Neunter Gesang.
Der Kampf.

[197] Von den Gefahren, die ein unordentliches Lager mit sich bringt. – Unverhoffter Entsatz. – Traurige Lage der Schlachta. – Der Besuch des Almoseniers, ein Vorbote der Rettung. – Major Plut's allzuhitzige Galanterie bewirkt, daß sich der Sturm über ihn entlädt. – Der Terzerolschuß, das Signal zum Kampf. – Thaten des Täufers; Thaten und Gefahren Matschek's. – Gießkännchen's Hinterhalt errettet Soplicowo. – Hilfstruppen zu Pferd; Attaque auf das Fußvolk. – Thaddäus' Thaten. – Das Duell der Führer, durch einen Verrath unterbrochen. – Der Wojski giebt durch ein entscheidendes Manöver den Ausschlag im Kampf. – Gervasius' blutige Thaten. – Der Kämmerer ein großmüthiger Sieger.


Und sie schnarchten so tief, daß nicht der Laternenschein

Sie weckt, noch auch die Menge, die jetzt zum Zimmer herein

Und über die trunk'ne Schlachta stürzt, gleich jenen langen

Krebsspinnen, wenn sie halbentschlummerte Fliegen fangen:

Summt Eine, gleich umschlingt sie mit langen Beinen die schlimme

Verderberin und würgt sie in mitleidlosem Grimme.

Der Schlachtaschlaf ist tiefer noch als der Schlaf der Fliegen:

Nicht Einer summt, wie leblos bleiben sie Alle liegen,

Obwohl sie von starken Armen gepackt und auf der Erden,

Wie leichte Strohgebinde, herumgewendet werden.


Gießkännchen nur allein, der rings in Dorf und Stadt

Als fester Kopf beim Zechen nicht seines Gleichen hat,

Gießkännchen, bei dem ein Fäßchen und noch ein Fäßchen leer wird,

Eh' ihm die Beine wackeln und die Zunge schwer wird:

Der gab, wie lang' er zechte, wie fest er schlief darauf,[198]

Dennoch ein Lebenszeichen. Ein Auge reißt er auf –

Und sieht – leibhaftige Alpe! wird zwei Gesichter gewahr,

Zwei schreckliche, dicht über sich, – und jedes mit einem Paar

Schnauzbärten! die Lippen berührt's ihm! – Sie keuchen auf ihm schwer,

Vier Hände drehen sich, wie Flügel, um ihn her:

Er will sich bekreuzen, vor Schreck: kann nicht die Rechte bewegen,

Sie ist wie angenagelt, – er will die Linke regen:

Wehe! er fühlt's, die Geister haben ihn eng gebunden,

Wie ein Säugling in Wickeln, so ist er fest umwunden;

Er schließt die Augen, er wagt vor Grauen nicht hinzuseh'n,

Athemlos liegt er, erstarrt, will schier vor Angst vergeh'n.


Der Täufer aber rafft sich zum Widerstand auf – zu spät!

Schon ist ihm sein eigener Gürtel fest um den Leib gedreht,

Doch spannt er sich fest, schnellt auf, – so mächtig, daß er wieder

Den Schlafenden auf die Brust fällt, rollt über Köpfe und Glieder,

Gleich wie ein Hecht im Sande, wirft er sich umher,

Und mit der gewaltigen Lunge brüllt er, wie ein Bär:

»Verrath!« – Die ganze Schlachta erwachte alsobald

Und erwidert' im Chor: »Gewalt! Verrath! Gewalt!«


Bald hat das Echo den Ruf in den Spiegelsaal getragen,

Wo der Graf, Gervasius und die Jockey's lagen.

Der Schließer erwacht, will auf, – er kann sich nicht bewegen,

Ist stocksteif gebunden an seinen eignen Degen,

Er schaut: da sieht er am Fenster Leute, mit Waffen versehen,

In schwarzen, flachen Casquets, in schwarzen Monturen stehen;

Einer trägt eine Schärpe, steht da den Degen schwenkend

Und mit der Spitze die Mannschaft hierhin und dorthin lenkend:

»Nur binden!« flüstert er, »binden!« Wie eine Hammelheerde

Liegen die Jockey's, in Fesseln; der Graf sitzt auf der Erde

Frei, aber der Waffen beraubt; zwei Kerle in seiner Näh',

Mit bloßem Bajonnet. Gervas erkennt sie – Weh!

Die Russen!!


Oft hat sich der Schließer in ähnlichen

Nöthen befunden,

Oft war er schon mit Stricken an Händen und Füßen gebunden,[199]

Und konnte sich doch befrei'n; voll Kraft und kühn an Geist,

Wußt' er auch einen Vortheil, wie man Stricke zerreißt:

Er schließt die Augen, als schlief' er, streckt langsam Arm und Bein

Von sich, Eins nach dem Andern, – zieht den Athem ein,

Nachdem er dann Brust und Bauch noch möglichst zusammengepreßt,

Verkürzt er sich auf einmal, bläht sich, spreizt sich fest;

Wie wenn die Schlange Kopf und Schwanz in die Ringe drückt:

So wird der lange Schließer kurz, breit und wie verdickt.

Die Stricke dehnen sich, – ächzen: doch ach! sie springen nicht!

Er kehrt sich um vor Scham und Entsetzen, – sein Gesicht,

Das zornentbrannte, birgt er am Boden, schließt die Lider,

Und regungslos, wie ein Klotz, so lagen seine Glieder.


Da hört man Trommeln: erst gemessen, später schneller,

In immer dichtern Schlägen, immer lauter und heller;–

Der russische Officier läßt nun, auf dies Signal,

Die Jockey's sammt dem Grafen einsperren in den Saal,

Die Schlachta in's Herrenhaus führen: dort stand ein zweites Heer; –

Vergebens schnaubt der Täufer und wirft sich wild umher.


Im Hause stand der Stab, auch Schlachta in großer Zahl,

In Waffen – die Birbasz, Podhajski's, Hreczecha's: allzumal

Verwandte und Freunde des Richters, zum Entsatz gekommen,

Sobald sie von dem nächtlichen Überfall vernommen,

Zumal sie mit den Dobrzynski's seit langem schon im Streit.


Wer rief aus den Dörfern die Russen? Wer hat zu rechter Zeit

Die Nachbarn aus den Weilern so rasch gesammelt zur Wehr?

War's der Assessor? War's Jankiel? Gar Manches erzählt die Mähr,

Doch wußte man nichts Bestimmtes, nicht damals, noch nachher.


Schon geht die Sonne auf in blutigrothem Glanz,

Stumpfrandig, wie mit abgeriss'nem Strahlenkranz,

Halb strahlt sie rein, halb blickt sie aus schwarzen Wolken verstohlen,

Wie ein glühend Hufeisen zwischen Schmiedekohlen.

Stärker erhob sich der Wind; die Wolken, dicht und schwer,

Eisschollenartig zerrissen, treibt er vom Ost daher:[200]

Jede stäubt im Flug als kalter Regen nieder,

Nachfliegt ihr rasch der Wind und trocknet den Regen wieder.

Und neue Wolken sieht man sich schon heranbewegen:

So bringt der Tag abwechselnd bald Kühle und bald Regen.


Da ließ der Major die Balken, die draußen trocknen am Zaun,

Herschleppen, drauf in jeden halbrunde Löcher hau'n,

In diese Löcher die Füße der Gefang'nen stecken

Und dann mit einem zweiten Balken überdecken;

Die beiden Klötze nagelt man an den Enden fest,

Daß es, wie Hundegebisse, die Beine zusammenpreßt.

Die Hände schnürt man am Rücken noch stärker; – der Major

Läßt, um die Marter der Schlachta zu erhöh'n, zuvor

Allen Gefang'nen vom Kopfe reißen die Conföderatka,

Vom Rücken Mantel und Kontusz, sogar die Taratatka,

Ja selbst den Zupan. So sitzen sie, in den Block gepreßt,

Zähneklappernd vor Kälte und vom Regen durchnäßt,

In langer Reihe; das Wetter verschlimmert sich mehr und mehr; –

Vergebens schnaubt der Täufer und wirft sich wild umher.


Der Richter verwendet sich: umsonst! – auch Telimenen

Nützt keine Bitte, – vergebens fließen Soschja's Thränen,

Um für die Schlachta einige Rücksicht zu erreichen.

Nikita Rykow, der Hauptmann, ließe sich wohl erweichen,

Er war ein Russe, aber ein guter Mensch, – allein

Er selbst muß dem Major, Herrn Plut, gehorsam sein.


Dieser Major, ein Pole aus dem Städtchen Dzierowicz',

Hieß, wie die Leute erzählen, auf Polnisch Plutowicz,

Aber er taufte sich um: ein Schuft vom Wirbel zur Sohle,

Wie immer ein beim Czaren vermoskowiteter Pole. –

Jetzt steht er vor der Front und stemmt sich in die Seite,

Die Pfeife hat er im Mund, und auf den Gruß der Leute

Rümpft er die Nase hinauf, pafft dicke Wolken aus,

Zum Zeichen übler Laune, und geht hinein in's Haus.


Indeß begütigt der Richter den Rykow allgemach,

Nimmt den Assessor bei Seite, – und man denkt nun nach,[201]

Wie man die Sache ohne Einmischung der Gerichte,

Und, was noch wicht'ger, ohne die Regierung schlichte.

So sagt denn Hauptmann Rykow zum Major von Plut:


»Major, wozu sind uns denn die Gefangenen gut?

Kommt's vor's Gericht: das bringt der Schlachta üblen Lohn,

Und Ihr, mein Herr Major, Ihr habt gar nichts davon.

Wißt Ihr, es wär' gerath'ner, es gütlich zu erledigen,

Nicht wahr? der Richter muß Euch für die Müh' entschädigen,

Wir sagen, daß man uns zu Gast gebeten hat;

So bleiben die Ziegen ganz und der Wolf wird satt.

Ein russisches Sprichwort: mit Vorsicht darf man Alles thun;

Noch Eins: am Spieß des Czaren brate dir dein Huhn;

Noch Eins: am Besten geht es mit vereinten Händen,

Mach' einen guten Knoten und tauch' in's Wasser die Enden.

Es kräht kein Hahn darnach, wir bringen keinen Rapport;

Gott schuf die Hände zum Nehmen: das ist ein russisches Wort.«


Wie der Major das hört, erhebt er sich ganz erbost:

»Was?! Hier ist Czarendienst! Rykow, bist du bei Trost?

Und Czarendienst ist kein Narrendienst! – wo hast du deinen Kopf?

Laufen lassen? In solcher Kriegszeit? alter Tropf!

Ha, ha! Ihr Herren Polen! Ich lehr' euch revoltiren!

Ich kenn' dich, Schlachtagesindel! Laßt sie nur triefen und frieren!«

– Hier blickt er zum Fenster hinaus und lacht aus vollem Hals, –

»Dort der Dobrzynski im Rock, jetzt denkt er wohl des Balls, –

Nehmt ihm den Rock! – wo er im vorigen Jahre mich

So attaquirt hat – wer fing an? er war's, nicht ich!

Ich tanze eben, da kommt er und schreit: Hinaus mit dem Dieb!

Weil man gegen mich damals die Untersuchung betrieb:

Ein Diebstahl an der Kasse des Regiments – kein Spaß!

Es war eine schwere Geschichte, – aber was kümmert ihn das?

Ich tanzte meine Mazurka, er kam von hinten und schrie:

Dieb! und die Schlachta: Hurrah! – Welche Infamie!

Nun, Lump von einem Schlachcic, jetzt bist du in meinen Klauen,

Ich sagt' es: Es kommt dein Stündlein! Ei, da wirst du schauen!

Nun, Herr Dobrzynski, siehst du? Nun wirst du wacker gehauen!«[202]

Dann neigt er sich zum Richter und flüstert ihm in's Ohr:

»Soll das gut abgeh'n, Richter, ich schlag' Euch etwas vor:

Tausend Rubelchen baar, für jeden Kopf, sofort, –

Tausend Rubelchen, Richter, das ist mein letztes Wort.«


Der Richter wollte handeln; Plut aber hört nichts mehr.

Er läuft im Zimmer herum, bläst Wolken vor sich her,

Wie Schwärmer und Raketen, – und immer hinter ihm gehen

Die Frauen, und hören nicht auf zu weinen und zu flehen.

»Major,« beginnt der Richter, »bringt Ihr's vor's Gericht –

Hofft Ihr dann auf Erfolg? Ein blutiger Kampf war's nicht,

Niemand wurde verwundet, für's Hennen- und Gänseblut

Bezahlen die Leute nur Ersatz, nach dem Statut.

Ich werde gegen den Grafen keine Klage erheben,

Es waren nur Nachbarhändel, wie sie sich häufig begeben.«


»Und habt Ihr,« sagt der Major, »das gelbe Buch1 gelesen?«

»Das gelbe Buch?« fragt Jener, »was ist das für ein Wesen?«

»Das Buch,« erwidert Plut, »ist besser als Eure Statute –

Da heißt's auf jeder Seite: Sibirien, Galgen, Knute.

Das Kriegsrecht ist's! jetzt über ganz Lithauen verhängt!

Wir pfeifen auf eure Gerichte! Ei, was ihr wohl denkt,

Daß ihr bekommen könntet für solch ein Bubenstück?

Zwangsarbeit in Sibirien – und dann ist's noch ein Glück!«

»Ich appellire,« sagt Jener, »an den Gouverneur –«

»Appellirt,« erwidert Plut, »an den Empereur!

Ihr wißt, wie oft der Kaiser, wenn er das Decret

Bestätigt, die Strafe gnädigst auf's Doppelte erhöht.

Nur appelliren! Im Nothfall find' ich wohl einen Haken,

Um Euch, mein bester Richter, auch vielleicht zu packen:

Jankiel ist Euer Hausfreund, – hat Eu're Schenke in Pacht,

Und wird ja als Spion schon lange überwacht!

Was thut Ihr, wenn ich Euch alle jetzt, ohne viel zu fragen,

Verhafte?« – »Mich? Wer darf das, ohne Ordre, wagen?«

Versetzt der Richter; ein immer lauterer Streit begann,

Da kommt ein neuer Gast im Hof des Hauses an.
[203]

Ein seltsamer Masseneinzug! Voran, wie ein Läufer, jagt

Ein riesiger schwarzer Widder; an seinem Kopfe ragt

Ein Doppelpaar von Hörnern: zwei rings um die Ohren geschlungen

In Halbmondform, mit Glöckchen; zwei nach der Seite geschwungen,

Mit klingenden Messingküglein; so kommt er angesprungen,

Hinter ihm traben Ochsen, Schafe, Ziegen daher, –

Und zum Schluß zwei Wagen, vollbepackt und schwer.


Alles erräth: so kommt der Pater Almosenier;

Der Richter, als pflichtbewußter Hausherr, trat in die Thür,

Um seinen Gast zu begrüßen. Auf dem ersten Wagen

Saß Robak, die Kapuze halb über's Gesicht geschlagen;

Doch als er den Gefang'nen sein Autlitz zugewandt

Und mit dem Finger gewinkt, ward er sofort erkannt.

Gleicherweise erkennt man den Kutscher am zweiten Gespann,

Mathias-Gertchen ist's, verkleidet als Bauersmann;

Kaum hat er sich gezeigt, so schrie ihm die Schlachta zu;

»Narren!« sagt' er und winkte mit der Hand zur Ruh'.

Als Dritter der Preuße, im Kubrak, schlicht und abgetragen, –

Zan und Mickiewicz sitzen auf dem vierten Wagen.


Wie aber die Birbasz, Wilbik, die Andern allzumal:

Die Isajewicz, Podhajski, Kotwicz, die bittere Qual

Und Knechtschaft seh'n, in der sich die Dobrzyner befinden:

Beginnt die alte Feindschaft nach und nach zu schwinden.

Denn die polnische Schlachta, so zänkisch sie ist, so erpicht

Auf Händel und Raufereien: rachsüchtig ist sie nicht.

So eilen sie denn zu Matschek, ihn um Rath zu fragen.

Der Alte reiht die ganze Heerschaar um die Wagen,

Und heißt sie warten.


Pater Robak tritt in's Zimmer:

Kaum ist er zu erkennen, wiewohl gekleidet, wie immer,

So war die Gestalt verwandelt. Sonst düster, mit sinnenden Mienen,

War er diesmal mit hocherhobenem Haupt erschienen,

Mit leuchtenden Blicken: ein lustiger Bruder Bernhardiner.

Erst lacht er lange:[204]

»Ha! ha! ha! Ergebenster Diener!

Ha! ha! Ihr Diener! Köstlich, famos! das muß ich sagen,

Ihr Herrn Officiere! Bei Tag laßt Andre jagen,

Ihr jagt bei Nacht! Und gute Jagd! ich sah's – sehr gut!

O zwickt die Schlachta! zwickt sie! O schindet sie auf's Blut!

O zügelt sie nur recht tüchtig, denn das sind störrische Thiere!

Major, Ihr fingt den Grafen! Sehr gut, ich gratulire!

Ein Junker, ur-uradlig, ein Reicher, – ein fetter Braten!

Laßt ihn nicht aus dem Garn, nicht unter dreihundert Dukaten!

Und kriegt Ihr sie, dann gebt dem Kloster auch sein Theil,

Und mir auch ein paar Groschen! Ich bet' für Euer Heil!

Bei meiner Kutte, sehr denk' ich an Eure Seele!

Auch Stabsofficiren geht der Tod ja an die Kehle!

Der Tod, sagt Baka, schlägt nach Purpur und Geschmeide

Und nach dem seidnen Kleide, wie dem bescheidnen Kleide,

Rafft Zwilch und Linnen von hinnen und streift auch die Tonsur

Und greift in die Montur und schleift auch die Frisur!

Väterchen Tod, sagt Baka, wie eine Zwiebel beizt er,

Zu hellen Thränen reizt er, und gleicher Weis' umfaßt er

Das Kindlein in den Windlein, wie das lustige Laster!

Ah! ah! Major, heute roth, morgen todt, –

Unser ist nur, was heute Teller und Keller bot!

Herr Richter, ist's nicht Zeit zum Frühstück? also frisch!

Ich setz' mich an den Tisch und bitte Alle zu Tisch!

Major, Klöpse gefällig? Herr Lieutenant, was ist nach Wunsch?

Was meint Ihr? sagen wir: ein gutes Schälchen Punsch?«


»Ja,« sagten zwei Officiere, »hochwürdiger Herr, ja wohl!

Zeit wär's, zu essen, zu trinken auf des Richters Wohl!«


Die Leute vom Hause blicken auf Robak ganz erstaunt:

Woher die lustige Miene? warum so gutgelaunt?

Der Richter hat es dem Koch sogleich zu wissen gemacht,

Bowle, Zucker, Bouteillen und Klöpse werden gebracht.

Plut und Rykow beginnen sich gleich so tüchtig zu rühren,

Und Speise und Trank so tapfer sich zu Gemüth zu führen,

In dreißig Minuten waren fast dreißig Klöpse verzehrt

Und eine riesenmächtige Schale Punsch geleert.
[205]

Satt, fröhlich streckt sich Plut im Sessel, was er kann,

Nimmt seine Pfeife, steckt sie mit einer Banknote an,

Wischt sich mit der Serviette die Speisen aus dem Gesicht,

Wendet die lachenden Blicke den Damen zu und spricht:

»Ihr seid der beste Nachtisch, Damen hold und werth!

Bei meinen Epauletten, hat Einer das Frühstück verzehrt,

Dann ist nach den Klöpsen das allerbeste Dessert,

Mit schönen Damen zu plaudern, wie Euresgleichen ist.

Wißt was? Spielen wir Karten! Mariage? oder auch Whist!

Oder eine Mazurka! Hej, tausendsapperment!

Ich bin ja der beste Tänzer im Jägerregiment!«

Er reckt sich gegen die Damen, blickt fröhlich in die Runde

Und bläst bald Komplimente, bald Rauch aus seinem Munde.

»Ja!« rief Robak, »tanzen! – Steh' ich vom Trinken auf,

Schürz' ich, wiewohl ein Mönch, auch manchmal die Kutte hinauf,

Und tanze eine Mazurka! Aber wir poculiren,

Lieber Major, und draußen Eure Jäger erfrieren?

Zecht man, so zecht man! – Richter! Herr Plut hat nichts dagegen:

Ein Fäßchen Schnaps! daß doch die Kerle trinken mögen!«

»Ich würde bitten,« sagt Plut, »allein da giebt's kein Muß.«

»Gieb,« flüstert Robak dem Richter, »ein Fäßchen Spiritus.«

Während nun so der Stab im Haus des Trinkens pflag,

Beginnen die Soldaten draußen ein Trinkgelag.


Hauptmann Rykow schweigt und trinkt in einer Tour;

Plut aber trinkt und macht zugleich den Damen die Kur.

Nur tanzen will er! Von immer größerer Lust entbrannt,

Schmeißt er die Pfeife weg, packt Telimenens Hand.

Sie läuft davon; so geht er mit unsicheren Schritten,

Sich stets verbeugend, zu Soschja, um sie zum Tanz zu bitten:

»Hej, du dort, Rykow, hör' doch endlich auf zu schmauchen!

Du spielst ja gut Guitarre, so laß einmal das Rauchen!

Dort siehst du die Guitarre, komm, pack' sie einmal an –

Ich, der Major, eröffne! Eine Mazurka, wohlan!«

Der Hauptmann nimmt die Guitarre, stimmt und will beginnen:

Plut sucht auf's Neu' Telimenen zum Tanze zu gewinnen:

»Majorsparole, Fräulein! ich will kein Russe sein,[206]

Ist das gelogen; Fräulein, ich will ein Hundskerl sein,

Ist das gelogen; Ihr könnt die Officiere fragen,

Sämmtliche Officiere, die ganze Armee wird's sagen:

Daß in der zweiten Armee, Corps neun, Division zwei,

Jägerregiment fünfzig, kein einziger Tänzer sei,

Der's in der Mazurka aufnimmt mit dem Major von Plut.

So kommt! nicht eigensinnig – ei, wie Ihr doch thut!

Nun, so kommt doch, – Fräulein, ich bin ein Officier

Und strafe solch ein Fräulein nach Officiersmanier.«


Hier packt er Telimenens Hand mit Einem Satz,

Und drückt ihr auf die Schulter einen schallenden Schmatz.

Da stürzt Thaddäus heran, von seinem Seitenplatz,

Und schlägt ihm in's Gesicht; Beides erscholl zugleich –

Wie Wort auf Wort, so folgten sich Kuß und Backenstreich.


Plut fährt sich über die Augen, zornbleich starrt er hin:

Dann ruft er: »Aufruhr! Aufruhr!« zieht – und rennt wider ihn;

Da riß der Mönch aus dem Ärmel ein Terzerol: »Nun triff's!

Triff's Junge! wie in's helle Licht!« – Thaddäus ergriff's,

Zielt, schießt, und fehlt; jedoch betäubt er den Major

Und schwärzt ihn mit Rauch. Und Rykow fährt mit der Guitarre empor:

»Aufruhr!« – und auf Thaddäus war er schon zugerannt:

Da zuckt vom Tisch herüber rechtshin des Wojski Hand,

Hinsaust durch die Luft ein Messer, fährt hinein

Zwischen die Köpfe – und trifft, und blitzt erst hinterdrein.

Es trifft die Guitarre, um sie durch und durch zu bohren;

Rasch bog sich Rykow zur Seite, sonst war er sicher verloren.

Nun aber graut's ihm: »Jäger! Aufruhr! Himmel und Hölle!«

So ruft er, zieht den Degen und kämpft sich bis zur Schwelle.


Jetzt stürzt die Schlachta, massenhaft durch die Fenster dringend,

Gertchen voran, in's Zimmer, – Alle Rappiere schwingend.

Plut und Rykow im Vorhaus rufen nach Hilfe hinaus;

Drei Jäger rennen herbei, es waren die nächsten am Haus;[207]

Durch die Thüre erscheinen drei blitzende Bajonnete,

Gleich darauf drei schwarze, abgeflachte Casquete;

Mathias stand an der Thür, das Gertchen hoch in der Hand:

Wie eine Katze auf Ratten, lauert er an der Wand;

Jetzt haut er gewaltig zu: drei Köpfe hätt' er zerspalten –

Doch, schlug er nun zu feurig, versagte der Blick dem Alten:

Er hieb, noch eh' sie den Hals herstreckten, auf die Casquete:

Riß sie herab, das Gertchen klirrt' an die Bajonnete;

Die Russen zieh'n sich zurück, Mathias treibt sie hinaus

Bis in den Hof.


Dort aber sieht's noch toller aus.

Dort, bei den Blöcken, müht sich wetteifernd des Richters Partei,

Reißt die Klötze auf und macht die Dobrzynski's frei.

Da greifen die Jäger zur Waffe und stürzen rasch herbei,

Voran mit dem Bajonnet der Sergeant: Podhajski spießt er,

Verwundet Zwei von der Schlachta, auf den Dritten schießt er:

Sie fliehen. Das war beim Block, in dem sich der Täufer befand;

Der hat schon die Arme frei, steht auf, erhebt die Hand –

Nun haut er, die langen Finger zum Knäuel zusammengeballt,

Auf den Rücken des Russen von oben mit solcher Gewalt,

Daß er ihm Stirn und Schläfe in's krachende Flintenschloß

Einschlägt; das blutbenäßte Pulver brennt nicht los; –

Zusammenbricht der Sergeant von dem gewaltigen Stoß,

Der Täufer bückt sich, packt den Karabiner am Rohr,

Dreht ihn, wie seinen Wedel, hebt ihn hoch empor,

Schwingt ihn im Kreis, zwei Jäger haut er mit Einem Mal

Über die Schultern, am Kopf trifft er den Corporal,

Die Übrigen weichen vom Block, geängstigt und erschreckt.

So hat er die Schlachta, wie mit fliegendem Dach, bedeckt.


Nun wurden die Stricke zerschnitten und der Block zerschlagen:

Die befreiten Dobrzyner holen aus Robak's Wagen

Schwerter, Rappiere, Flinten, Sensen; – Kännchen fand

Zwei Schießprügel, erwischt auch gleich mit glücklicher Hand

Ein Säckchen Kugeln: so läd't er beide Gewehre fest,

Von denen er Eins für sich nimmt, das andre Sack überläßt.
[208]

Noch mehr Jäger erscheinen. Man stößt sich, verflicht sich enge,

Die Schlachta kann den Kreuzhieb nicht führen im Gedränge,

Die Jäger können nicht schießen, es kommt zum Handgemenge.

Zahn an Zahn, schlägt Stahl an Stahl, und bricht und klingt, –

Das Bajonnet am Säbel, die Sense am Degen springt, –

Es wüthet Faust an Faust, und Arm mit Armen ringt.


Rykow eilt hin, wo Scheuer und Hecken sich vereinen,

Mit einem Theil der Jäger, und ruft von dort den Seinen,

Vom regellosen Kampf zu lassen, wo sie allen

Vortheil der Waffe verlieren und unter den Fäusten fallen:

Er wüthet, nicht selber feuern zu können, – denn im Gebraus

Kennt er sich zwischen Polen und Russen gar nicht aus.

»Richt't euch!« ruft er, das heißt: In Schlachtordnung formirt!

Doch hört man im Getümmel nicht, was er commandirt.


Aber der alte Mathias, unfähig des Handgefechts,

Zieht sich zurück, indem er vor sich links und rechts

Raum schafft. Hier streicht sein Säbel, wie einen Docht vom Licht,

Ein Bajonnet vom Rohr; dort haut er oder sticht,

Von links nach rechts ausholend; so unter steten Streichen

Gelingt es ihm, behutsam in's Freie zu entweichen.


Doch Einer ist, der vor Allen hartnäckig wider ihn rennt:

Der alte Gefreite, – er war Instructor im Regiment,

Ein Meister des Bajonnets. Der duckt sich, wie er nur kann,

Kürzt sich, packt sein Gewehr mit beiden Händen an,

Die Linke hält mitten am Rohr, die Rechte am Schlosse fest; –

Er dreht sich, springt auf, – zuweilen setzt er sich nieder, läßt

Die Waffe aus der Linken, schiebt aus der Rechten das Rohr,

Wie einen Stachel aus offenem Schlangenrachen, vor –

Dann wieder zurück, – kniet hin und stützt das Gewehr auf's Bein:

So dringt er, tänzelnd und hüpfend, auf Mathias ein.


Der Alte würdigt den Gegner, setzt mit der linken Hand

Die Brille auf, mit der Rechten hält er, fest umspannt,

Dicht an der Brust den Griff des Gertchens – weicht zurück,[209]

Und verfolgt den Gefreiten mit aufmerksamem Blick;

Taumelt dabei in den Knieen, als wenn er trunken wär':

Sicher des Sieges läuft Jener immer schneller daher.

Um leichter den Feind zu erreichen, der immer weiter wich,

Steht er nun auf, streckt dann die Rechte weit von sich

Und stößt so zu – der Stoß und die Wucht der Waffe zog

All' seine Kraft mit sich, so daß er sich niederbog:

Matschek stellt nun dort, wo die Klinge steckt am Rohr,

Den Griff des Gertchens unter, schlägt ihm die Waffe empor,

Haut rasch hinab – trifft erst die Hand, – dann nochmals gleich

Rechtshin – und des Russen Kiefer zerspaltet's mit Einem Streich.

So fiel der Gefreite, der erste Fechtmeister im russischen Norden,

Inhaber von vier Medaillen und Ritter dreier Orden.


Indessen hat bei den Blöcken der Schlachta linker Flügel

Schon fast gesiegt. Der Täufer vertheilt dort wackre Prügel,

Man sieht ihn von fern im Getümmel, Scheermesser steht ihm bei,

Der haut auf die Köpfe, Jener spaltet die Leiber entzwei:

Wie jene Dreschmaschine, die deutsche Meister erdacht,

An der sie neben den Flegeln auch Messer angebracht,

Sie ist dadurch in Einem auch eine Heckselschneide,

Zerhackt das Stroh und drischt zugleich auch das Getreide:

So mühen sich dort der Täufer und Scheermesser vereint,

Der unten, der von oben – und hau'n zu Schanden den Feind.


Der Täufer verschmäht den Sieg, der ihm schon sicher war,

Und eilt zum rechten Flügel, wo Matschek in neuer Gefahr:

Dort sucht der Fähnrich Rache für des Gefreiten Tod,

Und bringt ihn mit seinem langen Sponton in arge Noth. –

Sponton ist Spieß und Axt zugleich: heut' nicht in Gebrauch,

Nur auf der Flotte; damals führt' ihn das Fußvolk auch. –

Der Fähnrich, ein junger Mann, hantirt mit vielem Geschick:

So oft der Gegner parirt, zieht er sich gleich zurück;

Mathias, der dem Jüngern nicht nachzukommen vermag,

Muß nur sich selber schützen und kommt zu keinem Schlag.

Schon hat ihn der Fähnrich verwundet mit leichtem Lanzenstoß,

Schon hebt er die Partisane und legt zum Hiebe los:[210]

Der Täufer erreicht ihn nicht mehr: hält aber im Laufe ein,

Kehrt seine Waffe herum und wirft sie ihm unter's Bein:

Zermalmt ihm einen Knochen – dem Fähnrich entsinkt die Wehr,

Er wankt: losstürzt der Täufer, die Schlachta hinter ihm her;

Vom linken Flügel kommen, ganz außer Ordnung gebracht,

Die Russen. Um den Täufer beginnt auf's Neu' die Schlacht.


Dem Täufer, der für Mathias die Keule dahingegen,

Kostete dieser Dienst gleich drauf beinahe das Leben.

Von hinten packen ihn zwei Russen, ein kräftiges Paar,

Vier Hände flechten sich ihm zu gleicher Zeit in's Haar,

Sie stemmen sich mit den Füßen und ziehen, wie an den Strängen,

Die am Mast des Flußboots festgebunden hängen.

Nichts hilft es, daß er blind nach rückwärts um sich haut,

Schon wankt er, als er den Schließer unfern im Kampf erschaut:

»Jesus Maria!« ruft er, »Federmesser, herbei!«


Der Schließer, der seine Bedrängniß erkennt am lauten Schrei,

Wendet sich, schwingt die feine Klinge über dem Kopf

Und senkt sie zwischen die Hände und des Täufers Schopf.

Sie weichen, gräßlich schreiend, zurück. Doch eine Hand,

Die sich schon mit den Haaren allzustark verband,

Bleibt blutausströmend hängen, vom Rumpfe abgehackt:

Wie wenn der Adler den Hasen mit Einer Klaue packt,

Die andre an den Baum krallt, um fest das Thier zu halten,

Der Hase reißt an ihm und hat ihn entzweigespalten,

So daß der Baum im Walde die eine Klaue behält,

Die linke blutüberströmte trägt das Thier in's Feld.


Frei ist der Täufer! Er späht – er streckt die Hände weit:

Die Waffe verlangt er, die Waffe! Und schwingt zu gleicher Zeit

Die Fäuste, bleibt beim Schließer und hält so wacker Stand.

Da sieht er seinen Sack, der hält in der Rechten, gespannt,

Den Schießprügel und schleppt zugleich mit der linken Hand

Ein langes, klaftergroßes Holzstück2 hinter sich her, –

Niemand, außer dem Täufer, hebt die gewaltige Wehr,

Voll Kieseln, Knoten und Knorren und mancher der ben Beule; –[211]

Wie sie der Täufer gewahr wird, seine geliebte Keule,

Packt er sie, küßt sie, springt vor Freuden himmelan,

Schwingt sie um's Haupt und fängt sofort zu spritzen an.


Von seinen weiteren Thaten und Siegen schweigt das Gedicht.

Es wär' vergeblich gesungen: man glaubte der Muse nicht, –

Wie jenes arme Weib auch keinen Glauben fand,

Die auf den Zinnen des Ostrathors in Wilna stand,

Und sah, wie der russische Feldherr, Dejow, mit einer Schwadron

Kosaken heranmarschirte, – das Stadtthor öffnet' er schon,

Und wie ihn Czarnobacki, ein Bürger dieser Stadt,3

Erschlagen und alle Kosaken hinausgetrieben hat.


Genug, es ist so gekommen, wie Rykow vorhergesehen:

Die Jäger konnten im Wirrwarr dem Feind nicht widerstehen.

Dreiundzwanzig liegen todt dahingestreckt,

Einige dreißig ächzen, von schweren Wunden bedeckt,

Ein großer Theil ist entfloh'n, – am Bach, im Garten versteckt,

Im Hopfen; – einige flüchten zu den Frauen in's Haus.


Die Schlachta frohlockt, – die Einen plündern die Feinde aus,

Die Anderen sind jauchzend zu den Fässern geeilt,

Robak ist der Einz'ge, der nicht den Jubel theilt.

Er hatte nicht selbst gekämpft – das ist ihm kanonisch verwehrt, –

Doch hat er, als Mann von Erfahrung, Rath ertheilt, belehrt,

Das Feld von verschiedenen Seiten umschritten, den Kampf begleitet,

Mit Hand und Blicken die Kämpfer ermuntert und angeleitet.

Jetzt ruft er, ihm zu folgen, sich gegen Rykow zu wenden,

Um so den Sieg zu krönen und den Kampf zu enden;

Während er Rykow zugleich durch einen Boten erklärt:

Wenn er die Waffen strecke, sei ihm sein Leben gewährt,

Sollt' er aber zögern, so werd' er Weisung geben,

Den Rest sofort zu umzingeln – und Keiner bleib' am Leben.


Hauptmann Rykow bat durchaus nicht um Pardon,

Er sammelte um sich sein halbes Bataillon,

Rief: »Zu den Waffen!« Sogleich greift Alles zum Gewehr,[212]

Es rasseln die Flinten – geladen sind sie von früher her.

»Zielt!« ruft er, – in langer Reihe ragen die Läufe vor:

»Heckfeuer!« – Schuß auf Schuß erdröhnt von Rohr zu Rohr,

Der schießt, der läd't, der packt das Gewehr, die Kugeln schwirren,

Die Ladestöcke knarren, die Flintenschlößer klirren:

Die ganze Front erscheint, wie wenn ein Wurm sich regt,

Der tausend blinkende Füße zu gleicher Zeit bewegt.


Zwar sind die Jäger betrunken, schießen darum recht elend,

Selten nur verwundend, und in der Regel fehlend,

Tödtlich trifft kaum Ein Schuß – und doch erhielten schon Wunden

Zwei Matschek's, und ein Bartek hat gar den Tod gefunden.

Die Schlachta, die, – mit Büchsen viel zu karg versehen, –

Nur selten schießt, ist Willens, mit Säbeln vorzugehen,

Doch sind die Alten dagegen. Die Kugeln pfeifen und schlagen,

Säubern den Hof, in Kurzem werden sie Alle verjagen –

Ja, bis an die Scheiben des Hauses klirren die ehernen Massen.


Thaddäus, den der Oheim den Frauen zum Schutz gelassen,

Hört's laut und lauter toben, und läuft hinaus zur Schlacht,

Mit ihm der Kämm'rer, dem Thomas endlich den Säbel gebracht;

Er eilt dahin, hat bald sich mit der Schlachta vereint,

Schwingt den Säbel und führt die Seinen wider den Feind.

Die Jäger lassen die Schaaren erst ganz nahe heran –

Dann hageln sie los. Verwundet fiel mancher wack're Mann,

Scheermesser, Isajewicz, Wilbik; da halten im Lauf

Hier Robak, dort Mathias die kämpfende Schlachta auf,

Der Eifer der Schlachta ermattet, sie sieht sich um, sie weicht,

Das sehen die Russen, Rykow glaubt bald Alles erreicht;

Jetzt gedenkt er ihnen den letzten Stoß zu versetzen:

Die Schlachta vom Hof zu jagen und das Haus zu besetzen.


»Zur Attaque formirt! das Bajonnet gefällt!

Vorwärts!«, so commandirt er; die ganze Reihe hält

Die Läufe wie Stangen vor, bückt sich, beschleunigt den Lauf.

Die Schlachta schießt von der Flanke, hält sie vorne auf:

Vergebens! sie nehmen die Hälfte des Hofs in kurzer Zeit;[213]

Der Hauptmann weist mit dem Degen nach der Thür und schreit:

»Richter, ich zünde das Haus an, zeigst du noch Widerstand!«

»Zünd' an!« erwidert der Richter, »ich schmor' dich in dem Brand.«


O, Hof von Soplicowo! Wenn deine Wände noch immer

Unter den Linden leuchten, wie einst, in weißem Schimmer,

Wenn sich die Nachbar-Schlachta in deinen Räumen noch jetzt

Zum Mahle an des Richters gastliche Tische setzt,

Dann wird dort sicherlich oft Gießkännchen's Wohl getrunken:

Ohn' ihn wär' Soplicowo schon längst in Asche gesunken!


Gießkännchen zeigte bis jetzt nicht eben viel Tapferkeit,

Obwohl er aus dem Block am frühesten ward befreit,

Obwohl er sein liebes Kännchen sofort gefunden im Wagen,

Die Lieblingsflinte und Kugeln: er wollte sich nicht schlagen;

Er sagt, in nüchternem Zustand hab' er nicht viel Fiduz,

Ging drum zum Spiritusfäßchen und macht' sich's wacker zu Nutz,

Gebrauchte die Hand als Löffel und goß sich den Trank in den Mund.

Nun erst, da er gestärkt und erwärmt ist aus dem Grund,

Setzt er die Mütze zurecht, nimmt dann vom Knie sein Kännchen,

Befühlt mit dem Ladstock das Pulver, streut einiges noch auf's Pfännchen,

Und sieht sich nach der Schlacht um. An die blitzenden Wellen

Der Läufe sieht er die Schlachta anschlagen und zerschellen.

Gegen die Welle schwimmt er, an den Boden gebückt, –

Hat sich bald, wie ein Taucher, durch's dichte Gras gedrückt,

Quer durch den Hofraum; dort, wo das Nesselngesträuch begann,

Versteckt er sich nun und winkt den Sack zu sich heran.


Sack stand, zum Schutz des Hauses, bewaffnet an der Thür,

Hier wohnt ja seine Soschja, ihm theuer für und für,

Soschja, die er ja liebt, wiewohl sie ihn verschmäht,

Für die er gern in Tod und in Verderben geht.


Schon marschiren die Jäger bis in die Nesseln vor,

Da drückte Kännchen am Zünglein: ausspeit das mächtige Rohr

Ein Dutzend Hackbleikugeln mitten in's Heer hinein,

Sack schickt ein zweites, Verwirrung erfaßt die feindlichen Reih'n,[214]

Der Haufe ballt sich zum Knäuel, – vom Hinterhalt bedroht,

Flieht er, verläßt die Blessirten, – der Täufer schlägt sie todt.


Die Scheuer ist fern: ein längerer Rückzug brächte Gefahr.

Rykow eilt denn zur Planke, und sucht von dort die Schaar,

Die sich schon fliehend auflöst, zu halten mitten im Lauf.

Er ordnet die Reihen neu, stellt eine im Dreieck auf,

Den scharfen Keil nach vorn, und an die Gartenplanke

Lehnt er zu beiden Seiten die rechte und linke Flanke; –

Klug war's, denn feindliche Reiter stürmen vom Schloß herbei.


Der Graf, bisher von den Russen bewacht, ist wieder frei,

Die Wache war ängstlich entfloh'n –, er stieg mit den Seinen zu Roß:

Da hört er Schüsse, sogleich führt er den Reitertroß,

Den Degen schwingend, zum Kampf. Jetzt tönt das Commandowort

Rykow's: »Halbbataillon Feuer!« – Da fliegt sofort

Die Flintenschlösser entlang ein langer feuriger Streifen,

Aus schwarzen Rohren hört man dreihundert Kugeln pfeifen;

Drei Reiter fallen verwundet, Einer todt. Im Moment

Fällt auch das Pferd des Grafen, er sinkt herab; da rennt

Der Schließer schreiend herbei: bedrohen ja diese Leute

Den Letzten der Horeszko, – wenn auch von Mutterseite!

Doch Robak, der näher ist, deckt ihn; der Graf blieb unversehrt,

Robak bekam den Schuß; jetzt zieht er ihn unter dem Pferd

Hervor und führt ihn weg, ruft aber der Schlachta: die Schaaren

Zu theilen, besser zu zielen, vergebliche Schüsse zu sparen,

Sich hinter die Brunnen, die Zäune, die Scheuer zu verstecken –

Im rechten Moment erst mög' sie der Graf mit den Reitern decken.


Robak's Pläne erfaßt vortrefflich und vollstreckt

Thaddäus; hinter dem hölzernen Brunnen stand er versteckt,

Nüchtern war er und handhabt die Doppelflinte brav,

Wie er ja oft in der Luft ein Guldenstückchen traf.

Fürchterlich schlägt er die Russen: er legt's auf die Chargen an,

Beim ersten Schuß ist gleich der Feldwebel abgethan,

Dann giebt er Schuß auf Schuß auf zwei Sergeanten ab:

Sie fallen; – bald nimmt er Galonen auf's Korn, und bald den Stab,[215]

Der mitten im Dreieck steht. Rykow fährt wüthend auf,

Schnaubt und stampft mit den Füßen, beißt am Degenknauf.

»Major,« so ruft er, »zu welchem Ende soll das treiben,

Bald wird Keiner von uns mehr beim Commando bleiben!«


Plut rief nun zu Thaddäus hinüber in wildem Zorn:

»Schämt Euch, Herr Pole, Ihr nehmt uns aus dem Versteck auf's Korn;

Seid keine Memme, schlagt Euch honorig, tretet hervor,

Auf gut soldatisch!« – Darauf Thaddäus: »Herr Major,

Seid Ihr ein solcher Ritter, ein solcher kecker Schläger,

Warum versteckt Ihr Euch hinter den Rock der Jäger?

Ich fürcht' Euch nicht; so kommt nur hervor aus dem Gesträuch,

Ich hab' Euch geohrfeigt, – wohl, ich schlag' mich gern mit Euch!

Wozu das Blutvergießen? Der Streit war zwischen uns Beiden,

So mög' ihn die Pistole oder der Degen entscheiden.

Wählt, von der Kanone bis zur Nadel! rührt Euch doch!

Sonst schieß ich Euch über den Haufen, wie die Wölfe im Loch!«

Spricht's und feuert ab – und mit so sicherer Hand,

Daß er den Lieutenant traf, der neben Rykow stand.


»Major«, so flüstert Rykow, »nehmt den Zweikampf an,

Und rächt Euch für die Schmach, die er Euch angethan.

Sollte diesen Schlachcic ein Anderer erschlagen,

Seht Ihr, Major, dann müßt Ihr den Makel ewig tragen.

Herlocken muß man den Schlachcic, muß ihn im Feld erlegen,

Thut's nicht der Karabiner, versucht es mit dem Degen.

›Was knallt, kann Einer bald, ein Stich ist was für mich,‹

So sagte der alte Suwarow. – So schlagt Euch ritterlich!

Sonst schießt er uns zu Schanden, – seht hin: dort zielt der Feind!«

Darauf versetzt der Major: »Rykow! lieber Freund!

Du bist ein Meister des Degens, geh du hin, Bruderseele,

Oder ist's besser, wenn ich Einen der Lieutenants befehle?

Ich bin der Major, ich darf nichts aus dem Aug' verlieren,

Muß bei den Soldaten bleiben, ich hab' zu commandiren.«

Und Rykow tritt mit erhobenem Degen muthig vor,

Stellt das Feuer ein, schwingt ein weißes Tuch empor,

Und befragt Thaddäus, was er für Waffe nimmt; –[216]

Nach einer kurzen Besprechung wird der Degen bestimmt.

Thaddäus hat keine Waffe, man sucht ihm einen Degen,

Da tritt ihm der Graf, bewaffnet, mit seinem Protest entgegen.


»Entschuldigt, Herr Soplica!« ruft er, »den Major

Habt Ihr gefordert, doch ich hab' mit dem Hauptmann zuvor

Noch einen ältern Handel: Er ist in mein Schloß« –

»Sagt,« unterbricht Protasius, »vielmehr in unser Schloß« –

»Er ist es,« schloß der Graf, »ich habe Rykow erkannt,

Der mit den Dieben eindrang und meine Jokey's band.

Ich straf' ihn wie die Räuber an jener Felsenwand,

Von den Sicilianern Birbante-Rocca genannt.«


Still wird's, das Feuer schweigt; jetzt blickt auf beiden Seiten

Alles gespannt auf die Führer, die zum Kampfe schreiten.

Vortreten der Graf und Rykow, zur Seite hingewandt,

Bedrohen sich mit dem rechten Aug', der rechten Hand,

Die linke entblößt das Haupt, um höflich zu salutiren:

Denn das gehört zu des Zweikampfs ritterlichen Manieren,

Sich zuerst zu begrüßen und dann erst umzubringen.

Schon treffen sich die Degen, es knirschen schon die Klingen,

Eifrig kämpfen die Ritter, hoch die Füße schwingend,

Das rechte Knie gebeugt, und vor- und rückwärts springend.


Wie aber Plut Thaddäus steh'n sieht vor der Front,

Bespricht er sich ganz leise mit dem Gefreiten Gont –

Dem ersten Schützen der Truppe an Übung und Geschick:

»Gont,« sagte der Major, »siehst dort den Galgenstrick?

Willst du vier Silberrubel? Laß dem ein Kugelchen fliegen,

Dort unter die fünfte Rippe, dann wirst du sie kriegen.«

Gont spannt den Karabiner, bückt sich über's Schloß,

Kam'raden verhüllen mit Mänteln ihn und sein Geschoß,

Er nimmt Thaddäus' Kopf auf's Korn, er zielte gut:

Schoß und traf – ganz nahe, mitten in seinen Hut.

Thaddäus dreht sich um: jetzt stürzt, auf diese That,

Der Täufer über Rykow, die Schlachta ruft: »Verrath!«

Thaddäus schützt den Hauptmann; Rykow, arg bedroht,

Entweicht zu seiner Truppe mit genauer Noth.
[217]

Die Lithauer und die Dobrzyner erneuern kräftig den Streit,

Wetteifernd im Bunde, trotz der Feindschaft früherer Zeit;

Einer ermuntert den Andern, sie kämpfen wie Brüder vereint.

Als die Dobrzyner sehen, wie sich dicht vor dem Feind

Podhajski tapfer tummelt und mit der Sense haut:

Rufen sie: »Hoch die Podhajer!« und wieder jauchzt es laut:

»Heil, Lithauen, Sieg und Heil! Vorwärts, ihr Lithauer Brüder!«

Und da die Skoluba's seh'n, wie trotz seiner wunden Glieder

Scheermesser den Säbel schwingt und immer den Kampf erneuert,

Rufen sie: »Hoch die Masuren! Die Matschek's hoch!« – So feuert

Einer den Andern an, so kämpft man mit aller Gewalt;

Robak und Mathias gebieten vergebens Halt.


Während man vorn so angriff, verließ der Wojski das Feld,

Und ging in den Garten. Zu ihm hat sich Protas gesellt,

Schreitet neben ihm her, behutsam, in tiefster Ruh',

Der Wojski aber flüstert ihm still Befehle zu.


Es stand im Garten, fast anstoßend an die Planke,

An die Rykow sein Dreieck gelehnt hat mit der Flanke,

Ein großes, altes, käfigähnliches Käsehaus;

Die Balken, im Kreuz verbunden, sahen wie Gitter aus;

Zahllose Stöße von Käsen blinken da, hell und weiß;

Und rings zum Trocknen gelegt, umwehen sie im Kreis

Salbei, Benediktwurz, Karden und Quendelsträußchen:

Die Hausapotheke der Tochter des Wojski. Dieses Häuschen,

Das oben in der Breite dritthalb Klafter hält,

Ist unten auf eine einzige große Säule gestellt,

Als wie ein Storchennest. Die alte Eichenstange

Hat sich gesenkt, denn halbverfault ist sie schon lange,

Und droht zu fallen. Dem Richter wurde schon oft gesagt,

Er möchte den Bau einreißen, den ja das Alter zernagt.

Der Richter aber meint, er wolle lieber flicken,

Als niederreißen oder von der Stelle rücken.

So verschob er das Bauen auf günstigere Zeiten,

Und stützte indeß die Säule mit Pfählen zu beiden Seiten.

Gestärkt, doch morsch, und immer noch mit dem alten Mangel,

Blickt so der Bau auf die Planke und auf Rykow's Triangel.
[218]

Hierher nun waren Protasius und der Wojski gegangen,

Still – Beide, wie mit Lanzen, bewaffnet mit mächtigen Stangen,

Nachfolgt durch's Hanffeld die Wirthschaftsfrau, und hinterdrein

Der Küchenjunge, ein kräftiger Bursche, wenn auch klein.

Nun werden die Stangen oben an's faule Holz gepreßt,

Sie hängen sich an die Enden, und drängen möglichst fest,

Wie eine Schaar von Flößern ein Schiff, das an Klippen hängt,

Mit langen Stangen vom Ufer auf die Fluten drängt.


Die Säule kracht zusammen, das Käsehaus schwankt und fällt

Mit Balken und Käsen auf's Dreieck, das Rykow aufgestellt:

Es quetscht, verwundet, erschlägt, – wo früher die Reihen gewesen,

Liegen nun Hölzer, Leichen und Haufen von weißen Käsen,

Mit Blut und Hirn bespritzt. Das Dreieck ist zerstoben,

Und schon donnert der Wedel, Scheermesser blitzt von oben,

Gertchen haut, vom Hause rennt die Schlachta herbei;

Und auf die Fliehenden wirft der Graf die Reiterei.


Noch wehren sich nur acht Jäger, mit ihnen ein Sergeant,

Wider sie rennt der Schließer, sie halten tapfer Stand.

Neun Läufe zielen auf seinen Kopf: Gervasius

Schwingt seinen Degen und fliegt gerade gegen den Schuß.

Kaum sieht das Robak, als er Gervas den Weg vertritt,

Er selber fällt zu Boden und reißt den Schließer mit.

Genau in demselben Momente feuert das ganze P'loton,

Kaum ist's vorbeigesaust, erhebt sich der Schließer schon,

Springt in den Rauch, hat gleich zwei Jägern die Köpfe zerschlagen,

Sie fliehen verzagt, der Schließer jagt nach und haut im Jagen.

Schon sind sie über den Hof, der Schließer ist nachgerannt,

Sie stürzen in die Thür der Scheuer, die offen stand,

Der Schließer folgt in die Scheuer und packt sie dort am Kragen,

Im Dunkel ist er verschwunden, doch hört er nicht auf zu schlagen.

Man hört durch die Thüre Hieb auf Hieb, Gestöhn und Schrei'n.

Bald wird es still. Heraustritt Gervasius allein,

Mit blutigem Schwert.


Die Schlachta verfolgt mit Stichen und Hieben

Die fliehenden Jäger; – Rykow war allein geblieben.[219]

Noch kämpft er, ruft: er strecke die Waffen um keinen Preis;

Da tritt der Kämmerer langsam auf ihn zu: der Greis

Erhebt die Karabelle und spricht in würdigem Ton:

»Hauptmann, deine Ehre befleckt nicht der Pardon;

Unglücklicher, aber tapf'rer Ritter, deinen Muth

Hast du bewährt, – nun kämpfe nicht mehr in blinder Wuth;

Eh' dich Gewalt entwaffnet, wolle dich selbst ergeben,

Mein Gefangener bist du, bewahrest Ehre und Leben!«


Des Kämmerers Würde gelang es, Rykow zu bewegen

Er reicht ihm, mit einer Verbeugung, den blutüberströmten Degen;

»O, Brüder Polen,« sagt er, »wehe, welch' ein Schlag!

Daß ich nicht Eine Kanone besessen an diesem Tag!

Recht sagte Suwarow: Merk' dir, Kamerad Rykow, nie

Die Polen anzugreifen ohne Artillerie! –

Ei nun, sie waren besoffen, Plut hat zu trinken erlaubt,

O, der Major, der lud heut' viel Sünden auf sein Haupt!

Er war Commandant, er steh' beim Czaren ein;

Herr Kämmerer, Brüder Polen, wir wollen Freunde sein.

Im Russischen giebt's ein Sprichwort: dort wo starke Liebe,

Dort, mein verehrter Kämmerer, giebt's auch starke Hiebe.

Mit euch ist gut zu raufen, mit euch ist gut zu saufen –

Übt aber Menschlichkeit an meinen Jägerhaufen!«


Der Kämm'rer erhebt den Säbel – und durch Protasius' Mund

Thut er allgemeinen Pardon den Jägern kund;

Die Wunden werden versehen, die Todten weggebracht,

Die Jäger aber entwaffnet und zu Gefangnen gemacht.

Lang sucht man Plut: er lag in's Nesselgebüsch gestreckt,

Tief eingegraben, wie todt, – und blieb so lang versteckt,

Bis er sah, daß nichts mehr zu befürchten stände:

Das war der letzte Einritt in Lithauen und sein Ende.4

1

Das, von seinem Einband so genannte, barbarische Buch der russischen Kriegsgesetzte. Die Regierung verhängt oft, mitten im Frieden, den Kriegszustand über ganze Provinzen und ertheilt auf Grund des »gelben Buches« dem Militär-Commandanten unumschränkte Gewalt über Vermögen und Leben der Bewohner. Bekanntlich war ganz Lithauen vom J. 1812 bis zur Revolution unter der Herrschaft des »gelben Buches«, dessen Vollstrecker der Großfürst-Thronfolger war.

2

Die Lithauer Keule wird auf folgende Weise verfertigt: Man sucht sich eine junge Eiche aus und schneidet sie mit der Axt von unten bis oben in der Weise an, daß Borke und Bast durchschnitten und der Baum leicht verwundet wird. In diese Kerben werden spitze Kieselsteine gesteckt, die nach und nach mit dem Baume verwachsen und harte Beulen bilden. Keulen bildeten in der Heidenzeit die Hauptwaffen des Lithauer Fußvolkes; sie werden noch heutzutage zuweilen gebraucht und führen den Namen: »Rasiek«, Knorrenkeule.

3

Als sich, nach dem Jasinski'schen Aufstand, die Lithauer Heere nach Warschau zurückzogen, näherten sich die Russen der verlassenen Stadt Wilno; General Dejow ritt, an der Spitze des Stabes, durch das Ostrathor in die Stadt. Die Straßen waren öde, die Einwohner in den Häusern versteckt. Da bemerkte ein Bürger eine in einem Gassenwinkel liegen gebliebene, mit Kartätschen geladene Kanone, richtete sie auf's Thor und schoß ab. Dieser eine Schuß errettete damals Wilno. General Dejow fiel, mit ihm mehrere Offiziere; die Übrigen befürchteten einen Hinterhalt und verließen die Stadt. Wie jener Bürger hieß, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben.

4

Einritte fanden auch später noch statt, obzwar nicht so berühmte, doch immerhin rechte laute und blutige. Um's J. 1817 schlug Herr U ... in der Wojewodschaft Nowogrodek die ganze Nowogrodek'sche Garnison und nahm die Chefs derselben gefangen.

Quelle:
Mickiewicz, Adam: Herr Thaddäus oder der letzte Einritt in Lithauen. In: Poetische Werke, Leipzig 1882, Band 1, S. 197-220.
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