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Trage mich auf deinen Rosenflügeln,
Phantasie! zu schönern Fluren hin,
Wo vergoldet von dem wärmern Strale
Jener Sonne, die Orangen glühn;
Wo die Blüthen der Citronen duften,
Um die Hügel dunkle Myrthen wehn,
In dem Schatten hoher Kokus-Bäume
Feigen, Aloe, Kakao stehn;
Wo des Wunderbaumes grüne Hülle
Ueppig sich von gelber Schaale streift,
Und zum Nektartrank, voll Geist und Feuer,
Köstlicher die Purpurtraube reift;
Wo der Tellus ewig warmem Schoose
Röthlich blühend Indigo entspriesst,
Traulich ihre Arme die Liane
Um der Palme schlanke Stämme schliesst;
Wo die Ananas mit stolzer Krone,
Und der Pisang süss belastet prangt;
Immer heit're Frühlingswinde fächeln,
Und vorm Reifen nie dem Pflanzer bangt:
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Wo der Kolibri mit Purpur-Schwingen
Leise summend um die Blumen schwebt,
Und der hohen Lorbeern dichter Schatten
Tausend bunter Sänger Ton belebt;
Wo der Surinam die Fluten wälzet,
Den gesengten Boden kühlend tränkt,
Und der arme Negersklave düster
Seinen stieren Blick zur Erde senkt!
Da, da wandelt mein geliebter Bruder
Oft voll Sehnsucht im Zypressen-Hain,
Früh im ersten Stral der Morgensonne,
Spät in Lunens bleichem Abendschein;
Denket mein, und stille Thränen fliessen
Sanft hervorgelockt von der Natur,
Denkt an Lina, und die Seele fliehet
Zu der Schwester, nach der Heimath Flur,
Meere liegen zwischen uns, Geliebter!
Uns're Seelen fliegen doch sich zu,
Sie begegnen sich in stillen Nächten,
Meiner Träume schönstes Bild bist Du!
Noch gedenk' ich jener frohen Tage,
Wo mit Dir ich über Blumen gieng,
Und des Orts, wo an der Mutter Grabe
Schauerlich die Nacht uns oft empfing;
[71]
Noch vernehm' ich Deine Jammertöne,
Sehe Linas thränenschweren Blick,
Karlos und des Vaters Schmerzen rufen
Uns ins öde Trauerhaus zurück!
Seine Leiden birgt der Schoos der Erde,
Wo die Ostsee sich ins Meer ergiesst,
Unser Bruder ward ein Raub der Wellen,
Fliesset, bange Wehmuths-Thränen, fliesst!
In des Lebens schönster Jugendblüthe
Fand er in der Themse früh sein Grab;
Aus des edlen Freundes treuen Armen,
Sank er in die kalte Flut hinab!
Und ich – einsam wall' ich an der Lahne2,
Blicke trüb' entfloh'nen Wellen nach,
Nebelduft verhüllt den klaren Aether,
Vor der Nacht verschleiert sich der Tag;
Wehmuth führet mich zu düstern Grotten,
Sehnsucht in den öden Buchenhain,
Geister flüstern, holde Schatten schweben
Um mich her, im blassen Abendschein!
Deine Seufzer tragen Zephyrs Flügel
Zu mir her, und kühlen meinen Blick,
Wenn er glühend zu der Gottheit flehet:
»Gieb den theuern Bruder mir zurück!«
1 Auf einer Reise von Neapel nach London war mein Bruder so unglücklich, von den Wellen der Themse verschlungen zu werden.
2 Ich lebte damals in dem freundlichen Marburg.
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