3. Ist es kein Lorber- so sey es ein Myrten-Krantz

[23] 1.

Der du mich üm mein Lieben schiltst

und meinen Vers nicht achten wiltst/

weil ich ihn habe weich geschrieben:

Hör' an/ was mich darzu getrieben.


2.

Ich bildte mir auch erstlich ein/

ich wolt' als du tuhst/ ernstlich sein:

ich hatte mich der Lieb' entzogen/

indehm hat Amor mich betrogen.


3.

Er stellte mir die Götter-Zier

der himmlischen Dorinden für:

Das Milch-blut der Zinnober-Wangen

hat meinen wilden Geist gefangen.


4.

Ich glaube nicht/ daß Jupiter

noch iezund in dem Himmel wer'

im fall' er ihrer Gaben Wesen

aus meinem Herzen könnte lesen.


5.

Sollt' iezt ein göldner Apfel sein/

so müste Venus büssen ein.

Du/ Troja/ hättest nicht zuklagen/

werstu um dieses Bild zerschlagen.


6.

Ich weiß es/ Leipzig/ was du bist/

daß in dir manche Göttin ist:[24]

Noch keine kan Dorinden gleichen/

noch keiner darf Dorinde weichen.


7.

Willtu ein Meister-stükkchen tuhn/

komm her/ Apelles/ mahle nun/

du darffst dem Gräzien nicht trauen.

Hier kanstu Venus gleichen schauen.


8.

Doch was? dein Pinsel ist zu schlecht/

gib dich nur an für meinen Knecht/

wo man dir soll dein künstlich mahlen

so/ wie es würdig ist/ bezahlen.


9.

Die Tugend/ den beqveemen Geist/

den sie in ihrem Wesen weist/

kan keine Mahlerey nicht treiben:

Deß Geistes Kiel muß sie beschreiben.


10.

Diß ist mir so ins Herz gelegt/

diß ist mir so ins Herz gepregt/

daß ich viel lieber wolt' erblassen/

als ab- von ihrem Ruhme -lassen.


11.

Ich achte keiner Lorber-Kron'

im fall ich nicht der Myrten Lohn

(darauf ich warte mit Verlangen)

aus Ihren Händen solt' empfangen.


12.

Nu bin ich/ Föbus/ wieder dich.

Kupido/ du sollst krönen mich:[25]

Ich weiß es wird mich um Pyrenen

sobald dann keine Muse hönen.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 23-26.
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