6. Meinet halben/ fahr immer hin

[51] 1.

So hat denn nu die eine Nacht

ein Tag treu-brüchig dich gemacht/

das heißt mit falschen Eydes-schwüren

ein allzu gläubig Kind verführen.


2.

Ich war ia noch in Szyten [nicht]

noch wo ein schwarzes Mohr-gesicht

in Afriken im Schweisse fliesset/

noch wo der Tyger sich ergiesset.


3.

Ja/ wenn mein Schiff im Meere stünd

und mich ein ungestümer Wind[51]

wor hätt' in Indien getragen

so wolt' ich nicht ein Wörtchen sagen.


4.

Nu sind nur wenig Stunden hin

daß ich nicht/ Leichte/ bey dir bin/

und du/ du bist schon umbgewendet

und hast dich fremder Gunst verpfändet.


5.

Es trennt uns kaum das dritte Hauß

und deine Treu ist schändlich auß/

es sind die Worte mit den Winden

geflohen zu des Meeres Gründen.


6.

Wie ist der reinen Keuschheit wehrt

doch dieser Zeit so ganz entehrt/

ich müste fast die Welt durchgehen

doch würd' ich kaum Perillen sehen.


7.

Nichts bessers kan ein Weibes-Bild

als daß sie Treu mit List vergillt/

und meisterlich weiß zubetriegen

mit Schmeicheln Spott und schlimmen Lügen.


8.

Kein Blat wird durch den Ost und Nord

so ungewiß getrieben fort,

als ihre flüchtige Gedanken

bald hier/ bald dorthin zweiffelnd wanken.


9.

Weil du denn nu verhärtet bist/

und dir gefällt die leichte List/[52]

so laß ich dir den Wetterwillen/

und wil mich gerne gerne stillen.


10.

Doch wüntsch' ich daß der Amor dich

mit Pfeilen rühre kräfftiglich

und daß/ um den du mich verlassen/

der/ wie du mich/ dich möge hassen.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 51-53.
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