Auf dem Flusse

[115] Der du so lustig rauschtest,

Du heller, wilder Fluß,

Wie still bist du geworden,

Giebst keinen Scheidegruß.


Mit harter, starrer Rinde

Hast du dich überdeckt,

Liegst kalt und unbeweglich

Im Sande hingestreckt.


In deine Decke grab' ich

Mit einem spitzen Stein

Den Namen meiner Liebsten

Und Stund' und Tag hinein:


Den Tag des ersten Grußes,

Den Tag, an dem ich ging,

Um Nam' und Zahlen windet

Sich ein zerbrochner Ring.
[115]

Mein Herz, in diesem Bache

Erkennst du nun dein Bild?

Ob's unter seiner Rinde

Wohl auch so reißend schwillt?

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 115-116.
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