Ein Anders

[130] [1.]

Das wahre Heyl vnd allen Trost/

Vns Christus hat erworben/

Der vns durch seinen Todt erlost/

Für vns am Creutz gestorben/

Er ist fürwar der Mitler gut/

Der vns erlößt mit seinem Blut/

Das wir nicht sein verdorben.
[131]

2.

Wie kompt nun daß noch so viel gehn

Zum ewigen Verderben?

Wie kompt daß wir so wenig sehn

Die Gottes Reich ererben?

Wie kompt daß Christi Todt vnd Pein/

An vielen gar verlohren sein?

Die hin zur Höllen sterben.


3.

Ach Gott das thut die Ketzerey/

Dauon die Lehr geboren/

Daß nichts/ nur Glaub vonnöthen sey/

Wer glaub sey außerkoren:

Werck hin/ Werck her; Werck auff/ Werck ab/

Wer nur den blossen Glauben hab/

Der könn nicht sein verloren.


4.

Auß diesem Dunst/ vnd Ketzer Lehr/

All Vnheil ist erstanden/

Vnd wachsen täglich mehr vnd mehr/

Die Laster/ Sünd/ vnd Schanden.

Jst niemandt der die Tugendt acht/

Wo Glaub alleine selig macht/

Kein Zucht ist da vorhanden.


5.

Wolan: glaub mir mein frommer Christ/

Vnd laß dich nicht betriegen/

Zur Seligkeit mehr nöthig ist/

Als dir die Ketzer liegen.

Gewalt/ Gewalt der Himmel leyd/

Wiltu hinein/ Gewalt nicht meyd/

Du vmb die Kron must kriegen.
[132]

6.

Fürwar die Lieb gehört darzu/

Vnd auch ein Christlich Leben/

Man sag vnd sing/ vnd was man thu/

Gott fordert das darneben/

Wer glaubt/ vnd glaubt/ vnd lebt nicht wol/

Nur Sünd vnd Schand vnd Laster vol/

Der wird dem Teuffel geben.


7.

Nun wiltu dann zum Himmelreich/

Meid böß vnd thu das gute;

Leb keinem falschen Ketzer gleich/

Jn solchem Vbermuthe:

Mit guten Wercken treib nicht spott/

Förcht Gott/ lieb Gott/ halt sein Gebott/

Sonst hilfft nichts Christi Blute.

Quelle:
Friedrich Spee: Die anonymen geistlichen Lieder vor 1623, Berlin 1979, S. 130-133.
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