen ist wie ein immerwährendes Gast-Mahl. Es ist allerseits vergnüget / wann es in die Höhe schauet /da siehet es / daß ihme der Himmel offen stehet / und daß es GOtt zu seinem Freund hat: Wann es unter sich schauet / da siehet es den Teufel als überwunden zu seinen Füssen ligen / vor / nach / und neben ihm siehet es lauter Verdienst / Tugend / und unsträfflichen Wandel. Es ist nichts erfreulichers / nichts sicherers / und nichts reichers sagt der H. Bernardus, als ein gutes Gewissen / es mag die Welt / das Fleisch oder der Teufel darwider aufstehen so bleibt es doch sicher und unüberwindlich / derowegen gleichwie ein Füncklein Feur / so bald es in ein Wasser fallet / augenblicklich ausgelöscht und zernichtet wird / also wann ein Trübsaal oder Widerwärtigkeit in ein gutes Gewissen fallet / da wird sie alsobald von demselben verzehrt und zernichtet.

Was jetzund weiters die Abtheilung dieses Elements / von dem wir handlen anbelangt / so seynd die fürnehmste Theil desselben das Meer / die Flüß die See und Bronnen. Die erste und fürnehmste Abtheilung der Wässer hat GOTT selbsten gemacht gleich zu Anfang der Erschaffung der Welt wie zu lesen ist in Heil. Schrifft / da er gesprochen hat: Es werde ein Vöste zwischen den Wässern / und scheid die Wässer etc. und widerum / es sammlen sich die Wässer / so unter dem Himmel seynd / von denen Wässeren / so ob dem Himmel seynd und die Sammlung der Wässer hat er genennt Meer.32 Von dem Meer werden wir hernach an seinem eigenthumlichen Orth handlen.33 Die fürnehmste Flüß betreffend / so meldet erstlich die Heil Schrifft daß von dem irrdischen Paradeyß ausgangen seyen vier Haupt-Wässer oder grosse Flüß / nehmlich Phison, Gihon, Tygris und Euphrates, welche hernach unterschidliche Landschafften durchstreichen.34 Durch den ersten kan geistlicher weiß verstanden werden derjenige Fluß / welchen der Prophet Isaias nennet Fluvium pacis, den Fluß des Friedens / verstehe des Friedens und der Ruhe / so aus einem reinen Hertzen entspringt. Durch den andern den Fluß der Andacht /welchen die geistliche Braut den Fluß des Gewürzes benahmset / weilen nehmlich aus einem reinen Hertzen gleichsam ein lieblicher Geruch zu GOtt aufsteiget. Durch den dritten der Fluß der Betrachtung / welcher gleichet einem Crystallenen / oder gläsernen Meer welches mit Feur vermischt ist (wie es der Heil. Joannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen hat) wegen Hoheit und Klarheit des beschaulichen Lebens.35 Durch den vierdten aber der Fluß oder überhäuffte Menge der himmlischen Freuden und Glori /welchen David nennet Torrentem voluptatis, einen Bach der Wollüsten.36 Alle diese 4. Wässer /nehmlich der Frieden / die Andacht / die Betrachtung und die Glori fliessen häuffig aus dem Paradeyß eines guten und reinen Gewissens.

Ferners ist ein wohlberühmter Fluß der Nilus / der zu gewissen Zeiten gantz Egypten-Land (allwo es niemahl zu regnen pflegt) überschwemmet und fruchtbar macht.37 Also thut auch ein gutes Gewissen den gantzen Menschen / welcher von dem Regen der eitlen irrdischen Wollüsten nicht benetzt wurd / überschwemmen und an guten Wercken / an reichlichen Verdiensten fruchtbar machen. Auch der Fluß Jordan ist berühmt schon in dem alten Testament wegen dem wunderbarlichen Durchzug der Arch des Bunds / so mit trucknem Fuß geschehen ist. In dem Neuen aber wegen dem Tauff Joannis der darinn ist ertheilt worden.38 Ein rechtes Sinnbild der Reinigkeit / als in welchem Christus selbst hat wollen gewaschen werden / dem Wasser die Krafft zu ertheilen hinfüran die Seelen zu reinigen.

Noch viel andere wunderwürdige Flüß seynd in unterschiedlichen Ländern[32] und Reichen anzutreffen: als erstlich der so genante Silber-Fluß in Brasilien / der goldreiche Fluß Tagus in Lusitanien / der Saffran- Fluß Hoang in Sina / wird also genant wegen der gelben Farb seines Wassers / welchen der gelbe Grund verursachet: der Fluß in der Landschafft Suchuen der Perlen-Fluß genant / dieweil in demselben zu Nacht viel Liechter scheinen / von welchen die Sineser glauben / es seyen Carfunckel-Stein.39 Das Flüßlein so bey der Stadt Koncheu solle ein so leicht und dinnes Wasser führen / daß kein Strohalm oder Spreuer darauf schwimmen könne. Unter der Stadt Foning rinnet aus dem Berg Talao ein Flüßlein / dessen Wasser zu Herbst-Zeit Himmel-blau ist / darinn die benachbarte ihre Tücher färben und waschen.

Der Fluß Kinbey der Stadt Chingthu wird insgemein der damastene Fluß genennt; der Ursach / weil alle Seiden / so in ihm gewaschen wird / einen wunder-schönen Glantz bekommt. Unter Chingtien auf dem Berg Zuaci fließt ein Wasser / welches einen lieblichen Geruch und süssen Geschmack von sich gibt. Bey der Stadt Choxan ist ein Flüßlein / dessen Wasser alle Fleck und Massen aus den Kleyderen gar leicht vertreibt: es soll auch vortrefflich seyn Gewehr und Waffen zu schärpfen / weil es ein heimliche Schärpfe in sich hat. Plinius und Solinus rühmen sehr die 2. Flüß so Choaspis und Euläus heissen / deren Wasser so rein / gesund und wohlgeschmack ist / daß es die Persische und Pharter-König sehr hochgeschätzt und von fern zu trincken / abholen lassen.

Nicht weniger ja mehrers seynd berühmt die grosse zwey Flüß Indus und Ganges / in welchen auch unterschiedliche Edelgestein zu finden: neben mehr anderen goldreichen Flüssen in Ost- und West-Indien.

Aber alle die gemeldte vortrefflich- und berühmte Flüß übertrifft weit das edle Wasser eines guten reinen Gewissens: dann es führet das kostbare Gold der Liebe GOttes / und das Silber der Reinigkeit mit sich.40 Es seynd in selbem auch Perlein und Edelgestein der herrlichisten Tugend- und Vollkommenheiten zu finden: Es hat auch die schönste Farben / und gibt einen lieblichen Geruch des guten Exempels von sich: Es ist gesund und süß / das ist / nutzlich oder verdienstlich in allem Thun und Lassen / und versüsset die Bitterkeit des Creutz und Leyden / der Trübsal und Widerwärtigkeiten. So viel von Flüssen seye genug.

Was aber weiters die Bronnen anbelangt / welche auch nicht den geringsten Theil dises Elements ausmachen / so gereicht zu ihrem sondern Lob das lateinische Sprüchwörtlein amat sapientia fontes, die Weißheit liebt das frische Bronnen-Wasser.41 Ja das Bronnen-Wasser ist auch ein Sinnbild der Weißheit /und diese kan selber ein klares Bronnen-Wasser genennt / oder mit selbem verglichen werden. Dann erstlich / gleichwie das frische Bronnen-Wasser zu dem täglichen Gebrauch der Menschen sehr dienlich und nothwendig ist / also ist die Weißheit (ich verstehe die wahre Christliche / nit die eitle Welt-Weißheit (in allem Thun und Lassen sehr nutzlich und nothwendig. Das Bronnen-Wasser ist gut zum Trincken / zum Kochen und Waschen / es löschet den Durst / säuberet die Leinwath / und kochet die Speisen: Auch die Weißheit löschet den Durst / das ist / die dem Menschen angebohrne Begierd zu wissen und zu erkennen: Sie reiniget den Verstand von denen Mackeln der Irrthumen / Fehler und Unwissenheit: sie muß auch alles verkochen / inmassen wann ein Geschäfft oder Vorhaben / nicht wohl ausgekocht / das ist / weißlich überlegt und ausgesonnen ist / so geht es nicht glücklich von statten / es ist kein guter Ausgang zu hoffen. Aber wann man frisches Wasser aus dem Schöpff-Bronnen haben will / da muß man sich darum bearbeiten / und eine Mühe anwenden / wie es das Samaritanische Weiblein wohl erfahren hat / und deßwegen Christum bey dem Bronnen gebetten / er soll ihr von dem lebendigen Wasser zu trincken geben /[33] damit es nicht mehr dürfte / und zu dem Bronnen zu schöpffen kommen müsse.42 Deßwegen kan einem Schöpff-Bronnen billich die Sinnschrifft zugeeignet werden:


Omnibus affluenter.


Er gibt des Wassers allen viel /

Wer nur immer schöpffen will.


Eben also wer das Wasser der Weißheit erwerben will / muß sich darum bemühen und bearbeiten: dann nach Zeugnuß des gedultigen Jobs: Sapientia non invenitur in terra suaviter viventium:43 Die Weißheit wird nicht gefunden im Land deren die in Wollüsten leben. Und wann man das Bronnen-Wasser klar und rein erhalten will / so muß man den Bronnen öffters säuberen / und verhüten / daß nichts unreines darein falle: auch die Weißheit gehet nicht ein in eine boßhaffte / unreine Seel / und wohnet nicht in dem Leib / welcher der Sünd unterworffen ist.44

In der Provintz Chiapa nahe bey dem Dorff Cinacatan, trifft man einen kleinen Bronnen an / welcher dienet die Kranckheiten zu curiren / welche Corrosion und hitzige Artzney-Mittel erfordern: Hingegen sterben die Thier so daraus trincken.45 In Neu Andalusia in dem Eyland Cubagua kommt man zu einem Bronnen der ein wohlriechendes und sehr heylsames Wasser führet.46 An etlichen Orthen der Provintz Caizimu quellen wunderbarliche Bronnen herfür / die obenher süß seynd in der Mitte halb süß und halb saurlecht / auf dem Grund aber gantz saltzig und bitter. Zu Guancavelica in Peru ist ein Bronn darauß heiß Wasser fliesset / welches wann es heraus kommt sich in Stein veränderet / und von solchen Steinen seynd vast alle Häuser desselben Orths gebauet: die Stein lassen sich leicht mit Eisen zubereiten als wie Holtz / seynd auch leicht zu heben und dauren doch lang. Wann aber ein Mensch oder Vieh aus selbem Wasser trincket / so muß es sterben / weil es zu Stein wird in seinem Leib.

In Peru findet man Pech- und Hartz-fliessende Bronnen / die Schiff-Leuth machen es ihnen zu Nutz /und pflegen ihre Schiff-Seiler und Segel darmit zu schmieren. Zu Gualva in der Insul Tercera in Ost-Indien trifft man einen Bronnen an / so alles Holtz mittler Zeit in harte Stein verwandlet. In der Insul Sumatra ist ein Bronn / aus welchem reiner und köstlicher Balsam fließt. In der Landschafft Zantung unter der Stadt Tangcheu ist ein Bronnen der zugleich warmes und kaltes Wasser von sich gibt. Auf dem Berg Lenion in der Landschafft Ensi ist ein Crystall heller Bronnen / der zwar kaum vier Elen tieff / und doch ist das Obertheil desselben sehr kalt / unten aber auf dem Boden so heiß / daß mans nicht erleiden kan.

In der Landschafft Quangsi bey Hingan findet man einen Bronnen / dessen Wasser halb trüb / halb aber sehr klar ist / und wann man es schon unter einander mischet / so bekommt es doch alsobald wiederum seinen vorigen Unterschied. In der Gegend der Stadt Syracusa ist ein Bronn der an und für sich selbsten nicht starck fliesset / sobald aber eine Anzahl Men schen dahin kommet zu trincken / vermehret sich die Quell alsobald; Eben da befinden sich noch zwey andere Bronnen nahe beysammen / davon der eine die Menschen und Thier fruchtbar / der andere aber unfruchtbar machet.

Die bißhero erzehlte Bronnen seynd zwar Wunder der Natur / aber die nachfolgende seynd auf eine übernatürliche Weiß entsprungen.47 Erstlich hat mein H. Vatter Benedictus durch das Gebett auf dem Gipffel eines hohen Felsens 3. frische Wasser-Bronnen häuffig fliessen gemacht. Zweytens hat sowohl der H. Amatus Abbt / als der Heil. Bischoff Samson mit seinem Staab auf einen Felsen schlagend einen lebendigen Bronnen erweckt.

Drittens der Heil. Bischoff Cadocus als er einstens zu Kernau im Normanner Land grossen Durst litte /stosset seinen Staab in ein öde und dürre Erden / und sihe alsbald quellet eine reiche Wasser-Ader herfür /welche der Heil. Mann geseegnet / und GOtt gebetten hat / daß alle Krancke und Presthaffte so daraus trincken / genesen[34] / und das Wasser alle gifftige Suchten und Würm aus dem Leib vertreibe. Viertens mit dem H. Balensischen Abbt Mochua hat es sich zugetragen / daß / als er von Benchor aus dem Closter in Ultovien gelegen / Krafft des Gehorsams abgereißt / da ist ihme von freyen Stucken ein Bronnen-Quell / in Gestalt einer dicken und schwartzen Wasser-Wolcken /die doch kein Wasser / sonder vielmehr Milch von sich fallen ließ / bey hellscheinender Sonnen nachgefolgt etc.

Wunder- und preißwürdig seynd die erzehlte Bronnen-Wässer: aber das sittliche Wasser der Weißheit übertrifft alle: dann jene haben ihren Ursprung nur aus der Erden / diese aber in dem Himmel / sie ist ein gantz himmlische Gaab / und höchst erwünschlich /wie es gar wohl erkennt hat der weise Salomon / da er vor allem GOtt inständig um die Gnad der Weißheit gebetten hat / und selbige über alle irrdische Güther und Glückseeligkeit hochgeschätzet.48

Lasset uns auch mit ihme zu GOtt ruffen / und um die wahre Weißheit bitten / mit eben denen Worten: Sende sie herab aus deinen heiligen Himmlen /daß sie bey mir seye und mit mir arbeite / daß ich verstehe / und wisse / was dir angenehm ist.49 Dann wahrhafftig / wie eben der Salomon bezeuget / die Weißheit ist besser / als die köstlichste Reichthumen / und alles was man wünschen mag / kan ihr nicht gleichen.50

Den vierdten Theil des Wassers / nehmlich die See betreffend / weilen sie von dem Meer nicht gar viel unterschieden seynd / so verschieb ich biß dahin von ihnen etwas zu melden. Indessen aber beschliesse ich die gegenwärtige Materi von dem Element des Wassers mit folgenden Reimen / die sich nicht übel daher schicken.


Mit Wasser fleißig wasch die Händ /

Mund und Muth mit gutem Wein:

So wird der Mund / der Muth und Händ

Fein sauber und fröhlich seyn.


Oder vielmehr:

Mit Wasser wasch die Händ /

Das G'sicht in Zäher-Fluth:

Das Hertz mit wahrer Reu /

Die Seel in Christi Blut:

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 30-35.
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