[Die Liebe schleifft der Dichter Sinn]

[12] Die Liebe schleifft der Dichter Sinn

und nimt die dunkeln Schlakken hin

kaum hat ein Dichter wol geschrieben

übt' er sich erst nicht durch das Lieben.


Verlache/ Filidor/ den Neid

dich schüzzet die gelehrte Zeit

der alten Liebenden Poeten

die keine Zeit noch Neid wird tödten.


Katull/ Tibull und denn Properz

sind durch der Liebe weisen Scherz

in Föbus Tempel eingezogen

und über das Gestirn geflogen.


Virgil/ Horaz und den das Land

der Geten endlich hat verbrandt

sind mit viel tausend durch den Orden

der Lieb' anerst berühmet worden.
[12]

Seht unsre Deutsche Lichter an/

ob es die Liebe nicht getahn

Daß unsre Sprache reine stehet

und andern zu der Rechten gehet.


Die Lieb' erhebet unsern Geist

daß er sich auß dem Staube reist

und lernet hohe Sachen schreiben

die ein nicht-froh muß lassen bleiben.


Wer aber nu sich bildet ein

du müstest in der Taht so sein

wie du dich hier hast außgegeben:

der kennet dich nicht/ noch dein Leben.


Laß richten/ wer da richten wil/

halt du drum nicht die Feder still:

ich weiß du hast schon abgefasset

darob der blasse Neid erblasset.


Diß schikket dir auß den Lager in Podlaschen dein unverenderlicher Chirander.

Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 12-13.
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