287. Otto's des Schützen Tod.

[206] Otto erhielt von seinem Vater Spangenberg zur Residenz angewiesen, wohin er mit seiner clevischen Gemahlin zog und fortan, seiner alten Neigung gemäß, in den wildreichen Bergen und Wäldern, die ringsum das Schloß Spangenberg umgaben, fleißig dem edlen Waidwerk oblag. Einst aber, als er auf den nahen Bromsberg zur Jagd geritten war und allzueifrig ein flüchtiges Wild verfolgte, stürzte er vom Pferde und brach den Hals, und seine Diener trugen ihn todt nach Hause.

In einer Kammer des Schlosses zu Spangenberg, hinter dem s.g. Kirchensaal, ziert ein altes, mit verblichenen Farben übermaltes Relief die vordere Einfassung des Rauchfangs, der hier über einer Feuerstelle angebracht ist. Es stellt eine Jagd vor; der Jäger im mittleren Vordergrund scheint eben im Begriff gewesen zu sein, den Wurfspieß einer vor ihm her springenden Sau nachzuschleudern, als das Pferd auf die Kniee fällt und den Reiter kopfüber zu Boden wirft. Der Sage nach stellt dieses Bild den Tod Otto's des Schützen dar.1

Mündlich.

1

Den Chronisten zufolge starb Otto an Gift, welches ihm auf Anstiften seines erbittertsten Feindes, des Abts Heinrichs VII. von Fulda beigebracht worden wäre; eine Nachricht, welche die jüngeren Geschichtschreiber für baare Münze annahmen, die aber gleichwohl aller Begründung entbehrt und höchstens nicht mehr Glauben verdient, als diese Sage, die sich in dem kleinen Kreise von Bürgern und Landleuten erhalten hat, in deren Mitte Otto lebte und die von der Ursache seines Todes besser unterrichtet sein konnten, als später lebende Chronisten, denn gleichzeitige Geschichtschreiber wissen nichts von Otto's Vergiftung.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CCVI206.
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