Stille!

[9] Wenn ein Kranker schlummernd liegt,

Mild von Traumesarm gewiegt,

Schweigen Alle im Gemache,

Daß der Arme nicht erwache.


Leis' ihr Hauch und stumm ihr Mund,

Kaum berührt ihr Fuß den Grund –

Und der Kranke schlummert weiter

Ruhbeseligt, traumesheiter.


Innig fleh' ich jetzt zu dir:

Halte du es so mit mir,

Mit dem tieferschöpften Herzen,

Das entschlummert ist voll Schmerzen.
[10]

Halb verblutet schläft es fort;

Weck' es nicht mit Deinem Wort!

Trage schonendes Erbarmen

Mit dem Kranken, Müden, Armen!


Willst du's wecken, sei's zum Glück;

Kannst du dieß nicht, tritt zurück!

Gieße Gift nicht in die Neige

Meines Lebens! schweige! schweige!

Quelle:
Betty Paoli: Gedichte. Pest; Leipzig 21845, S. 9-11.
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