Der 3. Absatz.

Von dem Geruch und der Nasen.

[186] Der dritte äusserliche Sinn des Menschen ist der Geruch / deme eigenthumlich ist / die wohl- oder übelschmeckende Ding zu riechen und zu unterscheiden: und dieses geschiehet vermittelst der Nasen.78 Der Geruch ist zwar kein so fürtrefflicher Sinn / als wie das Gesicht oder das Gehör / doch ist er fürnehmer /als der Geschmack / und das Fühlen oder berühren; weilen diese zwey Sinn nichts empfinden / was nicht zu nächst / oder unmittelbar bey ihnen ist / der Geruch aber empfindet auch entfernte Ding / Blumen / Kräuter / Rauch etc. Der Geschmack ist absonderlich denen Thieren nutzlich und nothwendig / weilen sie durch denselben die Speiß unterscheiden und erkennen / ob sie ihnen anständig seyen oder nicht: deßwegen sie auch gemeiniglich zuvor daran schmecken /ehe daß sie essen / als wie die Hund / Katzen / Hirsch etc.

Die Nasen aber / als das Organum oder Instrument des Riechens / hat neben der äusserlichen Gestalt (welche in Crösplen und Bein bestehet / und unterhalb zwey Oeffnungen oder Löcher hat) oberhalb gegen der Stirn ein Bein / in welchem es vil kleine Löchlein gibt / als wie in einem Sieb oder Schwammen.79 Gleich ob diesem Bein befinden sich zwey fleischene Dinglein / als wie zwey Wärtzlein / die sich beym Schnauffen auf- oder von einander thun / wann der Lufft oder Athem durch die Nasen an sich gezogen wird: hingegen wiederum schliessen oder zusammen ziehen / wann man den angezogenen Lufft und Athem wiederum austreibt / oder von sich giebt.

Hernach folgen zwey hohle Röhrlein mit einer Cröspel umgeben und abgesönderet / deren eines biß in das Hirn hinauf gehet / und durch das selbige /wann man schneitzet / der Schleim / oder die überflüßige und unreine Feuchtigkeiten herab gezogen werden: das andere aber gehet gegen dem Rachen herab zu dem Lufft-Rohr /[186] dardurch das Hertz abgekühlet wird / wann man durch die Nasen den Lufft an sich ziehet etc.

Das Niessen aber kommet daher: wann das Hirn voller Dämpff und Feuchtigkeiten ist / und die Hitz des Haupts dieselbige dinn macht oder ausdähnet / da steigen sie in die Nasen herab / einen Ausgang zu suchen / und die Natur treibet selbe durch die enge Hölen dermassen mit einer Hefftigkeit und einem Geräusch herauß: Dieses Niessen ist zwar an sich selber gesund / weil es das Hirn reiniget: doch aber / wann es zu starck und offt geschiehet / da verletzt es das Haupt / und ist gefährlich; deßwegen pflegt man Salus oder dergleichen zu sagen / oder Glück und Heyl zu wünschen / wann man niesset.80

Die Nasen bedeutet im sittlichen Verstand die Andacht; als welche die Lieblichkeit der Tugenden und himmlischen Dingen riechet und liebet / gleichwie die Nasen den guten Geruch der Blumen / des Gewürtz-und Rauchwercks: hingegen fliehet und hasset sie den Gestanck der Sünd und Laster / den Gestanck der unreinen irrdischen Gelüsten etc.81 Die wahre Andacht weiß gar wohl zu unterscheiden das Gute und Böse /das GOTT gefällige und mißfällige: zu jenem thut sie sich wenden / von diesem hingegen abwenden / als wie es die Nasen mit einem wohl- oder übel schmeckenden Ding machet. Auf dieses zihlet ab / was geschrieben stehet: Quasi Libanus odorem suavitatis habete:82 Gebet von euch einen guten süssen Geruch / als wie der Libanus. Der Berg Libanus ist gantz wohlriechend wegen Menge der Bäumen / welche viel Gewürtz und Rauchwerck tragen. Also auch der himmlische Berg Sion / auf welchem GOtt und seine Heilige sich befinden / und den edlisten Geruch der Tugend und Heiligkeit von sich geben / denselben in die Hertzen der andächtigen Menschen ergiessen /und selbe dardurch an sich ziehen; weilen sie als wie die Bienlein oder Immen / denen wohlriechenden Blumen und Kräuter zueilen (da hingegen die unreine und gifftige Thier darvor fliehen) wie die geistliche Braut in den hohen Liedern sagt: trahe me post te, & curremus in odorem unguentorum tuorum:83 ziehe mich nach dir / so lauffen wir im Geruch deiner Salben.

Ferners / gleichwie die Nasen den Lufft an sich ziehet / und wiederum von sich gibt / also thut die Andacht oder andächtige Seel den Geist des inbrünstigen Gebets von ihr auslassen / und ziehet hingegen den Geist der Göttlichen Gnaden an sich hinein: auch führet sie die unreine böse Feuchtigkeiten der Sünd und Lasteren aus.

Die Nasen ist die gröste Zierd des menschlichen Angesichts / und wann diese abgeschnitten wird / so ist es häßlich verstaltet: auch die wahre Andacht ist die gröste Zierd der menschlichen Seel / und wann jene abgehet / da ist diese vor denen Augen GOttes gantz häßlich und ungestalt.

Für das zweyte kan durch die Nasen verstanden werden die Klugheit und Fürsichtigkeit der Oberen: dann diese sollen von weitem riechen und erkennen /was sonst den Augen und Ohren verborgen ist: sie sollen durch die Klugheit wissen zu unterscheiden die Böse von den Guten / und durch die Vorsichtigkeit von ihren Untergebnen beyzeiten abwenden die bevorstehende Ubel und Gefahren.84 Ein solcher kluger und vorsichtiger Oberer ist die Zierd und Schönheit des sittlichen Leibs / das ist / der gantzen Gemeind /dero er vorgesetzt ist / als wie die Nasen eine Zierd des Angesichts ist: wo aber die Nasen der Klugheit und Vorsichtigkeit abgehet / da ist das Angesicht / ja der gantze Leib / die gantze Gemeind häßlich verstaltet.

Ferners / gleichwie die menschliche Nasen mit zwey Nasen-Löcher oder Oeffnungen versehen ist /durch welche der Geruch aller Dingen zu ihr eingehet / also soll ein Oberer mit einer zweyfachen Erfahrenheit / nemlich der geistlichen und weltlichen Sachen /begabet seyn / auf daß durch diese die Erkanntnuß aller Dingen / so viel sein Stand erfordert / zu ihme eingehe: dann / wie[187] der Heil. Augustinus anmercket /so ist die Klugheit eine Tugend / welche auserwählt /was nutzlich oder verhülfflich ist / und verwirfft / was schädlich ist.85

Aber es wird die Nasen bißweilen also verstopfft /daß sie nichts riechen / ja auch nicht schnauffen oder athmen kan: und dieses geschiehet entweders von einem Fluß / oder vielen Feuchtigkeiten / die vom Hirn herab fallen: oder von der constringirten / das ist / zusammen ziehender Kälte / oder von der resolvirenden / das ist / auflösender Hitz / oder endlich von verdorbnen / und in denen Naß-Löcheren ansetzenden Humoribus oder Feuchtigkeiten. Eben also wird auch die Nasen in sittlichem Verstand / das ist / die Klugheit und Vorsichtigkeit eines Oberen / verstopffet und verhinderet / entweders durch den Ausfluß des Hirns /das ist / aus Mangel der Bescheidenheit / oder durch die constringirende Kälte / das ist / die Trägheit und Unfleiß in Untersuchung und Erwegung der Sachen /oder durch die dissolvirende Hitz / das ist / den Geitz und Geldgierigkeit / oder endlich durch die corrumpirende Feuchtigkeiten des Wohllebens und der sinnlichen Gelüsten: für welche Zuständ es schon seine gewisse geistliche Mittel und Artzneyen abgiebet.

Im übrigen / weilen ich oben dem Gesicht oder denen Augen / wie auch dem Gehör oder denen Ohren in einem Anhang etwas zum Lust und zur Beyhülff gegeben hab / so wird auch der Geruch oder die Nasen etwas haben wollen. Ich weiß ihr aber nichts bessers und angenehmers / als einen guten Schnupff-Taback zu præsentiren. So seye dann der nachfolgende


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 186-188.
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