Jägers Leid

[128] Es hat so grün gesäuselt

Am Fenster die ganze Nacht –

Mein Schatz im Tannenwalde,

Hast wohl an mich gedacht?


Und wann alle Bäume rauschen

Im weiten Jagdrevier,

Und weht kein Lüftchen am Himmel,

Herzliebste, dann fing' ich von dir!


Und wann alle Zweige sich neigen

Und nicken dir Grüße zu,

Herzliebste, das ist mein Sehnen,

Hat nimmer Rast, noch Ruh'!


Ach Welt, ich muß dich fragen,

Warum du bist so weit?

Ach Liebe, ferne Liebe,

Warum nicht heißt du Leid?


Ich möchte die Büchse laden,

Nicht laden mit Pulver und Schrot,

Ich möcht' in die Lüfte schießen

All' meine Liebesnoth.


Und wenn von allen Bäumen

Stürzen die Waldvögelein,

Dann ist der Schuß gefallen –

Wer soll nun Sänger sein?

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 128.
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