7. Und dann nicht mehr

[328] Ich sah sie nur ein einzig Mal, und dann nicht mehr.

Da sah ich einen Himmelsstrahl, und dann nicht mehr.

Ich sah umspielt vom Morgenhauch durchs Thal sie gehn;

Da war der Frühling in dem Thal, und dann nicht mehr.

Im Saal des Festes sah ich sie entschleiern sich;

Da war das Paradies im Saal, und dann nicht mehr.

Sie war die Schenkin, Lust im Kreis kredenzte sie;

Sie bot mir lächelnd eine Schal', und dann nicht mehr.

Sie war die Ros', ich sah sie blühn im Morgentau;

Am Abend war die Rose fahl, und dann nicht mehr.

Nur einmal weinte Gärtner Lenz um eine Ros':

Als Tod ihm diese Rose stahl, und dann nicht mehr.

Ein einz'ges Mal, als sie erblich, war herb die Lust

Des Lebens, süß des Todes Qual, und dann nicht mehr.

Ich sah die Rose Braut im Flor verschließen in

Die dunkle Kammer eng und schmal, und dann nicht mehr.

Ich will ums Rosenbrautgemach im Mondenglanz

Noch weinen meiner Thränen Zahl, und dann nicht mehr.


Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 328.
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