Der Asiatischen Banise anderes Buch

[180] Hiermit beschlosse Scandor seine Erzählung: Abaxar aber erseufzete tief, und sagte: »Gewiß, ich empfinde ein innigstes Mitleiden gegen den tapfern Prinzen Balacin, welcher traun eines bessern Glückes würdig gewesen, nachdem ihn aber die Götter mit einer doppelten Krone beschenket, so wird er vielleicht desto eher alles zugestoßenen Ungemachs, wo nicht gar der bereits vor verloren geachteten Prinzessin vergessen, und sich nach anderwärtiger Vergnügung umsehen können.« – »Ihr irret, wertester Freund«, fiel ihm Balacin ins Wort, »denn ihr sollt wissen, daß sich der Prinz gänzlich entschlossen, außer der Prinzessin Kron und Szepter zu verlassen, durch eigenhändige Rache an dem Tyrannen seinen Tod zu suchen, und also seiner Banisen im Tode zu folgen.« – »Das wollen die Götter nicht«, erwiderte Abaxar, »daß ein so tapferer Prinz sterben sollte; und will ich gerne mein Möglichstes beitragen, zu erforschen, ob die Prinzessin noch am Leben sei. Ja wer weiß, ob ich nicht die ersprießlichste Nachricht hiervon erteilen könnte.« – »Ja freilich«, versetzte Talemon, »denn eben der Herr Oberhauptmann wird wissen, wie er dem grausamen Mordbefehle des Kaisers nachgelebet habe.« Abaxar errötete über diesen Worten, jedoch erholte er sich bald wiederum, und sagte: »So sei es denn, ich will zu dieses unbekannten Prinzens Vergnügung, welche ich bereits in meinem Herzen hochachte, meine Wissenschaft, ja mein ganzes Vermögen beitragen. Und weil es heute zu späte, und mein Amt mich zur Aufwartung rufet, so werde ich morgen nach Möglichkeit wiederum aufwarten, und gewiß nicht unangenehme Dinge offenbaren, weil ich versichert bin, daß ich bei vertrauten Freunden mein Herze wohl ausschütten möge.« Mit diesen Worten nahm er freundlichen Abschied, und hinterließ den Prinzen in tausend Gedanken, indem er aus des Abaxar Reden sich viel Gutes wahrsagete.[180]

Als sie nun alle bis auf den Scandor des Prinzen Zimmer verlassen hatten, und der Prinz eine ziemliche Weile des Abaxars Worte bei sich überleget hatte, fiel ihm die mit der Lorangy gehaltene Abrede ein, welche ihn denn ganz von vorigen Gedanken abzog, und in kummerhaftes Nachdenken versetzte, wie er sich doch dieses nachteiligen Versprechens ohne Gefahr entledigen möchte. Endlich nach vielen Ratschlägen fiel ihm ein, ob nicht Scandor ins Mittel treten, und dieser Sache durch eine Heirat erwünscht abhelfen könne. Solches ihm nun vorzubringen, befahl er dem Scandor, sich vor das Bette zu setzen, und durch einigen Wortwechsel den Verdruß seiner Gedanken zu stören, da ihn denn der Prinz sofort anredete: »Mein Scandor, wir befinden uns beiderseits am fremden Orte und dazu in Feindeslande, da wir nichts mehrers als guter und wahrer Freunde benötiget sein. Nun halte ich davor, es sei keine höhere Freundschaft als die eheliche, worzu du leichte gelangen, und mir und dir dadurch in allen bevorstehenden Zufällen beförderlich sein könntest.« – »Gnädigster Herr«, erwiderte Scandor, »ich weiß nicht, wie Sie auf diese Gedanken geraten. Wenn mir nicht Dero hoher Sinn bekannt wäre, so wollte ich meinen, Ihr Rat ginge dahin, ich sollte mir einen Nagel einschlagen, woran Sie bisweilen ihren Hauptbund hängen könnten.« – »Nein«, versetzte der Prinz, »mein Scandor, es hat gar nicht diese tadelhafte Meinung, sondern ich bin bedacht, dir zu raten, und mir zu helfen auf eine solche Art, welche ein gutes Absehen hat, derowegen wirst du die Sache wohl überlegen, und dich aller Gnade dabei von mir versichern.« – »Gnädigster Herr«, war des Scandors Antwort, »die Zeiten sind gefährlich, und die vielen Beispiele gekrönter Häupter schrecken mich von dem Verlangen solcher Würde. Sollte ich nun meines bißgen Korns halben eine eigene Mühle bauen, so fürchte ich immer, es möchten die Nachbarn fremde Gedreide aufschütten, und wild Wasser meine Räder treiben. Dieses halte ich nun nicht vor ratsam, ob ich mir zwar in allem zu gehorsamen vorgenommen habe.« – »Närrischer Mensch«, redete ihm der Prinz ein, »eine übele Meinung kann ja nicht allen nachteilig sein, indem eine Schwalbe keinen Sommer machet. Vielmehr wirst du dir zu Gemüte führen, was vor tägliche Anmut ein schönes Weibsbild sei, und wie dir alle Morgen, wenn du erwachest, gleichsam die Sonne im Bette aufgehet: denn die Schönheit ist ja ein Brunn der Wollust, aus welchem die[181] Augen Vergnügung und das Herze lauter Anmut schöpfet. Wie solltest denn du der einzige sein, welcher diese Himmelskost mit ekeln Lippen verachten wollte?« – »Ganz recht«, antwortete Scandor, »die Schönheit ist freilich ein solcher Gast, welchem viel tausend Opfer der lüsternden Augen gewidmet werden. Allein wo ich mich auch diese betören ließe, wer ersetzte mir denn den Schaden, wenn ein Fieber oder Pocken oder hundert andere Zufälle das feine Fleckgen verderbten, und mir hernach diese Bett-Sonne eine stete Finsternis vorstellete? Zudem ist es ein wurmstichig Wesen um die Schönheit, denn wie die schönsten Kirschen am meisten von den Vogeln verfolget, und, wo sie nicht stets durch ein fleißiges Auge bewachet, gar leicht angebissen werden; also befürchte ich auch, man möchte mir in diesem Fall nichts Neues machen, sondern mich gleichfalls mit einem Türkischen Bunde zieren, wie die Ochsen tragen, denn schöne Weiber sind Irrwische, die verführen die Leute bei Tag und Nacht.« – »Du bist einem Tiere zu vergleichen, welches seine langen Ohren vor Hörner ansiehet«, war des Prinzen ferneres Einreden; »so ja aber eine ungewisse Furcht solche Anmut in dir verbannet, so nimm dir eine etwas ungestalte, welche dir vor übriger Besuchung sattsame Sicherheit schaffen wird.« – »Auch dieses läßt sich hören, gnädigster Herr«, erwiderte Scandor, »denn eine häßliche Frau ist wie ein Fleischerstock, welcher nicht gestohlen wird, ob er gleich Tag und Nacht vor der Türe steht. Allein hierdurch tue ich mir selbst das größeste Unrecht, indem ich mir solche Ware gekauft hätte, welche andere Leute verachtet haben, und müßte ich eine solche Larve stets vor mir sehen, da ich des Küssens vor Ekel nicht gedenken will. Ich achte mich aber auch deswegen nicht allzu sicher; denn wie ein ungestalter Leib öfters ein unartiges Gemüte, und ein häßliches Gesichte mehrenteils ein verliebtes Herze andeutet, so müßte ich besorgen, zumal wenn ich sie unmöglich lieben könnte, es möchte sich doch wohl ein niedriges Gemüte in meine Freundschaft eindringen, und sollte es auch mir zum Verdruß geschehen.« – »Ich gebe dir endlich hierinnen Beifall«, verlängerte der Prinz diese Unterredung; »diesem aber nun vorzukommen, so heirate eine Wittbe, welche nicht allein ihren Verstand durch die Jahre erreichet, sondern auch bereits die Jugendhitze abgekühlet hat, denn es heißt: die alten, die besten.« – »So wäre es eben«, versetzte Scandor, »als wenn der gute Morgen zur[182] Mitternacht käme. Denn wo sich die Ungleichheit des Alters befindet, da will gemeiniglich das Alter die Jugend beherrschen. Dies träfe mir nun sehr schlimm ein, daß ich meine jungen Tage einer Alten verpflichten, und meine bisher unbefleckte Jugend in solche Gefahr verbotener Gerichte setzen sollte, wenn mir irgend zu Hause, wie es nicht anders sein könnte, für der schlechten Hauskost ekelte. Nein, davor bedanke ich mich. Geiz, Argwohn, Eifer, Zank, sind die täglichen Speisen, welche eine alte Frau ihrem jungen Manne vorsetzet. Die Zufriedenheit des Gemüts ist des Menschen sein größter Reichtum; diese aber würde ich schwerlich bei solcher Heirat antreffen. Sonderlich würde mich dieses am meisten schmerzen, wenn mir bei Hochzeiten, Spazierfahrten und dergleichen Zusammenkünften andere Männer meines Alters mit ihren schönen jungen Weibergen begegneten, und ich käme da mit meinem alten verdrießlichen Müttergen von sechzig Jahren aufgezogen, vor deren Eifersucht ich keine Schönheit anblicken dürfte. Es ist ein widerwärtiges Ding um einen bösen Kauf, denn die Ware rückt ihrem Herrn allzeit seine Torheit auf. Kann man sich aber ja woran eine stetswährende Reu erkaufen, so geschieht's gewißlich durch eine ungleiche Heirat, welche einem seine Unbedachtsamkeit bei Tag und Nacht, Tisch und Bette, in Stube und Kammer, im Hause und auf der Gasse fürwirft und vor Augen stellet. Zudem ist ein solches Weib wie das viertägige Fieber, welches man nicht eher, denn im Tode loswird. Denn ob man gleich denken sollte, ein altes Weib könne wegen ihres Alters unmöglich lange leben, so begehre ich doch diesem nicht zu trauen, denn die alten Weiber haben gar ein zähes Leder, und geben uns oft eher, als wir ihnen, das Geleite zum Grabe. Daß es nun auch eine Wittbe dazu sein soll, darauf antworte ich nichts als dieses: Eine Jungfer, wie ich will: Eine Wittbe, wie sie will, und die schon zwei Männer gehabt hat: Hüte dich, mein Pferd schlägt dich.« – »Du bist allzu nachdenklich«, war des Prinzen Widerrede, »und weil ich auch hierinnen deiner Meinung nicht so gar entfallen kann, so gebe ich es zu, und riete dir vielmehr, ein fein junges Mädgen, welches sich durch eine stille Frömmigkeit beliebt machen kann, zu deiner Ehe auszusuchen.« – »Und dieses schiene mir nicht sonderlich entgegen zu sein«, antwortete Scandor, »wenn nur nicht dieser Verdruß mit unterliefe, daß ich erst etliche Jahre gleichsam ihr Hofmeister sein, und sie ziehen[183] müßte, da ich doch noch in der Ungewißheit lebte, wie diese Zucht geriete. Sonst ist wohl eine Jungfer, oder Fräulein, wie sie heutiges Tages wollen getauft sein, am besten zu heiraten, welche man am leichtesten erlangen kann, weiln sich jedweder Vater nichts daran zu erhalten getrauet, indem sie unter die Sachen gehören, wovon das Recht saget: Quae servando servari non possunt. Jedennoch ist auch, ein allzu stilles Wesen oder Frömmigkeit nicht allemal zu loben, angesehen solches von andern vor eine Einfalt und Blödigkeit ausgeleget wird, und ist auch solches nicht jederzeit dem Manne anständig, welcher bisweilen durch einige Beredsamkeit seines lieben Weibes nicht wenig ergetzet wird; vielweniger aber ist solcher Stille jederzeit zu trauen. Denn zudem, daß nach dem bekannten Sprüchwort stille Wasser tief zu sein pflegen: so treten sie öfters in der stillesten Weise darneben, und verhoffen, der Mann werde solchen Fehltritt in das Register ihrer Einfalt eintragen, ob er gleich hernach die Feder über das Ohre stecken müßte. Ja ich will hier nicht behaupten, daß ein Frauenzimmer, es sei so still oder so fromm, als man es nur wünschen möge, sich doch bisweilen unterstehe, nach dem Regiment zu streben, und des Szepters zu gebrauchen, sonderlich wenn Kammer-Sachen auszutragen sein. Erlaubet man ihr nun solches, so verwehnet man sie, tut man es nicht, so darf sie einem wohl vorwerfen, man habe sie nicht lieb, und zwinget uns durch ihre verstellte Traurigkeit, daß man sie zu ergötzen wiederum herrschen läßt. Denn wer ein Weib nimmt, der bilde sich nur ein, sie werde das Regiment haben, es geschehe gleich heimlich, mit Gewalt, oder bittweise. Und also ist auch selbst in der Frömmigkeit und Jugend keine Sicherheit zu finden.« – »So suche dir eine muntere und beschwatzte«, riet ihm der Prinz ferner. »Da käme ich recht an«, widerredete es Scandor, »daß ich mir eine klügere, als ich selbst wäre, beigesellete. Die könnte mich zu einer Gemse machen, welche ihre eigene Hörner nicht sehen kann. Allzu munter ist fast wilde, und ein zu hurtiges Pferd wirft seinen Reuter leicht ab, womit mir nicht sonderlich gedienet wäre. Die Beredsamkeit stehet zwar einem Frauenzimmer gar fein an, solange sie nicht mit dem Mißbrauch Schwesterschaft machet, indem sie öfters nicht fähig sind, durch beredte Umschweife ihre heimliche Liebe zu entdecken, ja wohl gar dunkele Worte, Zeit und Ort verbotener Zusammenkünfte zu benennen, daß der arme Mann dabei sitzet, und mit hörenden[184] Ohren taub sein muß. Merket er auch gleich durch angeborne Klugheit etwas davon, so weiß doch ihre arglistige Zunge solche Worte vorzubringen, wodurch dessen Verstand verdunkelt, und er in den Wahn gesetzet wird, er habe seinen keuschen Schatz auch durch den geringsten Argwohn beleidiget. In solcher irrsamen Meinung wird er keine Zusammenkunft ohne seine Hausehre besuchen, welche sich denn solcher Gelegenheit sehr wohl zu bedienen weiß, bevoraus, wo sie auf diesem Wein-Meer ein anständiges Schiff bemerket, welches seinen Anker in fremden Grund zu werfen suchet. Da wird sie den trunkenen Mann durch tausend verschmitzte Liebkosungen dahin zu bereden wissen, wie er seiner Gesundheit schonen, den Trunk meiden, und sich zur Ruhe begeben sollte, sie würde, wenn ihn der Schlaf überfallen, schleunige Gesellschaft leisten. Sobald nun der treuherzige Mann folget, und sich durch solche sirenische Worte in Schlaf bringen lässet, so träumet ihm denn nicht unbillig, als wäre seine Frau zur Taube worden, welche sich unter lauter Stoßvögeln befände, solche aber zu retten verhinderten ihn die vielen Hauptbeschwerungen. Wenn er aber erwachet, so zwinget ihn die Unwissenheit an dieser gewissen Wahrheit zu zweifeln. Ich will hier gleichfalls nicht desjenigen Mißbrauchs der Beredsamkeit gedenken, wodurch dem Manne öfters große Feindschaft auf den Hals gezogen wird, wenn ein solcher ungezäumter Mund fast keinen Menschen vor dem Fenster kann unberedet vorbeipassieren lassen: und solches vor eine treffliche Art der galanten Welt achtet, wenn sie von dieser und jener Person fast jede Gebärde, Rede und Kleidung durchzuhecheln weiß, und sich in allen Stücken vor viel vollkommener schätzet, obgleich das Schwarze von dem Weißen redet. Also werde ich auch verhoffentlich in diesem Stücke Beifall erlangen.« – »Dem sei wie ihm wolle«, tat ihm der Prinz Einhalt, »sie sei nun alt, verliebt, häßlich, krumm oder lahm, so werden doch alle Gebrechen durch Geld verbessert. Geld machet den Mann, und wer dieses hat, der darf reden, wann andere schweigen müssen. Weil du nun so gar furchtsam bist, so wüßte ich dir nicht besser zu raten, denn daß du eine reiche Frau heiratest. Denn gerät sie dir, so ist das Glücke doppelt, schlägt dir aber deine Hoffnung an ihrer Person fehl, so kannst du dich doch an ihrem Gelde erholen, und alles Vergnügen darinnen finden.« – »Jawohl, gnädigster Herr«, beantwortete solches Scandor, »ein reiches Weib ist[185] leicht zu ernähren. Zudem ist dieses eine Grundregul der heutigen Welt, daß ein Pfund Gold im Heiraten einen Zentner Tugend überwiegen muß: aber wehe dem, der ein Weib aus Liebe zum Gelde und nicht zur Person nimmt. Denn zu geschweigen, wie oft ein solches geiziges Auge durch den Nebel des prahlenden Vorwendens verblendet wird, daß er zwar den Sack bekömmt, wie es aber ums Geld stehe, hernach mit seinem Schaden erfähret; so ist die Ehe doch schon halb verdorben, obgleich Geld die Menge vorhanden ist. Denn ein Pferd, welches seine Stärke weiß, lässet sich keinen Menschen zäumen: und eine Frau, welche ihr Vermögen kennet, wird viel weniger einem Mann einer Spannen breit einräumen, wodurch er sich als Herr bezeugen könne: Also wird er mit dem ersten Hochzeittage, wo nicht eher, sein Sklaventum betreten, und ein steter Befehl wird die Richtschnur seines Lebens sein. Ja es wäre besser, ein Mann ohne Geld, als so viel Geld ohne Mann zu sein. Hier würde ich recht erfahren, daß das Weiberregiment die älteste Monarchie sei, und hier würde ich alles vorerzählte Ungemach auf einmal tragen müssen. Nein, da behüten die Götter!« – »Du wunderlicher Mensch«, wollte ihn der Prinz ferner bereden, »so jedweder das Heiraten in solche genaue Betrachtung ziehen wollte, so müßte die Welt untergehen. Denn nachdem ich dir fast alle Beschaffenheiten des Frauenzimmers vor-, du sie aber insgesamt ausgeschlagen, so ist nichts mehr vor dich übrig, als eine Arme, welche durch Armut gezwungen wird, dich zu lieben, dir zu dienen, und sich als ein treues Weib in allen Stücken zu verhalten. Diese wird dir verhoffentlich am besten anständig sein.« – »Wo Mangel und Armut Hochzeit machen«, wendete Scandor ein, »da ist Hunger das erste Kind. Wo nun der Mann arm ist, und die Frau kein Geld hat, da kann unmöglich eine gewünschte Ehe erfolgen. Denn ist sie gleich schöne, so heißt es: von der Schönheit isset man nicht. Ist sie fromm und tugendhaft: darauf lehnet mir kein Mensch einen Bissen Brot. Ist sie gleich häuslich, so haben wir nichts, woran sie ihre gute Wirtschaft erweisen könne. In summa, die Sache läuft auf ein verzweifeltes Wesen hinaus, da der Mann zu einem Widder worden, welchem die Hörner vor die Augen gewachsen sind, und er sie doch nicht davor halten muß: welches das größte Elend vorgebildet.« – »Du redest nicht anders«, fiel ihm der Prinz ein, »als ob du bereits in einem und dem andern bei der Erfahrung in die Schule gegangen wärest.«[186] – »Ob ich gleich«, versetzte Scandor, »den Göttern sei Dank! solches noch nie erfahren, so versichere ich doch, daß dergleichen häufig in der Welt vorgehet, und würde ein jedweder Mensch, dem ich es erzählen würde, noch ein mehrers beizutragen wissen. In summa, ein Weib ist ein notwendiges Übel, eine natürliche Anfechtung, eine einheimische Gefahr, und ein lustiger Schade.« – »So dir ja alle diese Vorschläge«, hub endlich der Prinz an, »so gar zuwider sind, so möchte ich gerne wissen, ob du hierinnen auch einen Entschluß fassen könntest, wenn ich solches als eine Probe deiner Treue gegen mich von dir erforderte.« Scandor wurde hierüber ganz flüchtig, endlich erholte er sich aber mit diesen Worten: »Gnädiger Herr, mein Vorsatz ist zwar jederzeit gewesen, den Kranz meiner Jugend mit in das Grab zu nehmen: Wo aber einige Treue gegen einen so großen Herrn durch eine geringe Heirat kann bewiesen werden, so wollte ich mich wohl unterfangen, das älteste, häßlichste, boshaftigste und ärmste Weib in ganz Asien aufzusuchen, und mich dadurch den Göttern so weit angenehm zu machen, daß sie nach diesem Leben meiner gewiß verschonen würden, weil ich die Hölle sattsam auf Erden gehabt hätte.« Dem Prinzen gefiel dieser Entschluß sehr wohl, dahero er dem Scandor die Hand reichete, und sagte: »Siehe da, mein Scandor, ich verspreche dir zehentausend Pesos zum Heiratsgute, wenn du die Tochter hiesiges Hauses zu deinem künftigen Ehegemahl erwählest.« Scandor küßte zwar des Prinzen Hand, doch wußte er sich in langer Zeit nicht zu fassen, indem er antwortete: »Ich würde auch dieses vor eine geringe Probe meiner Treue und mich vor ein sehr großes Geschenke untertänigst verpflichtet achten, wenn ich nur einige Gelegenheit erlangen könnte. Denn ich habe ein sonderliches Gespräche vernommen, worinnen ich der Lorangy unrechte Liebe sattsam verstanden: Sie liebet eine Person, welche ihre Liebe vor sehr ungereimt halten wird. Ja ich habe dabei hören müssen, wie die alte Hassana einen Anschlag durch einen verdammten Liebestrunk machen dürfen, welches ich aber gebührend werde zu entdecken wissen.« – »Ich kenne schon die Person«, erwiderte der Prinz, »indem mich die Lorangy lange mit ihrer verhaßten Liebe gequälet hat. Du sollst aber wissen, mein Scandor, daß ich noch heute ganz verzweifelt gewesen, und wollte ich nicht etwas Ärgers besorgen, so habe ich ihr versprechen müssen, morgen auf die Nacht ihr zu erlauben,[187] mich zu besuchen. Wie mir nun solche Besuchung höchst unanständig ist; also wirst du dir durch treuen Rat einen noch gnädigern Herrn an mir machen.« – »Gar recht, gnädiger Herr«, antwortete Scandor, »dieses war der Lorangy Einwenden auf der alten Hassana verzweifelten Anschlag, daß sie Erlaubnis hätte, morgen zu Nacht dessen Zimmer zu besuchen. Worüber sich die Alte nicht wenig erfreut anstellte, und vermeinte, wenn dieses geschähe, so hätte sie in ihrer Liebe völligen Sieg erlanget. Denn sie sollte sich nur bemühen, daß ihr ein Teil des Lagers eingeräumet würde, so wollte sie bald mit einem Talegrepen hinter ihr her sein, und sie beiderseits im Bette auf ewig verbinden lassen. Daß nun mein gnädigster Herr versichert sei, ich wollte mich auch an die Stelle Ihres Todes legen, so ist dies mein fester Entschluß, morgende Nacht der Lorangy hier zu erwarten, und Ihre Stelle zu vertreten. Es laufe nun ab, wie es wolle, so lassen Sie mich nur vor das übrige sorgen.« – »Treuester Scandor«, versetzte der Prinz, »ist dies möglich, daß du mir zuliebe deine Wohlfahrt hintansetzen willst?« – »Ja, gnädigster Herr«, antwortete Scandor, »ich bin bereit vor Sie zu sterben, geschweige ein solches Glücke und Reichtum anzunehmen.« – »Nun so sei es denn«, war des Prinzen letzte Antwort, »ich versichere dich aller Gnade und reicher Belohnung. Inmittelst wirst du diese Nacht bei mir verharren, und den Morgen erwarten.« Nach geendigter Rede und alsdenn genossener Speise begab sich der Prinz zur Ruhe, und verlangete mit Schmerzen nach dem anbrechenden Tage, um von dem Abaxar fernere Nachricht seines Lebens und Sterbens zu erhalten. Dieser stellete sich nun folgenden Tages früh wiederum ein, mit dem Bericht, daß sich der Kaiser in geheimen Rat verfüget hätte, und verhoffte er, selben ganzen Tag von aller Aufwartung befreiet zu sein. Diesemnach ließ der Prinz ebenfalls den alten Talemon erfodern, welchen Scandor folgendergestalt anreden mußte: »Ich habe gestern und vorgestern Dero Ohren mit meiner unförmlichen Erzählung nicht wenig belästiget: Nun wollte ich wünschen, von dem Herrn Talemon fernere Nachricht zu erhalten, wie es nach unserem Abzuge zu Pegu ergangen, und auf was Art ein so schleuniger Untergang dieses mächtigen Reiches erfolget sei. Diesem nach wird der Herr Oberhauptmann diese ganze Erzählung beschließen, und uns mit erfreulicher Nachricht von der Prinzessin an die Hand gehen.« Wie nun dieser[188] Vortrag allerseits vor bekannt angenommen ward, so setzte sich jeder an den vorigen Ort, und Talemon hub seine Erzählung folgendergestalt an:


Tod und Untergang des unglückseligen Kaisers Xemindo samt dessen Prinzen und ganzem Reich.

Ich unterfange mich einer Sache, welche ich sonder Vergießung häufiger Tränen nicht auszuführen getraue. Ehe und bevor ich aber diesen letztern ob zwar kurzen doch blutigen Krieg erzähle, so muß ich zuvörderst mit wenigem gedenken, was unsern verblichenen Kaiser und Herrn zurücke gehalten, daß er den mächtigen Sieg vor Ava nicht verfolgen, viel weniger Ava belägern können.

So ist nun zu wissen, daß, ehe noch dieser Krieg zwischen uns und dem Könige Dacosem anginge, sich nicht wenig Verräterei in unserm Reiche ereignete: wiewohl Xemindo glücklich war, daß er noch vor dem Feldzuge die meisten Verräter ertappet, und nach Verdienst abstrafen konnte; unglücklich aber zugleich, daß ihm der größte Verräter unentdecket verblieb. Dieses war nun Xenimbrun, jetzigen Tyrannens leiblicher Bruder, welchen der Kaiser aus sonderbaren Gnaden zum Stadthalter in Brama gemacht hatte. Dieser untreue Hund wußte seine Sachen dermaßen klug und heimlich zu führen, daß er unvermerkt diese beide nahe Vettern, unsern Kaiser und den König von Ava, ineinanderhetzte, und also er einzig und allein der rechte Urheber des Krieges zwischen Pegu und Ava, welchen Scandor vorgestern erzählet, gewesen ist. Solches blieb fast dem ganzen Reich Pegu verborgen, und ob er gleich seinen Bruder Chaumigrem mit sechstausend Mann in geheim dem Könige von Ava zu Hülfe schickte, so war doch deren Zug nicht anders bemerket, als sollten sie unserm Kaiser bei dem Feldzuge zu Diensten stehen. Sobald aber unser Xemindo mit einer tapfern Armee dieses Reich verlassen, und das feindliche Land betreten hatte, so ließ die Verräterei gar bald an dem Xeminbrun ihre Klauen merken. Inner acht Tagen rief ihn ganz Brama vor einen König aus, und die rebellischen Bramaner zogen ihm mit Haufen zu, daß er mit fünfmal hunderttausend Mann sich unterstehen durfte, in das Reich Pegu würklich einzufallen, sich nicht anders als der ärgste Feind anzustellen, und Macao zu belägern, welchen Ort er einbekam,[189] gegen selben einen ganzen Tag die rasende Hand seiner Soldaten wüten, und alsdenn sich ihm die Überbliebenen als einem Kaiser von Pegu die Huldigung leisten ließ. Prinz Xemin, welchem indessen der Kaiser das Reich zu verwalten hinterlassen hatte, wurde nebst uns allen nicht wenig bestürzt, zumalen der Feind sich an die Hauptstadt zu machen drohete. Wir schickten einen Kurier nach dem andern nach der Hauptarmee, wir kunnten aber alle drei Wochen keine Antwort erhalten, daß wir uns also in äußersten Nöten befunden, zumal als wir endlich die feindlichen Haufen vor unsern Mauern sahen. Prinz Xemin tat, was einem tapfern Prinzen zustunde, und ging mit sechzigtausend Mann dem Feind entgegen, welche aber sehr übel zugerichtet, das Tor von Pegu wieder suchten: Dannenhero möglichste Anstalt zur äußersten Gegenwehr das nötigste war. In zwei Tagen sahen wir uns vollkommen belagert, also, daß auf drei Seiten niemand weder aus noch ein kommen kunnte. Der rebellische Xenimbrun ließ uns alsobald auffordern, der Anbringer aber wurde mit einem Stricke bedrohet, wo er wiederkäme. Welches wir an dem Westen-Tor durch einen grausamen Sturm bald empfunden, daß solches den Tyrannen heftig mußte verdrossen haben. Wie nun dieser Sturm ritterlich abgeschlagen wurde, ließ er gegen Süden noch viel grausamer anlaufen, welcher von Mittage, bis tief in die Nacht bei Mondenschein währete. Aber auch dieser Anlauf war vergebens, und schien es, daß sich der Feind heftig hierdurch mochte abgemattet haben. Tages darauf gegen Abend erhielten wir die fröhliche Zeitung, daß nicht allein unser Kaiser einen herrlichen Sieg wider Ava erhalten, selbigen Kronprinz mit eigner Hand entleibet, sondern auch mit der sämtlichen Armee im Begriff wäre, uns zu entsetzen. Und weil auf den dritten Tag sie sich wohl getrauten, völlig anzunähern, als sollten drei Stück-Schüsse die Losung sein, nach welchem Xemindo den Feind im Rücken angreifen wollte, und sollten wir alsdenn durch einen starken Ausfall auch das Unsrige dabei tun. Wie sicher der Feind hierbei gewesen, und wie übel Kundschaft er müsse gehabt haben, kunnten wir leicht hieraus schließen, daß, als er zwei Tage ausgeruhet, er den Tag, an welchem wir Entsatz hofften, einen Hauptsturm vorzunehmen gesonnen war. Und dieses bewerkstelligte er sofort durch einen ungemeinen Anlauf, welcher uns nicht wenig bestürzt machte, angesehen wir[190] noch nichts von unserer Armee sahen und wir gleichwohl ziemlich geschwächet waren. Ja es schiene, als ob der Feind bei dem Westen-Tore den Meister spielen würde, weswegen sich denn Prinz Xemin mit zweitausend tapfern Soldaten persönlich dahin verfügte, und den Feind ritterlich zurücke hielte. Endlich sahen wir die Stürmenden plötzlich zurücke weichen, und hörten zugleich die fröhlichen Losungs-Kartaunen knallen: worauf sich der Feind von der Stadt zurücke zog, und ins Freie stellete. Prinz Xemin säumete gleichfalls nicht, und lase funfzehentausend Mann der bravesten Leute aus, ließ die verschütteten Tore eröffnen, und, als sich die Hauptarmee in völliges Treffen eingelassen, fiel er wie ein Löwe zum Süden-Tore hinaus, und ging dem Feinde in den Rücken. Wie grausam auf beiden Seiten gefochten wurde, maßen wir von den Türmen und Mauren besorgte Zuschauer waren, ist nicht zu beschreiben. Endlich gegen den Abend sahen wir des Xeminbruns Hauptfahne fallen, nach welchem in kurzen der Feind auszureißen begunnte. Sobald wir nun den Feind in voller Flucht sahen, wurden alle Tore eröffnet, und was nur beritten war, dem flüchtigen Feinde nachgeschicket, bis endlich nach völligem Siege die untergehende Sonne den Abzug bedeutete. Folgendes Tages wurde Beute gemachet und die gebliebene Körper beerdiget, deren man feindlicher Seiten auf hundertunddreißigtausend Mann zählete, da wir kaum fünfundvierzigtausend vermißten. Des andern Tages zog unser sieghafter Kaiser in herrlichstem Triumph als ein doppelter Überwinder in die Stadt, und zierte diesen Einzug vor andern der Elefant, auf welchem der Erbprinz von Ava, Dacosem, gesessen, als er von dem Xemindo entleibet worden. Dieses Tier, welches merkwürdig, ging ganz traurig herein, ließ den Schnabel bis zur Erden hängen, und vergoß ordentliche Tränen, wie ein Mensch, ja es hat in funfzehen Tagen nicht das geringste fressen wollen. Noch angenehmer und herrlicher war des Erzrebellen Xeminbruns auf eine Lanze gestecktes Haupt, welches ihm in der Schlacht abgehauen worden. Und mit dem Leben dieses Verräters endigte sich auch dieser Krieg, bis auf die Ankunft des Chaumigrems, welcher Ava verlassen, und sich vor einen König in Brama aufwarf, worzu wir wegen geschwächter Armee eine Zeitlang stille sein mußten, weil wir nicht wußten, was wir uns gegen Ava zu versehen hatten. Dieses währete auch so lange, bis der jämmerliche Martabanische[191] Krieg vorging, und noch in Gegenwart Prinz Balacins der Krieg wider Brama von uns erneuert wurde.

Wie nun damals erwähnter Prinz Balacin Pegu verlassen, und was sich nach diesem zugetragen, solches wird nunmehr der vornehmste Zweck meiner Erzählung sein. Was die Prinzessin anbelanget, so hat man sie nach des Prinzen Abzuge fast nie zu sehen bekommen, sondern sie hat sich stets in stiller Einsamkeit aufgehalten, und das bevorstehende Unglück gleichsam zuvor beweinet. Der Kaiser immittelst, als ein tapferer Herr, war mit nichts als Kriegssachen beschäftiget, und hatte inner vierzehen Tagen eine Armee von sechsmal hunderttausend Mann wieder beisammen, welche er vor der Stadt täglich mustern ließ. Als auch die schreckliche Zeitung eingelaufen, Chaumigrem sei mit neunmal hunderttausend Mann bereits in Pegu eingebrochen, beschloß der Kaiser, dem Feinde beherzt entgegenzugehen. Dannenhero besetzte er die Stadt aufs beste, ließ die Prinzessin, welche höchst kläglichen Abschied nahm, zurücke, der Prinz aber mußte mit zu Felde gehen, und verließ uns also zwischen Furcht und Hoffnung. Daß ich es nun kurz mache, innerhalb vier Tagen erfuhren wir die jämmerliche Zeitung, daß eine grausame blutige Schlacht zwischen beiden Heeren vorgegangen, worinnen die unsrigen notwendig der Menge weichen müssen, der Prinz sei geblieben, und der Kaiser gar verloren worden. Was solches vor eine Bestürzung durch die ganze Stadt verursachte, ist nicht zu sagen. Das Geschrei so vieler tausend Seelen verursachte fast einen Widerschall bis an die Wolken, ein jedes suchte sich zu verbergen, und sahe doch keinen Feind. Die Reichsräte versammleten sich alle in der Burg, um einen ersprießlichen Rat zu suchen, wie doch solchem verwirretem Zustande abzuhelfen sei. Allein Furcht und Angst hatten ihre Zungen gebunden, und ihre Herzen gefesselt, daß es schiene, als ob sie Stillschweigens halben wären zusammen kommen. Ja was uns am meisten verwirrete, das war der Unterfeldherr Qvendu, dem der Kaiser die Stadt anvertrauet hatte. Dieser wollte niemals mit seiner Sprache heraus, und die Verräterei blitzte ihm aus den schelmischen Augen. In solchem Zustande kam ein Bramaner mit einer weißen Fahne vor die Stadt, und forderte solche im Namen des Chaumigrems auf, mit Bedrohung, wo man ihm die Stadt nicht ohne Bedingung alsbald eröffnen, den Kaiserlichen Schatz und Frauenzimmer völlig aushändigen,[192] und ihn als Kaiser von Pegu annehmen würde, so sollte kein Stein auf dem andern gelassen, und auch des Kindes in Mutterleibe nicht verschonet werden. Hier war nun guter Rat seltsam. Ein Teil schrie, das andere, und zwar die meisten, wollten die Tore geöffnet haben, und schien es auch endlich, ob würde der verräterische Qvendu mit seinem Anhange die Oberhand behalten. Hierauf entstund auf der Burg unter dem Frauenzimmer das jämmerlichste Schreien und Wehklagen, ja die Prinzessin war fast nicht zu ermuntern, so heftig setzten ihr die Ohnmachten zu, und kunnte ich mich unmöglich länger bei ihnen aufhalten, derowegen ich mich auf den Schloßturm begab, um eine sichtliche Kundschaft von dem Feinde einzuziehen. Solche erhielt ich mehr als zuviel, indem ich, so weit meine Augen sahen, kein Feld, sondern eitel Elefanten, Pferde, Wagen, Gezelter und Soldaten sahe: Und weil wegen innerlicher Unruhe die Stadt noch nicht eröffnet war, so ließ Chaumigrem alle Anstalt zu einer grausamen Belägerung machen. Weil aber dem Feind unsere Verwirrung sattsam bekannt war, als unterstund er sich, uns durch Schrecken zu erobern, welches ihm auch gar wohl gelunge. Denn er ließ die völligen Stücke, welche er in großer Anzahl mit sich führte, und von vielen Elefanten und Püffeln gezogen wurden, in einer langen Reihe vor das Osten-Tor pflanzen, und zugleich die ganze Armee teils in eine Schlacht-, teils in eine Sturm-Ordnung stellen. Hierauf hatte der Tyranne befohlen, alle Trummeln und Pauken zu rühren, und zu schlagen, ingleichen mußten die Trompeten, Hörner und Pfeifen insgesamt mit einstimmen. Die ganze Armee erhub ein entsetzliches Feldgeschrei, und die Stücken wurden alle zugleich wider die Stadt gelöset, daß es schiene, als ob Himmel und Erden ineinanderfallen wollte. Als nun ein jämmerliches Wehgeschrei durch die ganze Stadt mit einstimmete, so kann ich nicht glauben, daß etwas Entsetzlichers und Erschrecklichers könne gehöret oder gesehen werden, davon auch den tapfersten Helden die Haare hätten müssen zu Berge stehen. Das Herz in meinem Leibe schlug nicht so sehr vor Angst und Entsetzen, als der starke Turm von dem grausamen Knallen des Geschützes erschütterte, und das himmelschallende Geschrei betäubte mir fast die Ohren. Noch unter währendem Feldgeschrei sahe ich leider! den Feind ganz schwarz durch die Tore eindringen, und sich in die Gassen verteilen: wiewohl dieser Einbruch bald verhindert[193] wurde, weil der Tyranne die Stadt nicht wollte plündern lassen: Dannenhero geschahe nichts ferner, als daß ein Oberster mit zweitausend Mann nach der Burg sich begab, und das Kaiserliche Frauenzimmer nebenst der Prinzessin Banise und derer von Saavady gefangennahm. Solchem Jammer begehrte ich nicht beizuwohnen, indem meine Gegenwart doch nicht die geringste Gewalt aufzuhalten vermochte: Dannenhero blieb ich auf dem Turme sitzen, bis gegen den Abend, da ich mich sachte herunterbegab, in Meinung, mich unter dem gemeinen Volke zu verbergen. Allein ich hatte kaum die unterste Staffel berühret, so wurde ich von einer Schildwache erkannt, und sofort von andern gefangen angenommen. Ob ich mich nun zwar zu verleugnen suchte, so war ich doch schon durch andere Gefangene verraten, dannenhero ich auf Befehl des Obersten nach der Prinzessin Zimmer geführet wurde, um sie zu trösten, weil sie aus Verzweifelung ihren Tod suchte. Diese fand ich unter dem andern Frauenzimmer wie eine Sonne unter den Sternen, welche fast unterzugehen schiene. Das Herze wollte mir brechen, als ich ihre Schenkel und Armen mit güldenen Fesseln und Ketten mußte beleget sehen, da hingegen die Prinzessin von Saavady nur silberne trug, das übrige vornehme Frauenzimmer aber alles war mit seidenen Stricken gebunden. Als ich mich der Prinzessin genahet, schlug sie ihre Augen auf, sahe mich mit erbärmlichsten Blicken an, und sagte mit halbgebrochenen Worten: »Ach Talemon, erbarmet Euch Eurer vorhin gebietenden Prinzessin, und stoßet einen Dolch in meine Brust, um die beängstigte Seele von bevorstehender Schmach zu erretten, welche sich mein Herz erschrecklicher als einen hundertfachen Tod vorstellet.« Ich wußte hierauf vor Schmerzen nichts als diese trostlose Worte zu sagen: »Durchlauchtigste Prinzessin! Man suchet umsonst Hülfe bei einem halbtoten Menschen, indem ich selbst Henker und Säbel küssen wollte, wenn nur der Tod vor fernern betrübten Anblicken meine Augen schließen wollte.« – »Ach verfluchte Tyrannei!« fuhr die Prinzessin unter tausend Tränen fort, »da man auch die Aufenthaltung des Lebens zur neuen Folter machet, und uns verhindert zu sterben, wodurch wir unsere Ruhe suchen. Allein, das ist mein Trost, daß die Seele tausend Ausgänge weiß, diesen sterblichen Leib zu verlassen: Und weil ich weiß, daß Ihr die Vollziehung meines Vorsatzes erleben werdet, so bemühet Euch möglichst, meinem liebsten Prinzen die letzte[194] gute Nacht aus meinem sterbenden Munde zu überbringen, und ihn zu versichern, daß die Blume meiner Keuschheit und Liebe gegen ihn auch in dem Grabe Wurzel fasse.« Als meine feindseligen Begleiter sahen, daß ich statt Trostes sie nur mehr betrübte, führten sie mich wieder hinweg; und weil der Oberste erfahren, daß ich Reichs-Schatzmeister wäre, so befahl er mir im Namen seines Königs, die Schlüssel und ein richtiges Verzeichnis aller Schätze von mir zu stellen. Ob ich nun zwar meine Pflicht vorschützte, so half es doch nichts, sondern man drohete mir mit grausamster Pein, dannenhero ich vermeldete, wie sowohl die Schlüssel als das weitläuftige Schatzverzeichnis in solchem Tumult wäre verloren gangen, sie würden wohl den gewöhnlichen Handschlüssel der Soldaten bei sich führen, und sich begnügen lassen, wenn ich die Behältnisse des Schatzes anzeigete. Womit sie denn sehr wohl vergnüget waren, als ich ihnen nur etliche Gewölber wiese, und die unterirdische Schatzgrüfte in meiner Pflicht beruhen ließ. Nach diesem wurde mir erlaubet, frei in der Burg herumzugehen, jedoch hatte die Wache Befehl, mich nicht vor das Burgtor zu lassen. Ingleichen wurde mir auch alle Besuchung der Prinzessin untersaget, daß ich sie also das letztemal gesprochen. Indessen kunnte ich alles bemerken und erfahren, was in und außer der Burg vorging. Endlich wurde mir doch erlaubet, unter gnugsamer Aufsicht den königlichen Einzug des Chaumigrems mit anzuschauen. Dieses geschahe erst nach zweien Tagen, da er morgens vor die Stadt kam. Bei dem Osten-Tore, welches sonst Cabanbainhe genennet wird, empfingen ihn sechstausend Priester der zwölf Sekten, so in diesem Königreiche zu finden sind. Einer unter ihnen, namens Capizundo, täte das Wort, und redete ihn also an: »Gelobet und gesegnet sei der Herr, der wahrlich von jedermann davor müsse erkannt, und dessen heilige Werke, die durch seine göttliche Hände geschehen, müssen durch die Klarheit der Nacht bezeuget werden. Gelobet sei er, daß ihm durch die Werke der unendlichen Macht, die ihm angenehm sind, beliebet hat, Euch über alle Könige, die auf Erden herrschen, zu erheben. Und dieweil wir davor halten, Ihr seid sein Mitgenoß, so bitten wir, daß Ihr der Sünden, die wir wider Euch begangen, nicht mehr gedenket, damit Eure betrübte Untertanen auf die Zusage, so sie von E.M. erwarten, sich können zufriedengeben.« Darauf knieten fünftausend Grepos zur Erden, baten ihn gleichfalls mit erhabenen Händen[195] um Verzeihung, und redeten ihn mit verwirreter Stimme an: »Herr und König, verleihet Friede und Verzeihung wegen des begangenen Übels uns und allem Volke in diesem Königreiche Pegu, damit sie aus Furcht ihrer Missetaten, die sie öffentlich vor Euch bekennen, nicht verunruhiget werden.« Der König schien über solche Demut ganz vergnügt, und versprach ihnen die Verzeihung eidlich bei dem Haupte des heiligen Qviay Novandels. Auf diese Zusage fiel alles Volk aufs Angesicht zur Erden und schrien: »Gott gebe Euch lange Jahre Glück, Eure Feinde zu überwinden, damit Ihr derselben Häupter unter Eure Füßte treten möget.«

Wie schmerzlich mir diese Worte der schmeichelnden Pfaffen und des unbeständigen Volkes durch das Herze gingen, solches kann sich ein jeder treuer Diener, welcher begierig ist, vor seinen Herrn zu sterben, leichtlich vorstellen. Ja hier sahe man ein rechtes Beispiel des wankenden Pöbels, wie wenig sich auf dero beständige Treue zu verlassen sei. Den, welchem sie zuvor als ihrem rechtmäßigen Kaiser fast göttliche Ehre erwiesen hatten, verfluchten sie anietzo, einem Tyrannen zuliebe, welcher doch sowohl ein Untertan als sie alle war. Sie gaben dieses als Sünde und Verbrechen an, daß sie ihrem Kaiser, Eid und Pflichten gemäß, gehorsam und getreu gewesen, und erröteten nicht, vor des Bluthundes Ohren öffentlich zu rufen: »Verflucht sei Xemindo, welcher uns zu solchem Ungehorsam verleitet.« Ihre Wangen färbeten sich nicht einmal über diese lasterhafte Liebkosung, weil die Schandflecke alle zusammentrafen, und keinem eine absonderliche Röte anstrichen: Hergegen weil die Beschimpfung unzerteilet allein auf eine Person angesehen war, so wurde auch das innerste Mark der Seelen viel durchdringlicher angegriffen. Ja so Ehre als Schamhaftigkeit schiene aus ihren Herzen verbannet zu sein; und sahe man hier den Unterscheid hoher und niedriger Gemüter, weil jene viel eher sterben würden, als sich ihrer Unschuld schuldig geben.

Ich fahre nun fort, mit kurzem das fernere Beginnen dieses neuen Kaisers und gewaltsamen Bluthundes zu beschreiben: Denn als itzt erzählte scheltenswürdige Schmeicheleien vorbei waren, ward zu einem Freudenzeichen auf allerhand Instrumenten gespielet, und der Grepos Capizundo setzte dem Chaumigrem eine kostbare Krone von Gold und Edelgesteinen aufs Haupt in Gestalt einer Bischofsmütze, welche[196] sie aus dem Regalienzimmer geraubet, und, welches mir die Götter zeugen müssen, nicht aus meiner Hand empfangen haben, wie mir zwar zugemutet ward. In dieser Krone begab er sich mit hochmütigen Gebärden, welche eine Majestät vorstellen sollten, auf einen großen Elefanten, der mit Golde gewaffnet war, rings um ihn her gingen vierzig Trabanten mit großen silbernen Keulen. Vor sich her ließ er allen Raub der Elefanten und Wagen samt dem Bildnis des überwundenen Xemindo, welches erbärmlich anzusehen, und an eine dicke eiserne Kette gebunden war, neben vierzig Fahnen, die auf der Erden vor ihm hergeschleppet worden, führen. Alle seine Hofleute und Bedienten folgeten zu Fuße, und trugen vergüldete Säbeln auf den Achseln. Hinter diesen kam die Leibwache von sechstausend Pferden und dreitausend streitbaren Elefanten mit fremden Türmen, ingleichen viel andere Leute mehr zu Roß und Fuß in unzählicher Menge.

Nach diesem blieb er siebenundzwanzig Tage in der Stadt, und ließ unterdessen die übrigen Festungen, die es noch mit dem Xemindo hielten, und noch nichts von dessen Überwindung wußten, erobern. Ingleichen schrieb er viel höfliche Briefe an die Inwohner solcher Festungen, nennete sie bisweilen Kinder seiner Seelen, und verziehe ihnen alles, was sie wider ihn begangen, gleichsam als ob sie an Beobachtung ihres Eides und geschwornen Treue eine große Sünde begangen hätten. Diese verschmitzte Höflichkeit betrog alle Städte, Stände und Fürstentümer, daß sie sich nacheinander ihm ergaben. In währender Zeit aber, welches hoch zu verwundern, besuchte er niemal das gefangene Frauenzimmer, viel weniger ließ er die Prinzessin oder jemand davon vor sich kommen, welche inzwischen, wie ich vernahm, in steter Traurigkeit verharrete. Währender Zeit unterließ er auch nicht, den entflohenen Xemindo durch viele ausgeschickte Reuter aufzusuchen: und diese Spürhunde funden endlich, ach leider! den unglückseligen Kaiser an einem Orte, Fauclen genannt, und brachten ihn mit großen Freuden vor den Tyrannen, welcher den, der ihn gefunden, alsobald zu einem Herrn von dreißigtausend Dukaten Einkommens machte. Diesen ergriffenen Kaiser führeten sie an Hals und Händen mit eisernen Fesseln und Ketten beleget vor den hochmütigen Überwinder, welcher den armen Prinzen sofort mit diesen höhnischen Worten anredete: »Seid mir willkommen, Kaiser von Pegu! Ihr möget diese Erde wohl küssen, die Ihr hier[197] sehet, denn ich versichre Euch, daß ich allbereit meine Füße darauf gesetzet habe, daraus zu spüren, wie günstig ich Euch sei, weil ich Euch eine Ehre erweise, deren Ihr Euch wohl nimmermehr vermutet habt, daß Ihr nämlich die Erde küssen dürfet, welche ich betreten habe.« Als aber hierauf der trübselige Xemindo die Augen nur stets niederschlug, und ganz keine Antwort gab, fuhr der sieghafte Bluthund fort, ihn ferner zu verspotten: »Was ist das?« sagte er, »erschrickst du darüber, daß du dich in solchen Ehren siehest, oder wie soll ich's verstehen, daß du mir so gar nicht auf meine Frage antwortest?« Solche schimpfliche Reden gingen endlich dem hochbekümmerten Xemindo dermaßen zu Herzen, daß er sich nicht enthalten kunnte, folgendergestalt zu antworten: »Wann«, sagte er, »die Wolken des Himmels, die Sonne, der Mond und andere Gestirne, welche ihre zum Dienst des Menschen von Gott gewidmete Pflicht nicht mit Worten, sondern die reichen Schätze der hohen Allmacht durch schreckliches Donnern und Blitzen natürlicherweise verkündigen und erklären, denen, die mich hier, in diesem Zustande, worinnen ich vor dich gebracht worden, sehen, ja wann sie, wie ich, die innerliche Betrübnis und den großen Schmerzen könnten andeuten, den anitzo meine Seele fühlet, so würden sie vor mich antworten, und die Ursache anmelden, warum ich bei gegenwärtiger Beschaffenheit, darein mich meine Sünden gesetzet, so stumm befunden werde. Und gleich wie du von dem, was ich rede, als mein Gegenpart und Feind nicht urteilen kannst, also schätze ich mich nicht vor verpflichtet, dir dermaßen zu antworten, wie ich sonst wohl vor dem großen Herrn des Himmels, der mich ohne Zweifel mit größerer Gnade und Barmherzigkeit ansehen würde, tun wollte. Inzwischen soll doch mein unschuldiges Recht dich besiegen, obgleich mein Leib auf der Folter liegt.« Nach diesen Worten sank er nieder, fiel zur Erden auf sein Angesicht, und bat zweimal nacheinander um ein wenig Wasser. Dieses ihm nun zu gewähren und sein Herzeleid desto mehr zu vergrößern, befahl der verfluchte Tyrann, daß ihm solches Wasser die schöne Prinzessin Banise selbst bringen sollte. Das Herze blutete mir noch, wenn ich mir die betrübte Gestalt dieses schönen Fräuleins in Gedanken vorstelle, welche zwischen einigen Henkersknechten ein Geschirr voll Wasser mit gefesselten Händen und sachten Schritten brachte. Sobald sie aber hinzukam, fiel sie vor ihm nieder, umarmete ihren lieben Herrn[198] Vater mit kindlicher Inbrünstigkeit, küssete dreimal sein Angesicht, und sprach mit tränenden Augen und benetzten Wangen: »Ach Herr Vater! mein Herr! mein König! ich bitte um der getreusten Liebe willen, die ich allezeit zu Ihm getragen, und Er gleichfalls gegen mir dessen gehorsamstes Kind hat: Er lasse sich doch gefallen, mich also mitzunehmen, wie ich hier in Seinen Armen liege, damit ich Ihn bei diesem traurigen Gange mit einem kalten Trunk Wasser labe, weiln mir die Welt verweigert, auf andre Art meine schuldige Kindespflicht zu erweisen.« Dieses alles geschahe auf dem Markte in Anschauung vieler tausend Menschen, immittelst, daß sich der Tyranne in etwas von diesem traurigen Anblick entfernet hatte, vielleicht befürchtende, es möchte einige Wehmut den grausamen Vorsatz besiegen. Auf vorerwähnte Trauerworte wollte Xemindo der Prinzessin antworten, er vermochte aber nicht, solches zu bewerkstelligen, indem ihn hieran die große väterliche Liebe verhinderte, und dermaßen von herzlichem Betrübnis übernommen ward, daß er in eine tiefe Ohnmacht fiel, und eine geraume Zeit darinnen verharrete. Worüber etliche große Herren, wie auch ich selbst, weil wir zugegen waren, dermaßen beweget worden, daß uns aus natürlichem Mitleiden die Tränen in die Augen stiegen. Aber wir wußten nicht, daß uns das Unglück am nächsten war, denn der Tyrann nahm solches auch von fernen in acht, und weil wir alle aus Pegu waren, deutete er unsere Tränen anders aus, und befahl, ohne alle Gnade und Verlierung einiger Zeit, uns die Köpfe herunterzuschlagen. Ob wir nun zwar insgesamt aufs beweglichste hiervor baten, und unsere Unschuld bezeugeten, so wurde doch keines einigen andern als meine Einwendung angenommen, indem ich vorgab: Mein Leben würde Sr. Majest. viel ersprießlicher sein, als mein Tod, indem die völlige Nachricht der Kaiserlichen Schätze bei mir beruhete. Und dieses zwang mir die Todesfurcht aus, indem ich über vorige noch andere Schätze entdeckte, welche ich sonst wohl würde verschwiegen haben. Jedoch tröstete ich mich damit, daß es nicht alle, viel weniger die besten waren. Ob ich nun zwar wiederum entlediget ward, so mußten doch die andern, welche nur das geringste Zeichen ihres Beileids von sich blicken lassen, insgesamt dem Säbel herhalten, nachdem sie der Bluthund zuvor mit grausamen Gebärden angeredet: »Weil Ihr mit Eurem Kaiser Xemindo so großes Mitleiden habt, so spazieret ein wenig[199] voraus, und bestellet ihm das Quartier, da er euch denn die jetzt bezeigte Gewogenheit reichlich vergelten wird.« Dieses Mordspiel war kaum geendiget, so verdoppelte sich des Wüterichs Grausamkeit dermaßen, daß er zur Stunde befahl, die holdselige Prinzessin, das getreue Kind, auf dem Rücken ihres Vaters, den sie umhalsete, niederzusäbeln. Welches wahrlich mehr als eine bestialische Wut und abscheuliche Grausamkeit war, daß dieser unmenschliche Tyrann und greuliche Unhold, die menschliche, von der Natur selbst eingepflanzte, Treue und Liebesneigungen so unmenschlicherweise verhindern wollte. Dieser grausame Befehl betraf nun gleich gegenwärtigen Herrn Hauptmann, welcher sich nicht säumen durfte, solches zu vollziehen, dannenhero er mit bloßem Säbel und zehen Mann von der Leibwache sich an den betrübten Ort verfügte. Hier verging uns nun allen Hören und Gesicht, und wendete jedwedes die Augen ab, ein solches unerhörtes und der Natur zuwider scheinendes Urteil vollziehen zu sehen. Kurz, wir bemerkten nichts mehrers, als daß die Prinzessin aus unsern Augen kam, da wir alle vermeinten, sie habe bereits den unbarmherzigen Stahl geküsset: wiewohl wir eines andern verständiget worden, als bei seiner Wiederkunft ihn Chaumigrem mit rauhen Worten anfuhr, und fragte, warum er nicht seinen Befehl auf öffentlichem Markte alsobald vollzogen hätte? »Was Sie befohlen«, antwortete er, »ist bereits geschehen. Inmittelst habe ich nicht sonder Bedacht solches in meinem Hause vollziehen lassen, weil ich besorget, es möchte die Gemüter der Peguaner allzu heftig bewegen.« Ob nun zwar der Tyranne sein Mißvergnügen ferner wollte zu verstehen geben, so schiene er doch wieder begütiget zu sein, als der enthalsete Körper in seiner gewöhnlichen Kleidung auf offenen Markte vor jedermanns Augen hingeworfen ward. Welcher erschreckliche Anblick die bestürzten Peguaner dermaßen bewegte, daß sie, um ihre Betrübnis zu verbergen, sich im Augenblick verloren, und man keinen Menschen aus Pegu mehr auf dem Markte ersehen kunnte. Xemindo aber ward unterdessen in ein hartes Gefängnis geführet, und stark bewachet. Folgenden Morgen wurde in allen Straßen ausgerufen, das Volk sollte sich herbeifinden, anzusehen die tödliche Ausführung des unglückseligen Xemindo, vormaligen Kaisers zu Pegu. Solches ließ der Tyrann deswegen tun, damit ihnen die Einwohner, wenn sie jetzo den Xemindo sterben sehen, hinfüro keine Hoffnung[200] machen dürften, ihn zum Kaiser wiederum zu verlangen, sintemal ihm wohl bewußt, daß sie, ungeachtet öffentlicher Schmeichelei, dennoch im Herzen solches wünschten: Angesehen Xemindo sehr wohl und löblich regieret hatte; hingegen war dieser ein Ausländer, welcher einen solchen Tyrannen zum Bruder gehabt hatte, der fast keinen Tag hingehen lassen, an welchem er nicht bis funfzehenhundert Menschen erwürget hätte: manchmal war auch diese Zahl auf vier- bis fünftausend gestiegen, daß sie um der allerliederlichsten Ursache willen ihre Köpfe lassen müssen. Diesen Morgen ließ der Tyrann mich vor sich fodern, und begehrte von mir eine aufrichtige Bekenntnis aller bewußten Schätze, darbei er mir große Gnade versprach, widrigenfalls aber, wo ich das geringste verschwiege, mir den ärgsten Tod drohete. Diesem nun zufolge tat ich was ich kunnte, weil ich doch die Schickung des Himmels vor Augen sahe, und niemanden wußte, dem ich sie zum besten verschweigen sollte, jedoch habe ich meinem Gewissen zwei unterirdische und mehr als königliche Schätze vorbehalten, welche ich dem Prinzen von Ava, wo die Götter ihre Gnade hierzu verleihen wollen, zugedacht habe. Nach diesem stellete mir der Tyrann freie Wahl, ob ich seine Gnade ferner bei Hofe suchen oder mich auf mein Landschloß hieher begeben wollte: welches letztere mir denn eine der fröhlichsten Zeitungen zu vernehmen war, und es sofort mit hohem Danke annahm. Wiewohl ich nicht sonder Sorgen meinen Sohn zurücke lassen mußte, welchen, wie bewußt, hernach Chaumigrem zum Hofemeister über das Frauenzimmer gesetzt hatte. Unter dessen Hand auch die Prinzessin von Saavady nebst vielen andern getan worden. Auf den allerunglückseligsten Xemindo aber wieder zu kommen, so ward selbiger ungefähr um zehn Uhr aus dem Kerker herfürgeholet, wobei ich folgende Ordnung bemerkte: Vor ihm her marschierten durch die Gassen, da man ihn durchbringen sollte, vierzig Reuter, die in ihren Händen Lanzen führeten, um das Volk auf die Seite zu schaffen. Hinter diesen kamen ebensoviel mit bloßen Schwertern in der Hand, welche überlaut ausruften: das Volk, welches nicht zu zählen war, sollte Platz machen. Nach denen kamen funfzehenhundert Büchsenschützen, mit brennenden Lunden, welche man Tixe Lakoo, oder Vorläufer des königlichen Zorns, zu nennen pfleget: Hierauf sahe man hundertundsechzig Elefanten mit ihren Türmen auf den Rücken, welche alle mit seidenen Teppichen[201] behangen waren. Dieser gingen fünfe nebeneinander, und machten zweiunddreißig Glieder. Hinter denen folgeten funfzig Mann, ebenfalls fünfe im Gliede, zu Pferde, welche schwarze blutige Fahnen trugen, und mit starker Stimme ausriefen: daß diese Elende, die des Hungers Sklaven und durch Mißgunst des Glücks stets verfolget würden, hören sollten den Ruf und Geschrei des mächtigen Zornarms, so wider diejenige exequieret würde, die ihren Kaiser erzürnet, damit das Schrecken der auferlegten Strafe ihrem Gedächtnisse tief eingewurzelt bleibe. Nach diesen Herolden folgeten funfzehenhundert andere mit roten Kleidern, welches ihnen ein schreckliches Ansehen gab. Diese sprachen auf den Klang von fünf Glöcklein, womit sie gar geschwinde klingelten, nachfolgende Worte mit einer so traurigen Stimme, daß die, so es hörten, zum Weinen beweget wurden: »Dieses strenge Gerichte wird geheget durch den lebendigen Gott, den Herrn aller Wahrheit und des heiligen Leibes, daran die Haare unserer Häupter die Füße sind, derselbe will, daß man töten soll den Xemindo, welcher sich dem großen Könige von Brama widersetzet, und dessen Staat und Recht angefochten hat.« Auf solches Ausrufen antwortete ein gewisser Haufe Volks, so im Gedränge vor der ganzen Menge herlief, daß einem das Herz davor erzitterte: Ohne alle Barmherzigkeit müsse derjenige sterben, der eine solche Sünde begangen hat. Folgends marschierten fünfhundert Bramaner zu Pferde und nach denselben wiederum so viel zu Fuße, unter welchen etliche in ihren Händen bloße Degen und Schilde führeten, die andern aber mit Panzern und Brustharnischen versehen waren. Mitten unter diesen erblickte man den betrübten Xemindo, welcher auf einer magern, nichts werten verschmachteten Schindmähre saß, und den Scharfrichter, auf dessen Achseln sich seine Hände steuren mußten, hinter sich hatte. Dieser armselige Prinz hatte ein so zerrißenes und zerlumpetes Bettelkleid an, daß ihm allenthalben die Haut dadurch schien. Über das trug er zu größerer Verspottung eine stroherne Krone, welche auswendig mit Muschelschalen, so auf einen blauen Faden gezogen, wie auch das eiserne Halsband statt der Perlen besetzet war. Ob man ihn nun gleich in so schmählicher Gestalt darstellete, und sein Gesichte fast keinem lebendigen Menschen mehr ähnlich sahe, so leuchtete doch aus seinen Augen, wenn er dieselben emporhub, ein majestätischer Blick herfür, der von seiner Beschaffenheit[202] und hohen Stande ein sattsames Zeugnis gab, wie sehr ihn auch das Unglück und die Tyrannei seines Feindes verstellet hatte: Und in seinen Blicken ließ sich eine besondere mit Majestät vermengte Sanftmut spüren, welche alle diejenigen, so ihn ansahen, zum Weinen bewegte. Rings um diese Leibwacht, damit er umgeben war, ritten tausend Mann zu Pferde, mit vielen Elefanten untermenget. Dergestalt passierte der gesamte Aufzug durch die zwölf vornehmsten Straßen der Stadt, woselbst eine unzählbare Menge Volks gleichsam gepfropft aufeinanderstund, und gelangete endlich auf eben die Straße, allwo er vor etlichen Wochen in unbeschreiblicher Pracht wider diesen Tyrannen aus- und zu Felde gezogen. O wunderliches Verhängnis! O veränderliches Glück! O spiegelglattes Eis der Herrschaft! da sich die Krone in einem Cypressenkranz und der Szepter in einen blutigen Mörderstahl verwandelt. Hier sehen wir, wie vergebens wir arme Menschen bemühet sind, wenn wir uns unterstehen, den Schluß zu meiden, welchen das Verhängnis in das Himmelsbuch mit solchen Ziffern, welche nur die Götter verstehen, eingeschrieben hat. Dieser, welcher vor kurzen Tagen als ein Überwinder in Hoffnung auszog, seinen Feind zu suchen, der hat ihn allzu zeitig gefunden, und muß als ein Sklave in Fesseln einherziehen. Auf dessen Wink vorhin viel tausend Augen warteten, der hat jetzo nicht Macht, einem Buben zu befehlen: Ja welche ihn zuvor als einen Gott anbeteten, diese sahen ihn mit halberöffneten Augen ohne einige Ehrerbietung an. Doch wollen wir zu dem Ende dieser Schmach schreiten, weil es mir die Wehmut nicht länger erlaubet, dieses Elend auch nur in Gedanken anzuschauen. Die größte Schmach, so ihm angetan ward, und wohl am meisten, ja ärger als der Tod selbst, kränken mochte, war ein unverschämter Backenstreich, so ihm ein schlimmer Henkersknecht versetzte. Denn als sich Xemindo mit einem Portugiesen in ein Gespräch eingelassen, und unter andern Worten diese fallen ließ: »Ich muß gestehen, wann es Gott gefiele, möchte ich jetzo noch eine Stunde leben, um zu bekennen die Vortrefflichkeit des Glaubens, welchem ihr andern zugetan seid. Dann nachdem ich vormals davon habe reden hören, so ist euer Gott allein der wahre, und alle andere Götter sind Lügner.« Ob nun zwar solche Rede nicht wenig harte lautete, so hatte doch niemand diesem verdammten Bösewichte, einem Henkersknechte, die Macht gegeben, hierinnen Richter zu sein,[203] noch diesem betrübten Herrn mehr zu betrüben, indem er ihm eine so harte Maulschelle auf Anhörung dieser Worte gab, daß ihm das Blut zu der Nasen herausstürzte, welches höchst erbärmlich anzusehen war an einem, der noch vor drei Wochen einer von den mächtigsten Königen in der ganzen Welt und ein Beherrscher über so viel hunderttausend Seelen war: Der großmütige Kaiser aber vertrug solches mit höchster Geduld, indem er nur diese Worte drauf sagte: »Mein Freund, laß mich mit diesem Blute Nutzen schaffen, auf daß dir nichts abgehe, sondern du mein Fleisch darinne backen und rösten könnest.« Unter soviel tausend verkehrten Gemütern aber hielt sich doch noch ein tapferes Herze auf, welches ungeachtet eiferigster Nachforschung bis itzo unerkannt, sein Name aber in das Buch der getreuen Helden eingetragen verblieben ist. Dieser kunnte die dem vorhin unbeglückten Xemindo angetane Beleidigung durchaus nicht vertragen: dannenhero er als ein Blitz aus dem Haufen hervorbrach, und den frechen Henkersbuben mit einem Wurfspieß durch und durch rannte, daß der Spieß in ihm stecken blieb, und er tot zu des Xemindo Füßen fiel. So geschwinde diese Rache vollzogen war, so hurtig wußte sich dieser treue Rächer wiederum unter dem Haufen zu verbergen, daß alle angewandte Mühe, ihn aufzusuchen, nur vergebens war. Diese Tat war des elenden Herrns letzte Vergnügung auf dieser Welt, welche ihn dermaßen bewegte, daß er einige Tränen fallen ließ, und sagte: »Tapfere Seele, wer du auch seist, wollten die Götter, es wäre allen meinen Untertanen gleiche Treue und Tapferkeit eingepflanzet gewesen, es sollte mich dieser Jammer nicht betroffen haben. Inmittelst hast du verdienet, daß du mit ewigen Lorbeeren gekrönet werdest.« Hiermit führte man ihn weiter fort, bis an den Gerichtsplatz, da ihn das Leben so zu verlassen schien, daß er fast auf nichts mehr Achtung gab. Zuletzt stieg er auf eine hohe Gerichtsbühne hinauf, die für ihn insonderheit gebauet war, und der Chirca oder Obergerichtsvorsteher las ihm überlaut von einem hohen Stuhl sein Urteil vor, dieses kurzen Inhalts: »Der lebendige Gott unserer Häupter, der große Herr über die Kronen, befiehlet, daß Xemindo soll hingerichtet werden als ein Zerrütter der Völker auf Erden, Mörder des Xeminbruns und Todfeind des Volkes von Brama.« Nach solchem Ausspruch gab er mit der Hand ein Zeichen, worauf der Henker alsobald das Haupt in einem Streiche wegschlug, welches er dem[204] Volke zeigete, und den Leib in acht Stücke zerteilete. Das Eingeweide und die übrigen innern Teile des Leibes legte man ganz besonders und allein, und bedeckte sie mit einem gelben Tuche. Also ließ man den zerschnittenen Leib bis zu der Sonnen Untergang liegen, da sie denn eine unsägliche Menge Volks besahe bis um drei Uhr nachmittage. Nachmals, als sich das Volk satt gesehen, und das Getümmel ein wenig gestillet, auch zu dem Ende etliche gewisse Personen zu Pferde dem Volke bei hoher Strafe stille zu sein geboten, da ward mit einem Glöcklein fünfmal nacheinander geläutet, auf welches Zeichen zwölf Männer in schwarzen mit Blut besudelten Röcken, mit verhülleten Angesichtern und silbernen Kolben auf ihren Schultern aus einem hierzu absonderlich zugerichteten hölzern Hause, so ungefähr fünf oder sechs Schritte von dem Blutgerüste stund, hervortraten. Denen folgeten zwölf heidnische Oberpriester oder Talegrepos, nächst diesen erschien des Tyrannen Vetter, Pocasser, ein dem Ansehen nach hundertjähriger Greis, eben, wie alle die andern, in gelben Trauerhabit. Rings um ihn her gingen zwölf kleine Kinder, die gar köstliche Kleider und zierliche Beile auf den Achseln trugen. Wie dieser Alte an den Ort, wo der zerstückte Körper lag, kommen, kniete er dreimal nacheinander zu der Erden, und redete wegen seines Vetters, des Königs von Brama, den gemetzelten Körper mit ehrerbietig scheinenden, doch recht höhnischen Worten an: »O du heiliges Fleisch«, sagte er, »lobwürdigstes Blut! ich bitte dich, vernimm die Rede meines Mundes mit geneigten Ohren, auf daß die in dieser Welt an dir verübte Missetat möge ausgesöhnet werden. Dein Bruder Oretenau Chaumigrem, Prinz von Brama, lässet durch mich, deinen Sklaven, dich bitten, im Fall er dich beleidiget, so wollest du ihm solches, ehe dann er von dieser Welt scheidet, verzeihen, hingegen alle seine Königreiche in Besitz nehmen; maßen er dir solchen Titul darüber abtritt, und davon nicht das geringste zu behalten gewillet ist. Durch mich, seinen Sklaven, bezeuget er, diese seine Übergabe geschehe freiwillig, damit die Klage nicht vor Gottes Ohren gelangen möge, welchen du etwan droben im Himmel wider ihn anstrengen möchtest. Hiernächst verheißet er, die dir zugefügte Unbilligkeit solchergestalt zu büßen, daß er auf der Pilgerfahrt dieses zeitlichen Lebens über dieses dein Reich Pegu nur Wächter und Hauptmann sein, und selbiges von dir zu Lehen empfangen wolle. Wie er dann dir[205] hiermit den Eid der Treue leistet, dem, was du ihm aus dem Himmel wirst gebieten, jederzeit auf Erden getreulich nachzuleben, und zwar mit dieser Bedingung, daß du ihm mögest zu seinem Unterhalt von allen dem, was von den Zöllen einkömmt, nur Almosen reichen, weil ihm sehr wohl bewußt, daß ihm anderer Gestalt die Besitzung des Reiches nicht erlaubet ist, die Meni Grepos auch sonsten weder dreinwilligen noch ihm in seiner letzten Stunde die Sünden vergeben werden.« Hierauf vertrat einer aus den fürnehmsten Priestern des Entleibten Stelle, und trieben gleichsam wie ein Gaukelspiel mit dem toten Körper, indem er diese Antwort erteilte: »Nachdem du deine Mißhandlung bereuest, und in gegenwärtiger öffentlicher Versammlung mir Abbitte tust; wohlan! so sei dir hiermit alle Verzeihung von mir gerne und willig erteilet, und als dem künftigen Hirten meiner Herde dieses mein Königreich überlassen, mit angehängter Bedingung, daß du dein beschwornes Versprechen unverbrüchlich haltest: widrigenfalls würde solches eine so schwere Sünde sein, als legest du itzt, ohne Erlaubnis des Himmels, aufs neue Hand an mich.«

Wie der Pfaffe diese Worte geendiget, hub alles Volk frohlockende an zu schreien: »Gott verleihe solches!« Inzwischen verfügte sich der Pfaffe nach dem hohen Stuhl, von welchem zuvor das Bluturteil war verlesen worden, und rief dem Volke ferner also zu: »Schenket mir zur Nahrung meiner Seelen einen Teil der Tränen eurer Augen um der angenehmen Zeitung willen, die ich euch verkündige, daß nämlich hinfüro dieses Land nach Gottes Willen soll unserm Kaiser Chaumigrem verbleiben, und er solches nimmermehr wiedererstatten dürfe: dannenhero ihr, als fromme und getreue Knechte, wohl befugt seid, hierüber euch fröhlich zu bezeigen.« Hierauf schrie der gesamte Haufe mit erschrecklicher Stimme: »Gelobet seist du Herr!« Nach allen geendigten Heucheleien und Spottreden trugen die Priester die Stücke des zerteilten Leibes mit großer Ehrerbietung von dem Trauergerüste hinab zu einem von köstlichem Holze gemachten Feuer, wurfen alles Fleisch mit dem Eingeweide hinein, und ließen es brennen, würgeten viel Hammel und andere Tiere zum Opfer, dem hingerichteten Kaiser zu Ehren. Dieses Feuer brannte die ganze Nacht durch bis an den hellen Morgen, da sie die überbliebene Asche des verzehrten Leichnams in eine silberne Kiste sammleten, mit einer sehr großen Anzahl[206] Leichenbegleiter, von mehr denn zehntausend Priestern in den Tempel unsers Abgottes, des Gottes der tausend Götter genannt, trugen, und allda in einer vergüldeten Kapelle in ein sehr prächtiges Grab beisetzeten. Und dieses war das jämmerliche Ende dieses lobwürdigsten Kaisers, welchen nicht sowohl seine Schuld als das ungütige Verhängnis gestürzet hat. Als ich nun dieses alles mit trockenen Augen und blutenden Herzen mit anschauen müssen, suchte ich Erlaubnis, der versprochenen Gnade zu genießen, und mich hieher auf mein Landschloß zu begeben, allda ich in willens war, das bedrängte Herze zu entledigen, und meinem entseelten Kaiser ein tägliches Tränenopfer zu gewähren. Allein ich fand mich sehr betrogen, indem mir der Tyrann andeutete, ich müßte noch einen Feldzug mittun, und ein Zuschauer seiner Gerechtigkeit sein. Was mir dieses vor eine erschreckliche Post war, ist leicht zu ermessen, und durfte ich mich nicht erkühnen, meine Bitte zu wiederholen. Kurz: die Armee wurde zusammengenommen, und der Zug ward gleich auf Prom eingerichtet. In selbten Reiche herrschte eine Königin als Vormünderin ihres dreizehnjährigen Prinzens, nachdem ihr Herr, der König, verstorben, und der älteste Kronprinz verloren war, daß niemand noch diese Stunde weiß, wo er hinkommen. Weil nun damals der Herr Oberhauptmann auf Befehl zurücke bleiben, und die Burg besetzen mußte, als kann ich selbten, weil er nicht zugegen gewesen, zugleich eine und die andere Nachricht von diesem Zuge erteilen. Unsere Armee bestund in 700000 Mann und 1200 Schiffen, mit welcher entsetzlichen Macht wir inner vierzehn Tagen vor der Stadt Prom anlangeten, und alsobald eine würkliche Belagerung zu Wasser und Lande aufs grausamste angestellet, das Schloß aber fünf ganzer Tage entsetzlich beschossen ward. Des sechsten Tages sandte die Königin einen mehr als hundertjährigen Talegrepos mit einem köstlichen Geschenke heraus, dem sie auch volle Macht, einen Frieden zu schließen, mitgegeben hatte. Dieser überreichte von seiner Königin dem Tyrannen ein demütiges Schreiben, folgenden Inhalts:


Großer und mächtiger Herr, welcher in dem Hause des Glückes mehr begünstiget wird als alle Könige des ganzen Erdbodens. Kraft von äußerster Stärke, Wachstum des gesalzenen Meeres, dahinein alle andere kleine Bäche fließen. Schild, voll von schönen Bildsprüchen, Besitzer des allergrößten Staats,[207] in dessen Thron seine Füße ruhen, mit einer höchstverwunderlichen Majestät.

Ich armes Weib, Nhay Nivolan, Regentin und Vormünderin meines unmündigen Sohnes, werfe mich vor Euch mit tränenden Augen nieder und mit solcher Ehrerbietung, die man Euch zu geben schuldig ist; demütigst bittende, Ihr wollet doch wider meine Schwachheit den Säbel nicht in die Hand nehmen, zumal Ihr wisset, daß ich nur ein Weib, das außer den Tränen keine andere Waffen hat, womit ich das zugefügte Leid Gott klagen könne, dessen göttlicher Natur es gemäß ist, daß er durch seine Barmherzigkeit den Menschen zu Hülfe komme: vor dem sich auch die, welche in dem tiefen Hause des Rauches wohnen, fürchten, und vor einem so mächtigen Herrn erzittern müssen. Ich bitte, und beschwere Euch, daß Ihr mir das meinige nicht nehmet, in Betrachtung, daß solches, wie Ihr wisset, ein so geringes ist, daß Ihr durch dessen Besitz nicht größer, noch durch die Entbehrung geringer werden könnet. Gleichwie im Gegenteil, daferne Ihr Euch gegen mich barmherzig erzeiget, eine solche gnädige Handlung Euch ein so großes Ansehen bringen könne, daß allerdings die kleinen Säuglinge von den weißen Brüsten ihrer Mutter ablassen, und Euch mit den reinen Lippen ihrer Unschuld loben werden. Zudem werden alle Einwohner meines Landes als auch die Fremden an diese mir erwiesene Gnade gedenken, ich selbst will es auf alle Begräbnisse der Toten stechen und graben lassen, auf daß nicht allein die Lebendigen, sondern auch die Toten Euch danken mögen wegen einer Sache, die ich so inständig und in tiefster Demut von Euch bitte. Der heilige Avemlachim, der Euch dieses Schreiben überliefert, so ich selber geschrieben, hat vollkommene Gewalt, im Namen meines unmündigen Sohnes mit Euch zu handeln, und alles, was billig sein wird, zu schließen: auch sogar wegen des Tributs und Huldigung, welchen Ihr uns aufzulegen belieben werdet, und das mit solcher Bedingung, daß Euch hingegen möge gefallen, uns in dem Besitz unseres Hauses zu lassen, damit wir in versicherter Wahrheit unsere Kinder auferziehen, und die Frucht von unserer Arbeit zur Nahrung und Unterhalt der armen Untertanen dieses elenden Fleckens, welche Euch dienen werden, einsammlen, und ich samt ihnen in demütigster Ehrerbietung in allen Euch beliebenden Sachen uns gebrauchen lassen mögen.

Nhay Nivolan.[208]


Diese bewegliche Zeilen las der Tyranne zwar, nahm die Geschenke an, und bewilligte einen Stillstand, bis alles geschlossen wäre: Dessen ungeachtet aber ließ er doch rings umher alles verwüsten, und die Inwohner niederhauen. Daher der alte Priester seine Falschheit leicht merken kunnte, und deswegen um Erlaubnis anhielte, wieder in die Stadt zu kehren, welches ihm, nachdem er sich fünf Tage im Lager aufgehalten, vergönnet ward, mit der Anforderung an die Königin, daß sie ihm ihre Schätze, Untertanen und Königreich abtreten, hingegen dieser Verlust durch ein ander Mittel ersetzet werden sollte. Welches aber der Königin nicht anständig sein mochte, indem sie lange verzog, sich hierauf zu erklären, sondern vielmehr alle Anstalt zu möglichster Gegenwehr machte. Wie der Tyranne dieses sahe, daß er vergeblich auf eine Antwort wartete, stärkete er sein Lager, ließ eine große Anzahl Sturmleitern verfertigen, und seinen Soldaten andeuten, daß sie sich inner drei Tagen zum Sturme fertighalten sollten. Wie nun alles in Bereitschaft war, wurden die Mauren mit solchem abscheulichen Geschrei bestürmet, daß es schiene, als wenn Himmel und Erde ineinandergemenget wäre: ja der Streit war so grausam, daß in kurzer Zeit die Luft voll heller Flammen, der Erdboden aber von dem Blut der Erschlagenen ganz durchweichet war, wobei der Blitz der Schwerter und Spieße stets die Augen blendete, welches dermaßen grausam anzusehen war, daß ich vermeinte, in Ohnmacht zu sinken. Mein Gebet war inzwischen stets zu den Göttern gerichtet, daß sie der bedrängten Stadt beistehen, und sie aus der Hand dieses Tyrannen erretten möchten, welches auch vor dieses Mal gnädigst erhöret wurde. Denn als dieser Sturm sechs Stunden lang gewähret hatte, und der Bluthund vernahm, daß sich die Festung so tapfer wehrte, hingegen die Seinigen ganz abgemattet wurden, so ließ er die Stürmenden durch hundertundzwanzigtausend Mann der besten Leute ablösen, welche den Sturm erneuern mußten. Dieser andere Anfall währete bis in die Nacht, ehe zum Abzuge geblasen wurde, ungeachtet vielen Einratens. Er wütete, ja rasete fast vor Verdruß, daß ihm sein Vorhaben sollte rückgängig gemacht werden. Denn er hatte geschworen, er wollte entweder diese Nacht innerhalb der Mauer schlafen, oder es sollten alle Hauptleute, welche nicht verwundet wären, ihre Köpfe springen lassen. Dessen aber ungeachtet, ob sich gleich der Sturm bis zwei Stunden nach Mitternacht,[209] gleich als der Mond diesem Blutwesen sein Licht entziehen wollte, verzog, so mußte doch der fruchtlose Streit geendiget, und das Zeichen zum Abzuge gegeben werden. Dieser Sturm hatte vierundzwanzigtausend Mann unserseits gefressen, und befunden sich noch über diese dreißigtausend hart verwundet, deren wegen übler Wartung noch viel draufgingen. Solches verursachte eine starke Pest in unserm Lager, daß über achtzigtausend Mann hinfielen, welche alle denen Vögeln zur Speise hingeworfen worden. Wie nun der Tyrann betrachtete, daß ihn dieser Sturm so teuer angekommen, wollte er seine Leute solchergestalt nicht mehr wagen, sondern ließ eine hohe Batterie aufwerfen, die zwei Klaftern höher als die Stadtmauer war. Auf diese ließ er achtzig Kanonen führen, mit welchen er innerhalb neun Tagen den mehrern Teil der Stadt zugrunde schoß, und der Überläufer Bericht nach vierzehntausend Mann in der Stadt umbrachte. Dieses mochte wohl der armen Königin allen Mut vollend benehmen, insonderheit weil wir Kundschaft hatten, daß nur noch sechstausend gesunder Leute zu ihren Diensten stünden. Darum hatte sie ihren Rat versammlet, in welchem sie beschlossen, sich mit dem Öle aus der Lampen des Gottes der Feldschlachten, Qviay Nirandel zu salben, sich demselben zu befehlen, und die schädliche Batterie anzugreifen, mit dem festen Vorsatz, entweder zu siegen oder zu sterben. Zum Obersten hatte sie ihren Vetter den Manica Votau erwählet. Diesen Ratschlag empfunden wir in der Tat mehr als zu heftig: Denn als wir auf vorige Nachricht uns der Sicherheit allzusehr anvertrauten, ja, der Name des Feindes jedweden verächtlich fiel, und dannenhero nicht allein die Wachten übel bestellet, sondern auch fast alle in der Ruhe begraben waren: so fiel erwähnter Manica mit den sechstausend Mann, bei finsterer Nacht durch zwei Pforten auf erwähnte Batterie aus. Was nun hier vor eine Verwirrung war, das ist unmöglich zu sagen. Es wurde zwar alsobald Lärmen im ganzen Lager, und die verwirreten Haufen nach Möglichkeit in der Finsternis zusammengezogen: Allein weil sich der Feind in zwei Teile geteilet, und gleich auf das königliche Gezelt zueilete, so war die Verwirrung desto größer, weil kein Hauptmann wußte, wo er seine Leute anführen, oder wem er widerstehen sollte. Der Chaumigrem selbst war in bloßen Schlafkleidern zu Pferde kommen, und schrie auf seine Leute, sich wohl zu verhalten, da man doch weder Feind noch Freund kannte. Niemand sahe seinen[210] Feind eher, bis er ihn fühlte, und tot vor ihm niedersank. Mit einem Wort, dieser nächtliche Einfall war so erschrecklich, daß er an Grausamkeit vorigen Sturm zu übertreffen schien. Die Erde erbebete unter meinen Füßen wegen des heftigen Getümmels so vieler tausend Mann und Pferde: Das Geschrei schallte bis in die finstern Wolken hinein, und das Winseln und Wehklagen der Sterbenden, welche so unvermutlich fallen mußten, durchdrang dem, der es anhörte, Seel und Mark. Solches Entsetzen wurde nicht wenig vermehret, als das Elefantenlager in Brand geriet, wodurch nicht allein die Elefanten das Feuer scheuten und ausrissen, sondern auch die Unordnung um ein großes vermehrten, indem sie mit erschrecklichem Gebrülle herumraseten, und alles, was ihnen vorkam, mit ihren Rüsseln und Füßen zermalmeten und zertraten. Hier mußten wir nun einen neuen Krieg mit den Elefanten anheben, und sie fällen, wie man kunnte. Dieser Brand aber öffnete uns allererst die Augen, indem wir den Feind schon auf der großen Batterie fleißig arbeiten sahen, welcher nicht allein die Stücken schon alle vernagelt hatte, sondern auch bereits selbe zu schleifen begunnte. Worauf sich alles zusammenzog, um den rasenden Feind abzutreiben: Allein sie stritten gesamter Hand so tapfer, ja ganz verzweifelt, daß sie die Ankommenden der Unsrigen alsobald in die Flucht schlugen, und so lange die andern aufhielten, bis die Batterie in Grund niedergerissen, und alle Stücke verderbet waren. Nach welcher Heldentat sie sich fechtende zurücke und wieder in die Stadt begaben, da sie doch nicht mehr als siebenhundert Mann verloren hatten. Hingegen war unser Tyranne selbst mit einer Lanze in die Schulter verwundet, der oberste Feldherr Xoram war geblieben und mit funfzehentausend Mann. Ja was noch mehr, sie hatten achthundert Bramaner und vierzig Elefanten gefangen mit in die Stadt genommen. Dieser Verlust schmerzte den Chaumigrem dermaßen, daß er solchen kurzum den Hauptleuten beimessen wollte, und alle diejenigen, welche damals die Wache gehabt hatten, in zweitausend Mann, niederhauen ließ. Auf dieses Nacht-Stücke hielten sich die Belägerten zehen ganzer Tage stille, und ließen uns Zeit, wohl zu bedenken, was vor eine gefährliche Sache es um die Sicherheit im Kriege sei, wie man seinen Feind nicht verachten solle, und wie alle Macht und Gewalt seine umschränkte Maße habe. Denn alle Verachtung bringt Sicherheit, Sicherheit Gefahr, und diese den Tod. Ja die Verachtung[211] des Feindes ist eine Vorläuferin der Niederlage, welches wir vor diesmal mit unserm Blute bezeugen kunnten. Wo aber Gefahr von außen und Verräterei von innen blitzet, da muß auch die stärkeste Festung ihre Tore eröffnen. Dieses empfand auch die tapfere Stadt Prom. Denn es wurde die Festung sowohl zu Krieges- als Friedenszeiten von vier Hauptleuten regieret, deren einer ließ sich entweder die Furcht oder sein schelmisches Herz bereden, daß er sich mit unserm Tyrannen in heimliche Handlung einließ, und versprach, die Stadt zu überliefern, wo er in seinem Amte friedlich gelassen, niemand von den seinigen beschädiget, und über das zu einem Statthalter von Anseda, im Königreich Pegu gelegen, gemacht würde. Welches ihm alles versprochen ward. Hingegen machte dieser Bösewicht seine Verräterei werkstellig, und eröffnete drei Stunden nach Mitternacht die Pforten. Worauf der Tyranne solche Grausamkeit erwies, wie er in dergleichen Fällen zu tun gewohnet war. Die Stadt wurde geschleifet, die Inwohner ausgerottet, und niemand verschonet. Die Königin mit ihrem minderjährigen Prinzen wurde gefangen, ihre Schätze geraubet, die Kirchen und andere herrliche Häuser auf den Grund niedergerissen, und was einige Tyrannei bedeuten kunnte, wurde nicht unterlassen. Ja alles geschahe mit solcher Grausamkeit, daß es ihm kein Mensch einbilden kann, er habe es denn mit seinen Augen wie ich angesehen. Denn der Bluthund wollte wegen Verlust so vieler Völker fast vor Zorn zerbersten, und sich dannenhero durch Verübung solcher Greuel rächen. Nach diesem blutigen Untergang der Stadt zog er im Triumph durch die auf seinen Befehl eröffnete Mauer. Sobald er in des jungen Königs Hof kam, ließ er sich als einen König von Prom krönen, und den jungen Prinzen, welchen er des Reiches beraubet, so lange die Krönung währete, auf den Knien liegen. Dieser betrübte Prinz hub seine Hände empor, als wollte er einen Gott anbeten, schlug auch oftmalen sein Haupt zur Erden, und küssete dem Tyrannen die Füße, welcher ihn doch jederzeit verächtlich zurücke stieß. Hernach stieg er auf eine Schaubühne, von welcher man einen großen Markt übersehen konnte, und befahl, daß man alle kleine Kinder, so auf den Gassen hin und wider in ihrem Blute lagen, zusammentragen, auf Stücken zerhauen, solches zarte Fleisch mit Reis und Gras vermengen, und seinen Elefanten zur Speise vorwerfen sollte. Ingleichen brachte man darnach auf den Schall der[212] Trommeln und Trompeten mehr als hundert Pferde, die alle mit gevierteilten Männern und Weibern beladen waren, diese ließ er ebenmäßig kleinhacken, und in ein dazu gemachtes Feuer werfen. So höre demnach auf, du Mordkind der Höllen, und laß ab, die Schandhände ferner im Blute zu waschen! Doch nein! je mehr eine Bestie Menschenblut genossen, je begieriger wird sie, dessen noch mehr zu verschlingen! Dieses verdammte Mordaas ließ auch die Königin herbeibringen, welches eine Dame von sechsunddreißig Jahren, weißer und schöner Gestalt war, welche, wie ich mich berichten lassen, des Tyrannen Bruder Xeminbrun, als er nur noch Statthalter gewesen, von ihrem Herrn Vater, dem Könige von Ava, gleichwie Chaumigrem die holdselige Higvanama, zur Ehe begehren dürfen: Wie aber dazumal der König von Ava bei besserer Vernunft gegen seine Kinder gewesen, also hat er sie ihm auch abgeschlagen. Solche verjährte Schmach nun seines Bruders, als auch seine eigene Korbschande an der Prinzessin Higvanama zu rächen, ließ er, daß ich diesen Jammer mit flüchtigen Worten beschreibe, dieses schöne Bild ausziehen, durch die ganze Stadt führen, bis aufs Blut geißeln, und endlich durch allerhand Marter erbärmlich hinrichten; was aber noch unerhörter war, so ließ er den jungen Prinzen lebendig an den entseelten Körper seiner Frau Mutter binden, mit Steinen beschweren, und also ins Wasser werfen. Den folgenden Tag beschloß er dieses Mordspiel durch Hinrichtung dreihundert Edelleute, welche er an Pfäle binden, und gleichfalls in den Strom werfen ließ. Dem Verräter hielt er zwar sein Wort, und bestätigte ihn in der verlangten Statthalterschaft, nahm ihn auch bei dem Aufbruch nach Pegu mit sich; als wir aber unterwegens in der Festung Meleytay angelanget, ließ er ihm den verräterischen Kopf vor die Füße legen, welches wohl die einige lobwürdige Verrichtung seines ganzen Lebens war; oder es lehrte ihm vielmehr die bekannte Regel: Die Verräterei solle man lieben, und den Verräter hassen, hierinnen, wie man solche Vögel belohnen müsse. Nach diesem zog er in großem Triumphe wieder zurücke und in Pegu ein, welchen zu beschreiben ich vor unnötig achte; ich aber erhielt endlich Erlaubnis, mich, nachdem meine Augen vor so vielen Blutvergießen fast brechen wollten, hieher auf diese Landwohnung zu begeben, und solche blutige Begebenheiten bis ins Grab zu beweinen. Indessen habe ich die empfundene Wehmut fast niemals sonderlich erwähnet,[213] angesehen keine Zunge noch Feder fähig ist, solchen Jammer, welchen ich innerlich erdulden müssen, auch nur im geringsten auszudrücken. Sollte ich nun hierbei etwas vergessen, oder mein Herr Abaxar wegen der Prinzessin etwas Ersprießliches zu erinnern haben; so werde ich mich nicht allein gerne weisen lassen, sondern auch mit innigstem Seelenverlangen einige erwünschte Nachricht von unserer englischen Prinzessin anhören.


Solches nun zu beantworten, nahm Abaxar folgendergestalt auf sich: »Mein Herr Talemon! ich nebst diesen werten Fremdlingen erkennen uns verpflichtet vor die sonderbare Mühwaltung, die Er in trauriger Erzählung dieser blutigen Begebenheiten angewendet, indessen erkenne ich die sonder- und wunderbaren Gerichte der strengen Gottheit sattsam in Untergang des Königreichs Prom. Ich beseufze der Königin Tod, und beweine des Prinzen Fall: Die Götter werden es künftig zu schicken wissen, daß dieses uralte Stammreich wieder durch einen rechtmäßigen Thronbesitzer dermaleinst beherrschet werde. Was aber die Prinzessin von Pegu anbelanget, welche ich freilich zu erwürgen grausamen Befehl empfing, so will ich aus heimlicher Hochachtung des werten Prinzen von Ava diese erfreuliche Nachricht erteilen, in zuversichtlicher Hoffnung, es werde dieses mein Vorbringen in Dero Herzen begraben sein, vielweniger deswegen durch sie mir eine tödliche Ungelegenheit zugezogen werden. Sobald, sage ich, als ich den Befehl vernommen, wie bereits Talemon erzählet, verfügte ich mich sofort mit entblößtem Säbel, durch einen blutigen Streich die holde Seele von der mir annoch unbekannten schönen Wohnung zu trennen. Aber, ach Himmel! indem ich meine Faust zum Schlage aufhub, sahe mich dieses englische Bild mit einem so anmutigen und beweglichen Blicke an, daß ich, gleichsam vom Blitze gerührt, erstarret, und mit aufgehobener Hand vor ihr stehen blieb. Ihre durchdringende Schönheit und die benetzten Rosenwangen verwundeten mich weit mehr, als ich ihr zu tun gedachte: und ich ließ mich alsobald durch meine Gedanken überreden, auch durch meinen Tod ihr Leben zu erhalten. Was sollte ich hierbei tun?« Kaum kunnte Abaxar diese Worte endigen, so erhub sich in dem Schlosse ein ungemeines Getümmel, welches unsere redende Gesellschaft nicht wenig erschreckte. Dannenhero Scandor sich sofort aus dem Zimmer begab, dessen Ursache[214] zu erforschen. Worauf er alsobald mit der leidigen Nachricht zurücke kam: Es sei das ganze Schloß mit Soldaten umsetzet, ohne daß man wüßte, was ihr Begehren wäre. Der Prinz, nicht anders meinende, denn es sei auf ihn gemünzt, und dem Chaumigrem verraten worden, sprang aus dem Bette, warf seinen Japanischen Rock um sich, und gürtete seinen Säbel mit diesen Worten um sich: »So soll der Bluthund nimmermehr die Seele des lebendigen Prinzen von Ava in seine Gewalt bekommen, und dieser Säbel soll mir einen blutigen Tod von meinen Feinden erzwingen.« Welche unbedachte Worte dem Abaxar die Augen eröffneten, daß er den Prinzen sehen und erkennen kunnte, dannenhero er ihn also anredete: »Durchlauchtigster Prinz, ich bitte mit kurzem um Vergebung wegen unterlassener Ehrerbietigkeit gegen Dero hohe Person, worinnen mich meine Unwissenheit entschuldigen wird. Inzwischen schwere ich bei allen Göttern, daß ich mich eher in Stücken zerreißen als ein Haar von Dero Haupte krümmen lassen will. Was nun Ihre Foderung sei, will ich persönlich vernehmen.« Nach welchen Worten er das Zimmer verließ, und sich herunter zu den Soldaten verfügte. Sobald er sich aber denselben genähert hatte, trat ein Hauptmann hinzu, und foderte den Säbel von ihm im Namen des Kaisers, bei dessen Überlieferung der unglückselige Abaxar in Ketten und Fesseln geschlossen, und also nach Pegu geführt ward. Weil nun Talemon von erwähntem Hauptmann versichert wurde, er hätte keinen ferneren Befehl, etwas von ihm zu fodern, als legte sich zwar das Schrecken bei allen, das Mitleiden aber mit dem Abaxar wurde sowohl bei dem Prinzen als sämtlichen heftig hiedurch erwecket: Noch mehr wurde in dem Prinzen ein großes Verlangen, die Ursache erwähnter Gefangenschaft zu wissen, entzündet: Und wie er sich durch letztere unausgeführte Erzählung des Abaxars nicht wenig getröstet befand; also bildete er sich nunmehr feste ein, seine geliebte Prinzessin sei noch im Leben.

Warum aber Abaxar so unvermutet die Fessel küssen müssen, solches soll hernach weitläuftig entdecket werden: inzwischen wenden wir uns zu der verliebten Lorangy und dem geängsteten Prinzen. Die Sonne begunnte bereits ein Teil ihrer Strahlen in die See zu verbergen, als die Glut der Lorangy erst rechte Flammen fing, welche durch Herannäherung der Zeit, in welcher sie den erwünschten Ausgang ihrer Liebe verhoffte, ungemein vermehret wurden. Die alte Hassana[215] hatte bereits zwei Pfaffen in ihrer Kammer verborgen, und Lorangy kunnte kaum die Stunde erwarten, in welcher sie den Fuß in das Lager ihres geliebten Fremdlings setzen sollte. Jedwede Minute dauchte ihr ein Monat zu sein, und alle Augenblick sah sie durchs Fenster, wenn die Nacht, als eine Schutzgöttin der Verliebten, anbrechen würde. Der Prinz quälte sich indessen mit Furcht und Hoffnung aufs äußerste, mit Furcht, wie sein Anschlag mit Lorangy ablaufen, mit Hoffnung, daß des Abaxars Gefängnis etwas Gutes bedeuten würde. Wegen dieses wußte ihm Talemon sattsamen Trost einzusprechen, wegen jenes aber war Scandor so beherzt, daß er dem Prinzen auf hundert Arten einen Mut machte, und ihn versicherte, es sollte nach eigenem Verlangen ablaufen. Indessen daß sich der Prinz mit Talemon unterredete, verfügte sich Scandor nach dem Frauenzimmer, zu sehen, ob er von ihren fernern Anschlägen nichts erfahren könnte. Hier war nun Scandor ein höchst angenehmer Gast, Lorangy wußte ihn seines Herrn wegen dergestalt zu liebkosen, daß er sich im Ernst bestrickt fand, und sich heimlich vor glückselig achtete, wenn er ein Besitzer dieser Freundlichkeit sein könnte. Endlich war nun das bisher verhaßte Tageslicht gänzlich verschwunden, und die Finsternis versprach gnugsame Sicherheit zu ihrem Anschlage. Weil nun die listige Hassana besorgete, Scandor dürfte, weil er nächst an des Prinzen Zimmer lag, allzu sachte schlafen, und dahero einige Verhinderung verursachen, so mußte Lorangy den besten und stärksten Wein in geheim hervorlangen, und solchen dem Scandor vorsetzen, in Meinung, er würde durch dessen häufige Genießung in desto stärkern Schlaf versenket werden. Da sich denn Lorangy erkühnte, seines Herrn Gesundheit ihm fleißig zuzutrinken, und ob sie sich zwar allezeit die Hälfte verschonte, so schien es doch, als ob sie sich vorgenommen, den Wein um guten Mut zu bevorstehendem Werke anzusprechen. Wie nun der Wein ein sonderbarer Liebesbalsam ist, also verspürte man hier auch nicht wenig dessen starke Würkung; indem Scandor sich dermaßen entzündet befand, daß er fast die Trunkenheit seine Zunge übermeistern lassen, bis er endlich an den Prinzen gedachte, und sich nach dessen Zimmer verfügte. Dieser erschrak nicht wenig, als er den Scandor daumeln sahe, und sich daher einen üblen Ausgang wahrsagte: als er aber vernommen, wer ihn so fleißig zum Trunke ermahnet hätte, merkte er bald ihre Arglistigkeit. Unterdessen[216] hielt er den trunkenen Scandor noch eine ganze Stunde auf, in Meinung, ihn durch die Zeit ein wenig den Rausch zu vermindern, welches auch nicht vergebens war, und kam Scandor ziemlich wieder zu sich selbsten; worauf ihn der Prinz mit bekümmerten Herzen verließ, und ihn beweglich ermahnete, bei Vermeidung ewiger Ungnade, die Sache nicht zu verderben, noch durch Unvorsichtigkeit einen übeln Ausgang zu verursachen. Welches Scandor feste angelobete, und sich sehr vergnügt stellete. Die lauschende Lorangy hatte den Prinzen kaum des Scandors Gemach betreten hören, und das ausgelöschte Licht in dem Zimmer bemerket, so lief sie mit vollen Freudensprüngen nach der Frau Kuppelmutter, welche sie entkleidete, und wie eine Braut, welche ihrem Bräutigam zu erster Entblümung soll zugeführet werden, ganz weiß anzog. Inmittelst schickte sich der nunmehr recht verliebte Scandor voller süßen Hoffnung und angenehmer Gedanken, auch zur Ruhe, machte sein Lager zurechte, und weil er solches zum Häupten etwas niedrig befand, legte er des Prinzen Japanischen Rock unter den Kopf, leschte die Lampe aus, und legte sich in der Götter Namen nieder, denen er, jedoch mit schwacher Stimme, folgendes Nachtliedgen opferte:


1.

Hier kömmt Scandor, der Götter Affenspiel,

Und leget sich nieder;

Der jenen Tag ins tiefe Wasser fiel,

Der singet itzt Lieder,

Und preiset der Götter verborgene Macht,

Daß sie ihn an den weichen Ort gebracht.


2.

Hier liegt Scandor, doch nicht mehr in der Flut,

Und träget Verlangen,

Daß jenes Kind, zu stillen seine Glut,

Bald komme gegangen.

Es zappelt das Herze des Leibes an mir,

Und wünschet stets: ach wär ich bald bei dir.


3.

Hier ruht Scandor, und weiß von keiner Ruh,

Ihn quälet das Plätzgen.

Sobald er drückt die matten Augen zu,[217]

So küßt er sein Schätzgen.

Wenn aber das Schlafen die Augen verläßt,

So find ich nichts, als nur ein leeres Nest.


4.

Hier weint Scandor um seine Jungferschaft

Mit lachendem Munde.

Er opfert dir der Jugend erste Kraft

Nach heiligem Bunde,

Er sorget und zweifelt, und wünschet dabei:

Daß, gleich wie er, Lorangy Jungfer sei.


5.

Hier singt Scandor und ruft die Götter an,

Doch seiner zu schonen,

Daß er der Last nicht werde zugetan,

Unsichtbarer Kronen.

Er hat ja das Naschen sein Tage verhöhnt,

Darum so bleibt er billig ungekrönt.


6.

Doch fleht Scandor: wo ich ja sonder Schuld

Den Orden soll mehren,

So gebt mir doch, ihr Götter, nur Geduld,

Auch andern zu lehren:

Daß jetzo die Hülfe der ehlichen Müh

Genennet wird: Es sei Galanterie.


7.

Nun ruft Scandor: Lorangy komm, mein Schatz,

Und laß dich betrügen.

Ich mache dir im Herz und Lager Platz,

Mich an dich zu schmiegen.

So wird man, wirst du mich nicht heinte verschmähn,

In Jahresfrist drei junge Narren sehen.


Worüber endlich Scandor mit einem tiefen Seufzer einschlief. Der Prinz hörte dieses mit inniglichen Lachen, und wartete mit Verlangen, wenn Lorangy kommen, und wie sie ihre Sachen angreifen würde, da er unterdessen keinen Schlaf in seine Augen kommen ließ. Diese kam erst nach Verfließung einer Stunde in ihrem weißen Nachthabit, eröffnete die Tür in aller Stille, und stellete sich zu den Füßen des schlafenden Scandors, welcher seine sanfte Ruhe durch ein heftiges[218] Schnarchen zu verstehen gab. Wie nun eine heftige Liebe von steter Ungeduld begleitet wird, also begehrte sie nicht sein Aufwachen zu erwarten, sondern fühlte mit der Hand nach dessen Kopfe, um ihn durch einen Kuß zu ermuntern. Als er aber durch solches Berühren erwachte, und der Wein den Wirbel noch nicht allerdings verlassen hatte, kunnte er sich in der Eil nicht entsinnen, wo er wäre, oder wo er läge? Und als er die weiße Gestalt der Lorangy vor sich sahe, auch zugleich die Hälfte der Spangen von dem zum Haupte gelegten Japanischen Rocke sich in seinen Haaren dermaßen feste verwickelt hatten, daß, wenn er sich aufrichten wollte, ihn die Schwere des Rockes wieder niederzog; so meinte er nicht anders, er sei mit Gespenstern umgeben, und der Teufel habe ihn schon beim Kopfe. In welcher Meinung er sich nicht wenig bestärket fand, als er besanne, wie er sich nicht so gar auf guten Wegen befände. Dahero er durch ein starkes Schreien sein Schrecken dermaßen bezeugte, daß ihn die ebenfalls erschrockene Lorangy kaum befriedigen kunnte. In was vor Angst nun der Prinz hierdurch gesetzet ward, ist unschwer zu vermuten: Angesehen der unbesonnene Scandor gar leicht das ganze Wesen verderben, und sich selbst bei der Lorangy hätte verraten können. Die verwirrete Lorangy aber fiel ihm endlich um den Hals, hielt ihm den schreienden Mund mit beiden Händen zu, und verhinderte hiedurch selbst die benötigte Erkenntlichkeit, bis endlich Scandor wieder zu sich selbsten kam, und über sein Erschrecken erschrak, auch sich sofort faßte, und seine geliebte Lorangy in aller Stille umarmete. Diese ersuchte ihn bald anfangs wegen vorgeschützter Nachtkälte um einen kleinen Raum in dessen Lager, welches Scandor abermals in möglichster Stille zuließ, auch, so er gleich zu reden gezwungen ward, solches ganz sachte verrichtete, daß unmöglich ein Unterscheid der Stimme kunnte bemerket werden. Mit einem Worte, Scandor bemühete sich äußerst, den vorigen Fehler einzubringen, indem er auch nicht unterließ, die Haare, welche ziemlich von dem Prinzen unterschieden waren, unter eine Schlafmütze zu zwingen, und also durch Hülfe der Dunkelheit sich in allem dem Prinzen gleichförmig zu machen. Kaum hatte er dieses verrichtet, und sich wiederum nach Bequemlichkeit gelagert, so eröffnete sich die Türe, durch welche die alte Hassana zuerst mit einer blinden Leuchte hineintrat, hinter ihr folgeten zwei Pfaffen, und nach diesen schlossen zwei gewaffnete Kerlen mit bloßen Schwertern[219] in der Hand den Reihen, welche die Türe hinter sich zumachten. Scandor sahe dieses alles mit zitterndem Herzen an, und wünschete sich weit darvon, denn er vermeinte, wo er sich den Priestern zeigen sollte, so würde es sonder Zweifel über die unrechte Person ausgehen. Lorangy aber, als sie dessen Furcht merkete, tröstete ihn auf das anmutigste, mit angehängter Nachricht, daß, wo er nur in der Frau Mutter Begehren und in ihre Liebe willigen würde, er außer aller Gefahr sei. Der besorgte Scandor steckte den Kopf unter die Oberdecke, und versicherte mit leiser Stimme die Lorangy, er sehe wohl den Ausgang der Sachen, und wäre er zu allem erbötig und bereit, er böte um der Götter willen, ihm nicht mit der Leuchte zu nahen, noch ihn zu einiger sichtlichen Vorstellung zu veranlassen, indem er sonst vor Scham sterben müßte, ja er würde das Gewähren dieser ersten Bitte vor ein unfehlbares Zeichen ihrer Liebe erkennen. Als nun die Lorangy sahe, daß er befürchtetermaßen sich ihrer Liebe nicht heftiger widersetzte, so war sie hierüber ungemein vergnügt, versprach ihm solches mit einem Kuß, und erwartete der Frau Mutter Annäherung mit Verlangen, welche sich mit der Leuchte vor das Bette begab, und solche eröffnet hätte, wenn nicht die Lorangy durch stetes Bedeuten gewinket hätte, daß die Sache nach Wunsch liefe, und man bei dieser dunkeln Zusammenkunft keines Lichtes benötiget wäre. Hassana setzte zwar endlich die Leuchte beiseite, jedennoch trat sie mit einer angemaßten Ernsthaftigkeit und Unwissenheit vor das Bette zu ihren Füßen, und sagte: »Siehe da, du schönes Paar, lasset ihr euch hier als die Kinder der Finsternis betreten, und darf sich so ein Fremdling erkühnen, mein Haus zu entehren? Ist dieses der Dank vor bisher erwiesene Wohltat und Beherbergung? Und du lüsterne Seele, Lorangy, stehet das einem Fräulein wohl an, sich bei Nachtzeit zu fremden Mannsbildern zu legen, und dir und uns allen einen solchen Schandfleck in unser Geschlecht zu machen? Pfui! schämet euch beiderseits in eure Herzen! Ihr hättet verdienet, daß ich euch anjetzo erwürgen, und zu einem Schauspiel morgen zu dem Fenster heraushenken ließe, ja ich hätte Ursache, wunderlich mit euch zu verfahren, wenn ich den Eifer über die Vernunft herrschen ließe: In Betrachtung aber eurer zarten Jugend, welche sich die Wollust wie ein weiches Wachs leicht einprägen lässet, und der Leitung ihrer hitzigen Begierden blind hinfolget, wie auch der starken Liebe, welche jederzeit[220] eine Schwachheit des Gemütes und ein Fehler der Jugend gewesen ist; so trage ich vielmehr ein sonderbares Mitleiden mit euch, und bin anjetzo bemühet, nicht allein vor Schimpf und Schande euch zu bewahren, sondern auch den Anfang eurer Liebe durch priesterliche Hand zu vollziehen, und euch auf ewig zu verbinden. Werdet ihr solche meine mütterliche Vorsorge mit gebührendem Dank erkennen, euren Willen ohne einige Ausflucht dem meinigen gleichförmig machen, und augenblicks den Schandfleck eurer Ehre durch die geistliche Hand abwaschen lassen, so sollt ihr mehr als mütterliche Gnade genießen, und eurer Wohlfahrt kein Ende sehen. Sollte aber dieses sonnenhelle Verbrechen etwan mit einiger Beschönigung oder Ausflucht zu bemänteln gesuchet, oder auch meinem festen und wohlgemeinten Entschluß im geringsten widersprochen werden; so schwere ich bei allen Furien, diese Schande soll mit eurem Blute durch diese Schwerter getilget und gebüßet sein.« Auf welche Worte sich zu jedweder Seite des Bettes ein Pfaffe und einer mit einem bloßen Schwerte begab, die Hassana aber fuhr in ihrer Rede fort, und fragte gleichsam die Lorangy zuerst um ihre Bewilligung. »Lorangy«, sagte sie, »mein jederzeit lieb gewesenes und gehorsames Kind! Entdecke mir ungescheuet, ob du es gestehest, daß du dich die Liebe betören, und zu dieser nächtlichen und verdächtigen Zusammenkunft hast verleiten lassen: und ob du dich bei mir wieder auszusöhnen entschlossen seist, durch ein rechtmäßiges Eheverbündnis deine Ehre zu retten?« – »Ja, von Herzen«, antwortete Lorangy. Hierauf wendete sie sich zu dem Scandor, welcher sich verstelleterweise aus Furcht der bloßen Schwertern fast ganz unter die Oberdecke verborgen hatte, damit ja kein Zeichen eines Verdachts möchte erblicket werden, und redete ihn gleichfalls an: »Noch zur Zeit werter Fremdling! erkennet Ihr gleichfalls Euer Verbrechen und die gegen dieses Haus erwiesene Undankbarkeit. Wollet Ihr aber auch dieses Laster ersetzen, Euch der Ehre unserer berühmten Freundschaft teilhaftig, und dieses mein liebstes Kind durch priesterliche Hand verbündlich machen, so soll alles in Vergessen gestellet, und Eure Bewilligung durch ein deutliches Jawort von Euch erwartet sein.« Welches Scandor mit einem leisen Ja beantwortete, und zwar so leise, daß gleichsam Lorangy der Widerschall sein, es unter dem Bette hervorholen, und der Mutter völlig entdecken mußte. Auf diese gewünschte Erklärung hieß sie die Bewaffneten einen Abtritt nehmen, sie[221] aber setzte sich auf einen Stuhl, und weil sie sonder Zweifel zuvor auf glücklichen Fortgang dieser Heirat allzuviel Bescheid getan, so gab sie das übrige durch die Querpforte ihrer weiblichen Beredsamkeit in ziemlicher Menge wieder von sich, angesehen sie ohnedies eine ziemliche Liebhaberin übriges Trunkes war. Die Pfaffen, welche gleichfalls ihre nasse Freigebigkeit mochten genossen haben, daumelten hin und wider, also, daß Scandor von diesen wohl wäre unerkennet blieben, wenn er nicht ein scharfes Auge von der Lorangy befürchtet hätte. Weil aber auch diese vor Liebe blind zu sein schiene, so hatte er destoweniger Sorge wegen seiner Erkenntnis vonnöten. Inmittelst befahl die erleichterte Frau Mutter denen Pfaffen ihr Amt zu verrichten, und sich nichts verhindern zu lassen. Welches sie auch sofort bewerkstelligten, und mitten in dem Zimmer ein kleines Feuer zubereiteten, welches Homam genennet, und vom Holze des Baums Rawasitton angezündet wird. Dieses Feuer ist ein Zeuge der Ehe, über welches die Pfaffen einige Gebete sprachen. Hernach nahm jedweder Bramin oder Pfaffe drei Hände voll Reis, und gaben sie dem Scandor und der Lorangy, welche solchen einander auf ihre Häupter werfen mußten, welches denn dem Scandor trefflich ungelegen war, weil er sich vor dem Widerschein des angezündeten Feuers als vor einem Verräter fürchtete. Nach dieser Verrichtung mußten sie die Füße aus dem Bette strecken, und solche von dem Pfaffen waschen lassen, worzu Hassana, als der Braut Mutter, Wasser aufgoß. Hierauf nahm Hassana der Lorangy Hand, und legte sie dem Scandor in seine Hand mit diesen Worten: »Ich habe weiter nichts mehr mit dir zu tun, und übergebe sie Euch.« Worauf beide Hände von einem Pfaffen durch ein Schnürgen, woran ein güldenes Haupt eines Abgottes war, welches Tali genennet wird, zusammengebunden wurde. Dieses Tali oder Schnürgen nun machet, sobald der Knoten zu ist, das Band der Ehe feste, und außer diesem Tali ist die Ehe unkräftig. Als hierauf noch einiger Segen und Glückwunsch über beiderseits neue Eheleute gesprochen worden, leschten sie das Feuer wieder aus, und verließen diese beide in einsamer Finsternis, welche wir auch in ihrer Folgerung ein Weilgen nicht verstören wollen.

Hassana vermeinte nun durch ihre Klugheit den Kranz von allen listigen Weibern davonzutragen, und bildete sich ein, als ob sie einen großen Fisch gefangen hätte, begab sich[222] in solcher Einbildung zu Bette, und erwartete mit halbschlafenden Augen des anbrechenden Morgens. Der Prinz aber, welcher jedes Wort deutlich vernehmen können, dankete den Göttern innigst, daß sie diese Gefahr so gnädig abgewendet, und die listige Verstellung mit erwünschtem Fortgange beseliget hätten: bat auch zugleich um einen glücklichen Ausgang der Sache, und legte sich auf des Scandors Lager zur Ruhe. Kaum hatte die Morgenröte den Aufgang der Sonnen verkündiget, so verließ Hassana ihr Lager, weckte ihren Liebsten, wie auch die entschlafenen Pfaffen und andere, soviel ihrer in dem Schlosse waren, auf, und foderte sie in ein Zimmer zusammen, welche wegen großen Verlangens, ihr Vorhaben zu erfahren, willigst erschienen. Hier entdeckte sie nun dem Talemon und andern ihre nächtliche Verrichtung mit sonderbaren Worten: »Liebster Ehschatz«, sagte sie, »sämtliche Anwesende! Daß der beste Kern höchster Weisheit nicht allzeit bei klugen Männern, sondern vielmehr in dem Gehirne vernünftiger Weiber beruhe, solches muß ich, sonder Ruhm durch meine eigene Person beweisen. Ich entröte mich nicht zu sagen, daß, wo hundert Männer nicht zu raten vermögen, da sei eine einzige Frau klug genug, ihren Zweifel durch ersprießlichen Beirat und Anschlag sattsam aufzulösen. Diesemnach muß ich euch nur klagen, wie sich unsere Lorangy, welche sonst jederzeit ein Spiegel der Keuschheit und ein Ebenbild meiner Tugend gewesen, gleichwohl sich auf das Eis der Liebe gewaget, und darauf nicht wenig geglitten, nämlich sie hat sich die annehmliche Gestalt unsers fremden Gastes dermaßen gefallen lassen, daß sie sich nicht gescheuet, hinter mein Wissen und Willen ihre Liebe demselben bei nächtlicher Weile zu offenbaren, und ihn auf seinem Lager heunte zu besuchen. Daß nun diese Zusammenkunft ohne einigen Nachteil ihrer Ehren sollte abgelaufen sein, solches wird kein Verständiger, geschweige dieser, welcher die Macht der Liebe empfunden, davorhalten. Was war nun hierbei zu tun? Ein hitziger Mannskopf würde alsobald mit Eisen und Stahl solche heimliche Liebe bestraft haben, weil er in Eil kein ander Mittel, die Ehre seines Hauses zu retten, würde gewußt haben. Was tat aber die kluge Hassana? Sie nahm den von den Göttern verliehenen Verstand zusammen, schickte bald nach diesen zwei ehrwürdigen Braminen, und begab sich in aller Stille nebst gegenwärtigen zwei Hausknechten, welche mit bloßen Schwertern benötigte Furcht einjagen mußten,[223] nach dem Schlafzimmer. Hier fanden wir nun das liebe Paar in eingebildeter Vergnügung gar sanfte ruhen, und weil sie sich dermaßen betreten sahen, so fleheten sie mich um Gnade an, und übergaben alles meinem Willen. Wie nun dieser Ehrenverlust nicht anders denn durch eheliches Verbündnis kunnte ersetzet werden, als ließ ich sie sofort durch das heilige Tali binden, und sie alsdenn als rechte Ehleute das Recht der Liebe vollziehen. Daß auch diesem also sei, und es auf begebenden Fall an nötigen Zeugen dieser Heirat nicht ermangele, so werden nicht allein gegenwärtige Braminen und Hausknechte, als lebendige Zeugen sich jederzeit erkennen: sondern ihr werdet euch allerseits belieben lassen, mir zu folgen, und die Wahrheit meiner Worte aus dem Augenschein erkennen.« Talemon wußte nicht, ob er wachte oder schliefe, oder ob seine Frau gar mit einiger Zauberei umginge. »Wie?« sagte er bei sich selbst, »sollte sich der so tugendhafte Prinz so schändlich vergangen haben? oder ist er gar durch einige Gewalt beleidiget und gezwungen worden, welches mir doch seine bekannte Herzhaftigkeit und ungezwungene Großmut gewaltig widerspricht.« Solches nun desto gewisser in Erfahrung zu ziehen, so verfügte er sich mit seiner Frauen und sämtlichen Anwesenden nach des Prinzen Zimmer, in welches sie unverhindert hineintraten. Wie Scandor damals mochte zumute sein, als er sollte erkannt werden, solches ist nicht wohl fürzustellen, als wer etwan auf fast gleiche Art jemals ertappet worden. Weil aber die verhangenen Fenster den Einbruch des Morgenlichts noch ziemlich verhinderten, so wurde er nicht alsobald erkennet. »Guten Morgen«, hub die alte Hassana an, »was hat dem Herrn Sohne geträumet? vielleicht vom Kriege. Wie ist aber derselbe abgelaufen? und welchem Teile soll man den Sieg zuschreiben?« »Werteste Frau Mutter«, erkühnete sich endlich Scandor zu antworten, »ich bin überwunden, teils durch Vergnügung: teils durch allzugroße Gütigkeit derselben, daß sie mich eines so angenehmen Glückes haben wollen fähig, und mich hiervor ewig verpflichtet machen«. Weil nun ihr die Stimme etwas veränderlich vorkam, als befahl sie, die Fenster zu eröffnen, wodurch denn der neue Bräutigam von allen vor den Scandor erkennet und angesehen wurde. Hier lag nun der ehrliche Scandor und wendete sich mit verliebten Augen nach seiner vertrauten Lorangy, welche aber vor großem Erschrecken, sobald sie ihn recht angeschauet, in bloßem Hemde aus dem Bette[224] sprang, und sich hinter einige Tapeten versteckete. Hassana war dermaßen bestürzt, daß sie sich ohn einiges Wortsprechen auf den Stuhl, vor welchem noch ihre Gegenwart zu verspüren war, niedersetzte, und eine geraume Zeit mit starren Augen sitzen blieb. Talemon begab sich zu dem Scandor, und setzte ihn zur Rede, was ihn bewogen hätte, ein solches nachteiliges Gaukelspiel anzufangen? Dieser entdeckte ihm hierauf heimlich die ganze Sache, vom Anfange bis zum Ende, wodurch er ganz begütiget ward, und sich zu seiner Frauen mit diesen Worten wendete: »Ist dieses nun der treffliche Beweis weiblicher Klugheit? und sind dieses die Früchte deines überklugen Anschlages, daß du dich mit sehenden Augen verblenden lassen? Von dieser Weisheit halte ich nicht viel, besondern ich würde dich vor viel gescheiter achten, wenn du zu geschehenen Sachen das Beste reden, und dich klüglich begreifen würdest, daß nichts von den Göttern ohngefähr geschehe. Zudem ist auch dieser Mensch unserer Pflegetochter wohl würdig, als welcher ihr am Geschlechte und Stande nichts nachgibet, am Vermögen aber weit vorgehet. So fasse dich demnach, und gönne ihm sein Glücke, welches du ihm selbst zugeführet, und er mit Dank erkennet.« Inmittelst hatte sich Scandor unvermerket in des Prinzen Japanischen Rock geworfen, also, daß er bekleidet aufstehen kunnte, dannenhero er sich sofort nach der Hassana wendete, und vor ihr auf die Knie mit folgenden Worten fiel: »Werteste Frau Mutter! wo jemals ein gehorsamster Sohn von einer gütigen Mutter was erlangen können, so bitte ich inständigst, mir dasjenige, was mir die Götter nicht mißgönnen, zu erlauben, und versichert zu leben, daß ich lebenslang diejenige Hand, welche mir meine innigstgeliebte Lorangy zugeführet und übergeben, ehrerbietigst küssen werde.« – »Was zugeführet?« fuhr ihn Hassana an, »Ihr werdet mich vor eine Kupplerin ausschreien.« – »Nein, liebste Frau Mutter«, versetzte Scandor, »sondern die Götter haben sie mir durch ein gütiges Verhängnis zugeführet. Ich bitte aber nichts mehr, als Dero heintige Bekräftigung nicht allein gültig, sondern auch stetswährend und geneigt verbleiben zu lassen.« Womit er zugleich ihre Hand küssete, und, weil sie sahe, daß es nicht zu ändern stund, sich endlich durch solche Schmeicheleien bewegen ließ, daß sie aufstund, und sagte: »Der Götter Wille sei mein Wille; verhaltet Euch nur, wie sich's geziemet, so soll mir auch dieser Irrtum gefallen.« Nach welchen Worten sie[225] der Lorangy ihre Kleider hinter die Tapeten brachte: und als sie ingeheim mit ihr geredet, und verstanden, daß sie endlich wohl zufrieden wäre, weil sie es vor eine sonderliche Schickung des Himmels hielte, angesehen alle persönliche Liebe eine Einbildung wäre, derer Würkung doch auf eine Gleichheit hinausliefe: so brachte sie sie endlich hervor, führte sie mit häufiger Schamröte zu dem Scandor, und übergab sie ihm nochmals mit den freundlichsten Worten, welcher sie auch mit verpflichtesten Dank annahm. Als nun der Prinz mit erfreuetem Herzen den guten Ausgang mit anhörte, so wagte er sich endlich hervor, und setzte die Hassana und Lorangy fast in eine neue Bestürzung durch den Eintritt ins Zimmer, welche ihn anzureden nicht vermochten. Der Prinz aber kam ihnen zuvor, und sagte: »Werteste Freundinnen, Sie werden keinen Widerwillen wegen vorgegangenen Irrtums auf mich werfen, welchen ich, weil ich bereits verheiratet, mit gutem Vorbedacht also angestellet. Damit Sie aber ein Zeichen meiner sonderlichen Vergnügung über diese getroffene Heirat von mir sehen mögen, so werden sie dieses wenige mit erkenntlichem Herzen von mir annehmen, und sich dabei versichern, daß dieses Verbindnis gewiß zu allseitiger Vergnügung ausschlagen wird!« Womit er zugleich einen schönen Ring der Lorangy an den Finger steckte, der Hassanen aber ein zierliches Kleinod überreichete, worüber sie noch bestürzter wurden, und etwas Vornehmes aus dessen Person wegen sotaner Freigebigkeit schlossen, dahero sie beiderseits vor Scham kein Wort vorbringen kunnten, weil sie wohl wußten, daß der Prinz um ihren Anschlag vollkommene Wissenschaft hatte. Talemon vertrat hierauf ihre Stelle mit gebührendem Danke: Scandor aber führete seine neue Liebste voller Vergnügung aus dem Zimmer, und verließen den Prinzen.

Von dieser verwirreten Hochzeit wenden wir unsere Augen nach dem hart gefangenen Abaxar, welcher bei seiner Ankunft in Pegu in ein tiefes Gefängnis geleget ward. Dessen Ursach nun genauer zu erkundigen, sich Talemon nach Pegu verfügte, und daselbst umständlichen Bericht von seinem Sohne empfing; solches verhielt sich aber folgendergestalt: Wie Abaxar vorerzähltermaßen sich die Schönheit der Prinzessin dermaßen hatte bezaubern lassen, daß er nicht allein gleichsam vor ihr erstarret, sondern auch den Mordbefehl an ihr eigenhändig zu vollziehen nicht vermocht, so faßte er in[226] der Eil einen kurzen Entschluß, wendete vor, es sei allzu schändlich, eine kaiserliche Prinzessin vor den Augen der noch nicht gekühlten peguanischen Gemüter hinzurichten, und befahl, sie in sein nächstgelegenes Haus zu führen, und in dem innern Hofe den Befehl an ihr zu vollstrecken. Sobald sie dessen Haus betreten, ließ Abaxar eine Sklavin in ihrer Lebensgröße herzuführen, welche der Prinzessin Kleider anlegen, und den Kopf im Augenblick verlieren mußte: den Körper aber dieser unglückseligen Sklavin ließ er ohne Kopf auf offenen Markt hinwerfen, welchen jedermann vor die entseelte Prinzessin hielte: Die Prinzessin wurde immittelst in einem geheimen Zimmer verwahret, bis die Götter einige Sicherheit verleihen würden, sie an einen unbesorgten Ort zu führen. Erwähnte Sklavin aber hatte noch eine Schwester im Leben, welcher der Tod ihrer so nahen Freundin dermaßen zu Herzen ging, daß sie der Prinzessin daher entsprossene Lebensrettung wenig oder gar nichts beherzigte, ob sie gleich nicht allein von dem Abaxar freigesprochen, sondern auch ansehnlich deswegen beschenket worden. Weil nun unter des Tyrannen Frauenzimmer ein Fräulein von Anseda dem Abaxar mit ungemeiner Liebe zugetan war, und doch nicht das geringste Zeichen einiger Gegenliebe genießen kunnte, so war ohnedies ihre halbverzweifelte Liebe auf eine harte Rache bedacht gewesen. Hierzu bekam sie erwünschte Gelegenheit, als sie durch den verräterischen Mund der Sklavin das Leben und den Aufenthalt der Prinzessin Banise vernahm, und gab sie derselben einig und allein die Hinderung ihrer Liebe schuld: weswegen sie denn solches alsobald dem Rolim entdeckete, und dadurch sich sattsam zu rächen verhoffte. Dieses schlug ihr auch nicht fehl, indem es der Rolim auf eine sonderbare Art vorzubringen wußte, wodurch die Verräterin verborgen bliebe. Denn wie die größten Tyrannen jederzeit mit der größten Furcht umgeben sind, und sie auch ein rauschendes Blatt in den Argwohn einiger Drohung ziehen: also war auch Chaumigrem hierinnen nicht wenig sorgsam. Dannenhero suchte er sich nach so grausamen Mordtaten wiederum beliebt zu machen, bevoraus war er begierig, die Gemüter zu erforschen, und was vor Urteile insgemein über sein Beginnen gefället würden. Solches verhoffte er zum Teil aus dem Ponnedro, welchen er sich vermeinte verbündlich gemacht zu haben, zu erfahren, und ließ ihn eben an diesem Tage, an welchem Abaxar den Prinz Balacin besuchte, in den hohen[227] Rat, in welchem sich zugleich der Rolim, und der bramanische Feldherr Martong befand, erfodern, gegen welche Chaumigrem seine Tyrannei mit weitläuftigen prächtigen Worten zu beschönen, und die Ursache solcher blutigen Staatsbefestigung zu entdecken wußte. »Wir meinen«, hub er an, »daß, wo unsere Wohlfahrtslilien am besten blühen sollen, man notwendig die Felder mit des Feindes Blute düngen, und wo wir unser Reich befestigen wollen, man die Stufen zum Throne durch feindliche Leichen bauen müsse. Dieser vom Blut an noch rauchende Säbel«, womit er zugleich seine Hand an den Säbel legte, »gibet der tapfern Faust sattsames Zeugnis, wie erwünscht nunmehro das Verlangen eines thron- und kronbegierigen Herzens von ihr erfüllet sei. Brama nennet uns seinen Erbherrn, Pegu küsset uns als Überwinder, Siam und Ava erzittern vor diesem siegreichen Stahl, ja ganz Indien windet bereits Lorbeerkränze, uns als einen Beherrscher ganz Asiens fußfällig zu beehren, sobald nur unser mächtiger Fuß die Grenzen berühren wird. Solchen herrlichen Sieg nun hat unsere Tapferkeit, die Sicherheit aber und Erhaltung des eroberten Throns die höchstbenötigte Unbarmherzigkeit zuwege gebracht. Denn euch, o ihr Götter, danken wir billig, daß ihr unser Herze von Stahl und unsere Seele unempfindlich erschaffen habet. Gewiß, die Bestrafung des Reiches Martabane, die rechtmäßige Ausrottung des peguanischen Stammes und die letztere Rache an der Stadt Prom ist uns die schönste Augenlust und das Wehklagen der Alten ein erfreulicher Spott gewesen. Ja es kunnte uns auch sogar nicht die Schönheit so vieler Weiber und Jungfrauen, vielweniger das Winseln und Schreien der kleinen Kinder bewegen, daß wir uns vielmehr die Beschleunigung ihres Todes deswegen gereuen lassen, weil wir unsern Augen die Vergnügung an ihrer Qual allzu geschwinde entzogen hätten. Welches wahrlich eine recht königliche Großmut zu nennen ist. Diese Staatsregul hat uns der Himmel eingepflanzet, daß man eine Krone zu erwerben, oder einen Thron zu erhalten, seine Zähne in das väterliche Herze setzen, und auch der mütterlichen Brust nicht verschonen müsse. Ja, seine Hände in der Brüder Blut zu waschen, sei eine ersprießliche Notwendigkeit. Hier muß man die Barmherzigkeit bei den Tigern suchen, und die Gnade bei unsern Nachbarn, den Batacchi1,[228] entlehnen. Mord, Brand, Galgen, Spieß und Schwert sind die besten Thronstützen. Ein toter Hund und ein entseelter Feind haben gleiche Macht zu beleidigen. Jedoch, werte Getreuen! sollt ihr nicht wähnen, als ob dieser Ruhm rechtmäßiger Rache etwan aus einem allgemeinen Haß gegen dieses Reich Pegu seinen Ursprung nähme: Nein, keinesweges; sondern wir wissen uns gar wohl zu bescheiden, daß bei anfangender neuen Regierung eine durchgehende Gütigkeit erfordert werde, welches wir auch ziemlich vermeinen erwiesen zu haben, wenn wir viel eingeborne Peguaner, in Beförderungen hoher Ämter, andern vorgezogen, ja unter andern Euch, Ponnedro, unser liebstes Frauenzimmer anvertrauet haben. Lasset Euch dieses bewegen, die angehende Sonne anzubeten, und der untergangenen zu vergessen: so soll unser Gnadenstrahl das Reich Pegu in erwünschten Wohlstand und Frieden setzen. Inmittelst eröffnet uns doch freimütig Eure Meinung, ob wir das Schwert auf einige andere Art hätten führen können oder sollen? und ob uns nicht der Titul eines edlen und großmütigen Überwinders mit Recht gebühre?« Diese gefährliche Frage zu beantworten, sollte nun Ponnedro auf sich nehmen, welcher sich aber mit diesen kurzen Worten loszuwickeln vermeinte: »Unüberwindlichster Monarche! Geringe Sterne können nicht von der Sonnen ein Urteil fällen, und denen Menschen ist es nicht erlaubt, die Götter zu tadeln.« Allein er fand sich ziemlich betrogen, indem ihm Chaumigrem noch ferner mit diesen Worten zusetzte: »Durch bessere Entdeckung Eures Gemüts geschiehet unserm Befehl ein Genügen.« Ponnedro war zeit seines Lebens nicht in größern Ängsten gewesen, und weil er sich nicht hierauf unverfänglich zu antworten getraute, so versuchte er nochmal durch eine demütige Entschuldigung, sich zu entledigen, indem er sagte: »Die untertänigste Pflicht, welche mir verbeut, einige unzeitige Meinungen beizubringen, wird meinen Ungehorsam entschuldigen, und meine schuldigste Ehrerbietung leget mir den Finger auf den Mund.« Aber auch dieses wurde nicht angenommen, sondern vielmehr Chaumigrem zu diesen harten Worten veranlasset: »Ihr werdet durch Euer ferneres Verweigern unser gnädiges Begehren in einen zornigen Befehl[229] verwandeln. Denn wir begehren ausdrücklich von Euch zu vernehmen, was Ihr und das Reich Pegu von unserm Verfahren vor Gedanken und Meinungen schöpft. Wir versichern Euch, es soll alles in Gnaden aufgenommen werden.« Als nun Ponnedro solchen Ernst sahe, und wohl wußte, wie wenig mit dem Tyrannen zu scherzen wäre; so fassete er endlich einen Mut, und gab folgende Antwort: »Großmächtigster Kaiser und Herr! Der Götter Gerechtigkeit ist unerforschlich, und also bemühet man sich nur vergebens, dem Geheimnisse des wundervollen Schicksals nachzugrübeln: warum es dem großen Gott der tausend Götter gefallen hat, den so alten und mächtigen Kaiserstamm von Pegu in den Sand eines blutigen Vergessens zu verscharren, und die Stelle des verblaßten Sternes mit einem hellen und tapfern Jove zu ersetzen. Gleichsam des Reichs Gedanken zu eröffnen; so ist zwar solches wegen bekannter Unwissenheit ein unmögliches Wesen, indessen aber zwinget mich doch schuldigster Gehorsam, dies, was die aufrichtige Mutmaßung erlaubet, kürzlich anzudeuten. Wir Peguaner haben jederzeit das Gebot der Götter, welches uns anbefiehlet, die vorgesetzte Obrigkeit zu ehren und zu lieben, in hohen Ehren und genauer Beobachtung gehalten. Dahero wir denn auch der blutig untergegangenen Sonnen die nächste Ehre nach den Göttern gewidmet, und unser Gut und Blut vor Dero Wohlfahrt dargestrecket haben. Nachdem es aber den Göttern beliebet hat, diesen Staatshorizont durch ein ander hohes Licht zu erleuchten, so können wir nicht anders, wo wir wahre Nachbarn der Weisheit sein wollen, verfahren, als daß wir der genossenen Wärme im besten gedenken, und die aufgehende Strahlen anbeten, zuversichtlichster Hoffnung lebende, unsere hohe und neue Reichssonne werde uns dermaßen zu bestrahlen wissen, daß wir mehr Ursache, Dero erwärmende Sanftmut zu rühmen, als über allzu große Hitze zu klagen haben werden.« Welche wohlgesetzte Meinung dem Chaumigrem sehr wohlgefiel, und zwar dermaßen, daß er den Ponnedro auf die Achseln klopfte, und zu ihm sagte: »Wir lassen uns dieses gnädigst gefallen, und werden dieses Reich jederzeit mit reichlichen Gnadenstrahlen zu erhellen wissen, solange uns kein Nebel des Ungehorsams oder Widerspenstigkeit zu einiger Finsternis Gelegenheit geben wird. Inzwischen«, fuhr der wissensbegierige Chaumigrem fort, »möchten wir wissen, weil wir gleichwohl bei Eroberung dieses Reichs keinen Umgang[230] nehmen können, uns des Schwerts und Feuers sowohl gegen Herr als Untertan zu bedienen, ob nicht etwan dieses bei dem Volke einen Haß wider uns möchte verursachet haben, und ob wir auch ein zuversichtliches Vertrauen in Fall der Not in sie setzen dürften.« Ponnedro hatte bereits einen Mut gefasset, dannenhero er auch bald mit dieser Antwort fertig war: »Gn. Herr und Kaiser! Es weiß schon ein jeder, wenn sich große Herren raufen, daß die Untertanen ihre Haare darzu hergeben müssen, und wenn gekrönte Häupter Nüsse aufbeißen wollen, so muß es mit den Zähnen der Untertanen geschehen.« Auch diese Antwort wurde von dem Chaumigrem gnädig angenommen, wiewohl er nichts mehr als dieses darauf antwortete: »Wir verstehen schon Eure Meinung.« Von diesem nun kam er mit dem Rolim zu reden, und begehrte auch seine Meinung hierüber zu vernehmen, wenn er ihn also anredete: »Alter Vater, Ihr werdet als ein gewidmeter Oberpriester der Gottheit dieses Reiches uns aufrichtigst entdecken, worinnen wir zu viel oder zu wenig getan, und welcher Grund zu den Säulen dieses Throns zu erwählen sei?« Diese weit aussehende Frage zu beantworten, wollte anfangs der Rolim in einiges Bedenken ziehen, jedoch ließ er sich endlich mit diesen etwas weitschweifigen Reden vernehmen: »Ich wünschte zwar«, sagte er, »mit der Beantwortung dieser hochwichtigen Frage verschont zu bleiben, angesehen solche besser im Staatscabinet als in der Sakristei kann und soll erörtert werden; zumal auch ein geistlicher Rat in politischen, ich will nicht sagen geistlichen Sachen, bei unsern Höflingen mehr Spott und Verachtung als schuldige Folge nach sich ziehet: Jedoch mein Gewissen zu befreien, so muß ich meine Gedanken ungescheut eröffnen, und bekennen, daß E.M. nichts anders denn eine feurige Rute der Götter sei, womit dieses Reich um seiner Sünden willen heimgesuchet, und der unglückselige Stamm des Xemindo gänzlich ausgerottet worden. Solches nun wolle E.M. ja nicht eigner Macht noch Tapferkeit zuschreiben, sondern vielmehr wissen, daß Gott und das Verhängnis dieses Schwert oder Rute als mächtige Hände regieren. Die Worte in dem abgefasseten Urteil zu Martabae, welche sagen: Jedermänniglichen sei kund dies Bluturteil, welches der lebendige Gott verhänget; entdecken öffentlich, wer es sei, der diese grausame Schlachten Eurer Hand erlaubet. Xemindo würde sich gewiß bei vorigem Zustande nichts haben nehmen lassen: Und schiene es vor[231] menschlichen Augen unmöglich zu sein, daß er durch die anfangs schwach scheinende Waffen von Brama dermaßen sollte gestürzet, ausgerottet, und so reichs- als lebens-verlustig gemacht werden. Xemindo, ja Xemindo, das unglückselige Beispiel aller Regenten, ist der Spiegel, welchen die Zeit und das Verhängnis E.M. vorhalten, sich darinnen wohl zu besehen, und zu bedenken: das Glück sei eine Tochter des Schicksals, um welche man zwar freien, nicht aber sich vermählen könne. Denn wer die ewige Beweglichkeit der Winde stillen, den Monden mit der Hand begreifen, und das wandelbare Glück zum Stande bringen will, der tut einerlei und verlorne Arbeit. Zudem ist keine Art des Glückes dem Unbestande mehr unterworfen, als die gekrönte Glückseligkeit, wo eine gählinge Erhöhung vorhanden, auf welche gemeiniglich eine gähe Stürzung erfolget. Ihr. Maj. stellen sich zu einem klugen Sinnenbilde vor Augen das Tier Hyaena oder Vielfraß, welches an den Totenbeinen naget, unversehens aber von einem grausamen Drachen ergriffen und verschlungen wird, welchen Drachen zuletzt der Himmel durch einen Strahl verzehret: so werden Sie nach angeborner Scharfsinnigkeit in Deutung leicht zu erraten, und sich vor deren Erfüllung weislich zu hüten wissen: Soll nun solches klüglich ins Werk gerichtet werden, so muß man weder eine durchgehende Dienstbarkeit, viel weniger eine völlige Freiheit einführen. Vor allen Dingen muß man zusehen, daß man sich weder verhaßt noch verächtlich mache. Den Haß kann man von sich lehnen, wenn man die angefangene Strengigkeit in eine schleunige Gnade und Güte verwandelt, die Gemüter durch allerhand Wohltaten an sich ziehet, und der Untertanen Schweiß und Blut nicht allzu begierig an sich saugt, sondern vielmehr ihnen einen Teil erläßt. Für der Verachtung aber kann man sich hüten, wenn man männiglich zu verstehen gibet, wie daß man sich diesfalls weder verführen noch betrügen lasse, sondern vielmehr in Ratschlägen verständig und in Vollziehung wichtiger Sachen beständig sei.«

Welche etwas freimütige Rede den Chaumigrem einigermaßen verdroß, und dannenhero es auf widrige Art auslegte, sagende: »Wohl! Eure Meinung pflichtet der unsrigen bei, und weil uns die Götter einmal zur Rute dieses Reichs erkoren, so wollen wir unser Strafamt auch redlich verrichten, solange dieser Arm den kalten Stahl in der Peguaner Blute erwärmen kann.« – »Durchaus ist dieses meine Meinung[232] nicht«, erwiderte der Rolim, »sondern es ist vielmehr den Göttern zu danken, daß sie nunmehr die völlige Eroberung dieses Reichs durch Dero Armen glücklich vollbringen lassen. Und nachdem der Xemindische Stamm durch völlige Ausrottung sattsam gezüchtiget worden, so ist forthin der Götter ernstlicher Befehl, nach so grausamer Bestrafung des Hirtens der armen Schafe zu verschonen. Worüber wollen denn I.M. das Szepter führen, wenn Sie sich selbst der Untertanen berauben, und das Schwert in eignen Adern wüten lassen wollen. Alle Herrschaften, darinnen man allzuviel Schärfe brauchet, bestehen nicht lange. Denn welchen man zuviel fürchten soll, den hasset man, und welchen man schon hasset, der sollte viel lieber tot denn lebendig sein. Wo Recht ist, da muß auch Gnade sein: Diese beiden zieren einen Monarchen, wie Sonn und Mond den blauen Himmel, und hierdurch kann er nur den Göttern am nächsten kommen.« – »Verflucht sei aber die allzugroße Gütigkeit«, erwiderte Chaumigrem ganz zornig, »welche den eignen Fall befördern kann. So schneide und brenne man denn so lange, bis der Staatskörper frisch Geblüte von sich gibet.« – »Beide müssen gemäßiget sein«, wollte ihn der Rolim besänftigen, »doch hat die Gnade den Vorzug, wo etwa ein Überfluß sollte begangen werden. Zudem ist auch ein Regente an die Gesetze gebunden, daß er nicht allenthalben frei zu verfahren hat.« Durch welche Worte sich Chaumigrem ziemlich beleidiget fand, und dannenhero seine Ungeduld deutlich merken ließ. »Vermaledeiet sei das Gesetze«, hub er an, »welches die Macht eines freien Königes einzuschränken sich bemühet. Ratio status ist die einzige Richtschnur großer Herren, und hat die Gerechtigkeit zur Stiefschwester.« Der Rolim wollte jedennoch sein geistliches Ansehen behaupten, und hielt ihm ungescheut das Widerspiel. »Dem gekrönten Haupte«, fuhr er ferner fort, »stehet es sehr wohl an, wenn es seinen Szepter nach dem Winke der Gesetze und Rechten führet. Denn, wo sich ein Reich in beglücktem Wohlstande befinden soll, so muß Herr und Untertanen denen Rechten verpflichtet sein, obzwar jedes in umschränkter Maße. Ratio status aber ist hingegen die verdammte Ratgeberin, daß man weder Vater noch Mutter, weder Kinder noch Geschwister, weder Treu noch Glauben, weder göttliches noch weltliches Gesetze verschonet, sondern durch List, Falschheit und Tyrannei alle Rechte unterdrucket, die Untertanen ins Elend stürzet, sich aber selbst ein[233] erschreckliches Ende auf den Hals zeucht.« – »Was Rechte? Was Treu und Glauben?« endigte Chaumigrem diese Rede, welche ihm gar nicht anständig war; »wenn wir durch solche Gelegenheit dem Volke das Schwert in die Hand geben, uns den Hals zu brechen, so seid Ihr alsdenn viel zu unvermögend, uns zu helfen: Darum antwortet nach unserm Willen.« Hier nahm sich nun der Rolim Gelegenheit, die von der Fräulein von Anseda entdeckte Heimlichkeit zu hinterbringen, welches er aber auf dunkele Art vorzubringen bemühet war, indem er sagte: »Weil denn I. Maj. um die Sicherheit Ihres Staats allzu sehr bekümmert sein, und Sie ein treues Beiraten von meiner politischen Unvermögenheit erfodern, so sehe ich wohl aus dem Lichte eines reifern Nachdenkens, nachdem durch der Götter Verhängnis der ganze männliche Stamm von Xemindo dermaßen seinen Untergang empfunden, daß auch nicht ein einiger mehr vorhanden sei, auf welchen das unwillige Volk einig Absehen haben könnte, wie es höchst vonnöten sei, sich auch durch den Tod eines Frauenzimmers den Weg zur vollkommenen Sicherheit zu bahnen.« Weil nun diese Rede dem Chaumigrem zu dunkel schien, als begehrte er eine deutlichere Erklärung hiervon, welches jedoch der Rolim nicht viel klärer von sich gab. »Ich meine«, sagte er, »des Xemindo Stamm muß auch in dem weiblichen Geschlechte nicht verschonet werden. Denn die Prinzessin, welche bei Lebenszeit rechtmäßigen Anspruch zur Krone haben, auch durch ihre Gegenwart die Gemüter des Volkes an sich ziehen kann, muß dennoch, ihrer Schönheit ungeachtet, ein Opfer der Unbarmherzigkeit und des Todes sein.« Als nun Chaumigrem hierüber ziemlich ungeduldig wurde, und ihm anbefahl, seine Geduld nicht länger zu mißbrauchen, so brach er endlich mit diesen Worten heraus: »Getreue Räte sind eines Fürsten Ferngläser, wodurch er dasjenige in Erfahrung und zu Gesichte bekömmt, was sonsten wohl seinen Augen verborgen bliebe. So wisse demnach I.M., daß das Fräulein Banise, des Xemindo jüngste Prinzessin, über welche doch ein tödlicher Spruch geschehen, annoch im Leben und in dieser Stadt heimlich verborgen sei.« – »Das wollen die Götter nicht!« hub der entrüstete Chaumigrem an, »daß sich einige Kreatur unterstehen sollte, unserm Befehl im geringsten einigen Abbruch zu tun. Entdecket uns alsobald bei Eurem Gewissen, wer sich durch dieses frevele Beginnen als ein Feind des Kaisers erzeiget.« – »Es ist mir«, entdeckte der[234] Rolim ferner, »mit des Abaxars Untergange nicht gedienet: ich hätte auch solches bei einem ewigen Stillschweigen bewenden lassen, wenn mich nicht mein Gewissen und die hohe Treue, womit ich Ihr. Maj. verpflichtet bin, hierzu angetrieben hätte, daß ich gezwungen sagen muß: Abaxar ist der Prinzessin Lebenserhalter.« Hierüber entrüstete sich nun Chaumigrem dermaßen, daß er fast zu rasen schiene: »Wo ist die Bestie?« rief er voller Wut, »wo ist der Erzverräter? Alsobald, Martong, schaffet ihn bei Verlust Eures Kopfes nach Verfließung einer Stunden hieher.« Worauf er sich in das innere Zimmer begab, dem Rolim, Ponnedro und andern aber anbefahl, bis auf des Abaxars Ankunft zu verziehen. Hier sendete nun Martong vierhundert Mann nach dem Schlosse des Talemons, und ließ den Abaxar gemessenem Befehl nach in Ketten und Banden herzuholen: welcher auch nach verflossenen Stunden angemeldet, und vor des Tyrannen Augen gebracht wurde. »Du schelmischer Verräter!« fuhr ihn Chaumigrem an, sobald er ihn nur ansichtig wurde, »ist nicht der Befehl an dich ergangen, die Tochter des bestraften Xemindo gleichfalls hinzurichten?« – »E.M. Befehl«, antwortete Abaxar mit unerschrockenem Angesichte, »ist so schleunig von mir vollzogen worden, daß ich mit eigner Hand den Säbel durch den Alabasterhals schluge. Zudem ist ja der enthauptete Körper von so viel tausend Augen öffentlich beschauet, und die tote Prinzessin bejammert worden! daß ich also dieses Vorgebrachte mit Recht eine geistliche Unwahrheit nennen kann.« Der Rolim redete ihm zu, und sagte: »Abaxar, gebet der Wahrheit die Ehre, und gestehet es beizeiten, vielleicht kann durch eine reuige Bekenntnis die Pforte der kaiserlichen Gnade noch eröffnet werden.« – »Alsbald entdecke«, wütete Chaumigrem ferner, »du verteufelter Bösewicht, auf was vor eine Verräterei der so boshaftige Verzug meines Befehls sein schlimmes Absehen habe, damit du alsdenn noch die Ehre haben kannst, von kaiserlicher Hand niedergesäbelt zu werden.« Als sich nun Abaxar dermaßen betreten, und von dem Rolim verraten sahe, hielte er ferners Leugnen nur vor unnötig, dannenhero er mit tapfermütigen und ernsten Worten dieses Bekenntnis vorbrachte: »Meinen Tod werden die Götter an dir verdammten Pfaffen rächen: Vor das unschuldige Blut der unvergleichlichen Prinzessin aber zu büßen, scheinet auch die Hölle mit aller ihrer Qual zu wenig vor dich zu sein. So sollen demnach I. Maj.[235] ein freimütiges Bekenntnis von mir zu gewarten haben, und wissen, daß ihre Lebenserhaltung mir die Betrachtung ihrer überirdischen Schönheit abgezwungen. Ihre blitzende Augen zerschmelzeten die Schärfe des Säbels, und ihre ungemeine Anmut raubeten mir alle Kräfte, den Befehl zu vollziehen. Derowegen ich einer Sklavin von meinen Leuten das Leben nehmen, und sie statt der Prinzessin auf den Markt werfen lassen. Sie aber habe ich in meinem Hause unter dem Schutz der Götter verborgen gehalten, aus keinen andern Ursachen, als ihr schönes Leben zu erhalten, und verhoffentlich mich selbst bei Ihrer Majestät dadurch angenehm zu machen. Ich bin willig, auf japonische2 Art meinen Bauch vor Ihr. Maj. Augen eigenhändig aufzuschneiden, woferne nur solches zu Erhaltung dieser Schönen einigen Beitrag tun kann.« Chaumigrem wollte vor rasendem Zorne fast zerbersten, und fehlete nicht viel, er hätte den Abaxar im Zimmer niedergesäbelt, wo ihm nicht der Rolim vernünftigen Einhalt getan hätte. Inmittelst ließ er seinen Grimm durch folgende Worte und grausamen Befehl ausdünsten: »Daß nicht alsobald tausend Henker erscheinen, und dir verfluchten Hund den verdammten Lohn durch Pech und Schwefel erteilen. Darfst du vermaledeiter Erdwurm dich dessen unterstehen, dem strengen Befehl unserer geheiligten Majestät boshaftig zu widerstreben? Ein Tod ist viel zu wenig auf dieses Verbrechen, du sollst hundert Arten davon empfinden. Alsobald lasset ihn noch härter mit Ketten und Banden belegen, und ihn in dem abscheulichsten Gefängnisse das grausamste Endurteil seines Lebens erwarten. Nach diesem verfüget euch eilend mit gewaffneter Hand nach des Verräters Hause, und lasset keinen Hund drinnen leben. Vor allen Dingen zerreißet die junge Natter und den giftigen Überrest des Xemindischen Ottergezüchts in tausend Stücke, den Kopf bringet uns zum Zeugnis eines bessern Gehorsams hieher.« Welches der Unterfeldherr Marton zu verrichten auf sich nehmen mußte. Und so ward der unglückselige und getreue Abaxar in das grausamste Gefängnis hingeführet, welches alles, ja die vor Augen schwebende grausame Todesart ihm nicht so zu Herzen ging als der jämmerliche[236] Untergang der schönen Prinzessin. Er versuchte den Martong auf unterschiedene Art zu einiger Barmherzigkeit zu bewegen, und bemühete sich äußerst, die Vollstreckung des grausamen Befehls nur noch in etwas aufzuziehen, ob nicht die Götter des Tyrannen Herze erweichen möchten, daß er sie nur zuvor zu sehen begehrte. Allein Martong spiegelte sich an des Abaxars Fall, und eilte sonder einige Antwort mit ihm ins Gefängnis. Dem Ponnedro drang der Banisen Tod durch das Herze, und als sich niemand außer dem Rolim, mehr bei dem Chaumigrem befand, kunnte er sich unmöglich enthalten, der armseligen Prinzessin durch einige Vorbitte zustatten zu kommen, und sollte es auch sein Leben kosten. Dannenhero er sich auch mit demütigsten Gebärden näherte, und den Tyrannen also anredete: »E.M. erlauben Ihrem geringsten Diener, dieses wenige beizutragen, daß ich aus bloßer Liebe zur Wahrheit und mit verpflichtetem Herzen sagen dürfe, es sei zwar das kaiserliche mir unwürdigst anvertrauete Frauenzimmer ein Himmel voller Sternen: Allein durch den Tod der unvergleichlichen Banisen würde die Sonne untergehen.« Chaumigrem stund hierauf etwas in Gedanken, und ein tiefes Nachdenken schien seine Zunge zu binden. Endlich antwortete er dem Ponnedro, sagende: »Hütet Euch, Ponnedro, daß dieses Vorbringen nicht aus einer alten Gewogenheit gegen vorige Herrschaft herrühre, sonsten werden wir Euch dem Xemindo zur Aufwartung in jenes Leben nachschicken.« – »Mein Kopf soll der Zungen Vorwitz bezahlen«, war Ponnedro mit der Antwort bald fertig, »wenn nicht I.M. eine dreifache Erfüllung meiner Worte in den schönen Augen erblicken wird.« Der Rolim gab indessen mit einigem Kopfschütteln sein Mißvergnügen zu verstehen, sogar, daß er endlich in diese Worte herausbrach: »Getreue Räte sollen den Ärzten gleichen, welche dem Kranken nicht alles, was ihm beliebt, sondern was dessen Gesundheit befördert, darreichen sollen. Dieser Rat aber des Ponnedro scheinet verdächtig, ja höchst gefährlich zu sein. I.M. lassen um der Götter willen die Vernunft hier gelten, und bedenken, daß der Vorwitz, die vermeinte Schönheit zu sehen, einen solchen strengen Gift mit sich führe, welcher durch die Augen in das Herz dringen und die ganze Majestät verderben kann. Denn durch das Anschauen beherrschen die schwachen Weibsbilder die stärksten Männer, ihr Flehen und Bitten sind Gebote, ihre Tränen wilde Wasser, welche den Damm des besten Vorsatzes[237] durchdringen, und ihre Seufzer sind Sturmwinde, denen auch der unbeweglichste Colossus nicht widerstehen kann. Die Augen sind die Verräter unserer Freiheit. Es ist ein kurzes Ding um einen Augenblick, hat aber ein langes und gefährliches Aussehen, wenn es zur Unzeit geschicht. Zu geschweigen, wie unanständig es einem so großen Prinzen sei, wenn er zwar viel Völker, nicht aber sein Gemüte beherrschen könne. So lassen denn E.M. den Wurm in der Ferne töten, ehe er in der Nähe verletzen kann.« Nach diesen Worten schiene Chaumigrem im Herzen gleichsam mit sich selbst zu kämpfen, und die Begierden hielten mit der Ehrsucht einen gewaltigen Streit, wodurch denn Ponnedro in größte Angst versetzet ward, weil er nicht unbillig besorgete, des Rolims vielvermögender Ein- und Blutrat möchte die Oberhand erhalten. Endlich trugen doch die Begierden den Sieg davon, welchen er durch diese Worte zu verstehen gab: »Gleichwohl müssen wir erfahren, ob Ponnedro die Wahrheit gesaget habe. Eilet derowegen, Ponnedro, ehe ihre Hinrichtung unsern Befehl erfüllet hat, und lasset sie angesichts hieherbringen.« Dem Ponnedro hätte kein angenehmer Befehl auferleget werden können: Dannenhero er fußfällig vor so gnädiges Aufnehmen seiner Worte dankete, und in vollen Sprüngen seinen Gehorsam erwies. Der Rolim aber fand sich hierdurch nicht wenig beleidiget, dannenhero er mit diesen Worten seinen Abtritt nahm: »So nehme ich gebührenden Urlaub von E.M., indem ich kein Zeuge derjenigen Torheit sein mag, welche ein Weibsbild in eines Kaisers Gemüte erwecken kann. Ich erinnere aber zuletzt, nur wohl zu bedenken: je schöner der Molch, je stärker und gefährlicher sei auch der Gift.« Nach dessen Abschied sich Chaumigrem ganz einsam befand. In solcher Einsamkeit verneuerte er vorigen Begierdenskampf, und überlegte des Rolims Warnung aufs genaueste, pflichtete auch selbtem, soweit es die Staatsklugheit erfoderte, willig bei; sobald es aber an die Vorstellung ihrer Schönheit kam, so hieß es nach jenes gelehrten Poetens wahren Beschreibung:


Wahr ist's, die Schönheit ist Achillens Spieß und Schwert

Die einen Telephus verletzt und wieder heilet,

Die Schönheit ist ein Gift, das tötet und ernährt,

Ein Blitz, der Ruhe stört, und Unmut doch zerteilet,

Ein Brand, der Städte tilgt, und Länder doch erhält,[238]

Ein Pfeil, der Wunden macht, und gleichwohl Lust erwecket,

Durch sie ward Troja Graus, doch Rom das Haupt der Welt:

Ein Wein, der Wermut ist, und doch wie Zucker schmecket.


»Ja freilich«, hub er endlich zu sich selbst an, »treuester Rolim, sollte dein Rat mit beiden Händen ergriffen werden, wenn nicht bereits ein gefährlicher Augenschein das vorhin felsengleiche Herz dermaßen eingenommen hätte, daß Ehre und Liebe schon damals einen harten Kampfplatz in meiner Seelen hielten. Die Götter wissen es, wie mir zumute war, als ich den tödlichen Ausspruch über dieses Bild ergehen ließe, welches mich auch von ferne mit seinen Strahlen entzündete, und durch seine Blicke mehr beleidigte, als einem Monarchen zu erdulden anständig ist. Doch erhielt die Ehre damals den Sieg, und wollten die Götter, der treulose Abaxar hätte sein unzeitiges Erbarmen eingestellet, so wäre ihre Seele zur Ruhe und mein Geist in unwissender Vergnügung geblieben. Allein, da ich sie, als die einige Unruhe meiner Seelen, noch am Leben wissen soll, so fürchte ich sehr, es möchte die Liebe den Lorbeer und ihre Schönheit den Siegeskranz über einen Monarchen davontragen. Jedoch wird auch die engelgleiche Prinzessin den Vortrag meiner Liebe mit willigem Herzen annehmen? Wird sie auch demjenigen einen holden Blick gönnen, welchen sie im Herzen als einen Mörder ihres Vaters und einen Henker aller ihrer Verwandten, ja als einen ge-schwornen Feind ihres Geschlechts ansiehet? wird sie mich auch einiger Gegenliebe würdigen, oder nur ihr Ohr zu Entdeckung meiner Flammen erteilen. Ach schwerlich! Denn die Natur gehet aller Liebe vor. Halt derowegen inne, tapferer Chaumigrem! was willst du deine Gunst einer verfluchten und abgesagten Feindin widmen, und einem Krokodile schmeicheln? Was willst du deinen Thron durch eine so verhaßte Brunst beflecken? Es heget ja dieses große Reich so viel schöne Sterne, welche es sich vor das höchste Glücke schätzen, wenn sie sich bei meinen Strahlen wärmen, und von meiner Sonnen ihr Licht empfangen dürfen. Doch ach, vergebene Worte! so wollte ich reden, wenn ich sie nie gesehen hätte. Sobald ich mir in etwas die von ferne nur erblickte Rosenwangen, die ob zwar benetzten, doch voller Anmut blitzende Augen, den wohlgesetzten Leib, mit einem Worte, die vollkommenste Schönheit, vorstelle; so werde ich gleichsam vom Blitze gerühret, und der tödliche Befehl verwandelt sich in lauter[239] süße Liebes- und Lebensworte. So tadle denn ganz Brama und Pegu diese Flammen: Gnug, daß ich tue, was mir gefällt, und daß ich in einem solchen Stande lebe, welcher von andern keine Erklärung leidet. Allein, wohin? Chaumigrem! wohin? wo bleibet die Ehre? wo bleibet deine Sicherheit? wo bleibet des Reiches Nutzen, welchem die Wollust billig weichen muß? Durch der Prinzessin Erhebung kriegen die mißgünstigen Peguaner Luft und Gelegenheit, ihr böses Absehen zu bewerkstelligen, und sich des bramanischen Jochs zu entledigen. Zudem ist bereits Gift und Haß in ihrem Herzen gegen mich durch grausames Verfahren gegen ihr Haus ohne allen Zweifel dermaßen tief eingewurzelt, daß ich sie und einen gereizten Drachen mit gleicher Sicherheit umfassen werde. Doch nein! von einer schönen Seelen ist dieses nicht zu vermuten. Banise wird sich bekehren. Denn die Liebe ist mächtig genung, allen Vorsatz des Frauenzimmers einzureißen. Und also, o ihr Götter, wird Chaumigrem gequälet. Schauet, wie Furcht, Liebe und Ehre in meiner Brust kämpfen, weil ich den rechten Zweck verfehlet habe. Doch soll die Liebe die Oberhand behalten. Banise soll leben! Was leben? ihr Leben ist mein Tod, ihre Liebe mein Untergang. Ihre Gegenwart aber soll hierinnen den Ausschlag geben. Bezwinge dich derowegen, du sonst unüberwindliches Herze, und lasse mehr Grausamkeit als Liebe gegen diese Sirene spüren.«

Nach so langem Seelenstreite wurde ihm die Ankunft der Prinzessin bedeutet, welche auf dessen Befehl sofort in das Zimmer von dem Martong und Ponnedro begleitet wurde, da denn ihre Anmut und Schönheit, so langen Leidwesens ungeachtet, annoch, wo nicht vermehret, doch in seiner Vollkommenheit zu sein schiene. Die häufig fließenden Tränen vermochten nichts von ihrer Wangenzierde wegzuschwemmen, und ihr holdseliges Wesen setzte den Chaumigrem in eine so tiefe Betrachtung, daß er sie eine geraume Zeit nicht anzureden vermochte. »So muß Sie, schöne Feindin«, fing er endlich an, »diejenige sein, welche durch Ihr Leben meinem Willen widerstehet.« Die Prinzessin hingegen bemühete sich aufs äußerste, durch heftigste Zornblicke sich nicht allein ihm verhaßt zu machen, sondern auch durch viele Scheltworte den Tyrannen dahin zu zwingen, daß er an ihr den Todesbefehl möge vollziehen lassen. »Weder den Göttern«, hub sie tränende an, »noch dir, du blutbegieriger Tyrann, viel weniger dem Abaxar, welcher mir wider meinen Willen das Leben gefristet,[240] erkenne ich mich mit dem wenigsten Danke verpflichtet. Denn ich schätze dieses vor die höchste Strafe der Götter, daß ich mit meinen Augen den Verräter meines Vaterlandes, den Henker meiner Freunde und den Mörder meines Landesleute sehen, mich aber nicht nach Wunsche an ihm rächen soll. Hätte der Himmel doch noch jetzo dem Ponnedro das härteste Unglücke unterwegens begegnen lassen, ehe er den Todesstreich auf mich zurücke ziehen kunnte: so wäre ich höchst vergnügt gestorben, und könnte dich bereits in der Ewigkeit nebst meinen werten Eltern bei den Göttern als einen Tyrannen anklagen, und sie um grausamste Rache wider dich anrufen.« – »Sie bemühet sich vergebens«, erwiderte Chaumigrem mit bereits entflammten Herzen, »holdselige Prinzessin, durch Ihre harte Worte mich zu einiger Ungeduld oder Zorn zu bewegen. Sie geußt vielmehr Öl in das bereits lodernde Liebesfeuer, indem auch diese Entrüstung Ihre Anmut um ein großes vermehret.« – »Ach wollten die Götter«, fuhr die ungeduldige Banise fort, »ich könnte eine lebendige Hölle vorstellen, so wollte ich mich glückselig schätzen, wenn ich durch deinen Untergang, du Bluthund, die süße Selbstrache befördern könnte.« Allein weder diese noch andere Schmähworte waren mächtig genung, seine Glut zu dämpfen, welcher sich nunmehr auf das empfindlichste gerühret befand, und sich feste entschlossen hatte, ihrer Liebe in kurzem durch Bitten oder Gewalt, teilhaftig zu werden. Dannenhero er ihr eine kurze Bedenkzeit mit diesen Worten erteilete: »Weibliche Gemüter sind leicht in Harnisch zu jagen. Ich habe aber gute Hoffnung, der Abend werde mir gewähren, was der Morgen verweigert hat. Ich will Ihr sechs Tage Bedenkzeit erlauben, sowohl der ersten Hitze einige Ausflucht zu gönnen, als auch wohl zu überlegen, ob nach verschwundener Hoffnung aller Hülfe des Kaisers Haß oder Liebe zu wählen sei. Inzwischen binden wir Euch, Ponnedro, die Schöne auf Eure Seele, lasset das schönste Zimmer zu ihrer Wohnung und königliche Aufwartung zu ihrem Dienste bestellen. Nach sechs Tagen hoffen wir dasjenige gutwillig zu genießen, was sie itzt vermeint, uns nimmermehr zu erlauben: denn die Zeit kann alles ändern.« Mit welchen Worten er ihnen den Rücken zukehrete, und das Zimmer verließ. Ponnedro nahm hierauf die vertraute Aufsicht mit Freuden an, tröstete die Prinzessin mit den beweglichsten Worten, und suchte ein solches Zimmer auf der Burg zu ihrer Bequemlichkeit aus, welches nicht allein unterschiedene[241] Ausgänge hatte, sondern auch zu Ausführung eines und des andern Anschlages sehr bequem war.

Die schöne Prinzessin hatte kaum das Zimmer als ein freies Gefängnis betreten, so hatte sie Ponnedro mit Hinterlassung seines Dolches etwas verlassen, in welcher Einsamkeit sie denn ihrer Wehmut den Zügel völlig schießen ließ, und den Dolch aus übeln Vorsatz in ihre Hand nahm: »So muß ich euch«, redete sie mit benetzten Lippen, »o ihr werteste Seelen meiner Anverwandten, auch wider meinen Willen die ewige Glückseligkeit mißgönnen, als die ihr bereits in der gestirneten Ewigkeit eure vollkommene Vernügung erreichet, mich aber, mich Elende, in der Angstgrube dieser Welt, der Himmel weiß, zu was noch vor Unglücke hinterlassen habt. Ach hätte ich doch zugleich der bekümmerten Seelen durch einen verborgenen Dolch einen roten Ausgang gesucht, als mir der Tyranne, nicht zwar aus Barmherzigkeit, sondern zu Vermehrung meiner Herzensqual, erlaubte, den ohnmächtigen Geist meines sterbenden Vaters durch ein Glas Wasser zu erquicken: so wäre ich an dem Ort der Ruhe, und dürfte keiner fernern Raserei eines Tyrannens gewärtig sein, und es hätte sich meine kindliche Pflicht auch im Tode dem väterlichen Geist beigesellet. O ich Verlassene! ach ich Elende! die ihr höchstes Glücke in einem schleunigen Tode suchen muß. Auf derowegen, bedrängte Banise! das wundersame Verhängnis gibet mir nicht ohngefähr diesen Dolch in die Hand. Lasse dich die Todeslarve nicht schrecken. Blöden Augen ekelt nur vor dem Tode, und verwehnte Lippen wollen nicht Aloe kosten. Ich sehe doch wohl, daß der Himmel keine fremde Hand mit meinem Blute besprützen will: so danke ich ihm um soviel desto mehr, daß er dennoch meiner Faust und diesem dienstfertigen Stahl die Macht überlassen hat, den Kerker des geängsteten Leibes zu eröffnen, und die gequälte Seele in erwünschte Freiheit zu setzen. So komme denn, du edler Dolch, und sei das Werkzeug einer tapfermütigen Erlösung: denn ein rühmlicher Tod ist doch die beste Bahn zu unserer Freiheit.« Nach welchen Worten sie ihre Brust aufriß, und durch einen tödlichen Stoß sich des Lebens berauben wollte. Ponnedro aber trat gleich, als gerufen, zur Türe hinein, und wie er ihr verzweifeltes Vorhaben bemerkte, sprang er hinzu, und begriff ihre Faust, mit welcher sie bereits den Dolch zum Stoße gefaßt hatte. »Sie halte zurücke, gnädigste Prinzessin«, schrie er ihr zu, »denn Großmut und[242] Verzweifelung können nicht in einer Seele beisammen wohnen. Sie lasse die Vernunft herrschen, und verbanne solche unanständige Todesgedanken. Denn sein eigner Henker werden, und des Feindes verschonen ist eine Frucht der Torheit«; womit er ihr den Dolch aus der Hand und wieder zu sich nahm. »Wie, untreuer Ponnedro«, sahe sie ihn mit zornigen Augen über die Achseln an, »kannst du wohl deine rechtmäßige Erbprinzessin geschändet sehen? hat nicht mein Vater um dich und dein Geschlechte so viel verdienet, daß du seiner Tochter viel eher beförder- als hinderlich fallen sollst.« – »Eben durch diese Verhinderung«, erwiderte Ponnedro, »belieben Sie meine Treue zu erkennen, mit was vor Pflichten ich Ihr als dem letzten Zweige des um ganz Pegu höchst verdienten Stammes noch verbunden lebe. Denn Ihr Todesfall würde dem Tyrannen eine schlechte Rache, vielmehr eine herzliche Freude sein, wenn nunmehro sein Verlangen erfüllet, und er sich in völliger Sicherheit sehen würde. Des Elefanten Fall erdrücket seinen Feind zugleich mit: hier aber würde das letzte Licht und einige Hoffnung des ganzen Reichs verleschen, da doch nicht der geringste Feind durch Ihren Tod untergehen würde.« – »Wo soviel tausend Männerhände«, war ihr Einwenden, »nichts auszurichten vermögen, da kann billig eine schwache Weiberfaust nichts anders tun als vor Wehmut den Dolch in eigene Brust begraben.« – »O unbesonnener Zweifel«, versetzte Ponnedro, »welcher aus einer verwirreten Seelen entspringet: gleichsam, als wenn dies etwas Unerhörtes wäre, daß ein schwach Weibesbild mehr als tausend Männerherzen verrichtet hätte. Sie versichere sich, daß, wo Erd und Hölle nicht vermag, bloß die List eines Frauenzimmers auch selbst die Unmöglichkeit überwinden könne.« – »Diese Reden verwirren mich viel mehr«, antwortete Banise, »als daß sie mir einigen Unterricht geben sollten. Ich weiß nicht, ob es möglich sei, einige Hoffnung zur Rache und Thron schöpfen zu dürfen, und ob es auch ratsam sei, einem feindlichen Bedienten zu trauen.« Dieses Mißtrauen merkende bemühete sich Ponnedro eifrigst, ihr solches zu benehmen: »Es müsse mich«, schwur er, »die Gottheit mit ewiger Strafe belegen, wo einige Schlange der Untreu in meinem Herzen wohnet! Sie wolle es, gebietende Prinzessin, vielmehr vor eine unfehlbare Schickung der Götter achten, daß der Kaiser mich als eine höchst verdächtige Person mit solchen wichtigen Verrichtungen beleget, wodurch sich leicht erwünschte Gelegenheit[243] ereignen könnte, dem Reiche zu helfen, und das Kaiserliche Blut zu rächen.« – »Ich beschwere Euch bei der Zukunft unserer fünften3 Gottheit«, redete ihn gleichsam erwachende Banise an, »daß Ihr Euch zu dieser unerläßlichen Sünde ja nicht verleiten lasset, eine vorhin höchst unglückselige Prinzessin noch ferner zu betrüben, sondern, wo Euch der Himmel mit dem geringsten Mitleiden beseliget hat, so erteilet mir einen ersprießlichen Rat, wie ich Leben und Ehre retten, und meine Sicherheit in den Armen meines geliebten Prinzens von Ava suchen und finden möge.« – »Wo die Gefahr zu Pferde sitzet«, redete Ponnedro ferner, »da muß guter Rat freilich nicht auf Stelzen gehen. Weil sich aber dieses hochwichtige Werk nicht erzwingen lässet, so wird eine kluge Verstellung einen erwünschten Anfang machen. Sie haben sattsam verspüret, wie entzündet der Kaiser durch Dero Schönheit sei.« – »Solches bedünket mich ein Traum«, redete Banise ein. Ponnedro bedeutete sie aber bald sagende: »Die allzu große Wehmut und Rachgier haben Ihre Augen verdunkelt, daß Sie solches nicht beobachten können. Sie setzen aber kein Mißtrauen in mein Vorbringen, und wissen, daß solches Feuer gleichfalls von dem gütigen Verhängnis der Götter herstamme. Sie lasse demnach alle übrige Härtigkeit gegen dem Kaiser fahren, und stelle sich gegen ihn dermaßen an, daß er mehr Ursache zur Liebe als Grausamkeit haben möge.« – »Dies scheinet aber gefährlich«, wendete die besorgte Prinzessin ein, »denn sollte der Tyrann meine Verstellung vor bekannt annehmen, so würde er zu völliger Genießung der Liebe eilen, bei deren Verweigerung aber wohl gar sich einiger Notzucht unterfangen dürfen, so würde ich doch alsdenn mit befleckter Seele sterben, da ich anitzo denen Göttern einen reinen Geist opfern könnte.« – »Göttliche Hülfe und eigener Verstand«, erwiderte Ponnedro, »muß hierinnen den besten Rat erteilen, wie man auf alle Weise und Wege der Sachen Aufschub zuwege bringen, und des Kaisers Hitze mit erdachten Scheingründen, wo nicht leschen, doch aufhalten möge.« – »Ich nehme solches endlich an«, war der besänftigten Prinzessin Gegenrede, »und bitte die Gottheit, daß sie dem schweren und wichtigen Vorhaben ein erwünschtes Ende geben wolle. Inmittelst soll die[244] Verweigerung der Liebe außer der Ehe die erste Ablehnung der Hitze sein.« Welches ihm Ponnedro sehr wohl gefallen ließ, und ihr einen sonderbaren Trost erteilte. »Doch«, redete Ponnedro noch ferner, »habe ich noch eines und zwar etwas Nötiges zu erinnern, welches eine starke Mitwirkung zu erwünschter Vollziehung des ganzen Werkes sein könnte; nämlich, daß sie bei dem Kaiser bemühet lebe, bei erster Gelegenheit Gnade, Erlassung und vorigen Ehrenstand vor den um Ihr Leben gefangenen Abaxar auszuwürken.« – »Ich werde auch hierinnen nichts ermangeln lassen«, antwortete Banise. Worauf endlich Ponnedro sie nicht länger aufhalten wollte und sagte: »Großmütige Prinzessin! weil ich Dero tapferes Entschließen wider alle Fälle mit Freuden vernehme; so schließe ich nicht allein der Götter Gegenwart und dahero glücklichen Erfolg hieraus, sondern ich kann Ihr auch nicht ferner verhehlen, was maßen der treue Prinz Balacin bereits sich auf des Talemons Schlosse eingefunden, um sowohl vor Dero Wohlfahrt zu sorgen, als auch vornehmlich Sie aus der Hand dieses Wüterichs zu erlösen. Er ist nunmehro ein mächtiger König, weil sein Herr Vater gestorben, und ihm auch die Krone von Aracan zugefallen. Ob er Sie nun zwar mit gewaffneter Hand mächtigst befreien könnte, so will er doch zuvor durch eine bequeme List sich Ihrer Person versichern, und alsdenn der Rache wider diesen Tyrannen freien Lauf lassen.« – »Hilf Himmel! traumet mir?« hub die erfreuete Prinzessin an, »ich weiß nicht, ob ich wache? Trautester Ponnedro, sollte es wohl möglich sein, daß mir in so trüber Nacht des Unglücks ein solches Licht des Heils an meinem Prinzen aufgehen sollte? Doch, ach! sollte es wohl ein vergebner Trost sein?« – »Der Himmel strafe mich nicht«, versicherte Ponnedro, »mit solcher Verwegenheit, daß ich Sie durch einige Unwahrheit beleidigen sollte. Er ist verhanden, und wird sein Leben wagen, Sie in veränderter Gestalt zu küssen.« – »Nun schmelzet mein Herze«, fuhr Banise fort, »und die Seele krieget Flügel, ja ich vergöttere mich ganz, daß ich meinen Prinzen, meinen Schutzengel, so nahe wissen soll. Du wirst demnach, treuester Ponnedro, selbtem eine kleine Schrift überbringen, und dir meine Wohlfahrt nebst ihm treulich anbefohlen sein lassen.« Nachdem sie nun solche verfertiget, und dem Ponnedro überreichet, nahm er ehrerbietigsten Abschied, machte alle benötigte Anstalt zu ihrer Bedienung, und suchte Gelegenheit, auf etliche Stunden den Prinzen zu[245] besuchen. Welches ihm auch die Abwesenheit des Chaumigrems erlaubte, und er sich sofort auf einem flüchtigen Klepper nach seines Vaters Wohnung begab. Sobald er daselbst abgestiegen, verfügte er sich ohne andere Besuchung nach des Prinzen Zimmer, welchen er auf einem Stuhle, seinen Vater vor ihm sitzen und den Scandor neben ihm stehend fand. Ponnedro hatte kaum die Schwelle betreten, so rufte ihm der Prinz mit wehmütiger Stimme entgegen: »Ach Ponnedro! soll ich sterben oder leben?« – »Wo eine schöne Prinzessin lebet«, antwortete Ponnedro, »da darf ein geliebter Prinz an keinen Tod gedenken.« – »Haltet mich nicht auf«, fuhr der betrübte Prinz fort, »und entdecket es mit besserm Grunde als Talemon, welcher besorgliche Unwissenheit aus Pegu überbracht hat, was ich zu hoffen habe.« Ponnedro erwiderte: »Die Prinzessin lebet, und der Prinz soll auch leben. Sie lebet, und zwar in vermeintem Wohlstande; allein der geringste Zeitverlust kann sie unglücklich machen. Dieser Brief von ihrer Hand wird meinen Worten nötige Erklärung tun.« Womit er den von der Prinzessin anvertrauten Brief ehrerbietigst überreichte. Sobald er nun aus der Überschrift seiner Prinzessin wahre Schreibart erkennete, küssete er solche Zeilen inbrünstig, und sagte: »Ach angenehmste Zeilen, deren Schrift nicht irdische Augen, sondern Sonnen zu lesen würdig sind. Dieses Pfand bekräftiget, was mir der güldene Ponnedro gesaget hat. Wohlan, es sei gewaget, ich erbreche den Brief, um bei diesem Zucker der Galle nicht zu entwohnen.« Worauf er das Siegel eröffnete, und folgende Worte daraus las:


Wertester Prinz!


Dessen nahe Gegenwart ist die Ursache meines Lebens, außer welcher ich bereits die Gruft erkieset hätte. Indessen bin ich vergnüget, wenn mein englischer Prinz in solchem Zustande lebet, wie es meine Wohlfahrt erfordert, ob mich gleich die eiserne Hand des wilden Unglücks fast erdrücken will. Wo mich vor Verlauf des vierten Tages eine kluge Hand befreiet, so werde ich erweisen können, wie kein Unglück die Pfeiler der Liebe einzuäschern vermocht habe. Außer diesem werde ich zwar sterben, jedoch eine unbefleckte Seele und unverbrüchliche Treue mit ins Grab nehmen. Lebet wohl, und errettet diejenige, welche einen Fuß im Sarge und ihr Herze bei ihrem Prinzen hat.

Banise.[246]


»Wehe mir!« rief der seufzende Prinz, »die Zeit ist zu kurz, und ich bin verloren! Ach! so ist denn kein beständiger Sonnenschein mehr zu hoffen, und muß ein jeder Stern zum Kometen werden? Zwar derjenige sollte sich wohl vor keinem Ungewitter mehr fürchten, welchen der ungütige Himmel schon öfters durch harte Blitze versehret, und betrübet hat: Allein wo er zugleich mit den Keulen seines Zorns spielet, da muß auch der festeste Grund erzittern.« – »Wie so zweifelhaftig? Gnädigster Herr«, redete ihm Talemon ein, »der Zweifel ist kein Zeichen eines großmütigen Herzens. Bei so gestalten Sachen muß man den Göttern vor der Prinzessin Leben danken, sie aber nicht durch Ungeduld erzürnen. Hier aber muß man Geduld und Großmut herrschen lassen. Jene erleichtert das Unglücke, diese aber ist der Anfang aller wichtigsten Dinge, durch welche auch die Unmöglichkeit selbst bekrieget und besieget wird.« – »Das Glücke ist rund«, vollführte Ponnedro diese Rede, »und gewinnet öfters das Ansehen, als wenn alles verloren, und kein Mittel, dem Übel zu begegnen, mehr vorhanden wäre. Wenn man aber desselben Umstände großmütigst betrachtete, so verkehret es sich öfters dergestalt, daß, gleich wie es zuvorhero den Untergang gedräuet, es hernachmals zu unserm Besten ausschlägt, darum nur getrost, solange ein Patient den geringsten Atem noch von sich spüren lässet, solange hat ein beherzter Arzt noch Hoffnung zu des Menschen Leben. Ein kluger Rat und behender Anschlag kann der schweresten Sache, und also auch hier, am besten raten.« – »Aber verschonet mich mit vergebener Hoffnung«, fiel ihm der in diesem Fall etwas kleinmütige Prinz in die Rede, »denn sie in so kurzer Zeit mit Gewalt zu erretten, lässet die Unmöglichkeit nicht zu, weil viel hunderttausend Mann hierzu erfodert werden. List scheinet zu gefährlich, weil deren mißlingender Ausgang nur ihren und viel anderer Unschuldigen Tod befördern möchte. Den Chaumigrem aber zu einer gütlichen Abfolge zu behandeln, ist so vergebliche Arbeit, als ob wir einen Mohren zu waschen, und unser ewiges Gedächtnis in die See zu schreiben bemühet wären. Die Bedingung aber, welche sich der Tyranne nach verflossenen vier Tagen vorbehalten hat, möchte ich doch gerne wissen.« Ponnedro erstattete folgenden Bericht: »Die durchdringende Schönheit der Prinzessin hat auch dieses Tigerherz bezwungen, dannenhero er von dem Gift eingesogener Liebe fast zu börsten vermeinet. Und weil sich bei erster Zusammenkunft[247] die Prinzessin vorsichtigerweise sehr ungebärdig stellete, als hat er ihr fünf Tage Bedenkzeit eingeräumet, nach deren Verfließung er sonder Zweifel seine heftige Liebe verfolgen dürfte, wo nicht der Götter Hülfe eine gewünschte Errettung verschaffet. Dem Bedrängten aber zu helfen, hat der Himmel mehr als ein Mittel. Zwar einige Gewalt durch unsere schwache Hand anitzo vorzunehmen, ist eine Arbeit der Kaninchen, eine Löwenhöhle zu stürmen: den Bluthund zu einiger Güte zu bewegen, scheinet gleichfalls Diamanten mit Finger zu zerreiben: eine von dem Himmel gesegnete List aber hat öfters Stahl in Gold verkehret.« – »Ich bin unschlüssig«, redete Talemon ein, »welcher Meinung ich beipflichten soll. Einige Gewalt vorzunehmen, solches ist nur mit Stillschweigen zu übergehen: durch List sie diesen Raubklauen zu entführen, scheinet eine Sache zu sein, welche fast dem Verhängnis trotzet, worzu uns einige Ungewißheit den Segen des Himmels verweigert. Den sichersten Weg schätze ich hierinnen zu sein, wenn man sich bemühete, durch verstellete Schriften, als ob sie aus Ava kämen, dem Wüterich mit beweglichen Gründen die Unschuld der Prinzessin vor Augen zu stellen, und um deren Erlassung und Abfolge freundlich anzuhalten.« – »O bloßer Schatten vergebener Hoffnung!« widerlegte es der Prinz, »welchen bei voriger Grausamkeit weder das bewegliche Flehen der Alten, das jämmerliche Zurufen der angenehmsten Schönheiten, noch das erbärmliche Schreien der kleinen Kinder, in summa, das unbeschreibliche Mordelend so vieler tausend unschuldigen Menschen nicht im geringsten zu bewegen, noch einige Seele zu erretten vermocht, den wird viel weniger ein toter Buchstabe zu einiger Vernunft noch Erbarmung bringen. Nein, nein, wir würden hier nur Pfeiler in die See bauen, und bei der Natter Gunst suchen. Viel sicherer und tapferer wird dieses sein, daß ich mich in die Burg und so nahe an den Bluthund verfüge, daß diese Hand seine mörderische Brust erreichen kann. Alsdenn will ich einen scharfen Dolch in das lastervolle Herze stoßen, und hernach auch des grausamsten Todes gewärtig sein, wenn nur aus meinem Blute die Wohlfahrtsrose der Prinzessin blühet.« – »Dieser Anschlag ist zu hitzig«, erwiderte Ponnedro, »ich will nicht sagen, verzweifelt. Denn sollte gleich des Tyrannen Tod erfolgen, so wäre doch dessen Anhang durch den Verlust ihres Hauptes noch lange nicht so unkräftig gemacht, daß nicht vielmehr die Prinzessin zugleich in andere und noch[248] viel grausamere Hände geraten könnte. So wäre der Prinz verloren, dessen mächtige Reiche verwaiset, und der Prinzessin nichts geholfen. Inmittelst«, wendete er sich zum Scandor, »habe ich aus vorigen Erzählungen nicht einen unebenen Verstand geurteilet, welcher bei so gählingen Fällen billig mit in den Rat gezogen wird. Kann selbter nun einen ersprießlichen Beitrag tun, so wird er sich dem Prinzen gnädig, uns aber verbindlich machen.« Scandor zückete die Achseln, und näherte sich mit diesen Worten: »Wo solche Galeeren das Meer der Weisheit beschiffen, da muß mein Jagdschiffgen des Unverstandes billig die Segel streichen«. – »Wo aber«, versetzte ihm Talemon, »die Galeeren auf verborgene Klippen stoßen, da müssen sie scheitern: ein Jagdschiff aber streichet über hin.« – »Ich kann es nicht leugnen«, fiel der Prinz in die Rede, »daß ich öfters in andern obzwar nicht so wichtigen Geschäften, einen nicht undienlichen Rat von dir vernommen. Zudem muß man in wichtigen Vorhaben sich mehr als eines Rats bedienen: so dir nun die Götter einen Einfall verleihen, so melde ihn ungescheut.« – »Gnädigster Herr«, antwortete Scandor, »ich habe bereits meine fünf Sinnen auf das Rathaus meines Gehirns zusammengefordert, und mit ihnen wohl überleget: ob hier List oder Gewalt den Vorzug haben könne. So haben sie mir insgesamt meine Torheit ziemlich verwiesen, daß ich des Wortes Gewalt auch nur erwähnet habe. Denn obzwar nicht zu leugnen, daß Ava und Aracan mit vereinigter Macht gar leicht den Tyrannen auch zu einer fußfälligen Abbitte zwingen könnten: so möchte ich doch gerne den Mantel, auf welchem eine so mächtige Armee inner drei bis vier Tagen sollte hergeführet werden, noch vor der Hinfahrt meiner Seele sehen. Wir aber insgesamt, und ob ich gleich meine Frau zur Gehülfin mitnehme, sind viel zu schwach, auch nur das vörderste Burgpförtgen zu eröffnen. Und wenn ein Elefantenjunge ›Wer da?‹ rufte, so möchten wir uns immer wieder zu Hause wünschen. Derjenige aber, welcher das Wort List im Munde führete, der schiene bessern Beifall zu überkommen. Die List, sage ich, wird hier mehr als alle unsere Gewalt ausrichten. Solche kann nicht anders denn durch eine kluge Entführung ausgeübet werden, welche mein gnädigster Herr ganz leichte selbst bewerkstelligen kann. Ja es kann selbter ungescheut die Prinzessin in Person sprechen, küssen, und erwünschte Abrede nehmen, wie, wenn und wohin sie folgen soll?« – »Scandor schwärmest du?« redete ihm der[249] Prinz ein, »scherze nicht, sondern schweige vielmehr.« – »Hier ist keines Scherzes zu gedenken«, erwiderte Scandor, »und wird mir jedweder Beifall geben, wenn ich den Sack meiner Anschläge nur werde ausgeschüttet haben. Es beliebe doch der Prinz mit seinen Gedanken zurücke nach Pandior zu laufen, und des Priesters Worte zu holen, als wir die Gottheit des Apalita um Rat in unserer Reise ersuchten.« – »Auch dieses ist uns ohne dein Erinnern bewußt«, sagte der Prinz. »Wissen Sie auch«, fuhr Scandor fort, »wie uns der Talipon zwei Schachteln mitgab.« – »Worzu dienet diese Erinnerung«, redete ihm der Prinz abermal ein, »du suchest nur deine Bosheit in der Weitläuftigkeit zu verbergen.« – »Es ist zu erbarmen«, hub Scandor hierauf an, »daß wir Menschen in göttlichen Sachen, ob sie gleich unsere höchste Wohlfahrt befördern können, so gar nachlässig sein. Die letztern Zeilen, welche ich von der Prinzessin überbrachte, werden dem Gedächtnisse weit besser eingepflanzet sein, als der treue und höchst ersprießliche Rat der sorgfältigen Götter. Damit aber gegenwärtige Herren nach etwas deutlichern Bericht mir desto eher beipflichten können: so werden sie wohl in meiner vorigen Erzählung, als ich der Besuchung des Tempels zu Pandior erwähnte, sich zu entsinnen wissen, wie ich bei Abfertigung des Priesters zweier Schachteln gedachte, welche er uns mit diesen Worten überreichte: ›Diese zwei Schachteln händigen dir die Götter ein, aus deren einer du dich verbergen, aus der andern wiederkommen kannst. Diese bewahre aufs beste, denn es kömmt die Zeit, da du durch Verstellung Liebe und Reich zu erhalten suchen wirst.‹ Sollte nun nicht die benennte Zeit jetzt vorhanden sein, in welcher Liebe und Reich in Gefahr stehet, und wir Ursache hätten, durch List und Verstellung solches zu erhalten. Ich habe den Prinzen verstellet gesehen, daß ich ihn selbst nicht erkannt habe. Sollte er nun nicht vermittelst solcher Farbe die Prinzessin besuchen, und alles nach Willen bewerkstelligen können?« – »Diesen Rat«, war des Ponnedro Einrede, »schätze ich vor einen Einfluß des gütigen Himmels, und halte ich dieses Mittel vor so kräftig, als wenn ich bereits die schöne Prinzessin voller Freiheit ihren geliebten Prinzen küssen sähe.« Inzwischen holte Scandor die eine Schachtel herzu, und verstellete den Prinzen in kurzem dermaßen, daß sie fast den Scandor vor einen Zauberer ausschreien wollten. Als er aber dem Prinzen vermittelst der Blätter aus der andern Schachtel seine vorige[250] Gestalt wiedergegeben hatte, zogen sie solches in höchste Verwunderung. Der Prinz lobte des Scandors kluges Einraten über die Maßen, und versprach ihm solche Gnade, als er sich immer wünschen kunnte. »Mein liebster Scandor«, redete ihn der Prinz an, »es scheinet, als wenn die Götter durch dich redeten, indem du nicht allein durch diese Erinnerung meinem Gedächtnis zu Hülfe kommen bist, sondern auch einen erwünschten Anfang zu unserm Vorhaben gemacht hast. So gebrauche dich denn des himmlischen Einflusses zu meinem Besten noch ferner, und ersinne eine kluge Art, wie man die Prinzessin beizeiten errette.« – »Auch dieses wird sich wohl tun lassen«, antwortete Scandor, »und wird die Zeit die beste Ratgeberin sein. Man mache sich indessen auf gute und flüchtige Pferde gefaßt, und lebe bedacht, auf was vor Art man sie unvermerkt aus ihrem Zimmer nach der Tigerpforte bringe.« – »Dies scheinet ein schweres Unterfangen zu sein«, wendete Ponnedro ein, »weil eine doppelte Wache vor der Türe, welche zur Freiheit helfen könnte, gesetzet ist.« – »Was wäre dies vor eine List«, erwiderte Scandor, »wenn man nicht tausend Augen betrügen könnte. Es fället mir gleich diesen Augenblick etwas Bessers ein, welchem ich fleißiger nachdenken, und alsdenn, wenn es vollkommen ausgearbeitet ist, völlig entdecken will.« – »Wohlan! liebster Scandor«, ermunterte ihn der Prinz, »eine königliche Gnade wird deine Treue vergelten. Inmittelst wertester Ponnedro, werdet Ihr mir behülflich sein, daß ich die Prinzessin würklich zu sehen bekomme. Der gegebene Anschlag wird alle Mühe erleichtern.« – »Ganz wohl«, erwiderte Ponnedro, »solches wird aber nicht eher, als übermorgen geschehen können, weil sie der Kaiser zu fleißig besuchet. Damit wir aber bessere Zeit gewinnen, so soll die Prinzessin noch um einige Tage Aufschub anhalten: alsdenn werden die Götter unser Vorhaben mit erwünschtem Segen beseligen.«

Nach welchen Worten Ponnedro zugleich Abschied nahm, sich wieder nach der Burg zu seiner anvertrauten Prinzessin verfügte, und sie durch erteilte Nachricht ihrer Abrede in höchste Freude setzte. Weiln aber die Prinzessin von Saavady, das Fräulein von Anseda, und etlich ander Frauenzimmer ihr als Gespielinnen zugeordnet waren, so war dem Prinzen eine Verstellung um so viel desto nötiger: dannenhero er sich nebst dem Scandor entschloß, sich bei verstelltem Angesichte als Portugiesen anzukleiden, und mit allerhand[251] Waren sich auf der Burg bei dem Frauenzimmer anzugeben. Welcher Anschlag zugleich dem Ponnedro durch den Talemon hinterbracht wurde, welcher es der Prinzessin entdeckte, und sie dadurch ein herzliches Verlangen trug, diesem Portugiesen was abzukaufen. Talemon müßte zugleich vor etliche tausend Dukaten Wert kostbare Waren einkaufen, welche in zwei Kauffäßgen eingeschlagen, und hernach von dem Prinzen und Scandor getragen wurden. Als nun der angenehme, doch sorgsame Tag erschienen, strichen sich der Prinz und Scandor mit oft erwähnter Farbe sowohl das Gesichte als Hände und Haare aufs fleißigste an, legten ihre dazu bestellte portugiesische Kleidung an, hingen jeder ein Fäßgen auf den Rücken, und traten also in der Hassanen Zimmer, welche sich heftig zu erzürnen begunnte, daß solche fremde Gesellen sich so unverschämterweise erkühnen dürften, ihr Gemach zu betreten. Ob nun zwar Scandor ihr einige Waren anbot, so konnte sie ihn doch nicht erkennen, sondern schalt und schmähte aufs heftigste. Scandor wollte sie noch besser auf die Probe setzen, sagende: er hätte eine vortreffliche Gallentinktur, welche gleich nach dem Gebrauch eine böse Frau besänftigen könnte. Allein hiedurch hätte Scandor sich bald in Ungelegenheit gesetzet, indem sie vor Zorn viel weniger sehen oder ihn erkennen konnte, sondern sie schrie auf ihre Knechte um Hülfe, welche sich auch sofort mit ziemlichen Prügeln in der Hand dienstfertig einstellten, und ihrer Frauen in so vermeinter Gefahr beistehen wollten. Der Prinz hatte sich beizeiten wieder entfernet, und Scandor befand sich alleine in solcher Gefahr, daß die Knechte bereits fühlten, ob es sein eigen Haar wäre, weil er aber zu seinem Glücke einige Blätter bei sich hatte, womit er sich in höchster Eil und unter ziemlicher Verhinderung der groben Gehülfen etwas abreiben, und seine Gestalt einigermaßen entdecken konnte: so schrie er, weil er den Ernst fühlte, er sei ja vom Hause, und hätte sich nur verkleidet. Als nun Hassana den Knechten innezuhalten befahl, erkannte sie ihn endlich, und ließ ihn mit fernern Zusprechen verschonen. Lorangy aber, welche inzwischen auch war herbeigekommen, wollte es noch nicht glauben, daß dies ihr lieber Scandor wäre, bis er sich des Anstrichs gänzlich befreite, und eine ungemeine Verwunderung verursachte, womit er sich doch so häßlich verstellen könnte. Denn dieses scharfe Wesen verzog sogar alle Gesichtsbildungen, daß sich, nebst der Farbe auch die Ähnlichkeit[252] verlor. Als nun ein Gelächter darauf erfolgte, begab sich Scandor wieder nach dem Prinzen, welcher ihn nicht wenig wegen empfangener Handehre auslachte: nachdem er sich aber wiederum verstellet, gingen sie miteinander der Stadt zu, und verfügten sich alsofort vor die Burg. Scandor wollte gleich zugehen, allein er wäre abermals unter unbarmherzige Fäuste geraten, wenn nicht Ponnedro dazugekommen wäre, welcher der Wache Ruhe gebot. Der Prinz redete den Ponnedro alsobald auf portugiesisch an, ihm doch zu einem guten Handel behülflich zu sein, er wollte es mit einer Dankbarkeit zu erwidern wissen. Ponnedro sahe sie beiderseits an, und erkennte sie zwar an ihren Stimmen, die Personen aber deuchteten ihn unmöglich diejenigen zu sein, welche sie sein sollten. Solcher Zweifel verursachte ein langes Stillschweigen und eine genauere Betrachtung bei dem Ponnedro; je fleißiger er sie aber anschaute, je weniger konnte er die geringste Mutmaßung nehmen, daß es der Prinz sein sollte. Diesen Zweifel ihm nun zu benehmen, redete ihn der Prinz ferner an: »Mein Herr, er zweifle nicht an guter Ware, er hat mir auf Talemons Schlosse wohl eher was davon abgekauft.« Wodurch sich endlich Ponnedro bereden ließ, daß er nicht ferner zweifelte, sondern sie etwas verziehen ließ. Ponnedro verfügte sich alsbald zu der Prinzessin, und deutete ihr in geheim des Prinzen Gegenwart, nebst beigefügtem Unterricht, daß sie sich die ganz unerkenntliche Verstellung nichts irren lassen, besondern den, welcher sich des Redens enthalten würde, vor ihren geliebten Prinz erkennen sollte. Die Prinzessin entdeckte es alsobald dem sämtlichen Frauenzimmer, wie einige Portugiesen mit seltsamen Waren vorhanden wären, welche sie zu feilem Kaufe antragen ließen: so ihnen nun was zu kaufen beliebte, so sollten sie eingelassen werden. Wie nun hierauf eine allseitige Bewilligung erfolgte, ging Ponnedro hin, sie heraufzuholen. Als er sich aber mit seinen Portugiesen dem Zimmer genähert hatte, vernahmen sie mit höchstem Schrecken, wie daß Chaumigrem gegenwärtig wäre: welcher zwar dieser Tage eine Lustreise vorgenommen, solche aber unversehens eingestellt und in eine verliebte Besuchung verwandelt hatte. Ponnedro verbarg den Prinzen alsobald zwischen eine gedoppelte Wand, welche ihm wegen ihrer Schwäche alle im Zimmer gesprochene Worte zu seinem Schmerzen zu hören erlaubte. Er aber, Ponnedro, verfügte sich gleichsam zur Aufwartung ins Zimmer, und sahe, wie das sämtliche[253] Frauenzimmer entwichen war. Wie nun die Prinzessin unwissende nicht ferne von der Wand, welche ihren Prinzen bedeckte, in tiefsten Trauergedanken auf einem Stuhle saß, so ging Chaumigrem anfangs sonder einige Anrede eine geraume Zeit in dero Zimmer auf und ab, endlich aber verfügte er sich nach der Prinzessin, und redete sie mit diesen freundlichen Worten an: »Wie so betrübt, meine Schöne, wenn werden uns die benetzten Wangen trockene Rosen und die traurigen Augen fröhliche Sonnen gewähren?« – »Wenn der Himmel sein Ziel«, antwortete die betrübte Banise, »und mein Elend seine Endschaft wird erreichet haben.« Chaumigrem erwiderte: »Denen Monarchen hat der Himmel auch die Macht erteilet, daß sie ein ungütiges Verhängnis verbessern, und die Betrübten erfreuen können.« – »Ich weiß nicht«, versetzte Banise, »ob bei so unersetzlichen Schaden und Betrübnis ein so kräftiges Pflaster möge gefunden werden, welches mein Herz heilen, und mich vergnügen könne.« – »Ich sichere Sie«, fuhr Chaumigrem fort, »daß die Sonne Ihres Glückes anjetzo am höchsten stehe, und Sie sich im Paradies befinden soll, wo Ihr nur nicht vor eignem Wohlstande ekelt.« – »Solch Paradies«, war ihre Gegenrede, »kann mir von dessen Hand nicht anders als durch einen schleunigen Tod gewähret werden. Denn wo man einen Wald auszurotten bedacht ist, da pflegt man keiner jungen Stämme zu verschonen: und wo man sich einen geschwornen Todfeind von Vater und Mutter nennet, da wird auch eine unglückliche Tochter den Anteil solchen Hasses empfinden müssen.« – »Ach schönste Banise«, hub hierauf der grausam Verliebte an, »Sie quäle nicht meine Seele mit dergleichen Vorwürfen. Ich gestehe es, daß ich Dero Schönheit durch solche von der Staatssucht abgezwungene Grausamkeit höchst beleidiget habe. Ich versichere mich aber, es werde eine so gütige Seele den schönen Leib besitzen, welche bei verspürter Reue alle Mißhandlungen vergessen, und mit angenehmster Erfüllung meines Wunsches beseligen wird.« Bis hieher hatte der lauschende Prinz mit einiger Vergnügung zugehöret, wiewohl die Prinzessin ihm seine Grausamkeit vorgehalten. Als er aber von einer angenehmen Erfüllung schwatzen hörte, so schien es, als ob der Verdruß seinen Einzug bei ihm hielte, dannenhero hörte er mit sonderbaren Aufmerken die fragende Banise also ferner reden: »Wo ja in dieser Welt noch etwas zu finden wäre, womit ein gefesseltes Frauenzimmer einen solchen[254] Monarchen, welchem die Vergnügung selbst zu Fuße fällt, vergnügen könne, so wüßte ich doch nicht, worinnen solche Erfüllung beruhen sollte?« – »O beliebte Frage! O schwere Antwort!« fielen Chaumigrems Worte dem Prinzen in die Ohren; »der, welcher niemals die höchste Gefahr gescheuet, träget anjetzo ein furchtsames Bedenken, einem schwachen Weibesbilde seine Liebe zu entdecken, ich will nicht sagen, ihn zu lieben anzubefehlen. Mit einem Worte: Chaumigrem brennet, und erkieset Banisens Liebe zu Kühlung seiner Flammen.« – »Der jetzige Stand«, war der Prinzessin Einwenden, »meine Niedrigkeit ist viel zuwenig, dessen Hoheit zu vergnügen.« – »Mein Glanz«, beantwortete er solches, »kann den vorgewendeten Schatten zur Sonnen machen.« – »Eingewurzelter Haß verbannet die Liebe«, wendete sie ferner ein. Chaumigrem antwortete: »In meiner Seele herrschet Brunst und Flamme, welcher allen Haß nunmehro verzehret hat.« Die bedrängte Banise suchte alles hervor, was nur einzuwerfen möglich war, sich der verhasseten Liebe zu entledigen, und ihm zu erweisen, wie unmöglich es sei, ihn zu lieben. Dannenhero fuhr sie fort, und sagte: »Es lässet auch mein durchdringendes Betrübnis nicht zu, dessen begierige Seele durch einen fröhlichen Blick zu ergötzen, weil ich meine Augen zu steten Tränen gewidmet habe.« Allein diese Worte waren viel zu schwach, den heißen Vorsatz im geringsten zu stören, deswegen er ihr auch bald mit dieser Antwort begegnete: »Schönstes Kind! Salzicht Wasser beflecket die Schönheit. Etwas Vergangenes und Unwiederbringliches aber zu beweinen, ist ein Zeichen nicht wohl überlegter Klugheit, Sie erfreue sich vielmehr, wann Ihr der große Beherrscher des größten Teils von Indien seinen Purpur anzeucht, und Ihr sein Herz opfert.« – »Der größte Rebell und Bluthund in Indien«, hub der ungeduldige Prinz in geheim gegen dem Scandor an, »welcher seinen Purpur in unschuldigem Blute gefärbet hat. Ehe du aber dein Herz opferst, muß zuvor meines geopfert sein.« Er hätte noch mehr geredet, wenn ihn nicht der Prinzessin Stimme zu fernerm Aufmerken angemahnet hätte: »Zudem«, sagte sie, »ist ja die kaiserliche Burg vorhin ein Himmel, mit schönsten Sonnen bezieret, deren jede mich als einen geringen Stern verdunkelt. Einem solchen Herrn aber müssen gestirnte Kerzen und nicht schlechte Irrlichter zu Bette leuchten.« – »Sich selbst zu verachten«, widerlegte ihr Chaumigrem auch dieses, »ist eine Art der Demut:[255] Wer nicht Ihre Schönheit als ein vollkommenes Wesen betrachtet, den muß die Natur der Augen beraubet haben. Ach keine, keine reichet Ihr den Schatten, dieser Himmel wird nur durch Sie erhellet. Ich erkenne mehr als zu wohl, wie der fruchtreiche Herbst Ihre Brust und der anmutige Frühling Ihre Lippen beseelet. Weil sich auch der Sommer in völliger Pracht auf den Rosenwangen zeiget: wie kann doch der verdrießliche Winter im Herzen wohnen. Ich sichere, daß tausend Sonnen Ihrer Schönheit fußfällig werden müssen.« – »Es ist bedenkenswürdig«, redete ihm die Prinzessin ganz sittsam ein, »schlechtes Glas vor Diamanten zu erwählen. Welches I.M. wohl zu überlegen belieben, damit die Vernunft nicht einst dies vor Torheit schelten möge, was jetzt die Übereilung vor Vergnügung hält.« Hier meinte der Prinz, es habe sich die Prinzessin zu weit vergangen, daß sie, obzwar sehr dunkel, ihm bereits einige Hoffnung zur Liebe gemacht, gleichsam als ob sie nach reifer Überlegung des Werks ihn einiger Huld vergewisserte. Allein die kluge Banise wußte wohl, wie man einen Tiger zähmen, und sich bei Gelegenheit dessen Klauen entreißen sollte. Chaumigrem fuhr unterdessen fort, und sagte: »Die Sache ist mehr als wohl erwogen. Ihre Schönheit ist mir schon dermaßen ins Herze gepfropft, daß auch der größte Sturm diese Wurzel nicht versehren kann: Ach! so betrübe Sie uns doch nicht ferner durch ungegründete Einwürfe. So schöne Augen, Lippen und Brüste haben die Götter gewiß nicht umsonst erschaffen: sondern vielmehr, daß sie nur würdig sein sollen, ein königliches Herz zu vergnügen. Ach! so schaue doch, englische Seele, wie mein Angesicht glühet, und wie mein Geist nach den Rosen lechzet, welche auf Ihren Lippen blühen. Ja diese Liebe ist so heftig, daß auch fernerer Verzug meinen Tod beschleunigen kann.« – »Wie sollte sich diejenige«, setzte sie solcher Liebesversicherung entgegen, »ungefärbter Liebe bereden lassen, deren Entseelung doch so heftig verlanget, und derjenige mit Ketten und Tod beleget wird, welcher mein Leben erhalten hat.« – »Ach wollten die Götter!« antwortete der begierige Chaumigrem, »die himmlische Banise wollte die abgezielte Befreiung des Abaxars vor eine wahre Probe meiner brünstigen Liebe erkennen: so sollte Abaxar diese Stunde zu Ihren Füßen fußfällig vor seine Erlösung danken.« – »I.M. werden mich«, hub sie hierauf an, »durch solche Wohltat an meinen Wohltäter sonderlich erfreuen, und mir Ursache geben, Dero verliebten[256] Vorbringen einigermaßen beizupflichten.« Diese weitläuftige Versicherung setzte den Chaumigrem in sotanes Vergnügen, daß er alsobald dem Ponnedro zurufte, und sagte: »So eilet denn, Ponnedro, nach äußerstem Vermögen: Eröffnet Gefängnis und Ketten, und stellet den Abaxar nach Befehl der Prinzessin auf freien Fuß.« Welches gehorsamst zu verrichten, Ponnedro das Zimmer verließ, und durch solche Einsamkeit ihm Gelegenheit gab, von der Prinzessin mit diesen Worten einen Kuß zu begehren: »Hievor«, sagte er, »begehre ich nichts mehr, als durch einen Kuß das Honig Ihrer Lippen zu kosten.« – »Es ist genung«, sagte der ungeduldige Prinz, und wollte zugleich diese Angststelle verlassen: Scandor aber hielt ihn zurücke, sagende: »Gnäd. Herr, wir sind nicht in dem Garten zu Ava, da wir den verwegenen Chaumigrem mit Ohrfeigen abfertigen können: sondern wir sind arme Portugiesen, welche so lange, als man nicht mit Gewalt nach der Ware greifet, in der Güte handeln müssen.« Der Prinz ließ sich endlich begütigen, als er der Prinzessin abschlägige Antwort vernahm: »I.M. enthalten sich annoch allzu hitziger Übereilung: indem zu Bezeugung wahrer Liebe mehr als eine Probe erfodert wird. Inmittelst beklage ich doch, daß diese gnädigste Willfahrung noch lange nicht den Zweck begehrter Gnade erreichet habe: indem Abaxar der einzige Erhalter meines Lebens, vielmehr mich undankbar zu heißen, und zu verfluchen, als mir einigen Dank abzustatten, Ursache hat, weil die Beraubung seiner Ehrenstelle ihn viel schmerzlicher, als Kerker und Tod vorkommen wird.« – »So lebe denn Abaxar in vorigen Ehren«, erwiderte der willfährtige Chaumigrem, »meine Ungnade soll den betreffen, welcher sich einigen Vorwurfs erkühnen wird.« Die besorgete Banise gab ihren Zweifel folgendes zu erkennen, indem sie sagte: »Das kaiserliche Versprechen ist ein Zucker im Munde, dessen Erfüllung aber erfreuet das Herze.« Solchen wußte Chaumigrem durch hohe Beteurung bald abzulehnen. »Bei dem Leben der unsichtbaren Gottheit«, schwur er, »und der geheiligten Krone von Brama, soll Abaxar noch heute bei unserer Tafel erscheinen, und vorigen Ehrenstand völlig wiederum bekleiden. Nunmehro aber wird Sie ja, schönster Abgott meines Herzens, erlauben, daß ich meiner Vergnügung in etwas den Zügel schießen lasse, und den süßen Tau Ihrer Lippen berühre.« Womit er sich abermal, sie zu küssen, näherte. »Nun ist es Zeit«, sagte der empfindliche Prinz, »nimmermehr[257] lasse ich meine Prinzessin auch nur zu einem Kusse nötigen.« – »Gnädigster Herr«, tät ihm Scandor Einhalt, »wir werden durch solche Kleinigkeiten den Hauptzweck verrücken. Gesetzt auch, es liefe ein Kuß mit unter, so wackelt deswegen ja nichts flugs der Kranz.« – »Das ist ein Wahn des Pöfels«, antwortete der Prinz: »eine keusche Liebe aber soll auch im geringsten unbefleckt sein.« Hier legte ihnen auch diesesmal der Prinzessin ferneres Reden ein Stillschweigen auf. »I.M. lassen sich die Geduld besänftigen«, hörten sie sie reden. »Denn ob ich gleich dieses zu rühmen höchst Ursache habe, daß I.M. das vermeinte Gold meiner Schönheit höher schätzen, als es würdig ist, und so gnädigst in mein Begehren gewilliget haben, so werde ich zwar meinen Geist hiervor zu dessen Dienst widmen, jedoch nur so weit, als es Tugend und Vernunft erlauben.« Welche ungleiche Weigerung aber dem Chaumigrem fast einigen Verdruß erwecken wollte, den er auch durch diese Worte sattsam zu verstehen gab: »Fürsten ist alles erlaubet, weil ihre Fehle der Purpur bedeckt. Jedoch weiß ich nicht, was ein so kaltsinniges Bezeigen vor eine Bedeutung nach sich ziehen soll. Ich wünsche des Aufzugs entübriget zu sein.« Dahero die Prinzessin in nicht geringen Ängsten sich befande, und fast nicht mehr Worte ersinnen kunnte, wodurch sie weder dem Tyrannen zur Ungeduld noch dem Prinzen zu einigem Mißtrauen Anlaß geben möchte: Ihr kluger Verstand aber legte ihr folgende Worte in den Mund: »Großmächtigster Kaiser und Herr, die Götter wissen es, daß die Verweigerung solcher Liebe aus keinem Vorsatz viel weniger Verachtung entspringet, als die ich vielmehr ein so hohes Glücke mit beiden Händen ergreife, und ihn, nachdem mich die Götter aller Hoffnung beraubet, und mich Verlassene trostlos gemacht haben, im Herzen Schatz und Herr heiße, weil ich es, dem Verhängnis ferner zu widerstreben, vor höchst unbillig achte. Es wissen aber I. Maj,. daß doch gleichwohl mein Ursprung mit kaiserlichen Ahnen glänzet, und mein Vater Kronen trug. Ob ihn nun gleich das Verhängnis deren beraubete, so ist er doch als ein Kaiser dem Geblüte nach gestorben, und hat mich Elende als eine kaiserliche Tochter hinterlassen. So erwägen demnach I. Maj. ob es mir anständig und Ihm rühmlich sei, daß ich als Fürstin sklavische Laster begehen, und mich als eine Hure unterwerfen sollte, die doch nur Ehre als ihren Brautschatz und Tugend vor ihr Reichtum hält. Meine Wehmut verdoppelt sich, wenn[258] ich mir dessen Ansinnen zu Gemüte ziehe. Ein verborgener Trieb entzündet mich, das muß ich gestehen, und ein innerlicher Zug heißet mich lieben, das kann ich nicht leugnen. Allein auf so verdammliche und Prinzessinnen unanständige Art der Liebe mich beflecken zu lassen, solche verhindere der Himmel durch meinen Tod, welchen ich selbst zu befördern beherzt genug bin.« Den Chaumigrem verlangete heftig, die eigentliche Meinung ihrer Rede zu vernehmen, und warf ihr diese verpflichte Worte ein: »Ich sterbe vor Verlangen, bald zu vernehmen, wohin doch Dero weitläuftige Reden zielen. Auch mein Leben soll zu Ihrem Opfer dienen.« Welche gnädige Versicherung sie sich bald ferner nütze zu machen wußte, und ihre Rede verfolgete: »Ist ja«, sagte sie, »des Kaisers Liebe so brünstig und dessen Vorgeben kein Fallbrett erdichteter Brunst, so beliebe er zu entdecken: Warum er uns nicht durch den Tempel ins Bette führet. Oder deutlicher zu sagen: Warum machet er sich nicht meiner durch ordentliche Vermählung teilhaftig? Bin ich ihm zu häßlich? Warum beschweret er sich denn, daß ihn meine Schönheit entzünde? Bin ich ihm zu arm? so hat er sich meines Heiratsguts bereits selbst angemaßet. Daß also diese Heirat und meine rechtmäßige Wiedererstattung eine Versöhnung der Götter wegen allzu harter Grausamkeit sein könnte: wodurch das Reich in Ruhe und dessen Person durch solche Eroberung der Gemüter in erwünschte Sicherheit gesetzet würde. Ist nun solcher Vortrag, welcher aus einer verliebten Seele entspringet, angenehm und beliebt: so sollen alsdenn dem Kaiser, die ersten Rosen meiner Liebe zu sammlen, mit Freuden erlaubet sein. Sollte aber dessen Zweck auf andere und mir höchst nachteilige Art zu erlangen gesuchet werden; so wird zwar der Kaiser mein Herze, nicht aber den Willen brechen, mir zwar mein Leben, aber nicht die Ehre rauben können.« Soviel Worte, soviel Schwerter jagte sie dem Prinzen durch das Herze, welcher sich vor Eifersucht nicht mehr bergen kunnte. »Ha«, knirschte er mit den Zähnen bei sich selbst, »ungetreue Banise! sollte es möglich sein, daß du noch ein Herze zu verschenken hättest. Auf Balacin, stürme in das Gemach hinein, und opfere den Tyrannen zur Rache ihres Meineides vor ihren Augen.« In welchem verzweifelten Vorsatz er sich hervorzubegeben gesinnet war. Scandor aber zog ihn bei dem Ärmel abermals zurücke: »Sie bedenken doch«, sagte er, »ihren Zustand, und erwägen des Ponnedro Worte, welcher diese Reden[259] der Prinzessin eingeflößet hat, um den Tyrannen in einen süßen Liebesschlaf zu wiegen, damit er durch süße Hoffnung bewogen ihr noch einige Frist erteile.« Der Prinz erkannte bald seinen Fehler, und strafte sich selbst mit diesen Worten: »Schäme dich, unbesonnener Balacin, die himmelreinen Flammen deiner Prinzessin durch falsches Mißtrauen zu schwärzen. Die Eifersucht, welche auch Lilien beflecket, hat mich zu dieser Torheit verleitet, und diese ist ein Trieb höchster Liebe.« Weil nun diese Entrüstung nicht so gar ohne alles Gepolter abgehen kunnte, als hatte Chaumigrem, solches zu bemerken, seine Rede unterbrochen, jedoch hub er bald wiederum an, der Prinzessin vorgebrachte Rede zu beantworten: »Ich schäme mich«, sagte er, »unbewußter Kälte bei so heftigen Liebesflammen, und rühme Ihre Tugend, welche mich um so viel mehr entzündet, daß ich entschlossen, noch diesen Tag den Grundstein Ihrer Wohlfahrt und meiner Vergnügung durch braminische Hand zu legen, damit nicht mein loderndes Herze solches Versehen durch die Pein langer Geduld büßen müsse.«

Wie nun die Prinzessin durch diese Worte in höchste Bestürzung gesetzet wurde, so kunnte sie sich lange Zeit nicht fassen, auch diesen Sturm der eilfertigen Liebe abzuschlagen. Dennoch siegete ihr Verstand, und ein kluges Vorwenden kühlete diese Hitze in etwas. »So wisse demnach, mein Herr«, verlängerte sie diese Unterredung mit verstellten Liebesgebärden, »und wo es mir nunmehr erlaubet, zu sagen: Mein Schatz! daß mein entflammtes Herze ganz entzückt den Weihrauch beliebter Gegenliebe auf den Altar seiner Seelen streuet, und sich diese Glut in mir nicht länger verbergen lässet. Sie schläget zu Mund und Augen heraus, weil mein Geist von Liebe und Lust gleichsam überschwemmet wird.« Diese Worte erregten einen neuen Streit des Zweifels und der Eifersucht in des Prinzen Seele, welcher sich in diese Verstellung durchaus nicht zu schicken wußte, und dahero vor Ungeduld zu börsten meinte: Doch wurde er auf vorige und bessere Gedanken wiederum gebracht, als er der Prinzessin Meinung durch Fortsetzung ihrer Rede vernahm. »Mir fället zwar«, fuhr sie ferner fort, »jedweder Verzug hierinnen aufs schmerzlichste, und wünsche sotane Liebesbeschleunigung aufs heftigste; ich muß aber hierbei die Geduld in etwas gelten lassen, welche mir billig diesen Einwurf tut: Ich würde mir, wenn ich bereits, da der väterliche Körper vor[260] wenig Tagen noch Blut geschwitzet, in das Brautbette steigen wollte, bei allem Volke einen Haß und von der Welt ein ungleiches Urteil verursachen. So beliebe denn, mein Augentrost, unsere heftige Liebe mit einiger Geduld zu bekrönen. Denn die Liebe ist von Natur feurig, drum soll man auch mit ihr wie mit dem Feuer behutsam umgehen.« – »Wer allezeit«, war die ungeduldige Gegenantwort, »in der glatten Welt seine Schritte nach der Schnur einrichten will, der darf nur das Gehen gar einstellen. Diese Furcht ist nur vergebens: denn alles, was gekrönten Häuptern beliebet, das haben die Götter erlaubet. Wer aber darf sich unterfangen, ihr Verfahren zu beurteilen.« – »Die ganze Welt siehet auf einen Fürsten«, redete ihm Banise ferner ein, »und schreibet man nur die Finsternissen der Sonnen auf, wenn man gleich die Verleschung gemeiner Lichter mit Stillschweigen übergehet.« – »Ach mein Engel!« hub der entflammte Chaumigrem an, »Verzug ist Höllenpein. Entweder ich muß sterben, oder mein Recht der Liebe an der unvergleichlichen Banise ausführen, und solches sollen auch die Geister der Höllen nicht hintertreiben können.« – »Eben diese Flammen«, antwortete die beängstigte Banise, »quälen mein Herze, und ich bin nicht weniger begierig, unsere Liebe vollkommen zu machen. Es gönne mir aber mein Herr und Schatz nur noch drei Tage Frist, worinnen ich mich recht fassen könne, sowohl dem Volke die wahre Beschaffenheit meiner Verheiratung gebührend beizubringen, als auch dieses hohe Glücke mit bedachtsamer Seelen und brennenden Herzen zu umfassen.« Diese so angenehme Worte besiegten endlich den verliebten Willen, daß er einwilligte, und sagte: »Ob zwar diese dreitägige Frist eine dreitägige Höllenqual verursachen wird, so will ich doch auch hierinnen dem Befehl meiner Göttin nachleben, und die unfehlbare Vergnügung alsdenn erwarten. Inmittelst lebe Sie bemühet, wie Sie alle unnötige Traurigkeit verbannen, und Ihren Ergebenen mit fröhlichen Armen und lachenden Lippen umfangen möge.« Worauf er mit einem Handkuß die Prinzessin und das Zimmer zu großer Freude des Prinzen verließ, welcher fast vor Verlangen sterben wollte, mit der Prinzessin gleiche Unterredung zu pflegen. »Ja, ja, vergnüge dich nur in Gedanken«, redete Banise ihm nach, »die Götter sollen dir statt meiner einen Schatten in die Arme gewähren. Ach aber, der kalte Schweiß befällt meine Glieder, wenn ich an die Kürze der Zeit und an die heftige Brunst des Tyrannen[261] gedenke. Ach Ponnedro«, redete sie den gleich eintretenden Ponnedro an, »in dreien Tagen muß ich sterben oder erlöset sein.« – »Nicht sterben, nicht sterben, gnädigste Prinzessin«, antwortete Ponnedro, »der Himmel kann oft in einem Augenblicke mehr gewähren, als man in vielen Jahren kaum gehoffet hat. Inmittelst wird es selbter nicht entgegenfallen, den beliebten Portugiesen einzulassen.« Welches sie von Herzen bewilligte, und Ponnedro den Prinzen hereinführte. Dieser fiel alsbald bei seinem Eintritt aus innigster Bewegung vor der Prinzessin nieder, ihre Hand zu küssen, welche sie ihm aber anfangs verweigerte, und nicht glauben wollte, daß dieses der verstellte Prinz sei. Endlich aber auf Zureden des Ponnedro und einige Versicherung des Prinzens, stellete sie ihnen Glauben bei, und ließ es geschehen, daß er ihre Hand mit tränenden Augen küssete, und sie also anredete: »Ach, innigst geliebteste Prinzessin! so soll ich Sie in solchem Zustande antreffen, welchen mein Herz längst mit blutigen Tränen beweinet, und mich gezwungen hat, aus herzlicher Liebe Szepter und Krone zu verlassen, und mich in diese geringe Tracht zu verbergen, um meine hohe Braut nicht allein zu sehen, sondern auch mit meinem Blute zu erlösen.« Er hätte ferner geredet, wenn ihn nicht des sämtlichen Frauenzimmers Ankunft aufzustehen, und seine Worte abzubrechen gezwungen hätte. Scandor redete alsbald mit veränderter Stimme die Ankommenden an, und ermahnete sie, ihnen abzukaufen: »Sehet da, schöne Fräule«, sagte er, und legte zugleich seinen Kram aus, »kaufet etwas von schönen frischen Waren, welche wir erst mit Leib- und Lebensgefahr aus Europa geholt, und solche gerne vornehmen Händen gönnen wollten. Diese Point d'Espagne kömmt von Paris aus Sachsen, und ist dermaßen wohl genäht, daß man Flöhe darinne fangen könnte. Sie kostet dreißig Dukaten, und wird um fünfzig gelassen.« – »Närrischer Mensch«, redete ihn die Fräulein von Anseda an, »man wird ja nicht mehr geben, als das Bieten fordert.« – »Überkluges Fräulein«, antwortete Scandor, »fünfzig Taler sind ja weniger als dreißig Dukaten.« – »Nein, wie gefällt Ihr Euch«, sagte sie und schwieg mit beschämten Wagen darauf stille. Scandor aber redete fort: »Sie gönnen uns Ihr Geld vor andern, und versichern sich, daß in ganz Pegu wir die besten Waren bei uns führen. Hier sind treffliche Saphire, womit man sich ein gehässiges Gemüte verbinden kann. Gnädiges Fräulein«, redete er die Prinzessin[262] von Saavady an: »Sie kaufen was davon, lassen Ihr Bildnis darein fassen, und geben es derjenigen Person, die Sie zu lieben gedenken: ich will die ganze Ware verloren haben, wo er Sie nicht dermaßen liebgewinnen wird, als Sie es fast selbst nicht zu tun vermöchten.« Die Prinzessin fand sich in etwas getroffen, dahero eine anmutige Röte ihre Stirn bezog, nachdem sie es aber vor eine ohngefähre Rede hielte, wollte sie sich dieses Anerbieten zunutze machen, und sagte: »Ich nehme den Ruhm Eurer Ware vor bekannt an, und verspreche Euch vor jedes Stücke tausend Dukaten, so sie diese Wirkung erreichen, daß mich derjenige, welchem ich sie geben werde, lieben müsse.« – »Ja gnädiges Fräulein!« antwortete Scandor, »was ich gesagt habe, das wird geschehen: Nämlich daß die geschenkten Saphire, nicht aber Dero Person, werden geliebet werden. Können Sie sich aber zugleich einige Gegenliebe damit erkaufen, so ist meine Ware desto ruhmswürdiger.« – »Das ist was Herziges«, antwortete das Fräulein, und überging alles übrige mit einem verbitterten Stillschweigen. Scandor aber redete noch ferner: »Schönes Frauenzimmer, Sie treten herzu, und kaufen, weil der Markt noch währet, denn solche Ware wird Ihnen gewiß nicht alle Tage vor Augen kommen. Sie wählen sich was aus, und versichern sich, daß ich ohne Geld mit mir handeln lasse.« Sobald er dieses gesagt, trat eine vorwitzige Dame aus dem Frauenzimmer hervor, und ergriff ein Paar Ohrgehenke, sagende: »Weil man hier ohne Geld handeln darf, so werden mir diese Ohrgehenke trefflich anständig sein.« Scandor aber nahm sie ihr mit diesen Worten wieder: »Bei dem Handel verlange ich freilich kein Geld. Allein ich befürchte, mein Fräulein möchte bei der Bezahlung, da ich alsdenn erst Geld haben muß, einen leeren Beutel haben.« Wodurch sie sich nicht wenig beleidiget fand, und sich wieder unter die andern verbarg. Endlich wollte auch die gelbe Eswara an dem Scandor zum Ritter werden, und die öftere Beschämung auf einmal rächen. Dannenhero nahm sie einen persianischen Teppicht zur Hand, besahe ihn und sprach: »Die Nummer ist von Ardebil, und das Gemachte von Pegu.« Scandor aber verursachte ein jählinges Stillschweigen bei ihr, als er ihr antwortete: »Sie hat recht, meine Frau, der Teppicht ist von Pegu, aber nicht aus Ihrem Zimmer, sonst hätten ihn die Hunde zerrissen.« Wie wunderlich sich die drei Farben schwarz, rot und gelbe vermischten, solches kunnte man in Eswara Gesichte bemerken,[263] als sie den Teppicht ganz sachte niederlegte, und sich nicht mehr sehen ließ. Hierdurch nun hatte sich Scandor fast alle verschlagen, daß sie ihn ganz allein stehen ließen. Doch er lockete sie ziemlich wieder herbei, als er sich rühmete, eine sonderbare europäische Schminke zu haben, womit alle verfallene Schönheit wieder zu bringen, ja das Alter fast zu verjüngern wäre. Hier wurde Scandor von allen außer der Prinzessin von Saavady, welche sich an eigner Schönheit vergnügen kunnte, und der Eswara, die sich aus Scham nicht wollte sehen lassen, gleichsam belagert. Scandor aber hielte sie eine lange Weile durch vieles Rühmen von dieser Schönheitssalbe auf. »Ja«, sagte er, »dieses herrliche Öl ist von so vortrefflicher Tugend, daß auch nur ein Tropfen davon nicht nur dem Gesichte seine Rosen, und den Händen ihre Lilien, sondern auch dem ganzen Leibe seinen befleckten Marmor wiederum ganz rein und zart ersetzen kann. Die finnichten Wangen, küpfernen Nasen und runzlichte Stirnen weiß es dermaßen zu verändern, daß sich die Schönheit selbst über ihr Ebenbild verwundern muß. Es reiniget alle triefende Augen, und so man es alle Abend drei Stunden vor der Sonnen Aufgang fein trocken in einem Löffel Wein einnimmt, so würde der hundertste schweren, diese Jungfer, oder Fräulein wollte ich sagen, hätte sein Tage keinen übelriechenden Atem gehabt. In summa, es ist das fünfte Wesen der Schönheit, und wer solches hat, der besitzet einen trefflichen Schatz.« Das sämtliche Frauenzimmer bat ihn hierauf mit den beweglichsten Worten, doch eine Einteilung zu machen, damit jedwede etliche Tropfen davon bekommen möchte. Ein Teil lief nach dem Geldbeutel, in Hoffnung, die andern zu übersetzen, damit sie den meisten Teil bekäme. Andere traten vor die Spiegel, und examinierten ihre Schönheit, welcher Ort des Angesichts der Schönheit am meisten benötiget wäre. Ja etliche baten gar den Scandor in geheim, dieses Öl ihnen doch nur allein zu gönnen: Denn sonst würde es ja keine Seltsamkeit nach sich ziehen, wenn jedwede mit einem glatten Spiegel aufgezogen käme. Endlich versammleten sie sich insgesamt wieder um den Scandor, und ermahneten ihn eifrigst, ihnen solches Öl zu zeigen, und vor ihr Geld zu überlassen. Als er aber ihren Eifer sahe, bat er sie, ihm zuvor diese wenige Frage zu beantworten: Ob dieses nicht eine unverantwortliche Sünde gegen die Götter, und eine große Torheit vor den Menschen wäre, wenn sich ein vorhin von dem Himmel mit Schönheit[264] sattsam begabtes Angesichte durch die Kunst noch schöner zu machen unterstünde, welches sie alle zugleich bejaheten. »Nun weiß ich«, fuhr er fort, »daß nicht eine von mir leiden würde, daß ich sie häßlich nennete, sondern jedwede wird sich eine eingebildete Schönheit beilegen, und sollte es auch der arme Spiegel entgelten, daß dessen falsches Glas das sonst wohlgebildete Gesichte verstellete. Nachdem Sie ja nun alle schöne sein, so begehen Sie, laut eigenen Geständnis, eine große Torheit und Sünde, daß Sie die Götter meistern, und sich verbessern wollen. Dannenhero Ihnen auch dieses Öl ein Überfluß sein würde.« Mit welchen Worten er wieder einzupacken begunnte. Das begierige Frauenzimmer aber rief ihm zu, er sollte ihnen nur das Öl verkaufen, sie müßten es freilich gestehen, daß sie das Armut der Schönheit sehr drückte, dahero sollte er ihrer Dürftigkeit mit dem Öl zustatten kommen. Scandor lachte, und sagte: »Hätte ich das, was Sie selbst bekennen, zuvor gesagt, ich glaube, man hätte mir einen gnädigen Staubbesen erteilet, da mir denn gewiß die Häßlichsten den ersten Streich geben sollen. Nun aber sage ich, daß es viel eine größere Narrheit ist, die Götter, welche uns durch häßliche Gestalt nicht allen Augen, wegen bewußter innerlichen Lüsternheit, wollen beliebt machen, zu trotzen, und das verstellete Wesen unserer Haut durch einige Kunst zu beschönen. So wenig ein Elefant auf dem Seile tanzen, und ein alt Weib ihre Haut wie eine Schlange abstreifen, und sich verjüngern kann: so wenig, ja so unmöglich ist es auch, daß ein greulich Gesichte schön gemacht werden könne. Es gehet zwar an, daß man die Haut müllermäßig bestreuet, und die Lippen nebst den Wangen mit roter Narrensalbe und Krebsscheren beschmieret: Allein zu dem, daß es nach wenigen Stunden verschwindet, und eine viel häßlichere Larve, als sie die Natur erfordert, darstellet: so ist es auch eine allzu augenscheinliche Sache, welche den Leuten gar zu leichte in die Augen und hernach nicht unbillig auf die Zunge fällt. Wäre also mein wohlgemeinter Rat, man behielte seine Gestalt, und dankete den Göttern, daß sie uns nicht blind oder schielende werden lassen: wohl erwägende, daß aus einem geschminkten Angesichte nichts Gewissers als ein falsches und lasterbegieriges Herze zu schließen sei. Was aber mein köstliches Schminköl anbelanget, so habe ich dessen Beschreibung in einem Buche, welches ich noch von meiner Großmutter Schwester Sohnstochter bekommen habe, gelesen: Sobald ich nun in Europa[265] komme, will ich fleißig darnach fragen, und durch dessen Überbringen Dero allerseitiges Vergnügen stillen.« Was vor Ehrentitul nun dem Scandor seine Haare einpuderten, das empfunden die geduldigen Ohren am besten. Diese hieß ihn einen Narren, jene einen Bärenhäuter, und die dritte wollte ihn gar ins Loch stecken lassen. Bis sich ihm endlich die Prinzessin von Saavady wiederum näherte, und einige Saphire an sich erhandelte. Währenden dieses wunderlichen Handels hatte sich die Prinzessin mit dem verstellten Prinzen in ihr innerstes Cabinet begeben unter dem Vorwand, ihm einige Diamanten zu zeigen, von deren Art er ihr noch unterschiedene schaffen sollte. Sobald sie solches betreten, und nicht mehr an des Prinzen Person zweifelte, redete sie ihn alsobald an: »Ach mein wertester Prinz! die Zeit ist kurz, und die Sache, wovon ich reden soll, ist wichtig: Derowegen ich denn nicht gesonnen bin, Ihn durch viel Versicherungen meiner sattsam bekannten Liebe aufzuhalten. Ich sage dies, daß ich durch verstelltes Liebkosen den Tyrannen auf drei Tage gezähmet, in welcher kurzen Zeit Er seine Banise retten oder sterben lassen muß. Er entdecke mir nur ungescheut, ob es möglich sei, meine Erlösung auf einige Art vorzunehmen. Hat Ihn aber das Verhängnis aller Mittel beraubet, mich Trostlose aus der Hand meines Verfolgers zu retten, so erlaube Er mir, daß ich hier vor seinen Augen mit desto größerm Mute sterbe, damit Er mein Zeuge meiner unbefleckten Liebe und beständigen Treue sein, und mir den Ruhm mit in das Grab geben müsse: Eine jede keusche Seele müsse mein Beispiel lieben.« – »Nein, schönste Prinzessin!« antwortete der Prinz, »es ist nicht nötig, den Stahl auf eigene Brust zu kehren: sondern viel besser, wenn solcher bei vorfallender Not zu Rettung Ihrer Ehren wider den Tyrannen gewendet würde. Jedoch wird dieses äußerste Mittel verhorffentlich nicht zu ergreifen sein, weil uns die Götter noch nicht allen Beistand versaget haben. Die Erlösung beruhet in der Flucht, und Ihr Glücke grünet in fremder Luft. Doch fürchte ich, es werde die rauhe Wüste Dero zarten Füßen sehr beschwerlich vorkommen, und die gewohnte Gemächligkeit wird sich einem schnellen Rosse nicht füglich anvertrauen lassen.« – »Ach schweige Er«, antwortete die halberfreute Prinzessin, »hier ist nicht nach dem Willen zu fragen, sondern es heißt: Ich muß. Ich folge, wo man mich hinführet. Ich will mit Ihm die verbrannten Mohren besuchen, ja auch die kalten Nordländer, wo sich die weißen[266] Bären aufhalten, nicht ausschlagen, denn sollte mich gleich der Himmel zu ihrer Kost versehen haben, so würde ich doch viel sanfter in Seiner Schoß sterben, als hier in verhaßtem Purpur leben.« – »Allerschönste Prinzessin! Treuste Seele!« versetzte der entzückte Prinz, »ist es wohl möglich, daß eine vollkommene Schönheit auch eine vollkommene Tugend beseelet. So wisse Sie denn, mein Engel! daß es nötig sein wird, sich auf einen starken Schlaftrunk gefaßt zu machen, welcher auf benennte Zeit des Feindes Brunst in einen harten Schlaf verwandeln kann. Dessen Kleidung kann so-denn das scharfsichtige Auge der Wache leicht betriegen: und wenn Sie die sogenannte Tigerpforte glücklich erreichet hat, so werden uns einige flüchtige Rosse aus dieser Gefahr entführen, und ein beglückter Ausgang wird unsere Mühe krönen. Diese saure Reise wird mich Ihr und Sie mir verbinden, die Not wird unser Stab und die Liebe unser Licht sein: bis wir die Grenzen von Ava erreichen, und alsdenn dem Tyrannen Trutz bieten können.« – »Wohl! Liebster Schatz«, erwiderte Banise, »ich nehme dieses schwere Werk willigst auf mich, und weil Behutsamkeit das meiste hiebei tun muß, so werde ich und Er solches mit dem Ponnedro noch fleißiger überlegen. Ich wünsche von Herzen, schon in der größten Wüsten zu sein. Adieu! Mein Engel! auf zwei Tage. Wir müssen anjetzo durch Eilen dem Verdachte vorkommen, und uns wieder denen andern beigesellen.« Worauf sie ihn küssende beurlaubte und gleichsam mit ihm handelnde wieder in das Zimmer trat. Als nun Scandor wieder eingepacket hatte, verließen die verliebten Portugiesen das Zimmer nebst der Burg, und begaben sich eilends nach des Talemons Schloß, allwo er dem Talemon alles entdeckte, was die letzte Abrede mit der Prinzessin gewesen, und wie eine schleunige Flucht das äußerste Mittel ihrer Erlösung wäre. Dannenhero als die Sache nochmals in Gegenwart des Ponnedro wohl überleget wurde, machte der Prinz alle Anstalt zu dieser flüchtigen Reise. Er kaufte sechs persianische Klepper, welche sich mit den Hirschen in einen Wettlauf einlassen dürfen: deren drei sollten vor der Tigerpforte zum ersten Aufsitze bereitstehen, die andern drei aber sollten vier Meilen von Pegu an einem gewissen Ort aufwarten, damit durch Abwechselung die Flucht beschleuniget würde. Was sonst hierzu nötig war, mußte Scandor fleißig herbeischaffen, die eingekauften Waren aber schenkte der Prinz der Hassanen und Lorangen, welche über[267] solche Freigebigkeit so bestürzt wurden, daß sie eine mündliche Danksagung zu tun unfähig waren.

Hierauf kam nun der von dem Chaumigrem längst erwünschte Tag, an welchem er sich feste einbildete, diejenige Vergnügung zu genießen, derer er sich einig und allein nur würdig schätzte. Es verdroß ihn nichts heftiger, als daß er nicht auch der Sonnen zu befehlen hatte, um ihr alsdenn zu gebieten, desto geschwinder zu laufen, und den Tag zu endigen. Ja er konnte nicht die hereinbrechende Finsternis erwarten, sonder seine Prinzessin zu sehen. Er verfügte sich in ihr Zimmer, und forschete, an welchem Orte sie das Tali verlangete. Weiln sie aber diese bramische Verknüpfung nicht ratsam dauchte, so wendete sie vor, eine engere Verbündnis ließe ihr Zustand noch nicht zu: inmittelst würde dennoch ihr Zimmer dem Kaiser offenstehen. Welches dem Chaumigrem um so viel angenehmer zu hören war, und mit heftiger Zwanggeduld die Nacht erwartete. Der Prinz säumete seines Ortes hingegen auch nicht, alle benötigte Anstalt zu machen, damit ja nichts in einem so wichtigen Werke versehen würde. Dies einige Hindernis wollte noch die Sache schwer machen, wie nämlich die Tigerpforte zu eröffnen sei. Hierzu fand sich nun die erwünschte Gelegenheit, daß die Braminen oder Priester, welche den Kaiser mit der Prinzessin verknüpfen sollen, nicht durch das Burgtor, sondern durch erwähnte Pforte sollten eingelassen werden: zu welchem Ende solche eröffnet ward.

Nachdem aber nach widrigem Entschluß solchen zurücke zu bleiben anbefohlen ward, wurde auch diese Pforte wieder zu schließen ins Vergessen gestellet: welches der Prinz als eine besondere Schickung der Götter aufnahm, und sich einen erwünschten Ausgang versprach. Sobald nun die Nacht durch ihre Schattendecke alle Sicherheit versprach, begab sich der Prinz sonder Verweilen mit den bestellten Pferden vor die Pforte, Chaumigrem hingegen bemühte sich, gleichfalls vor der Liebespforte anzuklopfen: Dannenhero er auch, sich ganz sicher schätzende, die Wachten zu vermindern gebot. Banise hatte indessen das in ganz Indien bekannte Kraut Dutroa4 in Wein abgekocht, dasselbe als einen lieblichen[268] Trank zubereitet, und stellete solchen in einem güldenen Geschirre zum Dienste des Kaisers vor sich. Chaumigrem ging voller vergnügten Hoffnung dem Zimmer seiner Geliebten zu, welche er auch ziemlich wohlgemut vor sich fand. Sie stellete sich sehr freundlich an, und setzte ihn in solche Flamme, welche ihr fast schädlicher als ersprießlich hätte sein mögen. »Allerschönster Engel«, redete er sie an, »ist dieses die angenehmste Stunde, worinnen Ihr Glücke und meine Vergnügung blühen soll, so lasse Sie ja keinen Zeitblick vorbeigehen, in das Paradies der Wollust zu schreiten.« – »Weil es die Wunderhand«, antwortete sie, »der Götter also füget, mich dem kaiserlichen Willen zu unterwerfen, so werde ich gehorsamst folgen. Nachdem ich mir aber durch die Hand des Leibarztes einen Gesundheitstrank zubereiten lassen, welchen ich jetzt genießen, und auf dessen Gebrauch eine Stunde ruhen soll, so werden I.M. wohl erlauben, daß ich nur noch eine Stunde Zeit dessen Begehren unterbreche.« Der ungeduldige und vor Liebe fast blinde Chaumigrem ergriff sofort den Becher mit diesen Worten: »Die Gesundheit wird um ein großes befördert werden, so ich es selbst auf Dero Wohlergehen austrinke, und hingegen unserer Flamme keinen Aufschub gönne.« Worauf er diesen Trank begierigst in sich schüttete: auch sich sobald erheben, und die Rosen der Wollust suchen wollte: aber im Augenblick erreichte der Trank seine Würkung. Er sank wieder zurücke, lachte eine kurze Zeit, und geriet endlich in einen solchen tiefen Schlaf, daß er mehr tot als lebendig zu sein schiene. Die Prinzessin, solches ersehende, verließ eilend ihren Sitz, wickelte etwas von Kleinodien zusammen, zog dem unempfindlichen Liebhaber seinen langen Rock aus und sich an, setzte dessen Schlafbund auf, und vergaß nichts, was sie als den rechten Kaiser konnte vorstellig machen. Hierauf trat sie beherzt aus dem Zimmer, wiewohl sie das Angesichte möglichst verbarg. Die Wache tät ihr als dem Kaiser mit niedergeschlagenen Häuptern tiefe Ehrerbietung, welches sie an benötigter Aufmerksamkeit desto[269] mehr verhinderte: Sie aber ging mit langsamen Schritten nach dem kaiserlichen Zimmer. Sobald sie die Wache aus den Augen verlor, wendete sie sich nach einer kurzen Stiegen, welche sie auf eine lange Galerie leitete. Als sie diese ungehindert geendiget, führte sie der Weg zwischen etlichen Mauern gerade der Tigerpforten zu, welche zu erreichen, sie ihre Schritte verdoppelte, und ihren geliebten Prinzen fröhlichst vor derselben antraf. Der Prinz konnte sich vor Freuden nicht fassen, viel weniger einbilden, daß es seine werte Prinzessin wäre. Scandor aber ermahnte ihn, sich nicht zu säumen, viel weniger an ihrer Person zu zweifeln: sondern sollte sie nur angreifen, so würde er an ihrem Fleisch und Blute wohl fühlen, daß es kein Geist wäre. Dannenhero stieg sie selbst ohne weitläuftiges Reden frisch zu Pferde, und trat also im Namen der Götter die gefährliche Flucht mit Vergnügen an. Indessen reise nur hin, du vergnügtes doch unglückliches Paar, reise getrost! bilde dir aber nicht ein, daß die hurtigen Schenkel deiner Rosse schneller denn das Unglück sei, welches doch geschwinden Luchsen vorläuft. Ziehet hin, der Himmel begleite euch, und zeige euch die rechte Bahn: doch verfehlet nicht der rechten Straße. Indem nun der schlaftrunkene Chaumigrem die ganze Nacht in höchster Unempfindlichkeit zugebracht, und die Würkung des Krauts seine Endschaft erreichet hatte, begunnte er endlich bei hoher Sonnen die Augen aufzuschlagen. Er wußte aber noch nicht, ob er wachte oder noch träumte? Entkleidet sahe er sich, Banise hatte sich seinen Augen entzogen, eine allgemeine Stille nahm das Zimmer ein: ja er stellete sich gar einige Bezauberung vor. Endlich verließ er seinen Ruhplatz, hing einen Weiberrock um sich, und rufte auf die Wache: statt deren sich aber Ponnedro gehorsamst einstellte, und nach dessen Verlangen forschete. »Wo ist die Prinzessin?«, fragte er ganz bestürzt. »Deren Gegenwart«, antwortete Ponnedro, »wird I. Maj. sattsam empfunden haben.« – »Scherzet nicht, Ponnedro«, widerredete Chaumigrem, »sondern saget alsbald, wo die Zauberin sei.« – »I. Majest. haben mich heunte meiner Aufsicht überhoben«, versetzte Ponnedro, »und so folgbar auch fernerer Verantwortung. Ich habe sie I. Majest. in die Armen geliefert, vor das übrige werden Sie selbst gesorget haben.« – »Sie hat mich bezaubert«, fuhr der Kaiser fort, »und mich durch einen Trunk aller Sinnen beraubet. Auf! durchsuchet alle Zimmer, und verschonet auch das nahliegende Frauenzimmer nicht.« Allein, es war alles[270] Suchen vergebens, die Prinzessin irrete bereits in Wäldern herum. Die Wache berichtete, wie sie außer dem Kaiser niemand aus dem Zimmer gehen sehen, aus welchen Umständen er den Betrug zu merken begunnte: Endlich auch hieran gar nicht mehr zweifelte, als ihm die Eröffnung der Tigerpforte hinterbracht wurde. Hier verwandelte sich dessen Grimm in eine Raserei: »Blitz, Brand, Schwefel, Blei und hundert Henker sollen diese Schmach rächen«, rief er, ganz wütende in dem Gemach herumlaufende, »und ihr alle sollt es mit euren Hälsen bezahlen, daß ihr dieses Höllenkind entreißen lassen. O verfluchte Falschheit! o verdammte Arglist! ein schwaches Weibesbild darf sich erkühnen, einen so mächtigen Kaiser schimpflichst zu entkleiden, und indem er nach ihr greift, ihm den bloßen Schatten zu gewähren. O Rolim, Rolim! hätte Chaumigrem gefolget, so wäre der Kaiser unbeschimpfet blieben. Ach freilich kann ein schlimmer Stamm keine gute Zweige tragen: vermaledeiet sei die Hand, welche auch die Wurzel verschonet hat.«

Nach welchen Worten er halb bloß nach seinem Gemach lief, und in solcher Wut seinen Säbel holte, welchen auch sofort etliche von der Wacht tödlich empfinden mußten. Ponnedro hatte sich so weit unsichtbar gemachet, und also sollte das unschuldige Frauenzimmer die blutige Reihe treffen: welche sich aber aufs beste verriegelten, und also dem ersten Zorne entgingen: wiewohl hernach über fünfzig Weiber über die Klinge springen mußten. Als aber der Feldherr Martong, der Rolim, und einige andere hohe Personen sich einfunden, und den wütenden Chaumigrem möglichst besänftigten: befahl er alsobald, es sollten zweitausend der Bestberittenen aufsitzen, der flüchtigen Prinzessin nachsetzen, und sie tot oder lebendig liefern. Welcher aber ohne sie sich einiges Rückkehrens unterstehen würde, der sollte den Verlust seines Kopfes empfinden.

Wir wollen aber einen kleinen Vorsprung tun, und unseren verliebten Flüchtlingen in etwas nachgehen. Diese befunden sich nun in einem bekümmerten Zustande: indem die Dunkelheit der Nacht ihnen die Straße geraubet hatte: und da sie sich gegen den Morgen wenden sollen, waren sie gegen Mitternacht auf einen unbekannten Weg geraten. Als ihnen aber der anbrechende Morgenschimmer ihren Irrtum entdeckte, wendete sich zwar der Prinz der Morgenröte entgegen: allein hierdurch hatten sie sowohl den frischen Pferdewechsel[271] verfehlet als auch ihre Rosse bereits sehr abgemattet. Eine breite Straße führte sie in einen dicken Wald, welchen sie gleich aus vor sich nahmen: Und als sie fast den Mittag erreichet, siehe da befanden sie sich, zu ihrem höchsten Leidwesen, in dem bekannten Tigerholze, welches der Prinz aus dem Orte, wo er vorm Jahre den unglückseligen Xemindo vom Tode errettet, leicht bemerkete. »Wehe uns«, rief die Prinzessin, »die Götter haben noch was Großes über uns verhangen.« Welche Worte sie kaum geendiget hatte, so hörten sie die Menge der schallenden Waldhörner, gleichsam als ob sie ein Wild zu fangen ausgezogen wären. Der Prinz wählete sich sofort einen ungebahnten Weg, und befahl dem Scandor, mit der Prinzessin frisch nachzufolgen: Welches Scandor zwar aus allen Kräften zu tun sich bemühete, allein die Mattigkeit der Pferde wollte ihnen fast allen Dienst aufkündigen. »Ach Scandor«, rief die Prinzessin, »wir sind des Todes!« als sie bereits von fernen über zwanzig Reiter erblickte. Und damit ihr Unstern ja desto heller scheinen möchte, so stürzte zugleich der Prinzessin Pferd, dermaßen, daß sich Scandor nicht unbillig eines großen Schadens, welchen die Prinzessin möchte empfunden haben, besorgete. Der Prinz nichts anders meinende, denn sie folgeten ihm hurtig nach, eilete, so sehr sein Pferd vermochte, und sahe sich auch nicht einmal um, bis er sie ganz aus dem Gesichte verloren hatte. Unterdessen saß die erschrockene und trostlose Prinzessin auf den harten Baumwurzeln, und sahe ihre Verfolger von weitem sich herannähern. Scandor wußte sich auch nicht zu raten, dannenhero ließ er sein Pferd laufen, und setzte sich zur Prinzessin sagende: »Ich kann mir nicht weiterhelfen. Hier wollen wir sitzen bleiben, und uns vor zwei Hasen ausgeben: weil es nun im Gehege ist, so werden sie uns wohl ungebrühet lassen.« – »Ach scherzet nicht«, sagte die fast ohnmächtige Prinzessin, »sondern gebet mir Euren Säbel her, damit ich die geängstete Seele befreien, und dem Tyrannen nichts als einen blutigen Körper gewähren könne. Ach ich armseliges Kind, warum bin ich doch geboren worden, nachdem ich aus einem Unglück ins andere fallen, und doch den Tod nirgends finden soll. Mein Prinz hat mich verlassen, meinen Feind sehe ich vor Augen, alle Flucht ist mir benommen, und keine Seele nimmt sich meiner an. O daß doch mein Elend die stummen Bäume bewegen könnte, daß sie mich in ihre Gesellschaft aufnähmen, und augenblicks in einen[272] Lorbeerbaum, gleich der Daphne, verwandelten, so wollte ich mich selbst mit Lorbeerblättern krönen und über die Keuschheit triumphieren.«

Indessen waren die feindseligen Verfolger fast herbeigekommen, welche voller Freuden abstiegen, und sie sonder einiges Wortsprechen beiderseits gefangennahmen. Scandor hatte zwar schlechte Lust hierzu, und wollte die benötigte Ruhe vorschützen; allein eine stärkere Hand warf ihn mit Gewalt auf sein Pferd, und also wurde die höchst unglückselige Prinzessin zurücke und unter dem Zulauf vieler tausend Personen in Pegu eingeführet. Der eilfertige Prinz sahe sich endlich nach seiner folgenden Liebe um, und ersahe ihren Verlust mit höchstem Schrecken: Er wandte bald ein, und eilte seinem Hufschlage nach zurücke; allein, je weiter er sich rückwärts begab, je näher sahe er sich dem verhaßten Pegu, die Prinzessin aber zu erlangen, war eine Unmöglichkeit, weil sie bereits von tausend gewaffneten Händen umgeben war. Weil nun das Pferd sehr müde war, stieg er ab, band es an, und dursuchte zu Fuße das ganze Holz, ob er nicht dasjenige antreffen könnte, was er mit großer Sorgfalt bis hieher gebracht hatte. Er wendete seine Augen allenthalben umher, er gab durch Schreien und Pfeifen vielfältiges Bedeuten: allein ein trauriger Widerschall jagete Stimme und Hoffnung zurücke. Weil er auch niemand von den Verfolgern mehr verspürte, so schloß er schmerzlichst, sie müsse in ihre Raubklauen geraten sein. Hier wollte Verzweiflung und Großmut einen gefährlichen Wettstreit in seiner Seele antreten: »Wie, nachlässiger Balacin!« sagte er zu sich selbst, »ist wohl dieser schmerzliche Verlust jemand anders beizumessen, als dir? haben dir die Götter deswegen ein so wertes Kleinod überantwortet, daß du es aus deinen Augen lassen, und nur auf eigene Sicherheit bedacht sein solltest? o verfluchtes Schicksal! bin ich denn nur allein das Ziel, nach welchem das Unglückswetter alle seine Keile richtet? O verhaßtes Sonnenlicht, kunntest du uns nicht einen Teil deiner Strahlen diese Nacht verleihen, damit wir nicht auf diesen Irrweg und in solche Wehmut geraten dürfen? ach wehe mir! ich bin die einige Ursache, daß Banise verloren ist. Allein, sollte auch dein Arm so mächtig gewesen sein, deine Prinzessin aus der Hand so viel Jäger zu erretten? jedoch hättest du zu Bezeugung deiner wahren Liebe dein Blut vor ihren Augen aufopfern, und vor ihre Wohlfahrt sterben sollen. Was wäre ihr aber[273] mit meinem Tode gedienet gewesen, wenn sie hingegen im Leben dem Tyrannen in Armen und von aller Welt verlassen geblieben wäre. Auf derowegen mein Geist, und erkenne diese Verblendung vor eine Schickung der Götter, welche dein Leben vor die Prinzessin sparen wollen. Denn gewiß, lebendig hätten auch die Höllengeister sie nicht sollen aus meinen Armen reißen: nachdem ich mich aber in der Freiheit und in dem Zustande befinde, daß, wo kluge List fehlschläget, ich solche durch tapfere Gewalt ersetzen könne: so will ich keinen Augenblick säumen, die von dem Himmel geschenkten Szepter ergreifen, ganz Pegu mit Blut und Brand überschwemmen, und mich nicht eher versöhnen lassen, bis die himmlische Banise mit unbeflecktem Leibe und Gemüte meiner Macht überliefert wird. Die Götter stehen dir werteste Banise, indessen bei, verhindern des Tyrannen unkeusche Anschläge, und beschützen dein Leben!« Mit welchen Worten er sich wieder zu Pferde und nach dem Orte der geruheten Klepper begab, vermittelst derer er in möglichster Eil den geradesten Weg nach Ava fortsetzte. Wie wird aber die eines bessern Glückes würdige Banise in Pegu empfangen? Schlecht genung. Chaumigrem hatte indessen den Rolim nicht von sich kommen lassen, welchem forthin bessere Folge zu leisten, er sich gänzlich entschlossen. Sobald nun die Gefangenschaft der Prinzessin angekündiget ward, wurde er höchst erfreuet, und ersuchte den Rolim um treuen Rat, was er mit dieser flüchtigen Natter, wie er sie nennete, vornehmen sollte? »I.M. erfordern abermal«, antwortete der Rolim, »ein ungefärbtes Beiraten, welches vielleicht wiederum mit ungleichen Gnaden möchte angenommen werden. Ich trage zwar sonderbares Mitleiden mit Dessen entflammten Gemüte, welches das heftige Wesen der Liebe ganz eingenommen: jedoch sorge ich auch zugleich vor Ihr Heil. So schlagen I.M. doch dessen Rat nicht so gar in Wind, welchen die Erfahrung längst als redlich geprüfet hat: ja der auch seines Blutes vor Dero Wohlfahrt nicht schonen würde. Ich weiß mich zwar von allen großen Gütern arm, in diesem aber reich, daß niemals mein Herz das Gift der Wollust geschmecket habe. Denn die Liebe ist eine Phantasie und ungewisser Zweck. Es fühlet zwar ein jeder ihren ätnagleichen Brand, jedoch weiß sie keiner mit ihrem Namen recht zu nennen. Sie ist blind, und dennoch siehet sie schärfer als ein Luchs. Sie bauet ihren Thron in den Herzen, und ist doch ein unbegreifliches Wesen. Ich[274] weiß auch gar wohl, daß sich die Liebe durch Klugheit nicht binden lasse. Denn ein Vogel siehet den Leim, und die Mücke das Licht, dennoch läßt sich jener kirren, und diese verbrennet sich selber, das schnelle Rehe schauet das Garn, und der Schiffer kennet die Fahrt der ankerlosen See: Doch kann jenes das Sehen nicht klug, noch diesen die Gefahr verzagt machen. So rennet auch der, der da liebet, sichtbar in das Verderben, indem er nur zwei Hafen vor sich siehet, entweder die Wollust oder den Tod. Wie nun diesen zu meiden, jene allerdings zu fliehen ist, also sichere, daß nichts mehr schädlich, als die Wollust den Gemütern. Gegen die geharnischten Armeen darf sich unser Alter nicht so auf Gegenwehr gefaßt machen, als gegen die Wollust, welche, uns in ihr Garn zu locken, mit süßen Körnern streuet. Sie winket uns mit Engelaugen, und gewähret uns den Abgrund der Höllen. Wer nun sotane Wollust überwindet, der tut mehr, als wer seinen Feind in den Siegeswagen einspannet; indem Hercules eine weit größere Heldentat beginge, da er beim Scheidewege die Tugend erwählete, und die Wollust verließ, als er an Riesen, Schlangen und Löwen erwiesen hat. Nun diese Tugend müssen auch Ihr. Maj. erkiesen, wo Sie Ihren Namen dem Sonnenzirkel wollen einverleibet wissen. Eine Hand voll Ehre überwieget tausend Zentner Wollust. Sie lassen diese Schönheit durch den Tod verstellen, so wird die Vergessenheit eine erwünschte Ruhe wiederbringen. Denn es ist hohe Zeit, daß man den Tiger erwürge, wenn er die Klauen in unsere Kleider einsetzet, ehe er uns mit den Zähnen vollend zerfleische.« – »So sei es denn«, antwortete Chaumigrem, »lasset das schöne Untier eintreten, und den Todesspruch aus unserm Munde anhören.« Welches sobald erfolgete, und trat dies schöne Bild unter der unbarmherzigen Last eiserner Ketten nebst dem Scandor vor das grausame Gesichte des Kaisers. »Wie so flüchtig? Schöne Zauberin!« redete er sie mit verächtlichen Augen an. »Wie so grausam? Blutdurstiger Tyrann!« erwiderte die Prinzessin. »Ich verfluche meine Unbedachtsamkeit, daß ich nicht statt des unschädlichen Krauts Dutroa den stärkesten Gift in den Trank eingemischet habe, so hätte ich mich gerochen, und dürfte nicht diese sklavische Ketten tragen.« – »So hat die Schlange noch nicht ihr Gift verloren?« redete ihr Chaumigrem ein. »Lasset doch sehen, ob so ein heldenmütiges Herz die giftige Brust besitze. Die Todesqual soll diese Stimme bald verändern.« – »Dies eben such ich«, erwiderte die Prinzessin,[275] »denn du verfluchter Hund sollt wissen, daß ich dir zu Trutz mein Leben verachte. Reiche mir nur einen Dolch her, so sollstu sehen, wie beherzt mein Blut diese Ketten bespritzen soll.« – »Rasende Banise«, versetzte er, »so lässest du dich eine tadelhafte Verzweiflung dermaßen beherrschen, daß du die Gruft dem Throne und ein Henkerbeil dem Szepter, ja die grausamste Marter einer kaiserlichen Liebe vorzeuchst? Bedenke dich wohl, unbesonnene Prinzessin, und wisse, daß verschmähete Gunst Haß und Tod bringe.« – »Wohl!« antwortete Banise, »lasse nur deine zunftmäßige Gesellschaft, die Henkersbuben ankommen! lasse sie Pech und Schwefel herbringen, und siedendes Öl über den ganzen Leib fließen. Ja, du kannst zu deiner Lust selbst zugreifen, und mir das Mark aus den Beinen pressen, doch wisse, daß ich weit lieber geschmolzen Erz als deine Lippen küssen will.« – »Führet die rasende Seele beiseite«, befahl Chaumigrem, »und gönnet ihr wenige Stunden, wieder zu sich selbst zu kommen.« Sobald nun dieses geschehen, redete er den Rolim an: »Ich weiß nicht, ob dies zauberische Bild mich auf natürliche Art entzündet hat: Denn ob ich mir zwar die Beschleunigung ihres Todes auch durch meine Hand vorgenommen, so erstarrete doch mein Arm, und das Herze bebete, als ich nur einen Blick auf sie geworfen. Ihr steinhartes Herze und verbitterte Worte sollen mich wohl bewegen, auch die Unschuld selbst zu ermorden: allein auch unter den trüben Wolken ihres Gesichtes drang ein solcher Anmutsblitz in mein Herze, daß ich fast entgeistert schiene. Ach grausame Banise! welche ein arimaspischer Wolf mit Gift und Blute muß gesäuget haben. Ihr kaltes Herze muß auch das Eis aus Zembla übertreffen, weil mein heißes Bitten weder vormals, noch mein flammendes Begehren jetzund zu schmelzen vermochte. Ratet derowegen, treuester Rolim, ratet, wie der Kaiser zu retten, und seine brennende Unruhe zu stillen sei.« Diesen alten Greis, den Rolim, hatte nun, ich weiß nicht was vor eine heimliche Regung betroffen, daß, indem er die Banise noch niemals gesehen, viel weniger dero Schönheit in einige Betrachtung gezogen, er fast mit dem Kaiser in gleiches Fieber zu geraten schiene: Dannenhero er alle Gedanken ihres Todes vergaß, und bloß auf ihre Erhaltung bedacht war. »Weil denn I.M.«, antwortete er dem Chaumigrem, »sich so gar nicht getrauen den Fesseln der Liebe zu entgehen, ja bereits solchen Verlust dem Leben gleich achten: so will ich[276] mich auch hierinnen als ein treuer Diener erweisen, und mich bemühen, die verstockte Prinzessin durch mein Ansehen und Beredsamkeit so weit zu vermögen, daß sie endlich vernunftmäßig sich des Kaisers Liebe erwählet, und den eingewurzelten Haß durch eine beständige Liebe vertilgen lasse. Vergönnet's mir nur I.M. so getraue ich mir wohl, ihr die Liebespillen erwünscht einzubringen. Angesehen sie nur noch ein Kind ist, das noch in Schalen stecket, und ein Baum, auf welchem der Kützel noch nie geblühet hat. Ich aber will ihr schon durch süße Lehren die Knospen auftun.« – »Ach wertester Vater«, umarmete ihn Chaumigrem, »auf Euch beruhet das Heil meiner Seelen. Tut, was Ihr saget, und versichert Euch, wo Ihr diese Schöne besieget, so soll mir zwar Banise in Armen, der Rolim aber im Herzen liegen.« – »Ich wünsche«, sagte der Rolim hierauf, »so beglückt als mühsam zu sein.« Womit er zugleich sich nach dem Zimmer verfügte, worinnen die armselige Banise gefangen saß: sobald er aber solches betrat, befahl er im Namen des Kaisers, sie aller Ketten zu entledigen, worauf er die weinende Prinzessin anredete: »Schönste Prinzessin! sie hemme den Lauf Ihrer Tränen, und versichere sich, daß Sie, wenn Sie will, ein Paradies hier schmecken könne. Ich komme hier als eine Biene, welche Klee suchet, und vor ihren Kaiser sorget, dessen Mund so sehr nach Ihr lechzet. Der Blitz Ihrer Augen hat ihn entzündet, und ich sehe selbst, wie anmutig der Scharlach Ihren Mund und der Purpur Ihre Wangen decket. Hier brennet lebendiger Schnee, und dort quillt Zinnober: Und diese Schönheit ist würdig, einen Kaiser zu vergnügen.« – »Ehrwürdigster Vater«, erwiderte die Prinzessin, »ich betaure, daß Ihr mich mit blöden Augen ansehet: nachdem ich aber Eures hohen Verstandes sattsam vergewissert bin, so bitte ich wehmütigst, doch der gesunden Vernunft einigen Platz einzuräumen, und zu erwägen, ob es möglich sei, den Mörder der Seinigen, und den Räuber seines Vaterlandes mit verliebten Augen noch anzusehen. Wäre dieses nicht ein Zeichen höchster Leichtsinnigkeit, ja ein vollkommenes Merkmal eines lasterhaften und geilen Gemütes, wenn ich mich die Lippen, welche kurz zuvor das Todesurtel über meinen Vater ausgesprochen, küssen, und die Hand, welche noch von dem warmen Blute der lieben Meinigen rauchet, berühren ließe.« – »Es ist zwar wohl getan«, fiel ihr der Rolim in die Rede, »und höchstlöblich, den Tod der Seinigen zu betrauren, ja auch, wenn uns die Götter[277] die Gewalt verliehen, solchen aufs grausamste zu rächen. Wo aber dieses ermangelt, so sehen wir daraus, wie sich der Himmel die Rache selbst vorbehalten, und wir unvermögende Menschen uns indessen gebührend in die Zeit schicken sollen. Dieses ist eine Art der größten Klugheit, und würde sich hiedurch die Prinzessin einen Kranz ewigen Ruhmes winden: wenn sie allen Haß bei diesem unveränderlichen Zustande hintansetzte, und sich durch Einwilligung in des Kaisers verliebtes Begehren gleichsam in den väterlichen Thron einsetzte.« – »Wertster Rolim«, war der Prinzessin Gegenrede: »dieses ist eine Staats- aber keine Tugendregul. Mich würde ich zwar einigermaßen vergnügen, wo ja dies eine Vergnügung zu nennen ist, wenn uns jedweder Tritt ein blutiges Andenken der werten Eltern vorstellet: hingegen aber würde ich mir auch zugleich ein solches Schandmal bei allen Völkern anbrennen, welches meinen Ruhm verfinsterte, und meine Tugend begrübe, denn die Tugend kann uns nur vergöttern, und solange ich diese im Herzen fühle, ist mir Thron und Kron verhaßt.« – »Ja wenn uns auch«, bemühte sich der Rolim ferner, »außer diesem unsere Freiheit und Leben erlaubet würde, daß wir unser Leben in stiller Einsamkeit zubringen, und nicht vielmehr Marter und Tod, welches der Kaiser dräuet, ausstehen dürften.« – »Auch dieser«, versetzte Banise, »jaget mir keinen Schrecken ein, denn die Eigenschaft der Tugend gleicht den Palmen, welche durch die unterdrückende Last nur desto kräftiger werden. Sturm, Unglück und Herzeleid ist die beste Lust der Tugend, Angst ist ihre Mutter und Elend ihre Amme. Ja alle ihr Schmuck bestehet in Tränen, Blut und Asche. Es schneide und brenne der Tyranne, wie er will, so werde ich doch durch Stahl und Feuer so rein als Gold und Diamant werden.« – »Ich muß Ihren engelhohen Sinn rühmen«, erwiderte der Rolim, »und mich über Dero Standhaftigkeit verwundern. Allein je höher ich solches schätze und rühme: je größers Mitleiden muß ich mit Dero Untergang haben. Ihre Tugend muß ein Rolim loben, und Dero Schönheit ein Kaiser lieben: So erbarme Sie sich doch über sich selbst, und lösche nicht selbst die herrliche Fackel Ihres Lebens vor der Zeit aus. Sie beraube doch nicht ganz Asien einer solchen Schönheit, womit die übrigen Teile der Welt schwerlich prangen können. Sie rate sich selbst, und zähme den Löwen durch Sanftmut und Liebe.« – »Ach trautester Rolim«, antwortete sie mit entzückenden Gebärden,[278] »redet mir nicht ferner vergebens ein. Ich kann, ich soll, ich will den Chaumigrem nicht lieben: sondern wo ja mein Trutz büßen, und die Schuld meiner natürlichen Liebespflicht den Tod verdienet hat, so soll mein unentweiheter Leib mit Freuden die schärfesten Säbel färben. Wollet Ihr aber Euch, als ein Vater, über diejenige erbarmen, welche Euch vor des Kaisers Herze und ihren Engel hält, werdet Ihr, sage ich, nach Vermögen dem Kaiser die schwärmende Begierden vernünftig ausreden, so soll Euch mein Herze ewig verpflichtet sein, und der Himmel wird Euch vor solchen heiligen Dienst ewiges Heil zulegen.« – »Mein Kind«, hub der halbentzündete Rolim an, »dies ist eine Bitte, welche von der Unmöglichkeit besieget wird. Denn wer sich des Kaisers Brunst zu dämpfen unterstehen will, der geußt nur Öl ins Feuer und Wasser auf glühende Steine. Doch weil ich Ihre Wohlfahrt der meinen gleich schätze, so will ich tun, was mein Vermögen erlauben wird, ja ich will auch mit meiner Gefahr vor Sie handeln, und reden, was mir Beredsamkeit und List eingeben wird. Jedennoch stehet es nicht zu raten, daß man bloßerdings alle Liebe dem Kaiser versage, sondern ein so wichtiges Werk der Zeit anbefehle. Solche aber zu gewinnen, so wende man eine Gelübde vor, wie Sie nicht eher in des Kaisers Begehren einwilligen könne, sie haben denn den jämmerlichen Verlust der Ihrigen sechs Monat in dem Tempel Conqviay des Gottes der Tausend Götter, wo Ihres Vaters Gebeine ruhen, beweinet: So nun Ihr Wille meinem wohlmeinenden Rate beipflichtet, so eile ich, den Kaiser hierzu zu bereden.« Solches war der Prinzessin, welche aus keuscher Einfalt des alten Rolims Absehen nicht merkte, höchst angenehm: weil bei solchem Erfolg ihr Prinz Zeit und Raum bekäme, sie mit Gewalt zu erlösen: Der Tempel aber stund ihr so weit wohl an, weil sie in selbtem vor dem Kaiser wohl versichert war, indem solchen niemand außer dem Rolim betreten durfte. Inzwischen war dem Chaumigrem des Scandors Gesichte ziemlichermaßen bekannt vorgekommen: dannenhero er solchen in dem innern Burghofe vor sich bringen ließ, und ihn sobald vor den Scandor erkannte. »Siehe da!« redete er ihn an, »du sauberer Vogel deines Herrn! führet dich die Rache in unsere Gewalt! Entdecke alsobald, aus wessen Antrieb du diesen Menschenraub zu begehen dich unterstanden hast.« Scandor antwortete beherzt: »Ich bin ein Diener meines Herrn, dem nicht nachzugrübeln gebühret, ob der Befehl seines Herrn recht[279] oder unrecht sei. Ich gehorsame, und wenn er mir befohlen hätte, die Burg zu stürmen, so wäre ich mit der Nase wider die Mauer gelaufen, und hätte ich ein blutiges Zeichen meines Gehorsams sollen zurücke bringen.« – »So hat es dir dein Herr befohlen?« redete Chaumigrem weiter: »Wo ist aber derselbe?« – »Er ist heute«, antwortete Scandor, »auf der Post vorbeigegangen, und hat mich mit dem Felleisen zurücke gelassen.« – »Dein Prinz ist selbst zugegen gewesen?« fragte er ganz verwundernde, »und hat wohl selbst diesen Raub begehen helfen? Warum hat er uns aber nicht die Ehre seiner Gegenwart gönnen wollen?« fragte er ferner mit höhnischen Gebärden. »Weil der Postillion nicht warten wollte«, erwiderte Scandor; »er wird sich aber eine eigene Mühe machen, I. Maj. zu besuchen, welches in kurzem geschehen dürfte.« – »Indessen«, versetzte Chaumigrem, »sollst du vor der Stadt in freier Luft deines Herrn erwarten, indem wir dich dem Stricke anvertrauen wollen.« – »Von der Hand eines Kaisers zu sterben«, war Scandors Einrede, »achte ich vor eine große Ehre: und durch mich werden hernach auch die Raben von des Kaisers Gnade zeugen können.« Worauf ihn der Kaiser wieder an seinen Ort zu führen befahl.

Sobald Chaumigrem sein Zimmer betrat, wartete ihm der Rolim bereits auf, welchen er alsbald anredete: »Was bringt Ihr uns, mein Rolim, Vergnügung oder Pein?« – »Die Zeit kann alles ändern«, antwortete der Rolim, »ein Baum fällt nicht durch einen Schlag.« – »So lässet sich«, hub der Kaiser an, »das Felsenherze nicht bewegen, o Himmel! und schlägt sie des Kaisers Liebe trotzig in Wind?« – »Nein!« versetzte der Rolim, »sie rühmet diejenigen selig, welche einen solchen Kaiser zu lieben fähig sind.« – »So stößet sie denn«, fragte er ferner, »solche Seligkeit mit Füßen von sich: Ist das möglich, daß sich ein großer Fürst von einem schwachen Weibesbilde soll abhenkern lassen? Des Nachts lässet sich ihr zauberisch Bild im Traume umarmen: Des Tages knie ich als ein Sklave seufzende vor ihr, und dennoch kann ich durch solche Höllenpein nicht ihre Gunst erlangen. Soll ich denn nun ihrentwegen unvergnügt sterben?« – »Großmächtigster Kaiser«, bemühete sich der Rolim, ihm einzureden, »Holz, das bald Feuer fängt, hält nicht lange Kohlen. Der Hundsstern, welcher fast die halbe Welt durch Hitze verzehret, hat nicht lange Frist zu brennen. So hoffe ich auch, es werde Zeit, Witz und Vernunft den gählingen Seelenbrand in E. Maj. leschen.[280] Ich muß es selber gestehen: auch schlechte Blumen gefallen bisweilen Augen: Allein, wo ich urteilen kann, so stehet Banise dem Chaumigrem nicht an.« – »Ach leider!« seufzete der Trostlose, »dies ist kein Pflaster vor meine Wunden. Die Seife der Verachtung ist zu wenig, ihr Bildnis aus meinem Herzen zu tilgen. Wie mag Euch doch nun die Göttin verächtlich vorkommen, welche Euch zuvor durch den ersten Anblick zu einem Beifall meiner Liebe bewegen kunnte.« – Der Rolim erwiderte: »Des Menschen Vorwitz fällt bisweilen auf nichtswürdige Dinge: und ein geringes Licht, welches man zuerst ersiehet, kann unsere Augen verblenden. Nachdem ich aber ihre Schönheit etwas genauer betrachtet: so schwere ich, daß ihre Schönheit bei weitem nicht so vollkommen ist, als sie sich im ersten Anblick vorstellete. Die Augen sind zwar schöne, doch ohne Strahlen, welche ein Herz entzünden sollen. Ihre Lippen scheinen mehr von einer Einfalt als Anmut beseelet zu sein. Die Brüste sind zwar Schneeberge, jedoch ohne Flammen. Die Wangen sind mit einer unanständigen Röte beschränket, und ihre ganze Gestalt versichert uns, es wäre leicht eine größere Schönheit anderswo zu finden.« – »Ach schweiget, Rolim!« redete ihm der Kaiser ein, »denn auch dieses, was Ihr als Mängel aufsetzet, entzükket meine Augen am meisten: denn Ihr, als ein Feind der Wollust, wisset nicht von der Schönheit zu urteilen. Was vor ein grausames Verhängnis aber hat mir dieses Liebesgift eingeflößet, daß ich brennen und verbrennen muß? Auf derowegen! ich will erweisen, daß Zwang und Tod eine verachte Liebe begleiten.« – »Weil denn«, hielt ihn der Rolim auf, »I. Maj. außer ihrer Liebe zu sterben vermeinen: so habe ich mit gutem Vorbedacht anfangs ihre endliche Bewilligung verschweigen wollen. Nachdem aber keine andere Arznei als ihre Gegenhuld hier anschlagen will! so wisse I. Maj. daß sie sich nunmehr entschlossen, dem Verhängnisse, welches ihr selbst zuwider scheinet, nicht ferner zu widerstreben, sondern den Kaiser ihrer Liebe würdig zu schätzen. Sie verbannet allen Haß, und will den Kaiser als ihren Eheschatz willig küssen. Weil aber das bittere Andenken der ertöteten Freunde stete Wehmut in ihr kochet, und ihre verborgene Glut noch stets zurücke hält, so bittet sie um der Liebe willen, womit ihr der Kaiser zugetan zu sein vorgibet, ihr doch nur zu erlauben, daß sie der Natur und kindlichen Liebe gemäß die Ihrigen sechs Monat lang beweinen, und dann[281] hernach mit desto fähigerm Geiste Ihr. Maj. lieben und vergnügen könne.« – »Einfältiger Rolim«, stellete ihm Chaumigrem entgegen, »ist Euer Verstand zu wenig, den Sinn dieser Arglistigen zu erforschen? Könnet Ihr nicht merken, was vor einen Gift diese Schlange unter dieser sechsmonatlichen Trauerzeit verborgen hält? die uns in sechs Tagen hintergangen, und schimpflich betrogen hat, wird in sechs Monaten noch eine weit größere List bewerkstelligen, und die Klugheit selbst übermeistern können«. – »Nein! I.M.«, versetzte der Rolim, »diesen Argwohn uns allen zu benehmen, bittet sie um Erlaubnis, ihre Trauerzeit in dem mir anvertrauten Tempel des Gottes der Tausend Götter zuzubringen, aus welchem sie nicht eher, denn in des Kaisers Armen schreiten will. I.M. überlegen es wohl. Es ist ein billiges Begehren, wodurch ihr Gewissen befriediget, und der Kaiser vergnüget werden kann. Außer diesem ist sie gänzlich entschlossen, sich selbst durch den Tod eine ewige Trauerzeit und hierdurch I.M. eine stete Wehmut zu verschaffen.« – »Wer will sie aber mir«, fragte der besorgte Chaumigrem, »hernach in die Arme liefern? Oder wer will mich ihrer Liebe versichern, daß nicht ein abermaliger Betrug, welcher den ersten übertreffen möchte, darunter verborgen sei.« – »Derselbe Bürge«, antwortete der Rolim, »will ich sein. Der wohlverwahrte Tempel und die stete Einsamkeit verbietet ihr alle Flucht, und machet mich so kühne, daß ich verspreche, sie selbst in I.M. Bette zu liefern, und sie mit Segen zu belegen. Hierdurch werden I.M. erweisen, wie Sie mächtig genung sind, Ihre Begierden zu beherrschen, die Prinzessin aber wird dieses zu desto größerer Gegenliebe verbindlich machen.« – »So sei es denn«, entschloß sich der Kaiser, »Rolim, ich binde sie auf Eure Seele: und wisset, daß Ihr mir mit Eurer Heiligkeit und Leben davor haften sollet. Lasset sie aber alsobald in den Tempel begleiten, damit sie nicht durch frisches Anschauen das Feuer meines Verlangens noch heftiger entzünde. Ihren Mitgefangenen aber sei zu wahrer Bezeugung meiner gegen sie tragenden Huld zugleich die Freiheit geschenket.« Wie nun der erfreuete Rolim untertänigst im Namen der Prinzessin gedanket, verfügte er sich sobald zu der Prinzessin, hinterbrachte ihr seine beglückte Verrichtung, und führete sie mit ihrer Vergnügung in seinen Tempel, allwo sie in ein Zimmer, welches fast einer Kapellen ähnlichte, eingeleget, und ihr niemand als die Eswara zugegeben wurde. In dieser Zelle wollen wir sie[282] eine Zeitlang ihren elenden Zustand beweinen lassen, und inmittelst unser Gemüte nach Ava senden.

Scandor hatte seine Freiheit kaum erlanget, so verließ er Pegu, und eilte seinem Prinzen nach, welchen er zu Ava glücklich antraf, und durch die sechsmonatliche Frist vor die Prinzessin höchst erfreute. Weil ihm nun die Zeit sehr edel zu sein dauchte, und jedwede Stunde höher denn Gold schätzte: als berufte er in aller Eil den Reichsrat und vornehmsten des Reichs gen Hofe: welche, in Meinung ihren Prinz zu krönen, sich allerseits gehorsamst einstelleten. Sobald sie aber in einem großen Saal versammlet waren, hielt er in Person eine weitläuftige und wohlgesetzte Rede an sie, in welcher er ihnen die viel und unbillig zugefügte Schmach, so er von seinem Vater und so folgbar als ein Vertriebener an fremden Orten erdulden müssen, beweglichst vorstellete: Und wie er sich jedennoch eiferigst bemühet, den kindlichen Gehorsam jederzeit zu beobachten: Weswegen ihn auch die Götter gesegnet, daß er nicht allein die Krone von Ava aufsetzen, sondern auch den Thron von Aracan besteigen könnte. Weil er sich aber zu schwach, wo nicht zu untüchtig befände, zwei solche mächtige Völker zu beherrschen, welche beiderseits eine stete Gegenwart erfoderten: als wäre er mit ihrer allerseitiger Genehmhaltung gewilliget, sein Frl. Schwester, als eine ihres hohen Verstandes wegen, wohlbekannte Prinzessin, ihnen als Königin vorzustellen, indem Ava, als ein Erbreich gar wohl ein weibliches Oberhaupt erdulden könnte. Solches würde er nicht allein gnädigst zu erkennen wissen, sondern auch das Wahlreich Aracan dermaßen mit Ava verknüpfen, daß sie in stetem Wohlstande leben könnten, und sich vor keiner auswärtigen Gefahr fürchten dürften. Weil nun die Prinzessin durchgehends fast beliebt und in sonderbarer Hochachtung war, so baten sie um wenige Stunden Bedenkzeit, weil sich gleichwohl einige unruhige Köpfe da widersetzten: welches ihnen auch bewilliget ward. Nachdem aber die meisten Stimmen dem Prinz beifielen, so erfolgete endlich eine allgemeine Bewilligung, welche sie sofort dem Prinzen zu sonderbarer Vergnügung hinterbringen ließen. Der Prinz verfügte sich in der Prinzessin Gemach und bote ihr mit brüderlicher Inbrünstigkeit die Krone von Ava an, welche sich hierüber nicht wenig entsetzet, und sich kaum kunnte bereden lassen: daß ein Bruder auch mit Kronen so freigebig sein könnte. Als er aber sie völlig bedeutete, sie auch durch einige Abgeordnete von[283] den Reichsständen zur Krone ersuchet ward: wußte sie sich nicht dankbar gnug gegen dem Prinzen anzustellen. Folgenden Morgen wurde ein hohes Gerüste auf dem Marktplatz aufgerichtet, welches mit golddurchwürkten Teppichten häufig behänget war. Auf diesem lag die Krone unter einem Himmel auf einem Tische. Um neun Uhr kam der Prinz, führete die Prinzessin bei der Hand, und wurde von allen Großen des Hofes und Reiches wie auch vielem Frauenzimmer begleitet. Sobald sie das Gerüste erreichet und bestiegen hatten, fragte der Prinz die gesamten Reichsstände zu dreien Malen, ob sie zufrieden wären, daß die Prinzessin Higvanama als ihre Erbkönigin gekrönet würde. Als nun hierauf ein überall schallendes Ja erfolgte: nahm der Prinz die Krone mit eigner Hand, und setzte sie der Prinzessin mit diesen Worten auf: »So setze ich dir denn, werteste Schwester, die Krone von Ava im Namen der Götter auf: Und zwar erstlich als ein Königliches Regierungszeichen, welches Sie jederzeit Ihres hohen Amtes erinnern: Vors andere als ein brüderliches Liebeszeichen, wobei sie jederzeit ihres treuergebensten Bruders gedenken soll.« Als nun alle übliche Krönungsgebräuche dabei vorgegangen: erhub sich ein ungemeines Freudengeschrei unter dem ganzen Volke, und wurden drei Tage hierauf in höchsten Freuden gefeiert. Sobald auch der Prinz alles in gute Ordnung und Verfassung seiner Fräulein Schwester zum besten gesetzet, verließ er stillschweigende Ava, und begab sich nach Aracan, allwo er mit unsäglichen Frohlocken des sämtlichen Volkes empfangen ward: als welches vorlängst nach einem rechtmäßigen Könige geseufzet: weil es der schweren Regierungsart einiger Reichsräte ganz überdrüssig war.

Sobald er nun von den anwesenden Reichsräten und sämtlichen Volke gebührend empfangen worden: begab er sich sofort nach der königlichen Burg. Und nachdem der Vortrag wegen Annehmung der Krone geschehen: wurde solches von dem Prinzen gnädigst und willigst angenommen: dannenhero gleichfalls nach wenig Tagen zur Krönung geschritten wurde, zu welcher alle Untertanen des Reichs, sowohl Männer als Weiber, welche über sechzehn Jahre waren, erscheinen mußten. Da man denn das Volk zu Wasser und Lande häufig herzukommen sahe. Alle Großen erschienen in ihrem prächtigsten Habit, mit köstlichen Schiffen, Dienern und Sklaven so, daß die Menge nicht zu zählen war. Als nun der Tag der Krönung[284] endlich erschienen, sahe man vor dem königlichen Schlosse, welches mitten in der Stadt liegt, alle Plätze gekehret und geschmücket und mit hocherhabenen Schaubühnen gezieret. Eine große Menge Soldaten stunden im Gewehre, um alle Unordnung zu verhindern, damit der König von allen möchte gesehen werden. Endlich kam Se. Königl. Maj. unter dem Schalle der Trompeten, Schalmeien, Pauken und Trommeln aus seinem Palast auf einem weißen Elefanten geritten, bekleidet mit den köstlichsten asiatischen Kleidern, mit Perlen, Kleinodien und unschätzbaren Edelgesteinen gezieret. Seinen Türkischen Bund überdeckete eine königliche Krone, welches seine Majestät prächtig vermehrete. Er saß in einem Gezelte, welches auf den Rücken des Elefanten erbauet war: auf dessen Genicke ein aracanischer Edelmann saß, welcher die ungeheuere Bestie regierte. Dieser Elefant war mit köstlichen und gestickten Decken behangen, und ging abgerichtetermaßen mit langsamen Schritten fort: damit er dieses großen Königes Ehre und Herrlichkeit an diesem Tage vergrößern möchte. Über dem Haupte des Königes wurde durch einige Edelleute ein überaus kostbarer Sonnenschirm getragen: Viel ansehnliche Staatsleute aber, nebst einigen aracanischen Helden gingen mit ihren Waffen zu Fuße um den König. Worauf ein vornehmer Mohrenprinz nebst dem größten Sicken5 des Reichs auf einem köstlich gezierten Elefanten mit vielen Dienern und Trabanten folgeten. Nach diesem ritten Mann für Mann, alle hohe Personen des Königreichs ordentlich nacheinander auf Elefanten, und wurden gleichfalls von Spielleuten, Dienern und Beiläufern begleitet. Niemals hat man eine größere Pracht an Kleidern, Gold, Silber und Edelgesteinen als zu der Zeit gesehen, ja meine Feder ist zu schwach, diesen majestätischen und unvergleichlichen königlichen Aufzug der Gebühr nach zu beschreiben. Hier sahe man Säbel, Hellebarden, Lanzen, Pfeile, Bogen, Assagyen und dergleichen Gewehr in unbeschreiblicher Menge. Die Sonnenschirme, Fahnen und Wimpel, wodurch der Aufzug herrlicher gemacht ward, nebst den musikalischen Instrumenten waren unzählbar. Die aracanischen Talpooys oder Priester nebst den Musikanten schlossen den Reihen. Die Mauern des königlichen Palasts, Märkte und Straßen nach dem Schlosse zu sahe man an beiden Seiten mit tapfern Soldaten, in Lieberey und in weiße Baumwollen-Leinwand gekleidet,[285] mit bloßen Säbeln, Picken und Assagyen in den Händen, besetzet, damit der königliche Aufzug ohne verhinderliche Unordnung geendiget werden möchte. Auf solche Weise zog der König durch alle fürnehme Straßen und Plätze der großen Hauptstadt Aracan, so, daß er von viel tausend Menschen zugleich könnte gesehen werden. Worauf er auf einer mit Golde fast bedeckten Bühne die Krone empfing, und ihm von den Untertanen der Eid der Treue abgeleget wurde, welches von allen Ecken mit großem Frohlocken und vermischtem Geschrei geschahe. Als dieses verrichtet, wurden unter dem Klange der Pfeifen, Trompeten und Pauken alle Stücke auf den Stadt- und Schloßmauren gelöset: zugleich sahe man allerhand Kunst- und Freudenfeuer, worinnen die Aracaner alle ostindische Völker übertreffen, angezündet und in die Luft fliegen: welcher Aufzug endlich mit abermaliger Lösung der Stücken geendiget wurde. Diese Krönung war kaum geendiget, so bemühte er sich, wie in Ava, alle Unordnungen genau zu untersuchen und abzuschaffen, die gekränkten Gesetze zu verbessern, und durch Erlassung der schweren Anlagen sich die Gemüter des Volks zu verbinden. Bevoraus hub er die zwei harten Gewohnheiten der regierenden Könige gänzlich auf: kraft deren sich ein König nur alle fünf Jahr einmal von seinen Untertanen durfte sehen lassen: ingleichen, daß er seine Schwester ehligen mußte: Ursache, weil Adams Sohn auch seine Schwester zum Weibe genommen habe. Und nachdem auch die heilsame Vorsorge rühmlichst vollbracht worden, schrieb er eine allgemeine Zusammenkunft der Reichsstände aus. Als nun diese häufig gehorsamst erschienen, und begierig waren, ihres neuen Königs und Herrn Ansinnen zu erfahren, ließ er sie alle in den vördern Schloßplatz zusammenkommen: der König aber stellete sich an einen etwas erhabenen Ort, von welchem er wohl kunnte gesehen und gehöret werden, und redete sie folgendergestalt an: »Getreueste Reichs-Sassen: Wie Wir Eure sonderbare Zuneigung aus der an Uns vollzogenen Wahl sattsam erkennet haben: Also versprechen Wir Uns zuversichtlich eine durchgehende reine Treu und untertänigen Gehorsam von euch: Versichern Uns auch zugleich dabei, daß ihr, wie es getreuen Untertanen gebühret, vor die Wohlfahrt eures Oberherrn und dessen Schmach zu rächen, euer Gut und Blut nicht verschonen würdet: welches Wir jederzeit gnädigst zu erkennen, und gleiches von euch zu leisten wissen werden. In solcher Zuversicht können[286] Wir euch nicht bergen, was maßen annoch bei Leben Unsers Herrn Vaters, mildesten Andenkens, Wir nicht allein von dem damaligen Grafen Chaumigrem, jetzigen Tyrannen von Pegu, zu unterschiedenen Malen empfindlichst beleidigt, ja von Unserm väterlichen Hofe gar verjaget worden: sondern auch, wie Wir Uns mit des großmächtigen Kaisers Xemindo in Pegu Fräulein Tochter, der Prinzessin Banise würklich verlobet haben: welche, als eine Uns rechtmäßig versprochene Braut, erwähnter Tyrann, aus unkeuschen Trieb, zurücke hält, und sich des ganzen Reichs Pegu, dessen Krone Wir Uns nunmehro vermittelst dieser hohen Heirat anzumaßen haben, gewaltsamerweise bemächtiget hat. Wir wollen dieses zu eurer reifern Erwägung überlassen, wie nötig es sei, nach dem bekannten Sprichworte beizeiten zu löschen, wenn des Nachbars Haus brennet. Denn dieser herrschsüchtige Tyrann will nach einer allgemeinen Monarchie über ganz Asien streben, und wird so folgbar nicht unterlassen, auch dieses Reich mit seinen Raubklauen anzutasten. Weil nun dieses alles solche dringende Beweg-Ursachen sind, welche nicht sowohl zu Beschirm- als würklicher Bekriegung dieses allgemeinen Feindes zwingende Anleitung geben: Als fragen Wir euch, tapfere Aracaner! ob ihr den Angriff eines so mächtigen Feindes mit lässigen Händen erwarten, euch beraubet, eure Weiber geschändet und die Kinder vor euren Augen denen Elefanten zur Speise hingeworfen sehen: oder solchem vielmehr tapfermutig vorkommen, und den Feind in seinem eignen Lager aufsuchen wollet. Begehret ihr nun die Früchte des edlen Friedens vollkommen zu genießen, so könnet ihr euch deren nicht anders als durch eine Tapferkeit, welche im Kriege blühet, teilhaftig machen. Denn um des Friedens willen wird das Schwert geführet, und ein öffentlicher Krieg ist besser als ein besorglicher Frieden, ja ein verdächtig- und mächtiger Nachbar ist schlimmer als ein offenbarer Feind. Wie Wir Uns aber wohl zu bescheiden wissen, was vor eine schwere Sache um den Anfang eines Krieges, und wie solcher zwar in der Menschen, der Ausgang aber desselben in der Götter Händen sei: So haben Wir solches mit gutem Vorbedacht und reifer Überlegung, zuförderst mit Zuziehung derjenigen, welche ihr Vaterland und Ehre höher, als sich selbst lieben, vornehmen, und euch hieherbescheiden wollen: Sowohl Uns eures getreuen Beistandes zu versichern, als auch euren Rat, wie und auf was Weise solche schwere Sache anzufangen, mit gnädigen[287] Ohren anzuhören.« Wie nun eine stündige Unterredung der Sicken und des sämtlichen Adels wegen dieser Wichtigkeit gehalten worden, antwortete im Namen ihrer aller Ko-rangerim, ein Vetter des vorigen Königes und vornehmste Fürst unter den Reichsständen.

»Großmächtigster König von Aracan, Tipara, Chacomas, Jangoma, und Bengalen, Herr von Pegu! Wir in tiefster Untertänigkeit treuergebenste Stände und Untertanen dieses Reichs, statten gegen Ew. Königl. Majest. demütigst-gehorsamsten Dank ab, nicht sowohl vor die bereits gnädigst erwiesene reichsväterliche Vorsorge in Erhalt- und Verbesserung unserer Grundgesetze und dahersprossenden heiligen Gerechtigkeit: sondern auch vor itztermeldte höchst-rühmliche Sorgfalt, dieses unser wertes Vaterland vor den Mordklauen unsers verdächtigen Nachbars mächtigst zu beschirmen: auch das Reich Pegu, welches die Götter nebst dessen Prinzessin Ewr. Maj. von Rechts wegen gewidmet, mit dieser Krone zu vereinbaren. Wann wir nun denn wohl wissen, und mit gellenden Ohren die Grausamkeit des wütenden Chau-migrems gehöret, wie er Brama mit Aufruhr behauptet, Martabane geschleifet, Pegu verwüstet, Prom zerstöret, und wie gewisse Zeitung einläuft, seine unrechtsvolle Faust auch nach Siam ausgestrecket: so erinnern wir uns zugleich unserer untertänigen Pflicht und Gehorsam, womit wir in aller Treue I. Maj. verbunden: Kraft dessen wir Gut und Blut, Leib und Leben vor Dero hohe Wohlfahrt und unser liebes Vaterland aufsetzen sollen. Weil aber nach I. Maj. eigenen Geständnis ein Krieg von uns angefangen, nicht aber nach Willen geendiget werden kann, und derjenige, welcher den Harnisch anlegt, sich so wenig rühmen soll, als der, welcher ihn ablegt: so tun I.M. höchst-löblich, daß Sie nächst den Göttern auch Ihre getreuste Stände zu Rate ziehen wollen. Wie nun diese solches nochmals mit untertänigsten Danke erkennen: also sind sie bereit, vor I. Maj. und ihres lieben Vaterlandes Wohlfahrt ihr Äußerstes dranzusetzen, und ihren Säbel nicht anders, als nach erlangten Siegen, mit Ruhm und Ehren wieder einzustecken. Bitten aber zugleich in Untertänigkeit, Ihren treugemeinten Rat so weit gelten und Dero Waffen desto gerechter zu machen, durch eine ansehnliche Gesandtschaft sowohl die Prinzessin als Dero Erbreich Pegu in höflicher Güte abfordern zu lassen. Will solches alsdenn der Tyrann abschlagen, und uns durch solche unrechtmäßige Verweigerung[288] ein billiges Nachdenken verursachen, so heben wir das Recht auf und den Säbel an unserer Seiten, welcher alsdenn den mächtigen König von Aracan und den von Brama tapfer entscheiden soll.«

Solches rühmliche Entschließen vergnügte den König dermaßen, daß er nicht unterlassen konnte, mit freimütigen Worten ihre treue Tapferkeit öffentlich zu erheben, und sie höchster Gnade zu versichern. »Und wie Wir Uns«, beschloß er, »eurer wohlbedächtigtes Einraten gnädigst gefallen lassen: so übergeben Wir euch zu fernerem Bedenken, wie notwendig es sei, die Waffen zu ergreifen, ehe noch der Krieg angefangen wird. Dahero es sehr nötig sein wird, sich in volle Verfassung zu setzen, damit im Fall der Weigerung durch diese Gesandtschaft der Krieg zugleich angekündigt, und sofort der Feind in seinem Lande angegriffen werde«, welches ingleichen von den gesamten Ständen beliebet, und ein gewisser Ausschuß erwählet wurde: durch welche die Art und Weise, Geld, Volk, Lebens- und alle zum Kriege gehörige Mittel sollten herbei- und angeschaffet werden.

Als nun dieses alles zu des Königs höchster Vergnügung ausgeschlagen war, und er sich in eigner hoher Person vor solche treue Zuneigung bedanket hatte, fragte er sie insgesamt nochmals mit diesen Worten: »So ist es, getreuste und tapfere Aracaner, eure ernstliche Meinung, euch bei erfolgender Weigerung als Feinde des Chaumigrems zu erklären?« Worauf der sämtliche Adel ihre Säbel entblößten, und mit einmütiger Stimme: »Es lebe unser großmächtigster König Balacin, und alle seine Feinde müssen durch diese Säbel sterben!« ihre Einwilligung bezeugeten.

Folgende Tage wurde mit lauter Kriegs-Bereitschaften zugebracht, und auf alle Plätze der Stadt rote Blutfahnen ausgestecket. Der König selbst versäumte niemals persönlich dem Kriegsrate beizuwohnen: und wurden vor allen Dingen die Gesandten erwählet, welche nach Pegu gehen, und selbiges Reich nebst der Prinzessin von des Chaumigrems Händen fodern, widrigenfalls ihm sobald den Krieg ankündigen sollten. Zu welcher schweren Verrichtung vorerwähnter Korangerim erwählet, und ihm Karangeri, der dritte Reichsrat, zugegeben wurde. Welche sofort ihre Abfertigung erhielten, und den Chaumigrem vor der belagerten Stadt Odia suchen mußten: woselbst wir sie bald anzutreffen vermeinen.[289]

Inmittelst versicherte sich der König der Portugiesen, welche sich in Aracan wohnhaftig gemacht, als deren Tapferkeit ihm wohl bewußt. Ingleichen wurde in höchster Eil eine unsägliche Menge Pferde aus Pegu und Bengala verschrieben, weil deren fast keine in Aracan zu finden sein. Die Elefanten wurden gerüstet, die Völker zusammengezogen, und um ein großes vermehret, und, in summa, nichts unterlassen, was zu einem weit aussehenden Kriege wider einen mächtigen Feind nötig war.

Wir verlassen auf kurze Zeit das waffenbemühete Aracan, und schicken die Feder nach Pegu, welches gleichfalls mit seinem Kaiser auch die friedensvolle Zeiten verloren hatte. Denn, wie herrschsüchtige Gemüter von keiner Vergnügung wissen: indem ihre Begierden sich keine gewisse Grenzen vorschreiben lassen, und dahero wie der Krebs stets weiter um sich fressen: also war auch Chaumigrem noch nicht vergnügt, daß er aus einem dürftigen Grafen ein gekrönter Kaiser worden, sondern ganz Pegu war dem weiten Rachen seines Landhungers kaum ein Frühstücke. Dahero er ein lüsternes Auge auf seine Nachbarschaft herum warf, und Siam zum ersten Bissen erwählete unter dem Vorwand politischer Betrachtung, daß die Menge seiner Soldaten immerdar in der Übung zu halten wären, damit ihre Tapferkeit nicht verwelke, oder der Müßiggang ihnen Anlaß zu einiger Aufruhr gebe. Diesemnach ersonne er eine bequeme Gelegenheit, unter dem Schein einigen Rechtens den König von Siam zu bekriegen. Es ließen sich nämlich unterschiedene Könige in Asien damals Herren des Weißen Elefanten schelten, als nämlich der König von Bengala, Ava, Aracan, Siam und auch Pegu. Der Besitzer aber des weißen Elefantens war damals König Higvero in Siam, welcher sich dieses Tituls allein mit Recht anmaßen kunnte. Solchen aber, als ein Zeichen höchster Gewalt, wollte ihm Chaumigrem nicht verstatten: sondern unterstund sich wohl gar, durch eine uralte, doch falsche Zeitrechnung das Reich Siam als ein lehnbares Stücke von Pegu anzugeben. Dannenhero sendete er sofort eine unansehnliche Gesandtschaft nach Siam ab, und begehrte von dem Könige Higvero, nicht sowohl ihm alsbald den weißen Elefanten auszuhändigen und zu überschicken, sondern auch sich als ein Vasall von Pegu mit Lehnspflichten einzustellen. Wie ungereimt und höchst unbillig solches Anfordern dem Könige in Siam nun vorkam, so fertigte er doch diese schlechte Gesandten mit einer[290] abschlägigen, doch ganz höflich- und wohlgegründeten Antwort wiederum ab.

Nach welcher Verweigerung sich Chaumigrem sattsam berechtiget erachtete, Siam mit Gewalt zu bekriegen und sich unterwürfig zu machen. Dahero er denn eine entsetzliche Macht von zwölfmal6 hunderttausend Mann in kurzer Zeit zusammenbrachte. Solche bestunden nun aus zweimal hunderttausend zu Pferde, die übrigen aber alle zu Fuße, welche in drei Teile gesondert waren. Die ersten, in hundertundfunfzigtausend stark, waren mit Musketen, welche so gut als in Europa, versehen: zweimal hunderttausend trugen Lanzen von vollen und starken Rohren, welche oben mit einem spitzigen Eisen beschlagen waren: Die übrigen führten nur Schild und Schwert: Solche Schwerter waren dreiviertel Ellen lang, ein Querhand breit und ohne Spitzen, das Gefäß gleichete denen Cortelassen, und schnitten nur auf einer Seiten, die Schilde aber waren drei Hände breit und sechse lang, von gedoppeltem Leder gemacht, und mit einer hellen und schwarzen Mixtur, Archiran genannt, gehärtet. Von welcher Materie auch ihre Sturmhüte, welche allerdings den europäischen gleichen, gemacht waren. Das Geschütz ließ er meistens zurücke, weil er einen sonderlichen Abgang an hierzu geschickten Personen verspürte, indem er sich die Portugiesen durch Verhinderung ihres Handels ganz abspenstig gemacht hatte. Dahero nur hundertundzwanzig groß- und kleine Stücke mitzugeben befehligt waren, welche von großen lichtblauen und an Größe den Elefanten fast gleichenden Büffeln gezogen worden. Solche vertraute er etlichen gewissen Mohren von Bendala, welchen doch als Fremden wenig zu trauen war. An denen Elefanten vermerkte er den größten Mangel, weil ihm die meisten und streitbarsten vor Prom in dem verzweifelten Ausfalle draufgangen waren, also, daß er deren nicht mehr denn achthundert Stücke kunnte mit zu Felde nehmen. Weil er aber künftig deren mehr benötiget zu sein erachtete, als stellete er noch vor dem Aufbruche eine große Elefantenjagd an, wobei alle Feldherrn und Kriegsobersten der ganzen Armee erscheinen mußten. Diese Jagd aber war folgendergestalt angestellet:

In der neuen Stadt Pegu war auf einem geraumen Platze bei dem Tor ein weiter Schranken, mit starken hölzernen Säulen eingefasset, zwischen welchen ein Mensch den Elefanten[291] leicht entwischen, nicht aber von ihm verfolgt werden kunnte. Hierauf wurden zweihundert Elefantenweiblein, welche zu dieser Jagd abgerichtet, und auch das Anreden verstunden, herausgeführet, und in einen großen Wald welcher drei Meilen von Pegu gelegen und mit wilden Elefanten gleichsam besetzet ist, gelassen. Diese Weiblein wurden zuvor an gewissen Orten mit einem besondern Öl bestrichen, welches durch starken Geruch die wilden an sich zu locken pfleget. Sobald nun die Elefanten durch solches Öl zur Begierde gereizet waren, begunnten sie sich häufig denen Weiblein zu nähern. Diese aber, als schon abgerichtet, wichen gleichsam vor ihnen der Stadt zu, da jene in solcher Brunst als blind folgeten, und keinen Menschen scheueten, ob selbte gleich haufenweise die Weiblein anmahneten, was sie tun sollten. Nachdem sich indessen die Elefanten vermehreten, und jedwedes Weiblein einen Begleiter hatte, wurde dem Volke eine Zeichen mit Jagdhörnern gegeben, sich zurücke zu halten, um die Elefanten an ihrer Heimführung nicht zu hindern. Als die wilden Elefanten an das Tor gelangeten, begunnten sie alle zu stutzen: gleichsam als wenn sie es zuvor überlegen wollten, ob es ratsam sei, daß sie ferner folgeten. Endlich aber ließen sie sich doch ihre Begierden verleiten, und gingen in Hoffnung, wohl wieder einen Ausgang zu finden, mit langsamen Schritten bis in die verschlossenen Schranken hinten nach. Wie sie nun sämtlich in den Schranken waren, wurden die Gatter durch darzu verordnete Leute hinter ihnen niedergelassen, und also aller Ausgang verwehret. Die Weiblein verfügten sich wiederum in ihre Stände, und wurden gleichfalls von den Jägern mit Falltüren verschlossen. Sobald sie sich nun von den Weiblein verlassen sahen, merkten sie erst, wie sie gefangen, und ihrer Freiheit beraubet waren: Dahero sie denn grausam anfingen zu wüten, und alle ihre Stärke zu versuchen, ob sie sich kunnten mit Gewalt einen Ausgang machen: da denn die Jäger und andere Leute Zeit hatten, sich aus den Schranken zu machen, wo sie nicht den rachgierigen Elefanten ein blutiges Opfer ihrer Freiheit werden wollten, indem sie solchen bis an die Säulen nachliefen, und wenn sie nicht nachfolgen kunnten, so grimmig in die dicken Pfosten einhieben, daß die Zähne zerbrachen. Endlich huben sie insgesamt an zu heulen, weinen und wehklagen, und sich nicht anders als höchstbekümmerte Menschen anzustellen, welches bei drei Stunden währete, und mit sonderbarer Anmut und Mitleiden[292] anzusehen und zu hören war. Als sie aber dermaßen ermüdet, daß ihnen der Schweiß über den ganzen Leib herablief, steckten sie ihre Rüssel in die Erde, und brachten alsdenn eine solche Menge Wasser aus dem Leibe hervor, daß sie mit ihren Sprützen alle um den Schranken stehende Zuschauer häufig benetzten, welches denn denen Jägern, welche sich beizeiten entfernet, das größeste Gelächter verursachte. Nachdem man sie nun gleich den Zahmen einsperren wollte, wurden die Weiblein wieder herausgelassen, welche die Wilden aufs neue brünstig machen und sie zum Folgen anreizen mußten. Diese abgerichtete Weiblein gingen bald wieder in ihre Stände, und wurden aus denselben wieder in andere gelassen. Die folgenden Wilden aber mußten sich in solchen versperren lassen, und also vollend gefangengeben. Diese Stände waren nicht größer, als daß eben ein solches Tier nur füglich Raum haben kunnte. In denselben wurden sie angebunden, da sie vor Traurigkeit in fünf Tagen weder essen noch trinken wollten, bis sie ganz matt und endlich gleich den andern zahm wurden. Welches geschwinde Zahmwerden mehrenteils daher rührt, weil kein Tier in der Welt zu finden, welches dem Menschen am Verstande so ein Nachbar, und dessen Rede so wohl zu verstehen fähig wäre. Ja es hat das Ansehen, als mangele ihm nichts, denn die Rede. Dieses Tier nun ist das nützlichste Wesen der asiatischen Kriege, indem vier starke Männer in voller Rüstung sich darauf enthalten, und mit ihren Lanzen, Musketen und Bogen dem Feinde gewaltigen Abbruch tun können. Hingegen ist ihre Haut so dicke, daß sie keine Kugel noch Pfeil durchdringen kann, außer bei den Schläfen und Augen, woselbst sie leicht zu beschädigen sind. Wie nun diese Elefantenjagd denen lüsternen Weltherzen, die sich durch das Geilheitsöl gleichfalls betören lassen, und ihren Sirenen, welche von dem Teufel in den Wald dieser Welt ausgelassen worden, in den Schranken der Unzucht, ja endlich gar in den engen Höllenstall, woselbst die Falltür der Ewigkeit allen Rückweg verweigert, blind folgen, ein feines Vorspiel zeiget: also wenden wir unser Gemüte auf die Blutjagd, welche Chaumigrem in Siam anzustellen beschlossen, und dahero seinen Aufbruch beschleuniget.

Er wollte zuförderst die Prinzessin Banise noch einmal im Tempel besuchen, und einen Abschiedskuß holen: welches aber der Rolim, teils durch vorgeschützte Heiligkeit des Ortes, teils durch andere kluge Bewegungen, zu der Prinzessin höchstem[293] Vergnügen hintertrieb. Als nun der Tag zum Aufbrechen erschienen, begab sich Chaumigrem gleichsam im Triumphe auf einem mit Gold und Edelgesteinen bedeckten Elefanten, ein bloßes Schwert in der Hand haltende, aus der Stadt: sobald er sich aber dem Lager, vor welchem die ganze Armee auf Anordnung des Feldherrn Martong in voller Schlachtordnung hielt, genähert hatte, wurde er mit einem solchen Feldgeschrei empfangen, daß die Erde bebete. Endlich, als diese Ordnung wieder zertrennet, und jeder zum Fortzuge fertig war, wurde das Zeichen mit den Trompeten gegeben: worauf sie nach eingeteilter Ordnung zu marschieren begunnten. Den Vorzug hatte Soudras, der bramische Feldherr, mit dreißigtausend zu Pferde und siebenzigtausend zu Fuß. Den Mittelzug führete Chaumigrem selbst, vorher zogen dreißigtausend Mann mit Lanzen, denen folgeten die Elefanten, und hinter denen der Tyrann, welchen Abaxar mit der Leibwacht und viel andere Fürsten und Großen begleiteten. Darauf kam Bartrouherri, Oberster über die Stücke, als General-Feldzeugmeister, seiner Geburt nach ein Mohr aus Bandala, welcher sich das Geschütze und die darzugehörigen Munitionwagen in verwirreter Ordnung nachführen ließ. Hinter den Stücken kamen fünfunddreißigtausend zu Rosse und alsdenn achtmal hunderttausend Mann zu Fuße, welche wiederum mit fünfunddreißigtausend Reutern beschlossen wurden. Endlich fol-gete der Nachzug, welchen der Feldherr Martong führete, und in hundertundfunfzigtausend zu Fuße und funfzigtausend zu Pferde bestund, bei welchen die sämtliche Bagage, in viel tausend mit Büffeln bespannten Wagen bestehende, sich aufhielt. Mit dieser erschrecklichen Macht zog er denen Grenzen von Siam zu, und zwar in so guter Ordnung, daß allezeit die Haufen, so des ersten Tages vorangezogen, des andern Tages folgen und die letzten sein mußten.

Als er aber die feindlichen Grenzen erreichet, ließ er unterschiedliche Haufen zu Pferde in das Land vorangehen, und alles mit Mord und Brand erfüllen. Martong, als sie noch drei Tagereisen von der Hauptstadt Odia waren, ward mit zweimal hunderttausend Mann befehlichet, den Vorzug zu nehmen, und den König von Siam zur Übergabe aufzufordern, welches auch dieser gehorsamst verrichtete, und so schleunig vor Odia anlangte, ehe noch das flüchtige Landvolk einige gewisse Nachricht von dem Anzuge des Feindes berichten können. Wie sich nun König Higvero eines schweren Krieges mit[294] Pegu besorget hatte, so war zwar bereits gleichfalls alles in Waffen, und solche Anstalt gemacht, als es die Kürze der Zeit erlaubte: Weil aber ein so geschwinder Einfall ohne vorhergehende Kriegsankündigung von Seiten Siams nicht vermutet worden, als waren die Siammer gar nicht gefaßt, dem Feinde im Felde zu begegnen: Und ob zwar Nherandi bei hundertundachtzigtausend Mann zusammengebracht, und vor die Stadt gezogen hatte, so waren sie doch der peguanischen Macht bei weitem nicht gewachsen. Mit dieser ungleichlichen Macht hatte Prinz Nherandi unfern der Stadt ein Lager geschlagen in dem Begriff, noch mehr Völker an sich zu ziehen, und alsdenn den Feind auch von den Grenzen abzuhalten. Allein Martong kam denen Siammern zuvor, und so er fleißige Kundschaft auf den Feind geleget hätte, so hätte er die Siammer, welche aus Sicherheit die Wachten gleichfalls mäßig bestellet hielten, gar leicht überrumpeln, und sie in die Pfanne hauen können. Dieses siammische Lager aber wurde ihm nicht eher als durch einige Vortruppen entdecket, welche jedoch bereits von den Siammern ersehen, und als Feinde erkennet waren. Dahero Prinz Nherandi die Augen öffnete, und durch fleißige Kundschaft den Zustand des Feindes erfuhr. Martong stutzte hierauf, und erkannte seinen Fehler, weil es aber nicht zu ändern war, und er vernahm, wie der Prinz Nherandi persönlich das Lager kommandierte, schickte er einen hochmütigen Bramaner, mit zwanzig Pferden begleitet, nach dem Lager, solches und ganz Siam im Namen seines Kaisers aufzufordern. Als solcher vor dem Lager angelanget, und den Prinzen zu sprechen begehrte: ließ er ihn in einem Gezelte, nahe bei dem Eingange des Lagers, damit der Bramaner die Beschaffenheit des Lagers nicht genauer betrachten konnte, vor sich: Dieser, sobald ihm das Gezelt bedeutet worden, sprang er vom Pferde, und befahl seinen Leuten, in dem Lager seiner zu warten: Er aber begab sich mit hochtrabenden Schritten nach dem Gezelt, in welchem er den Prinzen nebst unterschiedenen hohen Kriegshäuptern stehende fand. Er trat sonder große Ehrerbietung hinein, und fing mit bedecktem Haupte an zu reden: »Ich, als ein Abgeordneter des allgemeinen Überwinders und Kaisers von Pegu, erscheine vor dem Prinzen Nherandi von Siam, und begehre im Namen meines Oberhaupts zu wissen, ob die bisher erlaubte Gnadenzeit von dem Könige Higvero zu Betrachtung seiner Wohlfahrt und Erinnerung seiner Pflicht sei angewendet worden.[295] Diesem nach so fordere ich im Namen des Höchsten und Großmächtigsten der ganzen Welt, Oretenan Chaumigrems, Kaisers in Pegu und Brama, Königes aller Könige, den König Higvero, die Stadt Odia und ganz Siam auf: daß sie sich mit Leib, Weib, Gut, Blut und Kindern ihm ergeben, und sich ohne fernern Zwang als gehorsame und pflichtschuldige Untertanen ihm unterwerfen. Wird nun Higvero sich mit seiner Gemahlin und Kindern und mit ihm ganz Odia alsobald zu Fuße aufmachen, den weißen Elefanten an der Hand zuführen, und dem anziehenden Grimme des Kaisers durch einen Fußfall begegnen: so soll dieses Land und Stadt mit angedroheter Verwüstung verschonet, und Higvero als ein Vasall König bleiben. Bei dessen Verweigerung aber, so sollt ihr wissen, daß erwähnter Kaiser mit einer so entsetzlichen Macht im Anzuge ist, daß auch dessen Rosse das um Odia fließende Wasser auszusaufen vermögen, wodurch das Volk trocknes Fußes gehen, und die Stadt einnehmen kann. Alsdenn soll der König sterben, und seine Kinder in die Fessel geschlagen werden. Alles was nur lebet, soll dem Säbel herhalten, und die Kinder sollen in dem Blute ihrer Eltern ersaufen. Kein Stein soll auf dem andern liegen bleiben, und die Glut soll ein rauchendes Merkmal kaiserlichen Zorns aus der Stadt machen. So fertige man mich denn bald ab, durch ja oder nein, indem uns solches gleichgültig sein wird.« Der Prinz wollte vor Ungeduld zerspringen, und so es ihm die Wohlständigkeit des Krieges erlaubet hätte, so wollte er ihm das trotzige Wort mit dem Säbel vorm Maule wegschneiden. Er fertigte ihn aber, ihn nur nicht mehr anzusehen, mit dieser rauhen Antwort ab: »Du verwegener Kerl, ich glaube dein Tyranne habe unter seiner ganzen Armee keinen unhöflichern und grobern finden können, welcher an Büffel und nicht an Menschen, geschweige an königliche Personen, sollte abgeschicket werden. Die Rache aber von dir zu nehmen, soll ins freie Feld gesparet werden. Inzwischen sage deinem Kaiser, daß er nicht als ein König, sondern als ein Tyrann und Meuchelmörder gehandelt habe, indem er unverwarnter Sache ohne einziges rechtmäßiges Befügnis ein freies Reich, welches ihm nichts als Pulver, Blei und Säbel schuldig ist, anzugreifen sich unterstehet. Indessen soll er nur herannahen, und den Lohn seiner Tyrannei von der Götter Hand empfangen.« Welcher großmütigen Antwort sich der Bramaner nicht versehen hätte, dannenhero er mit[296] verächtlichen, doch grausamen Gesichte sich unterstund zu drohen: »So werde ich mir bei meinem Kaiser die Gnade ausbitten, daß ich mit diesem meinem Säbel Euch in Stükken zerhauen dürfe.« Mit welchen Worten er zugleich die Hand an den Säbel legte, und halb auszog: nicht weiß ich, ob nur damit zu drohen oder sich gar einer Tätlichkeit zu unterfangen. Hier dauchte es dem Prinzen sattsam Zeit zu sein, seinem Eifer freien Zaum zu lassen, dannenhero er mit entblößtem Säbel auf den Bramaner zusprang, und so einen gewaltigen Streich nach dessen Halse führete, daß der Kopf nur noch an etlichen Adern und der Haut behangen blieb, womit er tot zur Erden stürzte. Der Prinz aber befahl, ihn aus dem Zelte zu schleppen, und seinen Leuten zu übergeben, mit angehängter Verwarnung, sich alsobald aus dem Lager zu packen oder gleichen Verlusts ihrer Köpfe gewärtig sein. Welche sich denn nicht säumeten, den Körper auf ein Pferd legten, und sich sporenstreichs zurücke nach ihren Völkern begaben.

Wie sich nun der Prinz den auf diesen Blitz erfolgenden Donnerschlag leicht einbilden kunnte: als entschloß er sich mit Genehmhaltung der sämtlichen Kriegsobersten, dem Feinde zu begegnen, und ihn anzugreifen, ehe die Macht des Kaisers heranrückete: Worauf das ganze Lager aufgeboten, und die Völker ins freie Feld geführet, zugleich alles in Schlachtordnung gestellet, und dem Feinde mit langsamen Zuge ent-gegengerücket wurde. Als sie sich aber etwan auf zweitausend Schritte einem großen Walde genähert hatten, sahen sie den Feind durch das Gebüsche wie eine wilde Flut dahergerauschet kommen. Der Prinz befahl, alsobald stillezuhalten, und verbesserte die Ordnung nach Gelegenheit des Ortes, und indem er vermerkte, daß der Feind fast über die Hälfte das freie Feld erreichet hatte, befahl er dem siammischen Feldherrn Padukko, mit fünfzigtausend Mann loszubrechen, welches er auch willigst verrichtete, und in den noch nicht recht gestellten Feind dermaßen einstürmete, als ob er den Sieg allein darvontragen wollte. Welcher Anfall ihm auch so weit glückte, daß er den Feind bis an den Wald zurücke schlug, und ihn die Erschlagenen fast verhinderten, weichende den Feind zu verfolgen. Weil sich aber der Feind auf allen Seiten aus dem Walde ins Lichte begab, so fehlete nicht viel, Padukko wäre mit den Seinigen umringet und niedergesäbelt worden, indem er sich aus hitzigem Grimm so weit[297] mit dem Feinde eingelassen hatte, daß ihm bei herannahender Macht des Feindes aller Rückweg benommen war. Solchem nun vorzukommen, zumaln sich der Feind aus dem Walde sehr verstärkete, brach der Prinz endlich mit der gesamten Macht los, da denn Padukko gar zeitlich Luft bekam, und sich aufs neue widersetzen kunnte. Der Prinz erwies sich ungemein tapfer, und ein jedweder Siammer bemühete sich eifrigst, einem solchen heldenmütigen Vorgänger beherzt nachzufolgen: zudem kunnte sich auch wegen Enge des Ortes der Feind nicht wenden, noch einigen Vorteil des Raumes gewinnen. Derowegen erfolgte desselben endliche Niederlage, die sich ungemein würde vergrößert haben, wenn nicht der Wald ein groß Teil der feindlichen Peguaner bedecket hätte: welche, sobald sie den Verlust des Feldes von ihren weichenden Kameraden verstanden, sich alsobald auf die Flucht begaben, und also denen Geschlagenen gnugsamen Raum zur flüchtigen Folge machten. Ob nun zwar der hitzige Prinz den Feind zu verfolgen, eiferigst riete; so wollte doch solches der vorsichtige Padukko nicht gestatten, sondern hielt vor ratsam, sich an dem erhaltenen Siege begnügen zu lassen: weil man nicht wüßte, wie stark der Feind noch sein, oder sich wohl gar in einen Hinterhalt setzen, und das durch Tapferkeit erhaltene Feld im Walde durch List wieder abjagen möchte. Ja man wäre noch nicht durch gewisse Kundschaft versichert, wie weit die Hauptarmee entlegen wäre, welcher man durch hitzige Nachfolge leicht in die Hände geraten könnte, und also den Sieg mit gedoppelten Verlust bezahlen müßte. Zudem wäre es nötig, die wenigen Völker zu sparen, bis sie bei anderer Gelegenheit dem Feinde sichern und bessern Abbruch tun könnten. Als nun solcher Rat von allen Kriegsobersten gebilliget, auch endlich von dem Prinzen beliebet ward; so wurden die Nachsetzenden zurücke, die übrigen aber zusammenberufen: Und nachdem man den Feind genungsam geschlagen, und vor ihm gesichert zu sein vermeinte, wurde die Hälfte der Armee wieder in Schlachtordnung gestellet, um dem Feinde gebührend zu begegnen, welcher sich etwa unvermutet widersetzen oder verstärket haben, und also noch einmal sein Heil versuchen möchte: Der andern Hälfte wurde zu plündern erlaubet, jedoch, daß die Beute alsdenn gleich geteilet werden sollte. Hiebei nun wurden über dreiundachtzigtausend tote Peguaner gezählet, da doch der Prinz nicht über sechzehntausend vermissete. Daß[298] also dieses ein ansehnlicher Sieg würde gewesen sein, wenn der Verlust sowohl die Hauptarmee als nur den Vorzug betroffen hätte.

Nach gehaltener Plünderung zog sich die ganze Armee zurücke ins Lager, allwo die Beute geteilet, und hernach das Lager geschleifet ward, damit sich der herannahende Feind dessen nicht zu einigem Vorteil bedienen möchte. Die Völker aber wurden alle in die Stadt geführet, weil außer denen fünfzigtausend Bürgern, welche auf ihre eigene Kosten in Kriegszeiten dem Könige dienen, und ihre Stadt beschirmen müssen, keine andere Besatzung vorhanden war. Welche wir indessen alle Anstalt zur äußersten Gegenwehr machen lassen, und statt des blitzenden Säbels den flüchtigen Martong mit unserer Feder verfolgen wollen.

Wie nun Chaumigrem nur noch eine halbe Tagereise zurücke, und des Padukko Mutmaßung nicht vergebens war: Also erreichten die flüchtigen Peguaner gar zeitig ihre Sicherheit, und setzten durch das blutige Zeugnis ihres Verlusts die ganze Armee in nicht geringes Schrecken, den Chaumigrem aber in solches Wüten, daß er alsobald den ersten Anbringer mit eigener Hand niedersäbelte. Den Feldherrn Martong ließ er unverhörter Sache in Ketten und Banden schlagen, und also höchst schimpflich der Armee nachführen: welches ihm hernach mehr geschadet, als wenn die ganze Armee geschlagen wäre. Die übrigen Peguaner, welche dem Siammischen Säbel durch die Flucht entgangen waren, mußten gleichfalls ihren sonst tapferen Feldherrn hinter der Armee ohne Gewehr begleiten, und aus dem gefährlichen Vorzuge in den schimpflichsten Nachzug geraten. In solchem Grimme beschleunigte der Tyrann seinen Anzug auf Odia, und schwur, solche Niederlage aufs grausamste zu rächen. Der Feldherr Soudras mußte deswegen mit siebenzigtausend Reutern vorausgehen, und die Stadt dermaßen berennen, daß er alle Pässe und Wege verlegte, und was außer der Stadt war, gefangennahm; zwei Tage darauf folgte die ganze Armee nach, welche Chaumigrem angesichts der Festung in eine zierliche Ordnung stellete, und sich nach diesem in Person die Befestigung der Stadt zu erkundigen erkühnete. Die Stadt Odia nun, auch India, von teils gar Siam genannt, liegt zehen Meilen von dem Meer in einer schönen Fläche, eine treffliche Handelsstadt, und wird von dem Flusse Menan, welcher seinen Ursprung aus dem berühmten See Chyamay nimmet,[299] der über hundert Meilen das Land durchströmt, und sich unweit Odia ins Meer ergeußt als eine Insul umflossen, dessen Breite auf jeder Seite zwei Rohrschüsse breit. Sie ist ohngefähr drei französische Meilen im Umkreis, und leget ihrem Feinde eine starke Mauer entgegen, welche nach alter Art mit trefflichen Bollwerken versehen ist. Das königliche Schloß ist mit einer Mauer von der Stadt abgesondert, jedoch innerhalb der Stadt, und ist wegen seiner Pracht ein asiatisches Wunderwerk zu nennen. Erwähnter Fluß Menan durchschlängelt die Stadt zu acht Malen, und schaffet hierdurch selbter sowohl ein zier- als nützliches Ansehen, welches durch tausend Götzentempel trefflich vermehret wird.

Als nun der Chaumigrem alles genau in Augenschein genommen, und die meiste Verhinderung durch den Strom des Flusses gespüret hatte, ließ er zuförderst ein weites und geraumes Lager abstechen, in welchem sich die Armee füglich enthalten, und einer so langwierig scheinenden Belagerung abwarten könnte. Weil er aber die Stadt auf beiden Seiten anzugreifen vor nötig erachtete, so ließ er den Soudras mit fünfmal hunderttausend Mann auf die andere Seite übersetzen. Ingleichen wurden zehentausend Mann befehlichet, den Strom aufwärts zu gehen, alle Schiffe und Fahrzeug anzuhalten, und solche herunter nach der Stadt zu treiben: Welches auch so wohl glückte, daß über tausendsechshundert allerhand Fahrzeug, worunter nicht wenig beladene Kaufschiffe, aufgetrieben worden. Solche ließ er ausladen, hingegen meistens mit Sand, Erd und Steinen füllen, und an die seichtesten Örter des Flusses vor die Stadt führen, da sie alle versenket, und der Lauf des Stromes merklich verhindert wurde. Ob nun zwar die aus Siam heftig bei dieser Arbeit mit ihrem Geschütze auf den Feind losdonnerten, so geschahe den Peguanern der wenigste Schaden, weil zu dieser Verrichtung lauter gefangene Siammer, welche bei dem Einfall auf dem Lande weggenommen, gebraucht wurden, welche meistenteils jämmerlich ersaufen mußten. Durch diese Hemmung nun des Stroms wurde der Fluß nicht wenig aufgeschwellet, also daß er den Soudras mit Verlust etlicher tausend Mann aus seinem Lager trieb, und er mit höchster Mühe und Gefahr sich wieder herüber und in das etwas höher gelegene Lager diesseits verfügen mußte. Inzwischen wurden unterschiedene Geschützstellungen verfertiget, von welchen sowohl das Schloß als auch vornehmlich die Schiffe, welche in den[300] innern Einflüssen der Stadt lagen, Tag und Nacht heftig, wiewohl wegen Unerfahrenheit der Mohren, meistenteils fruchtlos beschossen wurden. Zu völliger Ausfüllung des Stroms wurde gleichfalls weder Mühe noch Fleiß gespart: indem täglich über zweihunderttausend Mann Sand, Steine, Holz und andere füllende Materien herzuschaffen, und in den Fluß werfen mußten, wodurch endlich ein Damm von tausend Schritten breit durch den Fluß bis an die Mauer der Stadt hinan gemacht, der Strom ganz auf die andere Seite gedämmet, und daselbst alles weit und breit überschwemmet wurde. Die Siammer feireten zwar indessen nicht, sondern taten durch ungeheures Schießen als auch unterschiedene Ausfälle zu Wasser bei der Nacht merklichen Abbruch: Allein sie waren zu schwach, einer solchen Menge zu widerstehen: denn wo einer von dem Feinde blieb, da wurde sobald dessen Stelle durch zwei bis drei frische Soldaten ersetzet: und konnten sie also solches Werk nicht verhindern, bis es zu seiner Vollkommenheit gelanget, und bis an ihre Mauren geführet war.

Mit wie vielen Blute nun dieses neue Werk eingeweihet wurde, ist leicht hieraus zu schließen, weil die Siammer alle ihre Macht dranstecketen, sowohl den Damm an ihrem Ufer wegzureißen, als auch dem Feinde allen Überzug und die daher rührende Gelegenheit des Stürmens zu verwehren: hingegen sparte Chaumigrem keine Völker, den Damm zu behaupten, und die Siammer dermaßen einzuschließen, daß sie ihm nicht ferne verhinderlich sein könnten. Ob er nun zwar unsäglich viel Volk hierbei verlor, indem der Damm von beiden Seiten der Stadt mit Stücken konnte bestrichen werden: so erhielt doch endlich die Menge die Oberhand, und mußten die Siammer nicht allein weichen, sondern auch zusehen, wie der Feind ihnen unter die Stücken kam, und sich auf dem festen Lande vor der Stadt eingrub: Als nun der Tyrann seinen blutigen Zweck erreichet, machte er alle Anstalt, die Stadt mit Sturme anzugreifen: weil ihn hieran kein Graben verhinderte. Dannenhero ließ er viele Sturmbretter zurichten, welche dermaßen verfertiget waren, daß sie auf Rädern an die Mauern gebracht werden, und darauf sechs Mann nebeneinander laufen kunnten. Diesen ersten Sturm ließ er von hundertundfunfzigtausend Mann anlaufen, jedoch dermaßen, daß nur jederzeit funzigtausend Mann liefen, die andern aber ausruheten, und diese alsdenn entsetzten. Hierbei mußten[301] die bestellten Mohren mit ihrem Geschütz gleichfalls heftig auf die Stadt schießen: welche aber, entweder aus Unwissenheit, oder mit Vorsatz, den Ihrigen mehr hinder- als förderlich waren, indem sie die Stücke alle zu niedrig richteten, und die Kugeln ziemlichen Raum unter den stürmenden Peguanern machten. Weil sich nun zugleich die Siammer unbeschreiblich wehreten, indem sie nicht allein auf der Mauer wie Mauern stunden, sondern auch durch häufig gestreute Fußangeln den Feind merklich verhinderten und beschädigten: als mußte endlich nach siebenstündigen Gefechte Chaumigrem zum Abzuge blasen lassen. Die meiste Verhinderung in diesem Sturm war der listige Anschlag des Padukko gewesen, indem er das Öl und Fett zusammenbringen, schmelzen, und solches häufig auf die angelegte Sturmbretter schütten lassen. Hierdurch wurden solche dermaßen schlipfrich und glatt, daß kein fester Fuß daraufzusetzen war, sondern der anlaufende Feind gleiten und fallen mußte. Welcher fiel, der verfiel zugleich in den Tod: indem ihnen nichts als rollende Balken, Steine, heiß Wasser, Kugeln und Pfeile entgegenkamen, die wenigsten aber erlangten die Ehre, daß sie kunnten mit dem Säbel von der Mauer abgehalten werden.

Chaumigrem vermeinte zu bersten, als ihm sein so wohl ersonnener Anschlag zu Wasser wurde, und wußte nicht, wen er beschuldigen sollte. Weil er aber unter der ganzen Armee kein nützlicher Haupt als den Martong wußte: so brachte solches diesem die Erlösung, vorige Gnade und Ehrenstand. Solches nahm dieser mit verstellter Freude und Dienstverpflichtung an, doch ließ er die allen edelen Gemütern angeborne Rache wegen unverdienter Schmach in seinem Herzen glimmen: Weil aber solche hier brennen zu lassen keine Gelegenheit vorhanden; als ließ er solche noch zur Zeit in der Asche ruhen, und verrichtete alles, was einem tapfern Soldaten anständig war. Ob nun zwar hin und wider einige Stürme verrichtet wurden, so erwiese doch das Kriegsglücke, wie es den Siammern nicht so gar ungeneigt wäre: indem die Peguaner jederzeit die Mauern mit ihrem Blute färben, und dennoch weichen mußten. Ingleichen erwiesen die Siammer sonderlich ihre Tapferkeit in unterschiedenen Ausfällen, unter welchen insonderheit ein nächtlicher Ausfall zu rühmen. Denn indem der Feind bemühet war, unferne der Mauer eine solche Erhöhung zu verfertigen, von welcher er gleichsam[302] auch die Straßen der Stadt mit Musketen und Pfeilen bestreichen könnte: Und dannenhero eine große Menge der arbeitenden Soldaten sich Tag und Nacht dabei aufhalten mußten: erkühnte sich Prinz Nherandi dieses Werk in Person zu stören, dahero auch Zeit ihrer Arbeit kein Stück auf sie gelöset wurde. Tages vorhero aber wurde alles Geschütz auf denselben Ort gerichtet, und der Prinz erwählete sich dreitausend Reuter und fünftausend Fußvolk. Als nun die Finsternis Stadt und Lager bedecket hatte, und sich die Wolken von den vielen Wachfeuern erröteten, begab sich der Prinz in aller Stille mit den Reutern aus der Stadt, das Fußvolk aber verlegte er hinter sich an einen Paßweg nach der Stadt. Nachdem er etwan auf etliche hundert Schritte sich dem sichern Feinde genähert hatte, gab er ein gewiß Losungszeichen denen in der Stadt, worauf die von allen Seiten des Tages gerichtete Stücke auf den Feind gelöset worden, da denn der Feind nicht unbillig einem gestöreten Bienenschwarm zu vergleichen war: maßen ein jeder in verwirrten Schrecken hin und her lief, und sich doch in die Ursach des Schreckens nicht finden konnte, obgleich die tödlichen Pillen eine ziemliche Menge in den ewigen Schlaf geleget hatten. Der Prinz ließ ihnen nicht viel Bedenkzeit, sondern stürmete dermaßen in sie hinein, daß sie nicht wußten, wider wen sie ihre Gegenwehr richten, oder sich schließen sollten. Das Schwert des hitzigen Prinzen wütete indessen immer fort, der Feind aber hielt endlich die Flucht vor eine Notwendigkeit, welches, sobald es der Prinz merkte, ließ er die Fußvölker zugleich anrücken, und in die Laufgräben einfallen: wodurch der Feind in allgemeine Flucht nach dem Damme gebracht wurde, den der Prinz mit der Reuterei dermaßen verfolgete, daß derer viel in das Wasser gesprengt und ersäuft worden. Das Fußvolk aber arbeitete indessen fleißig an der Niederreißung vorerwähnter Erhöhung und Laufgräben, zogen etliche Stücke mit sich nach der Stadt, die übrigen aber wußten sie auf Eingeben der Portugiesen meisterlich zu vernageln und zu verderben. In solchem Lärmen wurde das ganze Lager jenseit des Dammes munter, und sobald Chaumigrem den gefährlichen Zustand seiner Völker vernommen, schickte er ihnen zehentausend Reuter entgegen und zu Hülfe, welche denn mitten aus dem Damme den Lauf der siegenden Waffen hemmeten, dannenhero der Prinz vor diesmal genug Ehre eingeleget zu haben vermeinte, und sich dergestalt[303] zurücke zu ziehen wußte, daß der Feind leichtlich sehen konnte, wie er mit unüberwundenem Gemüte das Feld räumete. Dieser frische Entsatz aber drängte doch den Prinzen dermaßen, daß es höchstnötig war, den Stand des verlegten Fußvolks zu erreichen, welche alsobald den verfolgenden Feind durch eine nachdrückliche Salve zurücke hielten, der auch, weil er im Finstern die Stärke der Siammer nicht wissen konnte, stutzte, und sich in das vor der Stadt verlassene Lager begab, bis solches wiederum besetzet, und mit aller Notdurft vor ferneren Ausfällen und Bedeckung vor dem Geschütze, welchen Fehler sie mit ihren Schaden bemerket, versehen war. Wäre nun dieser Ausfall sowohl bei Tage mit dergleichen glücklichen Erfolg geschehen, daß der Prinz mit einer größern Macht hätte können entsetzet werden, so hätte es einen gefährlichen Wettstreit um die Eroberung des Dammes setzen dürfen.

Hier wollen wir gleichfalls die bedrängten Siammer im Blut und Dampf verlassen, und nach Pegu eilen, um die einsame Prinzessin in ihrem Tempel zu besuchen, welche außer dem Rolim und der Eswara niemand um sich, diese letztere aber, um so viel mehr Freiheit hatte, daß sie im Tempel aus und ein und andern Verrichtungen nachgehen durfte. Die Prinzessin nun achtete sich in solcher einsamen Sicherheit über die Maßen vergnügt, und vermeinte, an dem Chaumigrem ihren größten Feind verloren, hingegen an dem Rolim ihren besten Freund gefunden zu haben. Was aber das Absehen der Freundschaft des Rolims bishero gewesen, solches konnte sie mit neuer Bestürzung aus des Rolims verliebter Bezeigung und folgenden Reden leichtlich ermessen. Denn, als Chaumigrem den Zug nach Siam bereits vor einigen Wochen angetreten, verfügte sich der Rolim in Abwesenheit der Eswara einsmals zu der Prinzessin in ungewöhnlichem Schmucke, und redete sie mit verliebten Augen und Herzen folgendergestalt an:

»Schönste Prinzessin! Dero Schönheit zwinget mich zu reden, und die Pflicht, womit Sie mir wegen Befreiung der Gewalt verbunden, befiehlet Ihr, mich geneigt anzuhören. Ihre Schönheit, sage ich, zwinget mich, diejenige vor selig zu preisen, welche Gott in die zarte Seide geschickter Glieder eingehüllet hat: weil Ihr durchdringender Blitz auch nicht der Götter verschonet, und dahero ihre Priester derselben opfern müssen. Ihre Schönheit, sage ich nochmals, welche als[304] ein Meisterstücke des Himmels den Kaiser gefesselt, und den Priester gebunden hat, glänzet prächtiger als Diana in dem gestirnten Reiche, und kein Sterblicher kann Ihre blitzende Augen vertragen. Der Schnee Ihrer Wangen machet den Alabast zunichte, Ihr kluger Mund besieget Korallen, und Ihr Haar beschämet die Morgenröte. Die lilienzarten Hände wünschen die Götter zu küssen, und indem ein verliebter Wind die Segel meiner Sinnen auf das unbeschiffte Meer Ihrer Marmelbrust hintreibt, so erblicke ich gleichsam die Venus in zweien Muscheln schwimmen, wo lauter Anmutsmilch um die Rubinen gerinnet. Das Uhrwerk der geraden Schenkel zieret den diamantnen Rock, und der ganze Tempelschmuck wird durch den wohlgewölbten Leib verhöhnet: kurz: der ganze Erdkreis erstaunet über solchen Wundergaben, und preiset denjenigen selig, welchen ein solcher Engel labet, und welcher den Hafen seiner Vergnügung bei solcher Schönheit findet. Was ist denn nun Wunder, daß meine Heiligkeit derjenigen verliebt zu Fuße fällt, welcher die Götter selbst ihre Opfer widmen. Sie wird mir erlauben, schönstes Kind, daß ich die Maske verdeckter Worte ablege, und öffentlich bekenne, wie ich der Gottheit Priester und zugleich ein Opferknecht Ihrer überirdischen Schönheit sei. Wie Sie mich nun als den Grundstein Ihrer Wohlfahrt wohl zu betrachten hat; also versehe ich mich geneigter Gegenhuld und erwünschter Vergnügung von Ihrer Güte, versichernde, daß Sie diese Dankbarkeit zu einem Engel machen werde.« Die Prinzessin, welche nicht wußte, ob Scherz oder Ernst diese Rede begleitete, blieb anfangs unbeweglich sitzen, und sahe den alten verliebten Pfaffen mit verwunderungsvollen Augen und Gemüte an. »Ich weiß nicht«, war endlich ihre Antwort, »heiligster Vater: ob dieses bei meinem jetzigen betrübten Zustande zu loben oder zu schelten ist: daß man eine vorhin bekümmerte Prinzessin auf eine so scharfe Probe ihrer Tugend zu setzen sich bemühet, welche mich doch jederzeit auch in Todesgefahr begleitet hat. Jedoch dieser harten Probe ungeachtet, so versichere ich Euch, daß mich meine Tugend sattsam lehret, wie weit ich Euer heiliges Amt verehren, und Eure ehrwürdige Person als meinen Erlöser und Vater lieben soll.« Dem Rolim war diese ungleiche Auslegung nicht anständig, und vermeinte dannenhero, er habe seine Liebe allzu dunkel vorgestellet, daher er sich etwas freier und deutlicher herauszulassen entschloß. »Englische Banise!« sagte[305] er, »es ist keine Probe Ihrer Tugend, sondern Ihrer Dankbarkeit. Es ist kein verstellter Scherz, sondern ein verliebter Ernst, welcher mich bei Betrachtung Ihrer himmlischen Schönheit zwinget, meines Amts und Alters ungeachtet meine Brunst zu entdecken, und frei zu bekennen: daß Banisens Schönheit das heilige Ansehen dermaßen verblendet hat, daß er nunmehr ein fremder Priester eines verborgenen Heiligtums zu sein begehret. Prinzessin! ich liebe Sie, und wo die Rose Ihres Wohlstandes blühen soll, so wisse Sie, daß solche auf den Grund meiner Liebe müsse gepflanzet werden. Ich lodere, ich brenne, ich sterbe: wo nicht die unvergleichliche Schönheit denjenigen in ihre Arme nimmt, welche ihn magnetischerweise an sich zeucht.« Wie er nun solches mit so verliebtem Eifer, als immer mehr von der jüngsten Glut zu hoffen, vorbrachte, zweifelte die Prinzessin nicht mehr an dessen wahrhaftiger Verliebung, dahero sie um soviel bestürzter war, weil sie wohl wußte, in was Ansehen der Rolim sowohl bei dem Kaiser als gesamten Volk stunde, und wie er leicht ihr Schande und Tod zuwege bringen könnte: dahero sie abermal ihre Beredsamkeit hervorsuchen mußte: und um ihre Schönheit auszureden anfangs sich unterstunde: »Ehrwürdigster Vater«, redete sie ihm ein, »ich will nicht hoffen, daß ein blödes Auge werde Ursache haben, sich über meine unschuldige Gestalt zu beschweren. Wollte aber ja ein Funken der Schönheit, dessen Vorgeben nach, an mir zu erblicken sein: so ist solcher vielmehr von den Göttern als eine Tugendfackel, nicht aber als ein Irrwisch geiler Lüste angezündet worden; worbei wir ihre Allmacht, nicht aber unsere Brunst, betrachten sollen. Zudem muß die Schönheit mit der Tugend feste verknüpfet sein, und ihr Licht wie der Mond von der Sonnen empfangen: außer diesem ist sie nur ein stummer Betrug und ein Leitstern zu den Sünden, ja ein rechtes Aas, welches nur den Raubvogeln gefällt, und Raben an sich locket. Schön und fromm sein, stehet selten beieinander, und die Tugend trifft nicht allezeit mit der Gestalt überein; diejenigen irren aber sehr weit, welche ein wohlgebildetes Gesichte ohne Tugend unter die Schönheit rechnen, die doch nur ein Komet zu nennen ist, dessen Strauß jederzeit auf ein neues Unheil deutet; ja ein Abgott, welchem statt Weihrauchs stinkend Harz angezündet wird. Zudem beruhet die Schönheit mehr in einer bloßen Einbildung als wahren Beschaffenheit, denn was einem jeden gefällt, das nennet er[306] schön: und ich versichere Euch, daß ihrer viel dasjenige, was Ihr an mir lobwürdig schätzet, aufs höchste tadeln würden. So sei es demnach ferne, daß sich Eure heilige Weisheit durch Einbildung und falsches Wesen sollte verblenden lassen. Ich will hier nicht gedenken der ungemeinen Veränderung, womit die Schönheit am meisten stets bedrohet wird. Bald wird sie durch das scharfe Schwert der Sorgen, bald durch die Sichel der Zeiten, endlich wohl gar durch den grimmigen Pfeil des Todes dermaßen bestritten und verstellet, daß man in kurzem ein allgemeiner Ekel der verliebten Welt muß genennet werden. Kurz: ich stelle Euch ihre Vergänglichkeit und eigentliches Wesen mit jenem singenden Europäer also vor:


Was ist sie? als der Zeit gemeines Gaukelspiel,

Nichts als ein kurzer Wahn, ein Ungewisse Ware,

Die auf uns selber stirbt, und uns gebraucht zur Bahre,

Ein Zeug, der unser Haut nicht Farbe halten will.

Kein reines Spiegelglas kriegt eher böse Flecken,

Kein Stern läßt sich so bald die trüben Wolken decken:

Kein ungelegter Schnee verstäubt und schmilzt so leicht.

Ein Blitz wird nicht so bald vergehen und verstreichen,

Und so geschwinde wird die Rose nicht erbleichen,

Als Schönheit der Gestalt aus unsern Augen weicht.


Und werdet Ihr, ehrwürdiger Vater, Eurer hohen Vernunft so viel Raum erteilen, daß keine unanständige Phantasie bei Euch Platz gewinnen könne. Ich werde Euch jederzeit mit solcher Liebe zugetan verbleiben, als es Eure Würde und meine Tugend erfodert und erlaubet.« Der alte Schimmelkopf war über den schlechten Fortgang seiner Liebe höchst mißvergnüget, welches er mit vielen Kopfschütteln zu erkennen gab. »Sie irret, Prinzessin«, war dessen Gegenrede, »wenn Sie sich verachten, und mir die scharfen Augen meiner Vernunft mit dem Schleier der Einbildung verbinden will. Ich wünschte zwar, daß Ihre Schönheit niemals in meine Augen, viel weniger ins Herze kommen wäre: Nachdem es aber der Himmel so gefüget, daß Sie unter meiner Hand den Tempel bewohnet, so erkenne ich es vor eine Schickung der Götter, durch deren Verhängnis ich Sie vor einen Engel halten muß, welcher Verlangen im Gemüte, Entsetzen in den Augen und Begierde im Herzen erwecket. So widerstrebe[307] Sie nun nicht dem Schlusse der Gottheit, welche keine weltliche Person Ihrer Schönheit würdig achtet, sondern will, daß der oberste Priester des Heiligtums die Erstlinge Ihrer Blumen brechen soll, und ihm hierdurch, ein fleischliches Jubeljahr auszuschreiben, gar wohl erlaubet sei.« Durch solche Freiheit seiner Reden befand sich zwar die keusche Prinzessin dermaßen gerühret, daß sie bei höherer Gewalt solchen Frevel auch mit dem Tode würde gerochen haben: Weil sie aber die Not als Tugend mußte gelten lassen, so befliß sie sich ferner einer gezwungenen Freundlichkeit, in Hoffnung, ihn von solchem verhaßten Vorsatz durch kluges Einwenden abwendig zu machen. Dahero sie sich durch folgende Worte ferner bemühete: »Heiliger Vater! Wie schicket sich dieses zusammen, ein Rolim der reinen Gottheit und zugleich ein Priester unreiner Liebe zu sein? Wird nicht das ganze Heiligtum beflecket, wenn geile Brunst im Herzen sitzet? Die Götter erfodern zu ihrem Dienste nicht nur reine Hände, sondern auch keusche Herzen: ich aber würde mich ewiger Verdammnis würdig schätzen, wenn durch mich die Götter sollten beleidiget und erzürnet werden.« – »Ach schlechter Einwurf«, antwortete der Rolim hierauf, »so müßten Opfer, welche von den Göttern geschaffen, und durch der Priester Hand geopfert werden, den Göttern auch ein Greuel sein: und der Wein ist deswegen denen Weltlichen verboten, weil er nur allein von den Priestern getrunken zu werden würdig ist. Sollte nun deswegen die Heiligkeit der Götter vermindert werden, wenn ihr Priester eine von der Gottheit erschaffene Schönheit, welche an sich selbst ein Heiligtum und Ebenbild der Götter ist, vor andern nicht sowohl ihrer Lust als bevoraus denen Göttern, welchen sie dienen, aufopferten. Das sei ferne. Zudem weiß man die Macht der Liebe, welche Tempel und Altar hintansetzet, und sich weder an Gesetze noch Heiligtum binden lässet. Es haben mich Rabbinen versichert, daß vor langen Zeiten ein König in Palästina7, welcher an Weisheit die Weisheit selbst zu übertreffen geschienen, viel Gold aus diesen Landen, welche vorhin Ophir geheißen, abholen lassen. Dieser weise König, ob er gleich an Heiligkeit dem jüdischen Hohenpriester vorgegangen, so habe er sich durch die Liebe auch im hohen Alter dermaßen fesseln lassen, daß er die Gottheit hintangesetzet, und die Schönheit zu seinem Abgott erwählet hat. Sollte der Gebrauch[308] einer Schönheit denen Priestern unzulässig sein, so würde sich es der Samorin in Calicut vor keine so große Ehre halten, wenn der vornehmste Bramin seine Gemahlin eines andächtigen Beischlafes würdiget8. Wer wollte es demnach mir tadeln, wenn ich auf dem Eise, wo vorhin weise Könige gar gefallen sind, nur ein wenig gleite. So koste Sie doch den Zucker meiner würdigen Liebe, und versichere sich, daß, wo ja dieses ein Versehen zu nennen ist, solches viel leichter bei den Göttern, wieder zu versöhnen sei, als wenn Sie sich ein Weltauge anblicken ließe.« Hier hätte nun die Prinzessin lieber ihren Verdruß in etwas merken lassen, dannenhero sie nicht unterlassen wollte, ihm durch Vorhaltung seines Alters sein ungereimtes Beginnen zu verweisen. »Es sei nun, alter Vater«, hub sie an, »Eure Liebe Ernst oder Scherz, verboten oder erlaubet, so werdet Ihr Euch doch wohl zu bescheiden wissen, daß derjenige, welcher sein beschneites Haupt noch mit Venusmyrten zu bekränzen suchet, nur Feuer in den Schnee und im Winter Rosen suchet. Und wie sich ein bleierner Liebespfeil der Alten gar nicht nach dem güldnen Ziel grünender Jugend richten lässet; also weiß ich nicht, ob ich zuviel rede, wenn ich sage: es verdiene meine Jugend ein größeres Mitleiden, als daß man sie mit einem nach dem Grabe schmeckenden Kusse quälen wollte. Weil ich mir auch lebenslang die Lehre, wie man das Alter in Ehren halten solle, wohl beibringen lassen, so erachte ich nicht vor ratsam, denjenigen wie einen Bräutigam zu lieben, welcher meiner Jugend besser vor einen ehrwürdigen Vater dienen kann. Die Liebe der Alten ist mit Recht ein kalter Brand zu nennen, welcher zugleich gefährlich und verdrießlich ist, und schicket sich vorgesagtermaßen wie ein zerbrochener Pfeil zum Ziele. Ob ich nun zwar dieses nicht zu einiger Beleidigung des ehrwürdigen Alters will beigebracht haben: so wird doch mein Vater die Unmöglichkeit unserer Liebe hieraus leicht schließen können.« Der alte Rolim vermeinte über solchen Vorwurf zu börsten, jedoch machte er sich dennoch Hoffnung, seinen Zweck zu erlangen, wenn er ihr auch diesen Einwurf, welchen er längst vermutet, widerlegte. »Ist dieses«, antwortete er hierauf, »ein Zeichen der bisher gerühmten Tugend, daß Sie eine leichtsinnige Jugend dem klugen Alter vorziehen will: und belieben Ihr nur die jungen Jahre, welche durch ein glattes Maul und weißrötliche Haut[309] ihr schlechtes Alter und noch schlechtere Vernunft andeuten? Gewiß, ein schrecklicher Irrtum! Was ist doch flüchtiger weder diese Blumen-Lust, deren man nach etlichen Küß-Monaten bald genug, mit den Jahren aber soviel als itzund von mir hat. Diese Narzissen aber meines Haupts sind etwas tiefer in die Erden gewachsen, mit königlichen Namen beschrieben, und sind zu dem Kranze ihrer vorigen Würde und Wohlfahrt höchst nötig. Sie sei versichert, daß durch diese Liebe der höchste Grad des Glückes sich Ihr zueignen wird, und Sie wird es dem Himmel danken, daß Sie sich so wohl durch mich beraten hat. Durch mich, sage ich, der ich meines hohen Amtes und Ansehens zu geschweigen, die ganze Welt gesehen, Frost und Hitze, Gutes und Böses ausgestanden, dessen Leben ein Auszug vieler Erfahrung, und der recht mit Vernunft zu lieben weiß. Es sollte mich sehr jammern, wenn eine solche Schönheit einem jungen Lecker sollte zuteil werden, der nach Art der heutigen Jugend seine blinde Lust büßen, und alsdenn Sie nicht ferner zu verehren wissen sollte. Denn die Liebe zwischen jungen Leuten ist wie die süßen Schleckereien, deren man bald einen Ekel isset, indem sie anfangs zwar wohl schmecken, und doch weder den Leib nähren, noch die Gesundheit erhalten können. Alt und jung das speiset am besten, und schicket sich fein aufeinander wie nach dem Essen das Konfekt. Denn der Alten Tun bleibet doch auf Beständigkeit gerichtet, und wissen ihre Sache klüglicher anzugreifen weder ein junger Klügling. Die Ratschläge der Alten unterstützen die Wohlfahrt ganzer Länder und Kronen, warum nicht auch das Glück und Gedeihen einer jungen Prinzessin? Alter Soldaten Kriegsrat verrichtet mehr weder die Spieße und Säbel junger Waghälse. Ein alter Fechter behält allemal noch einen Streich zurücke. Darum soll man sich zu den Alten halten, und von ihnen lernen. Wer sich bessern will, muß mit einem umgehen, der besser und klüger ist weder er, denn von seinesgleichen hat man sich geringer Besserung zu getrösten. Zudem ist auch mein weißes Haar kein gewisser unfehlbarer Beweis des Alters, angesehen es vielen in der Natur ist, daß sie zeitig grau werden. Mich betreffende, hat mich die Sorge meines schweren Amtes mit solchem Schnee überstreuet. Sollten aber auch die Jahre hieran schuld sein, so hoffe ich vielmehr, Sie werde es sich ein große Ehre und Triumph schätzen, daß sich auch die weißen Greisen den Netzen Ihrer Anmut und Huld willig darstellen[310] und gefangengeben, da man doch sonst insgemein davorhält: Ein alter Fuchs sei übel zu fangen. Und also kann ich es nicht länger verbergen, öffentlich zu bekennen, wie das Eis meiner Jahre vor der Sonnen Ihrer Schönheit ganz zerschmolzen, und was für Unruhe mir die Liebe durch Sie erwecke in den Zeiten, darinnen mir freilich die Ruhe am nötigsten wäre. Mit einem Worte: ich bin verliebt, und weiß auf diesen Schaden kein ander Pflaster, als diejenige selbst, so mich verwundet hat. Darum entschließe Sie sich, meine Schöne zu Ihrem Besten, meinem Verlangen und unser beider Vergnügen gemäß.« – »Schämet Euch!« wollte hier die halberzürnete Prinzessin ihm begegnen, als die verstellete Eswara die Tür des Zimmers eröffnete: Indem solche nun den Rolim er-blickete, wollte sie wieder zurücke gehen, die Prinzessin aber rufte ihr zu, sie sollte im Zimmer bleiben, dahero sie mit verhülltem Gesichte hineintrat, und durch ihre Gegenwart die fernere Unterredung verstörete, daß der Rolim ganz mißvergnügt sich in den äußersten Tempel begab. Ich sage hier nicht ohne Ursach, die verstellte Eswara, weil solches nicht Eswara, sondern Zarang der Prinz von Tangu war. Denn dieser Prinz hatte sich der Liebe gegen die Prinzessin Banise so wenig begeben, daß er vielmehr nach fleißig erhaltener Kundschaft sich in geheim nach Pegu verfügte, und sich allda äußerst bemühete, nur die Prinzessin persönlich zu sprechen. Und nachdem er eigentliche Nachricht von ihrem betrübten Zustande und einsamen Aufenthalt erhielte, so versicherte er sich selbst, es werde ihm nunmehro die Prinzessin willig folgen, und ihre Liebe würde ihm statt der Dankbarkeit vor solche Erlösung aufgeopfert werden. So hoch ihn aber die sonderbare Heiligkeit des Tempels, welcher, damit ihn kein fremder Fuß berühre, jederzeit mit tausend Mann nach Anzahl der Götter bewachet wurde, erschreckte, so sehr erfreuete ihn die Aufwartung der bekannten Eswara, welche leicht zu sprechen war, weil sie täglich vorerzähltermaßen im Tempel aus und ein gehen durfte. Diese nun, als er ihr sein herzliches Verlangen, die Prinzessin zu sehen, entdecket hatte, wußte ihm anfangs die Gefahr dermaßen vorzustellen, daß er fast der Unmöglichkeit einen Platz in seinem Herzen eingeräumet hätte: Sobald aber Zarang durch einige Saphire und einen Beutel voll Golde seinen Worten zu Hülfe kam, so veränderte auch Eswara ihre Sprache, und bezeigte, wie durch einen güldnen Schlüssel[311] auch die Felsen zu eröffnen wären. Dannenhero, als sie einen Tag Bedenkzeit gebeten hatte, gab sie endlich diesen listigen Anschlag, er sollte sich in ihre Kleider verbergen, und also durch ihre Gestalt mit verhülltem Gesichte, womit sie bereits zu dem Ende unterschiedene Mal durch die Wache aus und eingegangen, die Wächter verblenden, könnte er alsdenn der Prinzessin Zimmer, welches sie ihm wohl bedeutete, glücklich erreichen, so würde er wohl zu reden wissen, was ihm Zeit und Liebe in den Mund legen würde. Dieses wurde sofort von dem verliebten Prinzen beliebet, dannenhero er alle benötigte Anstalt zu einem schleunigen Abzuge machte, sich in der Eswara Kleider warf, und in solcher Gestalt dem Tempel zueilte. Nachdem er nun glücklich und unerkennet durch die Wache gekommen, ging er mit gleichen Schritten durch den Tempel nach der bedeuteten Türe, allwo er denn nach deren Eröffnung, wie vorerwähnet, den Rolim zu seinem höchsten Erschrecken unvermutet antraf. Nachdem aber der Rolim das Zimmer verlassen, fassete Zarang ein Herze, und gab sich mit entblößetem Gesichte der Prinzessin zu erkennen. Welche hierdurch aufs neue in solche Bestürzung geriet, daß sie vor Angst und Entsetzen nicht zu reden vermochte: dahero er das Stillschweigen zuerst brach, sich vor ihr auf die Knie setzte, und sie folgendergestalt anredete: »Allerschönste Prinzessin! wo jemals ein bis in den Tod getreuer Sklave von seinem Halsherrn wegen einigen Verbrechens Gnade und Verzeihung zu gewarten hat: so werde ich mich deren anitzo auch billig aus Dero holdseligen Munde zu getrösten haben. Kein Vorwitz, sondern die inbrünstige Liebe, welche alle Gefahr, auch den Tod, verachtet, und die getreueste Vorsorge, welche ich zu der Zeit, da Ehre und Leben der schönsten Prinzessin auf der Spitze ruhet, vor Sie trage, haben mich in diese Kleider und vor Dero englisches Angesicht zur Erden geworfen. Ich bin kommen, Sie, werteste Banise, aus der Hand eines grausamen Wüterichs zu erretten, und mich derjenigen Liebe, um welche ich längst so sehnlich geseufzet, dadurch vollkommen würdig zu machen. So erteile Sie demnach Ihrem gewidmeten Knechte einen beliebten Blick, und ermuntere ihn durch Ihre Liebe, daß er das angenehme Werk Ihrer Befreiung desto beherzter und geschwinder antrete.« Die Prinzessin konnte sich hierauf nicht entschließen, ob sie ihn mit harten oder sanften Worten von diesem gefährlichen, teils verhasseten Vorsatz ableiten sollte:[312] doch, in Betrachtung, daß sein Vorbringen nicht so gar übel gegründet, und er sich gleichwohl um ihrentwillen in solche Gefahr des Lebens begeben hatte, erachtete sie es vor billicher zu sein, ihn mit freundlichen Worten abzumahnen, dahero sie zu ihm sagte: »Mein Prinz von Tangu! Wo ich mich nicht einiger Undankbarkeit schuldig erkennen will, so muß ich's gestehen, daß ich Euch nicht wenig verpflichtet bin, indem Ihr auch mit Gefahr Eures Lebens und Hintansetzung Eures Reichs so treulich auf meine Freiheit bedacht seid. Nachdem aber die Götter schon einmal ihr Mißfallen über selbst genommener Freiheit erwiesen, und mich dadurch angemahnet, ihrer rechten Hülfe zu erwarten: als bin ich des festen Entschlusses, denen Göttern gehorsame Folge zu leisten, und mich so lange in dem Kerker zu schmiegen, bis sie mir selbst Tor und Riegel eröffnen, und mir die güldene Krone der Freiheit aufsetzen werden.« Zarang, welcher sich nichts weniger als dieser Weigerung versehen, erstaunte ganz hierüber, und wollte durch scharfes Ansehen ihren Ernst oder Scherz erkundigen. Als er aber in ihrem unveränderten Angesichte lauter Ernst verspürte, kunnte er sich nicht enthalten, sie ferner zu der Flucht zu bereden.

»Wie? Schönste Banise«, sagte er! »ist dieses möglich, daß von einer freigebornen Seelen ein beschlossener Raum der edlen Freiheit sollte vorgezogen werden? Der Adler sehnet sich nach der unbeschränkten Luft, und der Löwe seufzet in dem Käfichte: Wie sollte denn Sie die Freiheit, welche alle Schätze der Welt besieget, und sich Ihr anträgt, so leichtsinnig ausschlagen? Sie reize doch nicht die Götter durch solch verzweifeltes Entschließen wider sich, und bedenke, daß, wie sie niemals unmittelbar sich denen Menschen hülfbar erweisen, also sie auch mich zu einem Werkzeuge Ihrer Wohlfahrt und Freiheit ausersehen haben. Die Götter, sage ich, haben auch mich hierzu durch gewisse Mittel angetrieben, nämlich durch die Liebe, welche wie ein Chamäleon alle Farben annimmt, wenn sie nur dem Geliebten hierdurch zu raten weiß. Ach so verspiele Sie doch keine Zeit, und befördere die angebotene Flucht.« – »Es ist zu gefährlich«, wendete die Prinzessin ein, »ja ein Werk der Unmöglichkeit.« – »Keine Unmöglichkeit«, war Zarangs Gegenrede, »denn den Göttern und der Liebe ist nichts unmöglich. Ich habe bereits solche Anstalt zur Flucht gemacht, daß uns auch ein schnelles Tiger nicht einholen soll. Hier verberge Sie sich in Eswarens entlehnte[313] Kleider, und gehe ungescheuet mit verhülleten Gesichte durch die Wache. Ich will inzwischen mit diesem Dolche den alten Rolim zu einem tödlichen Stillschweigen nötigen, mich gleichfalls der heiligen Kleidung bedienen, und unter dem Schutz der Gottheit getrost folgen.« – »O verzweifelter Anschlag!« antwortete die Prinzessin hierauf, »sollen die Götter solche Flucht segnen, so muß kein geweihtes Blut die Bahne besprützen. Dem sei aber wie ihm wolle, und ob alles nach Wunsch hinausliefe, so ist doch das Lösegeld vor solche Freiheit allzu kostbar, indem ich meine Keuschheit hier retten, und anderswo einbüßen soll. Sollte aber gleich das Absehen auf ein reineres Verbündnis gerichtet sein, so stehet doch dieses im Wege, daß ich mich nicht mehr vergeben, noch meine Liebe teilen könne. Dannenhero will ich viel lieber in Geduld anderwärtige Hülfe erwarten: Der Prinz von Tangu aber wird vergnügt sein, wenn ich mich selbtem mit solchen Danke vor diese Vorsorge verpflichtet achte, als es Ehre und Tugend zulässet.« Dem Zarang war mit Danksagung alleine nicht sonders gedienet, dannenhero er seinen Zweck ganz verrücket sahe. »Unempfindlichste Prinzessin!« redete er sie ferner an, »so können denn auch die Zeiten und das Unglück, welche sonsten Erzt und Marmor bezwingen, Ihr Herze nicht entsteinern? Ist denn meine Liebe so gar verhaßt, daß sie nur jederzeit mit verstopftem Ohr und stählernem Gemüte soll angenommen werden? O so weiß ich nicht, ob ich mich der Wehmut ergeben oder die Götter um Rache anflehen soll? Gewiß, eine solche Härte kann nicht unbestrafet bleiben, indem der Himmel selbst mit mir Mitleiden haben, und Ihr dermaleinst solches Unrecht empfindlichst vorstellen wird.« Die Prinzessin empfand auf dieses bewegliche Vorbringen, welches sie nicht anders, als auf Tugend gegründet zu sein vermeinte, fast einiges Mitleiden, daher sie ihn mit diesen Worten tröstete: »Mein Prinz, ich wollte Euch gerne ein Beileid gönnen, wenn ich nicht auch nur durch solches ein anderweitiges Band verletzte. Jedoch wo Ihr Euch keine törichte Liebe blenden lassen, noch die Grenzen einiger Ehrbarkeit überschreiten wollet, so wird Euch meine Höflichkeit niemals ein keusches Unterreden auch bei bessern Zeiten einen höflichen Scherz versagen. Ja ich schenke Euch als eine Freundin meine Gunst, wornach Ihr so ein heftiges Verlangen traget.« Zarang deutete dieses alles zu seinem Besten aus, und setzte sich selbst in lauter Vergnügung:[314] ja er kunnte sich nicht enthalten, ihre Hand zu küssen, welches sie ihm endlich auch erlaubte, in Hoffnung, ihn durch solche linde Pflaster zu heilen, und zu gesunder Vernunft zu bringen. Allein diese erlaubete Freiheit wurde in geilem Verstande von ihm angenommen, und er unterließ nicht, seine verhaßte Funke durch folgende Worte zu verraten: »Ich küsse Ihre Klugheit, schönster Engel, und den wohlbedachten Schluß, welchen Sie gnädigst gegen mich gefasset. Weil aber die Rosen ohne Mitteilung ihres Geruchs und der erstickte Ambra wenig Nutzen schaffen: so wird Sie mir, gütigste Banise, nicht verüblen, wenn ich um ein würkliches Merkmal Ihrer Huld von Ihren Lippen bitte. Denn wie kann ein zartes Kind der Mutter Liebe versichert sein, wenn sie nicht dasselbe bisweilen küssen wollte?« Die Prinzessin fand sich hierdurch nicht wenig beleidiget, jedoch verbarg sie noch ihr Mißvergnügen, und sagte nur dieses zu ihm: »Haltet Eure Lust im Zaum, und verstattet Eurer Begierde doch nicht so den Zügel, indem Ihr wissen sollet, daß ich bereits so gut als vermählet bin.« – »Das ist ganz unschädlich«, verriet er seine unzüchtige Gedanken ferner, »denn es können viel Schwane in einem Flusse baden, da doch dessen Flut im wenigsten gemindert wird.« – »Bezäumet Eure Lippen«, redete ihm die Prinzessin mit etwas härterer Stimme ein, »und gebet Euch nicht so gar bloß. Mich wundert, daß Ihr Euch durch törichte Brunst auf solche tolle Reden verleiten lasset.« – »Heißet dieses toll«, versetzte Zarang, »was uns die Natur befiehlet?« – »Die Natur«, erwiderte Banise, »will nicht, daß man die Ehe zerrütten soll.« – »Die Ehe bleibet unzertrennet«, war Zarangs Einwenden, »ob man gleich andere liebet.« – »Wehe dem«, antwortete Banise, »welcher durch solche Liebe Ärgernis verursachet.« – »Ei, die Liebe ist vielerlei«, wollte sich Zarang rechtfertigen, »man muß in den Grenzen bleiben.« – »Ja«, erwiderte Banise, »wer auf die Grenzen kömmt, der will sich auch ins Land wagen.« – »Dieser Einwurf tut mir nichts«, fing endlich Zarang an, »gnug, daß ich Sie lieben, und dasjenige mit Gewalt nehmen muß, was Sie mir so lange vorenthalten hat.« Mit welchen Worten er mehr als halb verzweifelt nach einem Kusse schnappte. Die Prinzessin aber stieß ihn mit diesen Worten zurück: »Unverschämter Prinz! welcher Wahnwitz verblendet Euch, daß Ihr Euch würklich unterstehen dürfet, eine versprochene Braut, ich will nicht sagen, kaiserliche Prinzessin, mit verbotener Liebe zu beleidigen.«[315] Zarang besann sich zwar sobald, und wollte diesen Fehler mit Worten büßen, indem er sagte: »Schönste Göttin, Sie verzeihe dem ...« – »Ja wenn ich Göttin wäre«, fiel sie ihm in die Rede, »so wollte ich Blitz und Blei auf Eure Verwegenheit regnen lassen, und das unzüchtige Herze in tausend Stücke zerreißen.« – »So fahret denn hin, ergrimmte Prinzessin«, antwortete der beleidigte Zarang, »in Eurer stolzen Meinung, jedoch sollet Ihr noch sattsam erfahren, was eine verzweifelte Liebe im Schilde führe.« Welche harte Worte und starke Reden den Rolim bewegten, sich wiederum in das Zimmer zu verfügen: Da er denn alsobald die falsche Eswara erkennete, und solche aufzufangen, die Wache herbeirufen wollte: Zarang aber war ihm zu hurtig, indem er zuerst die Tür erreichte, und solche von außen verriegelte, daß er in solcher Verstellung ungehindert wieder nach Hause gelangete, wiewohl er sich einiger Gefahr besorgete, und Pegu noch selbigen Tages verließ. Inzwischen wollte sich Eswara, als welche des unglücklichen Ausschlages noch unberichtet war, wieder zu der Prinzessin begeben, welche zuerst die verriegelte Tür eröffnete: sobald sie aber der Rolim ansichtig wurde, verwies er ihr diese Verräterei mit heftigen Scheltworten, ließ sie alsbald gefangennehmen, und als sie ohne Zwang ein freies Bekenntnis tat, wurde sie, indem sie durch fremden Tritt die Heiligkeit des Tempels entweihet, jämmerlich gesäbelt. Der Prinzessin aber wurden nunmehro zwei beeidigte Frauen zugegeben. In welcher Einsamkeit wir sie nach diesen zwei heftigen Liebesstürmen wollen ruhen lassen, und mit unserer Feder einen Rückflug nach dem Lager vor Odia nehmen, allwo wir die aracanischen Gesandten vor uns finden werden.

Diese hatten sich einige Tage zuvorhero gebührend bei dem Chaumigrem anmelden lassen, welcher ihnen mit dieser Antwort begegnet war: Es sollte ihm angenehm sein, wenn sie lebendige Zeugen der grausamen Rache, welche er von dem Könige in Siam nehmen würde, sein wollten. Inmittelst, als sich erwähnte Gesandten dem Lager genähert hatten, schickte ihnen Chaumigrem einige Großen mit dreitausend Pferden entgegen und ließ sie sehr prächtig in das Lager begleiten. Die Gesandten saßen auf zwei wohlgeputzten Elefanten, welche ihnen gleichfalls entgegengeschicket waren: Ihre eigene Begleitung aber, welche aus hundertundvierzig Aracanern bestünde, mußte vor den Gesandten herreiten.[316] Bei solchem Einzüge ließ Chaumigrem alle Stücke lösen, und mit Blasen der Trompeten ein grausames Feldgeschrei ertönen: zugleich aber auch aussprengen: Es ließe der König von Aracan einen Bund wider Siam und alle bramanische Feinde durch diese Gesandten antragen: um, wie er hoffte, die Siammer desto eher zur Übergabe zu zwingen. Als nun die Gesandten in ein herrliches Gezelt eingelagert, und ihre Leute um sie herum verleget waren, ließ sie Chaumigrem alsobald durch den Feldherrn Martong willkommen heißen, auch noch selbten Abend königlich bewirten. Wobei sich viel Großen des Reichs von Pegu als auch Kriegeshäupter einfunden, welche Befehl hatten, sowohl durch starkes Zutrinken als auch sonsten sich äußerst zu bemühen, damit sie noch vor der Audienz die Ursache ihrer Ankunft erfahren möchten. Weil man aber zu dieser Gesandtschaft die Klügsten des Reichs genommen hatte, ihren Leuten auch bei Strafe des schmerzlichsten Todes alle verdächtige Gemeinschaft mit den Peguanern verboten war: als war ein jeder vergebens bemühet, auch nur ein Wort hiervon zu erschnappen. Die Gesandten hielten indessen um schleuniges Gehör an: welche aber über acht Tage aufgehalten wurden, ohne daß man ihnen die geringste Hoffnung zu einiger Audienz gab. Denn Chaumigrem vermeinte, Odia zuvor zu erobern, dahero er mit grausamer Gewalt diese Zeit über fast Tag und Nacht stürmen ließ: weil aber die tapfern Siammer fast unüberwindlich zu sein schienen, mußten die Stürmenden jederzeit mit blutigem Verlust die Mauern verlassen. Als nun die Zeit denen Gesandten allzu lange fallen wollte, hielten sie noch einmal um Gehör an, mit Bedrohung, sie würden sonst ihre Verrichtung schriftlich hinterlassen, und wieder davonziehen müssen. Worauf sich endlich Chaumigrem entschloß, ihnen einen Tag, sie zu hören, anzuberaumen. Weil er aber des festen Vorsatzes war, die Stadt angesichts der aracanischen Gesandten zu erobern, und sich dadurch in ein schreckliches Ansehen bei ihnen zu setzen: ließ er Tages zuvor noch einen entsetzlichen Sturm auf die Festung wagen, in welchem es schien, nicht als ob er willens wäre, im Triumphe hineinzureiten, sondern auf einem ganzen Strom von Blute hineinzuschiffen. Er trieb selbst mit entblößtem Säbel die Seinigen zum Sturme, und hieb zuweilen vor Grimm die Weichenden mit eigner Hand nieder. Es schien, als wollte er diesmal die Stadt erobern, sollte gleich alles darüber zu Boden sinken,[317] und er vermittelst einer Brücken von lauter Leichen über die Mauern schreiten. Allein, zu geschweigen der innerlichen klugen Gegenbefestigung, womit sie ihre Mauern mehr als verdoppelt hatten, so erwiesen sich die Belagerten dergestalt, gleich als ob ihnen der Platz wie einer Schnecken die Schale angewachsen wäre. Ihre Mauern speiten Dampf und Feuer von sich, und die Schützen aus Tannassery gaben aus ihren gewißzielenden Röhren einen Bleiregen nach dem andern so häufig, daß die Feinde von ihrem eignen Blute durch und durch genetzt wurden. Den größten Verlust in diesem Sturme mußte Abaxar an seinem Orte, der ihm mit zehentausend Mann zu behaupten angewiesen war, empfinden. Denn als dieser mutige Held in Angesicht des Tyrannen sich unter die Fördersten stellte, auch am ersten die Höhe der Mauer erreichte, und mit eigner Faust ein peguanisch Fähnlein draufsteckte, welchem die andern frisch nachfolgeten: gaben die listigen Siammer willig die Flucht, und lockten den Feind bei fünftausend stark, welche in voller Hoffnung des eroberten Sieges hinter ihnen eindrangen. Nachdem es aber die Belagerten Zeit dauchte: ließen sie vermittelst einiger Abschnitte starke und verborgene Gegatter vorschießen, wodurch die Hintersten an der Nachfolge verhindert, die Fördersten aber gänzlich abgeschnitten wurden. Worauf es denn an ein greuliches Metzeln ging, also, daß nur Abaxar mit ungefähr fünfzig Mann gefangen und lebendig erhalten wurde. Die Ausgeschlossenen aber wurden teils zwischen den Mauern niedergemacht, teils über die Mauern dermaßen wieder zurücke gejaget, daß sie in Hoffnung, ihr Leben zu retten, Hals und Bein brachen. Also hatte endlich auch dieser blutige Sturm, welcher über dreiundzwanzigtausend Mann gefressen hatte, nach zehen Stunden ein auf Seiten der Belägerer unglückliches Ende. Jedoch konnte diese rote Flut bei dem Chaumigrem den Willen, Odia weiter mit Macht zu versuchen, nicht auslöschen: sondern je mehr sich das Glücke, oder vielmehr die Streitbarkeit der Belägerten, mit tapferster Gegenwehr bezeigete; desto verstockter beharrete er in seiner Eigensinnigkeit: ja je größern Schaden ihm der mutige Feind zufügte; je heißer entbrannte in ihm die Begierde, sich zu rächen. Ehe er aber was weiters wider Odia vornehmen ließ, wollte er zuvor die aracanischen Gesandten abfertigen, damit sie nicht fernere Zeugen seines blutigen Verlusts sein möchten: dannenhero er sie abermals auf wohlgezierten Elefanten[318] herzuholen, und alles auf das prächtigste anstellen ließ. Über fünfzigtausend Mann der Bestbewehrtesten mußten in vielfacher langen Ordnung von des Kaisers, bis an der Gesandten Gewalt stehen, durch welche die Aracaner durchziehen mußten. Nachdem sie etwan zweihundert Schritte von diesem Gezelte, welches wie eine kleine Festung von dem Lager abgesondert, und mit aufgeworfener Erde umschanzet war, angelanget, begaben sie sich von den Elefanten herunter, und gingen mit ihren Leuten unter Begleitung derjenigen, welche sie abholen müssen, bis an den vordersten Eingang; bei welchem vier Personen stunden, die jeden Gesandten bei den Armen faßten, und sie solchergestalt mit Zurücklassung der andern Aracaner vor den Kaiser führten. Dieser saß nun auf einem erhabenen und mit Golde reichlich gezierten Throne in einer vollen Kriegsrüstung: auf beiden Seiten stunden vierundzwanzig der vornehmsten Kriegshäupter, zu dessen Füßen aber saßen unterschiedene Reichs- und Kriegsräte. Den Thron umgaben zweihundert Trabanten mit silbernen Kolben. Die Decke aber des Gezeltes war von blauen Goldenstück, in welches Sonne, Mond und Sterne künstlich eingewirket waren: und die übrige Pracht schien mehr ein königlicher Hof als ein Feldlager zu sein. Sobald nun die Gesandten nach dreimaliger Ehrbezeigung sich dem Throne naheten, wurden sie ermahnet, mit bedecktem Angesichte auf den Knien ihre Werbung vorzubringen, welches sie aber durchaus nicht eingehen wollten, sondern Korangerim fing alsobald folgendergestalt an zu reden:

»Daß man, o König von Brama, niemals mit demjenigen, welches uns die Götter an Stand und Vermögen erteilen, vergnügt und zufrieden sei, solches ist eine allgemeine Würkung verderbter Natur, welche zu Bedeckung ihrer Schanden jederzeit den geflickten Mantel des verdammlichen Ratio Status entlehnen muß. Und wie uns dessen Xenimbrun, voriger Statthalter von Brama, ein klares Beweistum gibet; also sehen wir anitzo in des Chaumigrems Person einen frischen Nachfolger. Nun sind wir nicht deswegen von unserm großmächtigsten Könige und Herrn der Reiche von Aracan abgesendet, daß wir die gewaltsame Eroberung von Brama und Martabane untersuchen sollen: ob solche durch einiges Recht oder bloße Herrschsucht, oder, welches am füglichsten zu sagen, aus unerforschlichem Verhängnis der erzürnten Götter geschehen sei, welches wir an seinen Ort und zu des[319] Überwinders künftiger Verantwortung vor der Gottheit gestellet sein lassen: sondern es zwinget unser hohes Oberhaupt ein rechtmäßiges Mitleiden und die heilige Gerechtigkeit, uns seine Diener, gnugsam bevollmächtigte Gesandten, an den König von Brama abzufertigen, und die gefangene Prinzessin Banise als eine versprochene Braut des großen Königs von Aracan nebst ihren, durch unberechtigte Gewalt eroberten Erbreichen von Pegu aus seiner Hand unversehret wieder abzufodern. Wird nun diesem billigen Begehren Chaumigrem gebührend nachleben, die Prinzessin unter sicherm Geleite unbeleidigt nebst dem bisher gewaltsam besessenen Reiche Pegu abtreten und ausantworten: so soll ihm das Königreich Brama und Martabane willig gelassen, und alle wohlverschuldete Rache wegen des unschuldigen Blutes Xemindo wider ihm gänzlich eingestellet verbleiben. Bei unbefugter Verweigerung aber wird das Schwert ein unparteiischer Richter sein, und die Rache wird Brama bis an das äußerste Teil der Erden verfolgen.« Chaumigrem verstellte seine Gebärden über dieser Anforderung dermaßen, daß man den funkenden Grimm gleichsam aus den Augen blitzen sahe. Ob nun zwar dem bramanischen Oberkriegsrat die Beantwortung im Namen des Kaiser gebühret hätte, selbter auch bereits durch Aufstehen sich hierzu geschickt machte: so konnte doch der ergrimmte Chaumigrem seine Geduld nicht so weit verlängern, sondern antwortete den Gesandten selbst mit grauser Stimme: »Es ist zwar etwas Unerhörtes, einem freien Kaiser, welchen man das Haupt der Erden nennet, unter den glänzenden Waffen seiner siegreichen Macht mit solchen unbesonnenen Forderungen beschwerlich zu fallen: angesehen der König von Aracan vielmehr mein Schwert als ein Vasall küssen, und nicht damit drohen sollte: dannenhero auch Ihr wegen Eurer Verwegenheit desselben Schärfe zuerst erfahren solltet: weil uns aber das allgemeine Recht der Gesandten, und die Jugend Eures Königs vorbittlich in die Armen fällt, und den wohlverdienten Streich zurücke zeucht, so ziehet ohne einiges Verweilen wieder hin, beschreibet ihm unsere Gewalt, und hinterbringet ihm unsern Zorn, welcher ihn, wo nicht Bekehrung erfolget, wie Siam treffen dürfte. Inmittelst soll er vergnügt leben, daß er Aracan unter unserm Schutz und Lehnrechte geruhig besitzen möge. Die Prinzessin soll ihm auch, sobald wir Pegu im Triumph erreichet haben, übersendet werden, jedoch nicht eher, bis auch die Stallbuben ihre[320] Lust sattsam mit ihr gebüßet haben: alsdenn soll sie in einem Hurenkleide ihrem Bräutigam willig überliefert werden. So entfernet euch denn angesichts aus Gezelt und Lager, und wisset, daß auch die Macht des Himmels unsern Vorsatz nicht ändern soll.« Als nun die Gesandten diese wohl vermutete Antwort mit verdrießlichen Ohren angehöret, trat endlich Korangerim ohne einige Weitläufigkeit oder Ehrerbietung hervor, und redete den Chaumigrem folgendergestalt an: »Weil demnach euch, ihr vom unschuldigen Blute triefende Bramaner, nicht mit dem edlen Frieden gedienet ist: so raubet, mordet, schändet, senget und brennet nach eurem Belieben und Wohlgefallen: Es sei aber euch und eurem Könige hiermit von wegen und im Namen des großmächtigsten Königs Balacin und seiner sämtlichen Reiche ein öffentlicher und blutiger Krieg angekündiget, in welchem ihr euer unrechtmäßiges Vorenthalten und Blutvergießen in eignem Blute büßen sollet.« Nach welchen Worten beide Gesandten ihre vorhin mit Blut gefärbte Säbel entblößten, und solche in aller Gegenwart vor den Thron hinwurfen, sich auch alsobald aus dem Gezelte begaben, nach schleunigen Einpacken das Lager verließen, und ihre Rückreise wieder antraten. Chaumigrem wollte fast rasend werden, und so er nicht von den Seinigen aufgehalten worden, so hätten die Gesandten den Friedensbruch mit ihrem Blute bestätigen müssen.

Es hatten erwähnte Gesandten kaum die Tore zu Aracan erreichet, so wußte bereits jedwedes Kind von dem Kriege wider Pegu zu lallen: ja auch die schwachen Weibesbilder wollten ihr Leben vor die gefangene Prinzessin aufopfern, und die Felder um Aracan wurden in kurzem mit Waffen bedecket: indem die Wachsamkeit des tapfern Königs und die unermüdete Treue der gehorsamen Untertanen die Zeit dermaßen edel machten, daß es schien, als ob die Götter selbst Hand anlegten. In welchem Eifer wir die bemühten Aracaner in etwas wollen beharren lassen, und wieder zurücke nach Siam laufen.

Nachdem nun zwei ganzer Monat unter stetem Gefechte verstrichen, und sich die Peguaner an Odia ziemlich das Maul zerfallen hatten: Chaumigrem auch ein gefährliches Wetter von Aracan her besorgte: als fing die Ungeduld an, ihn zu erhitzen, daß er desto heftiger auf die gewaltsame Eroberung drang, je ferner die Hoffnung war. Inzwischen machten sich die tapfern Siammer zu möglichster Gegenwehr gefasset,[321] weil sie sich wohl einbilden konnten, daß ein oft wiederholter Schlag allzeit gefährlicher würde. Es wurde aber, indem ganz Odia mit Dampf und Blut erfüllet und umringet war, auch das Königliche Haus zu mehrerm Leidwesen mit einer hohen Trauerwolke verdunkelt: indem unversehens die Seele der jüngsten Prinzessin von Siam, Salagramma, ihren Leib und die beängstigte Burg verlassen hatte. Welche Entseelung dem Könige, besondern der Königin, als ihres einig wertesten Kindes, höchst schmerzlich fiel. Weil sich demnach bei deren Verbrennung sonderliche Zufälle ereigneten, welche bei folgender Geschichtserzählung nötig zu wissen sind: als wird der günstige Leser ein geduldiges Auge nachgesetzter Leichbestattung vergönnen, und hieraus die heidnischen Gebräuche der asiatischen Indianer ersehen. Sobald die Sonne ihre Strahlen dieser Trauerhandlung gewidmet hatte, sähe man auf dem weiten Platz vor dem Schlosse fünf hohe und von starken Mastbäumen aufgerichtete Türme, von welchen der mittelste etwan dreißig, die andern aber, welche ins Gevierte um den mittlern herumstunden, zwanzig Klaftern hoch waren. Diese waren alle dermaßen künstlich gebauet, und mit Gold und gemaltem Laubwerke so artig gezieret, daß es allen Anschauenden Lust und Verwunderung brachte. In der Mitten des größern Turms stund ein mit Gold und Edelgesteinen fast bedeckter Altar, sechs Fuß hoch von der Erden, auf welchen die entseelte Prinzessin in einem von feinem Golde daumensdicken Sarge gesetzet war: worinnen sie nicht lang, sondern gleichsam mit gefaltenen Händen und nach dem Himmel gerichteten Angesichte betende und aufgerichtet saß: Ihr Haupt bedeckte eine köstliche güldene Krone: und die übrige Kleidung war von güldenen Ketten und diamantnen Kleinodien recht königlich zusammengefüget: also daß man aus dem Leichenschmuck die Liebe der Eltern sattsam spüren konnte. Hierauf kamen die vornehmsten Mandarins nebst ihren Frauen in ganz weißer Kleidung, nur von feiner Leinwand, welche weder durch Gold oder andern Zierat beleget war. Diese bestreueten nun die Verstorbene mit den traurigsten Gebärden, als welches die letzte Ehre, mit eigener Hand voll Blumen und andern köstlichen Räuchwerk. Nach diesem wurde die Leiche von dem Altar genommen, und auf einen erhabenen Thron oder vielmehr Triumphwagen mit Golde überzogen, gebracht, und daselbst allen Großen des Reichs gewiesen. Auf welches Erblicken alle[322] vornehme Frauen auf das jämmerlichste zu heulen und schreien begunnten, und dadurch ihre empfindlichste Traurigkeit möglichst zu erkennen gaben. Nach diesem Wehklagen wurde der Thron von einigen Staatsmännern ganz langsam nach dem Orte, wo die Leiche dem Feuer sollte geopfert werden, hingezogen: welchen obgemeldete Mandarinen und Frauen in guter Ordnung betrübt folgeten. Zuförderst ritte Prinz Nherandi auf einem schönen jungen Elefanten in ganz Weiß gekleidet, sein Angesichte entdeckte eine tiefe Traurigkeit, die brennenden Augen aber verrieten bald die feurige Begierde, sich wieder auf die Mauern und dem Feinde beherzt entgegenzustellen. Nebenst ihm ritten auf beiden Seiten zwei vornehme junge Mandarinen auf Elefanten, deren jeder wie auch der Prinz, einen langen seidenen Flor, welcher an den Sarg angemacht war, gleichsam als ob sie den Thron zögen, in der Hand hatten. Zu jeder Seiten des Wagens oder Throns gingen vierzehen königliche Kinder zu Fuß, gleichfalls in weiße Leinwand gekleidet, deren jedwedes einen grünen Zweig in der Hand trug, und durch bitterliches Weinen ihr Betrübnis mit niedergeschlagenen Augen sattsam bezeigeten. Auf dem Wege, welchen diese Trauergesellschaft durchwandeln mußte, waren zu beiden Seiten etwa zwanzig Klaftern voneinander, unterschiedliche Schaubühnen aufgerichtet, auf welchen die Mandarinen vom gemeinen Staat saßen, und jederzeit, sobald die Leiche vor sie kam, eine große Menge allerhand Kleider unter das gemeine Volk auswurfen. Andere streueten Pomeranzen, deren teils mit Ticols9 teils mit Maser10 gefüllet waren, wodurch so ein heftiger Zulauf des Volkes entstünde, daß durch den großen Gedrang acht Personen der königlichen Leiche gleichgemacht worden. Nachdem sie nun vor dem Traueraltar angelanget, wurde die Leiche unter einer beweglichen Musik von vielerlei Instrumenten durch die größesten Mandarinen vom Wagen abgehoben, und mit tiefster Ehrerbietigkeit auf den Altar gesetzet. Die Leiche aber wurde mit viel Sandel- und Agorholze umlegt, und zugleich vielerlei Räuchwerk an Spezereien, wohlriechenden Kräutern und Balsam geworfen. Worauf sich die königlichen Kinder nebst den Mandarinen wendeten, und wieder nach dem königlichen Schlosse begaben. Die Frauen aber blieben bei der Leiche, weil solche noch zwei Tage ohne Flammen[323] stehen sollte. Diese saßen Tag und Nacht um den Altar herum mit so lautem Klaggeschrei und Weinen, daß sich zu verwundern war, wie sich ein Frauenzimmer wider ihren Willen, angesehen es den wenigsten ums Herze war, zu solcher Wehmut zwingen, und so kläglich gebärden kunnte. Wiewohl sie auch hierzu sich nicht wenig genötiget befanden: Denn es waren gewisse Weiber bestellet, welche diejenigen, welche nicht gnugsam weineten, mit Stricken dermaßen zuschlugen, daß sie öfters vor Schmerzen wahrhaftig schreien und weinen mußten. Neben erwähnten kostbaren Türmen war eine treffliche Schaubühne etwas davon aufgerichtet, mit sehr dicken und vergüldten Papier bedecket, auf welcher die größesten Pfaffen des Reichs und rund umher auf Tonnelen noch andere in unglaublicher Menge saßen, die insgesamt ihr Gebet vor die Verstorbene verrichteten. Aus andern zwanzig Türmen aber, welche von Bambus sehr zierlich erhöhet, mit starken vergüldeten Papier, gleich der Schaubühne, bekleidet und in einer Ordnung nebeneinandergesetzet waren, wurden beide Abende, nach Untergange der Sonne bis an den Morgen, köstliche Feuerwerke angestecket. Alle diese Zurüstungen nun und deren Unkosten beliefen sich auf fünftausend Catti-Siams11 Silber ohne die güldenen und silbernen Bilder, worunter zwei ganz güldene, fünftehalb Fuß hoch und zwei daumendicke waren: welche zu Ehren der verstorbenen Prinzessin in dem Haupttempel des Reichs als ein künftiger Raub des Feindes aufgesetzet wurden. Nach verflossenen zweien Tagen wurde die endliche Verbrennung des Leichnams mit großem Gepränge unter dem Klange vieler Instrumenten vorgenommen, da denn der König mit eigner Hand durch eine Fackel den Brand anzündete: wodurch nicht allein der kostbare Schmuck, sondern auch der güldne Sarg verbrennet, und zunichte gemacht wurde. Welches ein klägliches Vorspiel des in etlichen Tagen erfolgenden Jammer-Brandes der ganzen Stadt war. Hierbei begab sich nun dieser merkwürdige Fall, daß man, indem nach verloschenem Brande die Asche und überbliebenen Gebeine in einen güldenen Krug zur Beisetzung gesammlet worden, ein Stücke blutiges Fleisch in der Größe eines Kinderhauptes ganz unversehret liegen fand. Worüber der König, welcher abermals mit eigener Hand die Gebeine zu Bezeugung väterlicher Liebe sammlen helfen, heftig erschrak, und den dabeistehenden Sabartibam um sein[324] Bedünken fragte, was dieses bedeutete? Sabartibam, welcher dieses vor eine Zauberei hielt, wollte nichts anders sagen, als S.M. würden die Bedeutung wohl selbst leichtlich ermessen können. Der König schien vor Schrecken ganz aus sich selbst zu sein, und sagte: »Nun befinde ich in der Tat, dasjenige wahrhaftig zu sein, woran ich lange gezweifelt habe, nämlich, daß meine Tochter mit Gift vergeben sei, und rufet mich dieses rohe Fleisch noch um blutige Rache an.« Worauf er sich alsobald ins Schloß verfügte, und noch dieselbe Nacht alles Frauenzimmer, welches der Prinzessin bei Leben aufgewartet, gefänglich einziehen ließ: Der folgende Tag ward gleichfalls mit Gefangennehmung aller derjenigen, welche auch bereits vor einem Jahre nur mit der Prinzessin umgegangen waren, zugebracht. Hierauf sähe man ein abermaliges jämmerliches Vorspiel der blutigfolgenden Eroberung. Denn der König blieb dabei, seine Tochter sei durch Gift hingerichtet worden, ohne daß man die wenigste Gewißheit hievon haben, oder jemand beschuldigen kunnte. Solches aber genauer zu erforschen, wurde diese grausame und betrügliche Untersuchung ins Werk gestellet. Der König ließ unterschiedene Mandarinen und Herren unter dem Vorwand wichtiger Beratschlagung nach Hofe rufen: als sie aber erschienen, alle ins Gefängnis werfen, wodurch viel unschuldige und meistens große Personen, sowohl Männer als Frauen, in die Haft gerieten. In dem Schloßzwinger wurden hierauf etliche seichte Löcher zwanzig Fuß weit ins Gevierte gemacht, und voll Holzkohlen gelegt, welche durch hierzu bestellete Soldaten angefeuret wurden. Die Beklagten führte man mit gebundenen Armen herbei, welche man nicht eher losmachte, bis sie in den verschlossenen Kreis der Soldaten eingetreten waren. Nach diesem setzte man ihren Schenkel in ein Gefäß heiß Wasser, damit die Härte der Fußsohlen weich gemacht würde, welches etliche Sklaven mit Messern abschaben mußten. Wie nun dieses geschehen, wurden sie von einigen Pfaffen zu einer freiwilligen Bekenntnis angemahnt; weil sie aber solches beständig leugneten, wurden sie beschworen, und den Soldaten übergeben. Diese zwungen nun die armen Menschen mit bloßen, und zuvor bis aufs Blut geschabten Füßen über die in voller Glut liegenden Kohlen zu laufen: nach welchem heißen Laufe man jedwedem die Füße besahe, welche nun verletzt waren, die wurden vor schuldig gehalten, und wiederum gebunden. Es war aber kein einiger, welcher unverletzt[325] geblieben war, obgleich deren ein Teil mit verwunderlicher Geschwindigkeit durch das Feuer flohen. Etliche fielen gar darein, kunnten sie nun herauskriechen, so waren sie zwar vom Feuer, nicht aber vom Tode errettet, blieben sie aber liegen, so mochten sie jämmerlich verderben: indem keinem bei hoher Strafe einige Handreichung zu tun, erlaubet war: daß auf solche Weise unterschiedene lebendig braten, und verbrennen mußten. Unferne hiervon stunden etliche Elefanten, welche in Siam jederzeit des Henkers Stelle vertreten müssen. Welche nun, und zwar alle, vor schuldig erkennet worden, die band man an einen Pfahl, und legte sie vor die Elefanten. Wenn nun der Elefant an einen dieser bedeutenden Missetäter angeführet ward, ging er etliche Mal mit grausamen Brüllen um ihn herum, edlich fassete er ihn mit dem Rüssel, warf ihn mit Gewalt in die Höhe, und fing ihn mit den scharfen Zähnen durch den Leib wieder auf, von welchen er den Körper schüttelte, und mit den ungeheuren Tappen dermaßen zertrat, daß ihm das Eingeweide heraussprang. Die zerschmetterten Körper wurden nach einer großen Gruben geschleifet, und da hineingeworfen. Weil sich nun die Zahl der so jämmerlich hingerichteten Personen merklich vermehrete, als wurde der Boden überall von dem häufigen Menschenblute dermaßen gefärbet und glatt gemachet, daß auch die henkermäßigen Elefanten keinen gewissen Tritt mehr tun kunnten. Dieses war nun die gemeine Strafe. Die andern mußten noch schmerzlichere Todesarten empfinden, denn ein Teil wurde auf dem Wege, wo man am meisten zu gehen pflegte, in die Erde bis an den Hals eingegraben, und ein jedweder, der vorüberging, mußte sie bei Leibesstrafe anspeien. Unterdessen durfte sie niemand töten, viel weniger ihnen einen Trank Wasser reichen, oder die geringste Güte tun, bis diese armseligen Menschen, von der Sonnen halb gebraten, vor Durst verschmachteten. Tausendmal baten sie um die große Gnade ihres Todes. Allein die Tyrannei hatte ihre Ohren verstopfet, und mußten also über tausend Personen erbärmlich umkommen. Man hielte davor, diese Tyrannei des Königs wäre nicht sowohl auf die Giftmischer als auf den Adel angesehen, weil dem Pöbel ein großer Gefallen geschahe, und sich dadurch der König freiere Hand machte. Ob nun gleich der Prinz Nherandi aufs beweglichste seinen Herrn Vater von solcher Tyrannei abzuführen trachtete, mit Vorstellung, wie man solche Blutvergießen wider den Feind[326] versparen sollte, und wie leicht man den allbereit entbrannten Zorn der Götter zu äußerstem Untergang des Reichs noch heftiger vermehren könnte; allein der tugendhafte Prinz wurde mit einer so unangenehmen Antwort abgefertiget, daß er sich entschloß, Tag und Nacht auf der Mauer zu bleiben. So stecke demnach, grausamer Higvero, dein Mordmesser wieder ein, und bedenke, daß die Rache dieses unschuldigen Bluts bereits vor dem Tore ruhe. Was sage ich ruhe? vielmehr wache, weil der Feind bereits den Säbel auf deinen Hals wetzet, und in wenig Tagen eine solche Rache vollstrecken wird, dergleichen in Asien niemals erhöret worden. Doch ich rede mit Steinen, ja ich gieße nur Öl ins Feuer, welche Flamme auch die unschuldige Prinzessin Fylane betreffen sollte. Diese war des Königs leibliche, doch von der ersten Gemahlin erzielte Tochter, eine leibliche Schwester des tapfern Prinzen Nherandi, und mußte jederzeit den gewöhnlichen Haß ihrer Stiefmutter, als jetzigen Königin, sattsam empfinden. Wie aber dergleichen Personen allgemeine Probiersteine kindlicher Geduld zu sein pflegen: und diese Wurzeln insgemein allen Saft väterlicher Gunst denen Nebenzweigen zu entziehen trachten: Also mußte auch hier die fromme Prinzessin unschuldig entgelten, was der Tod an ihrer Stiefschwester verübet hatte. Hierzu kam nun die verliebte Rache vorerwähnten Sabartibams, welcher als ein vornehmer Reichsfürst ehemals sich um ihre Liebe beworben, derselben aber nicht teilhaftig werden können: Weil er denn dieses vor eine erwünschte Gelegenheit, seine vergebene Liebe zu rächen, hielt, verfügte er sich sofort zu der Königin mit diesem fälschlichen Berichte: Er habe noch bei Lebzeiten der Verstorbenen, die Prinzessin Fylane sich zu unterschiedenen Malen beklagen hören, wie die jüngere Prinzessin nicht allein mehr Ehre und Liebe von dem königlichen Herrn Vater als sie genösse, sondern auch sie hierdurch nicht in geringe Verachtung durchgehends gesetzet würde: Dahero sie ein Auge aus dem Kopfe verlieren wollte, wenn dieser Hinderungs-Stein ihres Ansehens aus dem Wege geräumet wäre. Aus welchen verdächtigen Worten leichtlich eine verdächtige Folge könnte geschlossen werden. Die Königin empfing, als ein guter Zunder, diese Funken gar bald, und vertröstete, ein großes Feuer hieraus zu machen: Dahero sie sich in das Gemach des betrübten Königs mit zerstreueten Haaren und tränenden Augen begab, und ihm diese erdichtete Mutmaßung dermaßen scheinbar vorbrachte,[327] daß es nicht allein der König glaubete, sondern auch ohne Betrachtung seines Fleisches und Blutes, viel weniger ihres hohen Standes, befahl, die unglückselige Prinzessin mit silbernen Ketten zu binden, und nebst ihrem Frauenzimmer zur Feuerprobe zu führen. Diese Zornglut wußte die arge Stiefmutter dergestalt zu unterhalten, daß sie um ein großes vermehret wurde, als sie ferner vorbrachte: Die Prinzessin Fylane habe bei Ausführung der Entseelten jederzeit gelächelt, obgleich ganz Odia sein Beileid durch Tränen bezeuget hätte. Woran doch nicht ein lasterhafter Vorsatz, sondern ihre angeborne holdselige Freundlichkeit schuld war. Zu verwundern ist es, wie sich ein väterliches Herze durch fremdes Fleisch sein eigenes Geblüte könne lassen verhaßt machen: Allein hier mußte die Verwunderung den Finger auf den Mund legen, weil öfters, obzwar ein ehrlicher, doch unordentlicher Begierdensrauch die Flamme natürlicher Liebe ersticket. Hier hatte nun eine boshafte Stiefmutter den Zweck ihres Hasses erreichet, und der scheltenswürdige Sabartibam erblödete nicht, seine unbefugte Rache auch mit so zarten Blute zu kühlen. Der Tag hatte kaum dem ungewissenhaften Vater die Ruhe verstöret, so befahl er, die betrübte Prinzessin nebst ihrem Frauenzimmer vorerzähltermaßen durch das Feuer zu leiten: Und damit ja keine Unbarmherzigkeit unterlassen würde, so hielt die ungerechte Königin beweglich an, dem Sabartibam die Vollziehung dieses grausamen Befehls aufzutragen: worein der verblendete König bald willigte, und jener diese Verrichtung mit Freuden auf sich nahm. Wiewohl solches alles in solcher Stille vorgenommen ward, daß Prinz Nherandi nicht das geringste davon erfuhr. Nachdem aber dieses zarte Bild durch das Feuer getrieben worden, befand man, wie leicht zu erachten, die Schenkel erbärmlich zugerichtet und verbrennet: Das andere Frauenzimmer, obgleich keines unbeschädiget davon kam, wurde doch vor unschuldig erkläret, und losgelassen: Die Prinzessin ward sofort dem hohen Gerichte der alten Mandarinen vorgestellet, welche ihr mit Bedrohung ärgster Marter zuredeten, wie sie diese schändliche Tat in der Güte bekennen, und hernach die Beschleunigung des Rechtens gewärtig sein sollte.

Die trostlose Fylane vermochte vor häufigen Tränen kein Wort vorzubringen, und schmerzte sie nicht so sehr das Feuer, als die grausame Schmach, welche ihr aus verbitterten Hasse einer vergälleten Stiefmutter und gehässigen Liebhabers[328] unschuldigst zugefüget worden. »Gerechte Götter!« hub sie endlich mit wehmütigster Stimme und gen Himmel gerichteten nassen Augen an, »die ihr Herzen und Gemüter zu erforschen pfleget, zählet diese meine Tränen, und lasset euch meine Seufzer, welche ihren Ursprung aus meiner Seele nehmen, befohlen sein. Schauet, wie diese Burg ein Schauplatz geworden ist, wo man nichts als Unschuld verbrennen siehet. Gerechter Himmel! höre meine Wehmut, weil mir das stumme Leid Rede und Zunge bindet. Die brennende Glut hat den Leib noch lange nicht so schmerzlich als die schwarze Flamme der Verleumdung mein Herze berühret, denn wo dieses Feuer in den Palästen brennet, da muß auch das güldene Bild der Unschuld schmelzen. Ob ich nun zwar vor dem heiligen Angesichte der Götter und eurer Gegenwart, o ihr Richter, mich auch der geringsten Missetat nicht schuldig geben kann, auch außer einer erbosten Stiefmutter und einem verbitterten Liebhaber niemand wider mir, doch nunmehro das Leben ein Ekel und Verdruß sein: Dannenhero ich mich viel lieber zu dieser ungeschehenen Tat freiwillig bekennen, und den darauf gesetzten Tod geduldig leiden will. Ich gestehe diesen Mord, und bitte nun nichts mehr als um die Beschleunigung meines Todes, damit ich nur nicht der Welt zu Spotte länger leben dürfe.« Durch diese Rede wurden viele der alten Mandarinen so sehr zum Mitleiden bewogen, daß wo ihnen nicht des Königs Grimm vor Augen gestanden hätte, sie leichtlich Mittel zu der Prinzessin Erlösung würden gefunden haben. Doch die Furcht kehrete ihre Herzen von diesem guten Vorsatz ab: und hinterbrachten sie dem Könige ihre freiwillige Bekenntnis. Wie solches der tyrannische Vater vernommen, befahl er alsobald dem Sabartibam, einen Holzstoß zubereiten zu lassen, auf welchem die trübselige Fylane ihre Unschuld auch in der Glut bewähren sollte. Des Königes Befehl war nicht so bald geschehen, so waren inner wenig Stunden auf Anordnung der Königin alle Zubereitungen fertig, und wurde mit ihrer Hinrichtung um soviel desto mehr geeilet: weil das Geschrei kam, wie der Feind einen allgemeinen Hauptsturm wollte anlaufen lassen. Diese Verbrennung nun desto ansehnlicher zu machen, befahl die vermeinte väterliche Gnade, den Abaxar nebst funfzig Mitgefangenen bei dem Feuer zu opfern, und sie ihr nach heidnischer Meinung zur Aufwartung in jene Welt nachzuschicken. Welche denn noch eher als die Prinzessin zu dem Holzstoße hingeschleppet[329] wurden. In kurzem sähe man die betrübte Prinzessin zwischen vier Frauensbildern mit vielen Soldaten umgeben aus dem Schlosse unter schweren Ketten in so erbärmlicher Gestalt geführet kommen, daß auch die Steine zu Mitleiden hätten sollen beweget werden: Der König aber war von seiner schmeichelnden Gemahlin dermaßen eingenommen, daß er auch nicht erblödete, den Tod dieses seinen schönen Kindes in Person anzusehen: dannenhero er sich nebst der Gemahlin auf einen unfern gesetzten kleinen Thron verfügte, diesen Jammer unempfindlichst mit anzusehen. Sabartibam vertrat indessen die Stelle eines fleißigen Henkers, indem er sowohl alle Anstalt zum Opfer der Gefangenen, als auch zum Brande, mit eifrigster Bemühung machte.

Als nun die barbarische Stiefmutter die Prinzessin in jämmerlichsten Anblicke ihren Tod erwarten sahe: wurde sie zu noch größerer Grausamkeit, durch ihr böses Gemüte, angefeuert, daß sie auch sagen durfte: »Weil diese Mörderin meinem Kinde auch nicht die Ruhe ihres Fleisches in der Asche gönnen wollen, also, daß sonder Zweifel aus Zauberei ein Stücke in seinem Blute liegen müssen: so ist es höchst billig, daß man sie zwinge, sich ebenfalls ein solches Stücke Fleisch aus ihrem Leibe mit eigner Hand zu schneiden, und ins Feuer zu werfen.« Wie solches die vorhin elende Prinzessin hörte, befiel sie ein rechtmäßiger Grimm, welcher ihr diese Worte in den Mund legte: »Ha, blutbegierige Bestie! du bist zwar eine Henkerin meines Leibes, aber doch noch viel zuwenig, meinen Willen zu zwingen, oder mein Gemüte zu beherrschen. Die erschreckliche Schlange des höllischen Rauchhauses wird deine Dräuung an dir erfüllen, und dich statt meines Vaters mit schwarzen Geistern vermählen. Ob ich nun zwar von aller Welt verlassen bin, und mir derjenige, welcher mir das Leben gegeben, statt dessen den Tod gewähret: so will ich doch auch sterbende die väterliche Hand küssen, und die kindliche Liebe nicht im geringsten beleidigen. Dieser wangenabrollende Angstschweiß aber soll ein herber Zeuge meiner reinen Unschuld sein: ja meine Unschuld soll siegen, und Mutter und Henker verlachen, wenn schon mein unbeflecktes Blut in dem Feuer zischen wird. Ihm, wertster Herr Vater, wünsche ich, daß die Götter diese Tat vergessen, und die Rache von Dessen Haupt abwenden wollen. Ich sterbe als ein unschuldig gehorsames Kind. Dir aber, allerliebster Bruder Nherandi, der du noch meinen Tod erst mit[330] innigstem Jammer erfahren sollst, sage ich die letzte gute Nacht, und schicke dir durch die Luft den letzten Abschiedskuß.« Mit welchen Worten sie sich zu dem heißen Antritt bequemen wollte. Es war aber unmöglich, daß hier die Natur auch sollte zur Stiefmutter werden: indem endlich dem Könige die Tränen aus den Augen drangen, und das brechende Herze diese Worte unter einem tiefen Seufzer herausstieß: »Ach! wollten die Götter, es unterstünde sich jemand deine Unschuld zu behaupten, so wollte ich leicht zum Beifall zu bewegen sein.« Da ihn denn zugleich ein heftiger Angstschweiß überfiel: obzwar das mörderische Höllenkind Sabartibam bereits den Stoß anzuzünden begunnte, befahl doch der König, noch etwas innezuhalten. Währenden diesen Trauerspiels stand nun Abaxar unfern des königlichen Thrones in Ketten und Banden, und hatte über der Schönheit der Prinzessin, welche wie ein Licht, welches jetzt zu löschen beginnt, die meisten Strahlen von sich warf, fast seines eigenen Todes vergessen. Sein Heldenmut konnte sich nicht zwingen, wehmütige Tränen über den erbärmlichen Anblick der Fylane zu unterlassen: und hätte er gerne einen hundertfachen Tod erduldet, wenn solcher nur das Leben der schönen Prinzessin hätte retten mögen. Weil er nun so nahe dem Throne stund, daß er das seufzende Verlangen des Königs gar wohl vernehmen konnte: so ermunterte er sich dermaßen, daß er durch heftiges Schwirren seiner Ketten alle Anwesende zum Aufmerken bewog: dahero er nach sotaner Stille sich gegen den König wendete, und ihn also anredete: »Die Götter haben meine Ohren eröffnet, daß ich den Wunsch, welcher aus einem mitleidigen Vaterherzen gequollen, wohl vernehmen können. Weil ich denn dieser schönen Prinzessin ihrer Unschuld wohl versichert bin, so hindert mich die betrügliche Feuerprobe gar nichts, daß, weil andere Mittel völligern Beweises anjetzo gebrechen, ich erbötig bin, unter Bedeckung eines Schildes mit einem festen Stabe in der Hand, ihre unfehlbare Unschuld wider einen jedweden, er sei bewaffnet wie er wolle, behaupten und verteidigen will.«

Ob nun zwar die Königin viel Einwendens machen wollte; so war doch dieser Vortrag dem Könige angenehm, und Sabartibam wollte vor Eifer bersten, daß er sich in seiner blutigen Rache sollte verhindert sehen, weil ihm aber Abaxars Erbieten sehr verächtlich vorkam, und solches einzugehen, vor ein leichtes Entschließen hielt: als erbot er sich nur mit[331] einem Säbel in der Hand dem Abaxar zu begegnen. Dannenhero zu jedermanns Vergnügen Abaxar sobald aller Ketten benommen, auf freien Fuß gestellet und mit begehrten schlechten Waffen versehen ward. Die Prinzessin stund inzwischen als in einem Traum, und konnte sich nicht einbilden, daß einiger Mensch gütiger als ein Vater sein sollte, jedoch bedung sich Abaxar zuvor dieses aus, daß sein Sieg die Prinzessin gänzlich befreien, und die ihr zugedachte Glut des erlegeten Feindes Körper verzehren sollte. Welches auch sofort von dem Könige bewilliget, und den Mandarinen, als vorigen Richtern, beschworen ward: Sabartibam schäumete inzwischen wie ein Eber, und weil es sich in etwas vorzog, hieb er vor Ungeduld und Zorn in den Holzstoß. Abaxar aber verließ sich auf die Hülfe der Götter und auf seine ungemeine Stärke, welche die Größe des Leibes weit übertraf. Alle Anwesende schickten ingeheim ihre Seufzer vor den Abaxar himmelan: und niemand außer der lasterhaften Königin wollte auch nur mit einem ersprießlichen Wunsche dem Sabartibam beistehen. Hierauf nun stellete sich Abaxar in ein bequemes Lager gegen seinen Feind, welcher ihn alsobald im ersten Streich voneinanderzuspalten vermeinte, und mit solcher Ungestüm auf ihn einstürmte, daß man auch die Bosheit der Königin an des Abaxars Schilde erkennen konnte: indem sie ingeheim einen solchen losen Schild reichen lassen, welcher auf den andern Streich dem Säbel weichen und zerspringen mußte: dannenhero Abaxar nicht ratsam erachtete, viel Federlesens zu machen, sondern einen Streich auf den Rücken, welcher doch flächlings geriet, auszuhalten, dahero er mit gebücktem Leibe den vor Zorn rasenden Sabartibam dermaßen unterlief, daß er mit ihm übern Haufen fiel. Hier hatte Abaxar den Sieg bereit in Händen, indem er mit der linken Hand des Sabartibams Faust, worinnen er den Säbel hielt, begriff, mit der rechten ihm aber dermaßen die Gurgel beklemmte, daß ihm der Atem und alle Kraft entging, und er also auch leicht den Säbel ihm auswinden konnte, womit er ihm im Augenblick über die Gurgel fuhr, und mit einem Schnitte ihn vollend des Lebens beraubte, worauf er ihm das Haupt heruntersäbelte, und solches auf den Knien vor der Prinzessin Füße legete.

Es war kaum verrichtet, so war die Luft von einem allgemeinen Freudengeschrei des jauchzenden Volkes erfüllet, zugleich aber stürmete Prinz Nherandi, welcher dieses spät erfahren,[332] mit dreißigtausend Mann auf den Platz, um seine geliebte Schwester zu retten; hätte aber der tapfere Abaxar nicht ihren Tod auf diese Art hintertrieben, so würde der Prinz allzu spät angelanget sein: welcher mit gleichen Schritten auf die Prinzessin zueilete, ihr die Ketten abnehmen, und sie unter der Verwahrung der treuen Völker ließ. Nach diesem vergaß er ziemlich seiner kindlichen Ehrerbietung, indem er sich nach dem Könige und seiner Gemahlin mit diesen Worten umwendete: »Unartiger Vater! verdammete Stiefmutter! Ist dieses in ganz Asien erhöret worden, daß man aus vergälltem Angeben eines unverschämten Weibes sein eigen Fleisch und Blut, ich will nicht sagen königliche Prinzessin, dem Henker überantwortet, und sich nicht anders gebärdet, als ob man in größter Sicherheit lebte, da man nur in eignen Adern nach Belieben wüten möchte. Pfui der Schande! welches auch von den Menschenfressern nicht wird gebilliget werden, als welche die feindlichen Körper fressen, der ihrigen aber verschonen. Kommet nur mit mir auf die Mauern, und schauet, wie der Feind den Säbel wetzet, und die Zähne auf uns blöcket, so wird Euch der Blutdurst leicht vergehen. Ich muß mit diesen tapfern Leuten Tag und Nacht in Hitze und Frost unter den sausenden Kugeln und Pfeilen ohne Speise und Ruhe zubringen, und unsere Seelen dem Feinde vor die Stadt opfern: Ihr aber hingegen wollet auch den Feind an Grausamkeit übertreffen, und da nur der Feind gegen Feinde kämpfet, so verschonet Ihr auch der Freunde nicht. Ich habe allbereit den Stifter dieses Mordspiels erfahren«, sähe er die Königin mit ergrimmten Augen an, »und wo ich nicht meines Hauses und meines Säbels, welchen ich nicht mit eines so vermaledeiten Weibes Blute beflecken will, verschonte, so sollte die Schmach meiner Schwester mit Eurem Blute abgewaschen werden.« Worauf der König nebst ihr aus Scham des blöden Gewissens alsobald den Platz verließen: Abaxar aber erzählete dem Prinzen alle Begebenheit umständlich, worauf der Körper des Sabartibams dem Volke übergeben ward, welcher in tausend Stücke zerhackt, auf den Holzstoß geworfen, und zu Pulver verbrennet wurde: die Prinzessin aber wurde unter der Hand des Abaxars in einem Palast von fünfhundert Mann bewacht, damit ihr ferner nichts Übels begegnen möchte. Welche Zeit denn Abaxar dermaßen wohl anwendete, daß Fylane wünschte, Abaxar möchte zu Kronen geboren, und also ihrer Liebe[333] würdig sein. Kurz, Abaxar hatte sich so weit bloßgegeben, daß die Prinzessin Gelegenheit verlangte, in allem des Abaxars keuschen Begehren nachzuleben, welche verliebte Reden vorzubringen der enge Raum untersaget, und der begierige Leser wohl selbst wissen wird, was er vor Worte in dergleichen Begebenheiten gebrauchen wollte.

Wir lassen nun unsere Feder abermals zum Überläufer werden, welcher sich aus der Stadt in des Feindes Lager begibt. Diesen treffen wir nach einer zwölftägigen Ruhe in einem muntern Zustande an, und Chaumigrem flammte vor Begier nach schleuniger Eroberung: welche Hoffnung ihn auch nicht fehlen ließ. Denn keine Stadt in der Welt kann ihren Wällen und Mauren, wären sie auch gleich von lauter Eisen, so viel zutrauen, daß sie der Unüberwindlichkeit vergewissert wäre: zumal wenn sie von keinem Entsatze weiß, und ihr entweder alle Zufuhr benommen ist, oder ein ehrsüchtiger und blutdürstiger Tyrann, der Menschenblut und Wasser in gleichen Preis stellet, ihr mit großer Gewalt zusetzet, und mit seiner Menge allen Widerstand übertrutzen kann. Denn Chaumigrem wollte viel lieber seine Armee weder seine Entschließung zuschanden gehen lassen. Sein Leben und Wille galt ihm gleich viel, und darum aller seiner Völker Köpfe desto weniger. Zu dem Ende foderte er alle seine Generals, Oberste und Hauptleute zusammen, und gab ihnen zu verstehen: Wie dieser Ort ihm so feste an das Herze geknüpft wäre, daß er viel lieber sterben, nur nicht mit Schimpf davon abweichen wollte. Darum stehe ein vor allemal der Entschluß unumstößlich: noch einen Hauptsturm zu wagen, und darinnen sein Leben entweder heldenmütig aufzuopfern, oder anders nicht denn mit Triumph in die Stadt einzuziehen. Niemand durfte diesem brüllenden Löwen widersprechen; aus Furcht, die Sprache gar drüber zu verlieren. Dahero sie bald dareinwilligten, und nur einen Tag Frist baten: nach welchen sie ihre äußerste Kräfte zu endlicher Eroberung der Stadt anwenden wollten. Worauf alles, was nur Bogen und Säbel zu führen vermochten, sich zum Sturme gefaßt machen mußte.

Als nun der blutige Tag angebrochen, an welchem es schien, ob wollten die Götter wegen des nächst-unschuldig-vergossenen Bluts Rache von Odia fodern: mußte sich die ganze Armee in Schlachtordnung stellen, welche Chaumigrem in eigner Person zu Pferderings um besichtigte. Hierauf forderte[334] er abermals alle Kriegshäupter in einen Kreis zusammen, und redete sie mit diesen Worten an: »Ihr meine Feldherren, Obersten, Hauptleute und alle andere, welche die Götter unter meinen Gehorsam gesetzet haben! Gedenket nicht, daß ich heute diesen Sturm endigen werde, ehe und bevor dieser hartnäckigte Ort erobert worden. Ich bin hier mit dieser großen Armee, entweder zu siegen, oder zu sterben; und ihr alle sollt auch gleichen Entschluß fassen. Ich bin entschlossen, die Obersten und Hauptleute, so ihre Pflicht nicht beobachten werden, mit eigner Hand zu erwürgen: die geringern aber durch sich selbst oder durch die Feinde töten zu lassen, und alsdenn hernach mich selbst meines Lebens zu berauben: damit man nicht sagen könne: Chaumigrem sei von andern überwunden worden. Denn es findet zwar derjenige, welcher in guten Werken stirbet, alles wohl nach seinem Tode bestellet: aber der, welcher vor seinem Feinde umkömmt, wird noch viel glückseliger in dem Niba sein. Ihr meine Väter (also nenne ich die Alten), und ihr meine Brüder, die ihr meiner Jahre und aus einerlei Zeuge mit mir gemacht seid! lasset uns ein Werk verrichten, welches dem Qviay Gvatur, unsern großen Kriegsgott, verbinden möge, daß er bei den Göttern unser Vorsprecher sei, und vor alle dermaleinst sagen könne: Dieses sind die Helden, die vor den großen Ruhm der peguanischen Gottheit gestritten haben. Auch daß man in unserm Vaterlande von uns reden möge, daß wir, um in der andern Welt Ruhe zu erlangen, keine Unruhe in dieser Welt gescheuet haben. Hierzu aber zu gelangen, ist nötig, daß man arbeite, und keine Gefahr fürchte. Und warum solltet ihr euch fürchten? Ich glaube nicht, daß jemand von euch so verzagt sei. Sollte ich sehen, daß einer oder der andere nicht willig an den Streit gehet, so will ich denselben mit eigner Hand niedersäbeln.«

Wie nun alle Umherstehende solches anhöreten, rührten sie mit der Hand die Erde an, und antworteten einhellig: Sie wären bereit, den Willen Sr. Majest. zu vollbringen. Worauf das gesamte Fußvolk, soviel auf dem festen Lande zwischen der Stadt und dem Flusse Raum hatten, von den beiden Feldherren Martong und Soudras über den breiten Damm geführet wurde, denen Chaumigrem selbst, ungeachtet des grausamen Schießens aus der Stadt mit der Reuterei nachfolgete, und jedwedem Obersten seinen Posten, wo er anlaufen sollte, anwiese; also, daß die Stadt an allen Orten[335] zugleich sollte angegriffen werden. Das Fußvolk aber wurde von allen Seiten mit der Reuterei umringet, welche sich im Fall der Not auch zum Absteigen mußte gefaßt halten. Wie nun währender Stellung die Belagerten unsäglichen Schaden durch Schießen zufügten, und ein Blitz nach dem andern ganze Glieder wegschlug, so eilte Chaumigrem um soviel desto mehr, und befahl, die Losung mit dem gesamten Geschütze zu geben, welches denn mit einem vielfältigen Donnerschlage den schrecklichen Anfang machte, dessen Grausamkeit durch das Blasen und Rühren der sämtlichen Feldspiele wie auch das entsetzliche Geschrei der Anlaufenden dermaßen vermehret wurde, daß es schien, als ob die Luft zu enge werden wollte, ein solches Getöne zu ertragen.

Hier geschahe nun ein solcher Sturm, dergleichen man in den asiatischen Geschichten nicht leichtlich finden wird. Es ging alles mit so unglaublicher Gewalt zu, daß es schien, als wollte alles in den ersten verwirrten Klumpen der Welt zerfallen, und das Unterste oben gekehret werden. Die Luft wurde anfangs von einem Pfeilregen ganz verdunkelt, jedoch aber durch den Blitz der Musketen und Stücke bald dermaßen erleuchtet, daß die blanken Säbel überall einen roten Schimmer von sich gaben. Wiewohl endlich der heftige Dampf Stadt und Volk dem Gesichte der Zuschauenden entzog, da man nichts mehr als das Geschrei der Fechtenden und das jämmerliche Wehklagen der Sterbenden hören kunnte.

Chaumigrem rennte inzwischen als unsinnig auf einem schwarzen Hengste herum, und unterließ nichts, was einem siegsbegierigen Haupte anstund. Hier trieb er die Hintersten mit scharfen Worten und strengen Ermahnungen an die Mauer: dort hieb er die Weichenden eigenhändig nieder, und wütete bisweilen dermaßen, als ob er sich selbst bekriegen wollte. Die Stirne runzelte sich bis in die Augen, die Haare sträubten sich, die Nasenlöcher wurden weit und groß, und die Lippen geschwollen vor Eifer. Er knirschte mit den Zähnen, und schnaubte wie ein ergrimmter Löwe. Seine Stimme, so heftig und durchdringende sie zuvor gewesen, so rauh und heiser ward sie endlich, daß sie vielmal keinen Laut mehr geben wollte; und wenn er gleich etliche Worte zusammenbrachte, so stammelte doch die Zunge dermaßen, daß er nur halb gebrochene Worte vorbrachte: ja er wußte zuletzt selbst nicht, was er vor Zorn redete, als er die Seinigen[336] an unterschiedenen Orten häßlich geputzt weichen sahe, welche er aber jedoch sobald durch frische entsetzen ließ. Endlich wurde der tapfere Prinz Nherandi durch eine Lanze in die rechte Brust gefährlich verwundet, der kühne Feldherr Padukko aber wurde gleichfalls durch harte Verwundung zum Fechten untüchtig gemacht: dahero sich der Prinz in der Fylanen Palast führen ließ, woselbst ihnen der verliebte Abaxar alle Sicherheit versprach.

Nachdem nun ein Portugiese die unerfahrnen Stückmeister des Chaumigrems gegen hohe Besoldung gelehret hatte, wie sie nicht allein das Geschütze wohl stellen, sondern auch die glühenden Kugeln gebrauchen sollten, auch zur Probe die in der Stadt liegenden Schiffe in Brand schoß: so entfiel endlich denen ermüdeten Siammern dermaßen der Mut, daß sie die Kronen ihrer Fahnen gegen den Feind senken, und sich ergeben wollten. Allein die erbitterten Peguaner stellten sich hierzu taub und blind, und nachdem die Siammer aus Ermangelung ihrer Häupter zu weichen begunnten, wurde endlich Odia auf allen Seiten mit stürmender Hand erobert. Hier sollte ich zwar Feder und Zunge eines Beredten entlehnen, den Jammer der eroberten Stadt zu beschreiben; es wird aber gnug sein, wenn ich sage: daß alle Arten der Grausamkeit damals in Odia zu sehen waren.

König Higvero flüchtete mit seiner Gemahlin in das Schloß, als aber auch durch dieses die gewaltsame Hand des ergrimmten Soldaten brach: ergriffen sie beide einen Giftbecher, trunken solchen ohne Weitläuftigkeit aus, und sturben nebeneinander; daß sie also erstarret von den Soldaten gefunden, ihre Körper aber von ihnen nicht im geringsten beleidigt wurden. Was aber von Silber und Gold anzutreffen war, solches mußte alles der Raubsucht zu Ergötzlichkeit ihrer gehabten Mühe dienen. Und also starb dieser mächtige König durch Gift, welcher nur aus bloßem Argwohn des Gifts über tausend unschuldige Seelen hingerichtet hatte, und aus giftiger Mutmaßung seines eigenen Geblütes nicht verschonen wollte. Diejenige aber, welche aus giftigem Hasse andere zu stürzen suchte, mußte durch einen Giftkelch Leben und Laster endigen, und ein blasses Zeugnis der göttlichen Rache gegen alle ungerechte Stiefmütter sein, welches uns diese Warnung hinterläßt:[337]


Gott zahlet zwar nicht täglich aus:

Doch ist er keinem je was schuldig blieben,

Sein langsam Zorn drückt gar in Graus,

Und sein Gemerk ist in Metall geschrieben.


Inmittelst begunnte sich das Feuer der in Brand geschossenen Schiffe heftig zu mehren: denn es brannten über sechzig Schiffe, welche, ob sie wohl mitten im Wasser stunden, dennoch einen ganzen Haufen Flammen bis an die Wolken von sich gaben. Diese Flammen, so durch einen starken Wind fortgetrieben wurden, wendeten sich gegen die Stadt, und sahe man dieselben im Augenblicke von einem Ort zum andern fahren. Denn es flogen die Seile und alle Segel der Schiffe brennende in der Luft, und fielen funkenweise auf alle umliegende Häuser. Weil nun der siegende Feind mit Morden, Rauben und Schänden alle Hände voll zu tun hatte, die erschrockenen und besiegten Siammer aber nur auf vergebene Lebensrettung und deswegen auf kein Löschen bedacht waren: so nahm die Glut dermaßen zu, daß auch selbst die ergrimmten Feinde darüber stutzen mußten. Mitten unter diesen helleuchtenden Flammen stieg ein dicker Rauch hervor, welcher wegen seiner Dunkelheit den Schrecken dieses schrecklichen Brandes noch heftiger vermehrte, und weil die große Menge der Funken wie ein feuriger Hagel oder Schnee auf die Stadt wieder herabfiele, so war solches desto entsetzlicher anzusehen, ja der Rauch überzog die Stadt zu unterschiedenen Malen dermaßen, daß sich der helle Tag in eine abscheuliche Mitternacht versteckte; und indem sich die Sonne ganz unter den dickschwarzen Dampf verbarg, so schien es, als wenn die Nacht etliche Stunden zu früh eingebrochen wäre. Niemand hätte wissen können, wohin er fliehen sollen, wenn nicht bisweilen die Flamme durch den Rauch geschlagen, und das erbärmliche Wehklagen der Verbrennenden die andern gewarnt hätte, zurücke zu bleiben. Begaben sich aber die guten Leute an einen von der Flamme noch unberühreten Ort, so funden sie das fressende Schwert, welches gleichfalls so grausam wütete, als ob das Feuer mit lauter Menschenblute sollte gelöschet werden. Unterweilen fielen die Giebel der Häuser über die Gassen, und verscharrten die Menschen in einem glühenden Grabe. Oftmals fielen die Häuser einwärts, und schien die Flamme begraben zu sein, welche aber doch hiedurch nur mehr Nahrung bekam, desto erschrecklicher wieder[338] hervorzubrechen. Die Riegel und Balken krachten und sprungen dergestalt voneinander, daß Boden und Wände herunter und über einen Haufen fielen. Zuweilen zündete ein brennendes Haus das neben ihm stehende unten oder in der Mitten an. Hier stürzten ganze Dächer herunter, dort kamen brennende Stücke mit einem harten Winde in die Gassen geflogen: anderswo erschütterte der Grund vom Falle der niederstürzenden Türme. Ja man würde diese greuliche Schläge, dieses abscheuliche Donnern und Poltern, Knistern und Knastern noch viel mehr und weiter gehöret haben, wenn nicht solches das Mord- und Zettergeschrei der Jungen und Alten, so teils die Flammen, teils den Säbel fühlten, gedämpfet hätte. Die Feder würde endlich ermüden, den Jammer auf allen Seiten zu beschreiben: denn was die Flamme verschonet, das wurde von den unbarmherzigen Bramanern mit Mord und Totschlag dermaßen erfüllet, daß das Blut durch die trockenen Gassen gleichsam strömte. Hier sahe man die Körper der Alten und Jungen auf entsetzliche Weise hingerichtet in ihrem Blute liegen, und kunnte man fast keinen Fuß fortsetzen, daß man nicht auf Leichen wandelte: ja die Gassen schienen mit abgehauenen Köpfen, Armen, Schenkeln und halbgebratenen Leibern gepflastert zu sein. Dort klebte noch an den Mauren das versprützte Gehirn der unschuldigen Kinder, welche die verteufelten Überwinder zerschmettert hatten, und die Säuglinge lagen noch den erwürgten Müttern an ihren kalten Brüsten, saugeten statt Milch das geronnene Blut in sich, und lalleten, winselten und schrien so erbärmlich, daß die Steine darüber hätten springen mögen.

Nun verlor sich der Tag, aber nicht die entsetzliche Glut, welche ihre Grausamkeit erst recht zu erkennen gab. Denn auch die höchsten und weitentlegensten Berge dadurch so helle gemacht wurden, daß man sie bei finsterer Nacht deutlich erkennen kunnte, und der Himmel war mit einer feuerroten Morgenröte ganz bedecket. Denn die erschreckliche Menge der Feuerflammen, so sich von vielen niederstürzenden Orten erhuben, weniger oder mehr, nachdem sie eine Materie, so sie unterhielte, antrafen, schienen wegen des starken Windes, welcher dieselbe umtriebe, und von dem sie bisweilen zusammengeblasen, bald wieder voneinander gestöbert wurden, als ob sie miteinander um die Ehre stritten, welche unter ihnen am meisten die Stadt verderben und beschädigen könnte.[339] Man sahe auch mitten in den Flammen noch einige Häuser und Kirchen, die dem Feuer einigen Widerstand taten, und gleichsam um ihre Rettung erbärmlichst fleheten, weil man ihrer Schönheit und unvermeidlichen Untergangs wegen das höchste Mitleiden mit ihnen haben mußte. Mit einem Worte: Dieses erschreckliche Element des Feuers legte drei Teile der herrlichen Stadt in die heiße Asche: Welches denn so ein erbärmlicher Anblick war, daß sich niemand eines grausenden Mitleidens enthalten kunnte.

Endlich ergriff gegen den Morgen die unersättliche Flamme auch das königliche Schloß; da denn niemals die Flamme greulicher geflackert hatte, als da allhier die hohen Türme lichterloh brannten. Es schiene, als wenn der Brand sich über die Wolken erheben, und dem Himmel drohen wollte. Welches so erschrecklich anzusehen war, daß endlich das stählerne Herz des Chaumigrems schmelzen mußte: Dannenhero er durch allgemeinen Ruf der Trompeten bei Leib- und Lebensstrafe alles fernere Würgen oder Beleidigen verbieten ließ. Welchem Verbot so schleunig nachgelebet wurde, daß in einer Stunde fast kein feindseliger Arm in ganz Odia mehr zu sehen war: und sich nunmehr das arme überbliebene Volk sicher in dem unversehrten Teile der Stadt aufhalten kunnte, weil außer denjenigen, welche Tor und Mauer besetzet hielten, alle ins Feld rücken mußten. Hierauf wurden sechzigtausend Mann befehligt, den Brand zu leschen: welche dieses mit solcher Geschwindigkeit verrichteten, daß inner zwei Stunden keine Flamme mehr zu sehen war, weil die Stadt, wie vorerwähnt von achtmaliger Durchströmung des Flusses Menan gnungsam mit Wasser versehen war, und die Leschenden zugleich solchen Eifer erwiesen, daß das Feuer über funfzehenhundert seiner Verhinderer fraß. Die Burg wurde die Hälfte noch erhalten, und zugleich die zwei Leichen des Königes Higvero und seiner Gemahlin. Nachdem sich nun nach unersetzlichem Verlust Mord und Brand geleget hatte, war Chaumigrem darauf bedacht, wie er alles in möglichster Eil in gute Ordnung setzen, und dem androhenden Wetter von Aracan begegnen möchte.

Weil aber der verwundete Prinz Nherandi nebst der Prinzessin Fylane durch treue Aufsicht des Abaxars sowohl von dem Grimm der Feinde als auch der wütenden Flamme glücklich errettet, und noch vor dem Brande in Sicherheit außer der Stadt gebracht worden: so mußten sich diese unglückselige[340] Personen dem widrigen Verhängnisse nur geduldig bequemen, und sich als Gefangene dem Überwinder ergeben: welches, so Nherandi bei vollständigen Kräften gewesen, nimmermehr geschehen wäre. Hierauf ließ der Tyrann eine allgemeine Verzeihung und Gnade ausrufen, wodurch er die versteckten Siammer wieder herbeibrachte, von welchen er sich, als ein König von Siam, krönen ließ. Zuvor aber hielten die grundgetreuen Siammer beweglich um Erlaubnis an, ihrem entseelten Könige die letzte Ehre zu bezeugen, und nach siammischen Gebrauch zu verbrennen. Welche Treue dem Tyrannen sehr wohl gefiel, und dahero solches desto leichter zugab.

In kurzem versammleten sich hierauf etliche tausend Priester, welche beschlossen: man sollte ohne fernere Gebräuche den Leichnam des Königes, weil die Königin bereits ohne Weitläuftigkeit die Glut empfangen, beizeiten verbrennen, ehe solcher durch das eingenommene Gift allzusehr angegriffen, und zu einiger Fäulnis gebracht würde: Denn, wofern dergleichen geschehen sollte, so würde die Seele laut ihrer Lehre nicht selig werden. Darum richteten sie einen Haufen von allerhand wohlriechenden Holze auf, legten den Körper drauf, steckten das Holz mit Feuer an, und verbrennten solchen also unter erbärmlichen Heulen und Wehklagen des Volkes. Hernach wurde die Asche in einen silbernen Kasten getan, in ein, nach Möglichkeit ihres Zustandes wohlgeziertes Schiff gesetzet, und unter Begleitung von vierzig Seroos oder Schiffen, die voller Talegrepos waren, den Fluß abwärts geführet. Darzu kamen noch viel andere von dem Brande überbliebene Schiffe, alle mit Volk und Stücken besetzet. Weil auch ihr vornehmster Tempel von der Glut errettet worden: als kunnten sie über hundert Barken noch mit ihren Abgöttern besetzen, deren teils wie Schlangen, Krokodile, Löwen, Tiger, Kröten, Fledermäuse, Vögel, Böcke, Hunde, Katzen, Elefanten, Geier, Habichte, Raben und andere Tiere anzusehen, und alle so wohl gemacht waren, als ob sie lebeten. Dieser Götzen Gesichter waren alle in der Trauer mit Seide bedecket. In einem andern großen Schiffe aber sahe man den König aller Abgötter, die Schwelg-Schlange des tiefen Rauchhauses. Dieses Götzenbild hatte die Gestalt einer erschrecklichen Schlangen, so dicke als ein großes Faß und in neun Ringe geschlungen, mehr denn hundert Spannen lang, mit emporhaltendem Kopfe. Aus den Augen, Kehlen und Brust[341] kamen schreckliche Feuerflammen hervor, also daß sich jedermann vor diesem Ungeheuer entsetzen mußte.

Darneben war auf einem Gerüste, so drei Klaftern hoch, und köstlich gebauet war, ein sehr schöner fünfjähriger Knabe mit Perlen, güldenen Ketten und köstlichen Edelgesteinen, welche noch aus dem verborgenen Schatze des Heiligtums waren, ganz bedecket, und mit Flügeln und Haaren von Golde wie die gemalten Engel bezieret. Dies Kind hatte einen kostbaren Säbel in der Hand, damit anzudeuten, als ob es ein Engel vom Himmel wäre, den Gott gesandt hätte, diese große Menge der Teufel zu fangen, damit sie nicht des Königes Seele raubten, ehe sie in ihre obere Ruhestatt käme. Als nun alle diese Schiffe in ihrer Ordnung bei einer Pagode namens Quiay Poutar kamen, stiegen sie ans Land, und nahmen zugleich die königliche Asche, nebst allen Götzenbildern und dem Knaben mit sich heraus. Darauf zündeten sie alle diese Bilder an, und machten ein so grausames Getöse mit Stücken, Glocken, Trommeln und Trompeten, daß es schiene, als ob sie das Getümmele des Sturmes wieder vorstellig machen wollten. Da nun die Flamme aufging, war es anders nicht, als eine wahrhaftige Hölle anzusehen, und wurden in kurzer Zeit alle Bilder, Schiffe und was sonst drinne war, ganz eingeäschert. Also mußte das Feuer sowohl der Stadt als dem Könige allenthalben zu Grabe leuchten, und wollte fast eine allgemeine Gegenwart bei den Siammern gewinnen.

Nachdem nun dieses alles verrichtet war, begaben sie sich zu Fuße wieder zurücke in ihre noch stehende Häuser: da sie den folgenden ganzen Tag mit geschlossenen Türen und Fenstern innen blieben, und durfte sich niemand öffentlich sehen lassen außer etliche arme Leute, die bei nächtlicher Weile mit ungewöhnlichen Heulen und Weheklagen ein Almosen begehrten. Folgenden Tages öffneten sie wiederum Tür und Fenster samt ihren übrigen mit Tapezereien möglichst gezierten Pagoden, vor welchen Tafeln mit allerhand Rauchwerke aufgerichtet waren. Hernach kamen sonderliche Männer zu Pferde, in weißen Damast gekleidet, auf allen Straßen, und ruften nach dem Klange eines absonderlichen Saitenspiels folgende Worte öffentlich aus: »O ihr betrübten Inwohner des Königreichs Siam, die ihr, die harte Zornhand Gottes sattsam erfahren! Merket, merket auf dasjenige, was man euch von Gottes wegen ansagt, und preiset alle seinen heiligen Namen mit reinen und demütigen Herzen: Denn die Werke seiner[342] göttlichen Gerechtigkeit sind groß. Legt euer Leid ab, kommt aus euren Wohnungen hervor, darinnen ihr verschlossen seid, und lobsinget von der Gütigkeit eures Gottes, dieweil er euch einen neuen König gegeben hat, der ihn fürchtet und ein Freund der Armen ist.« Als nun diese Ermahnung geschehen, hörte man viel Saitenspiele sonderbarer Personen, die zu Pferde saßen, und in weißen Atlas gekleidet waren. Darauf alle Umstehende mit zur Erde geschlagenen Angesichte, erhabenen Händen und weinender Stimme riefen: »Wir stellen die Engel des Herrn zu unsern Anwalten, daß sie stets den Herrn vor uns preisen.« Alsdenn gingen alle Siammer aus ihren Häusern hervor, mit verstelleten Freuden gleichsam tanzende, auf die Kirche Qviay Fanarel oder des Freudengottes zu, woselbst sie einen süßen Geruch räucherten: Die Armen aber opferten Früchte, Reis und anders, zu Unterhaltung der Priester. Als nun diesen Tag zugleich der König gekrönet war, ließ er sich durch die ganze Stadt in großer Pracht sehen, wornach er sich ins Lager begab.

Nachdem nun durch eine schreckende Post aus Pegu die gewisse Nachricht einlief, wie daß der König von Aracan mit einer gewaltigen Armee im Anzuge sei, sowohl das Reich Pegu als auch die gefangene Prinzessin Banise durch gewaffnete Hand dem Chaumigrem abzufordern; als stellete er schleunige Musterung an, und befand, daß diese Belagerung über dreimal hunderttausend zu Fuße und funfzigtausend zu Rosse der Seinigen gefressen hatte: wiewohl in der Stadt auch über zweimal hunderttausend Seelen, welche Schwert und Feuer aufgerieben, vermisset worden. Dessen ungeachtet erlaubete er nur der Armee drei Tage auszuruhen, alsdenn sie sich zum Rückzuge nach Pegu sollten gefaßt machen.

Soudras aber wurde alsobald voran nach Brama geschicket, eine neue Armee zuzurichten, und solche nach Pegu zu führen. Prinz Nherandi aber nebst der Prinzessin wurden noch als Gefangene unter der Hand des Abaxars verwahret: welcher sie denn dermaßen wohl zu verhalten wußte, daß sie keinen größeren Freund hätten finden können. Und dies war der kranke Prinz auch höchst benötiget, weil sich seine Wunde sehr gefährlich anließ, durch fleißige Vorsorge aber des Abaxars und getreue Wartung der Prinzessin bald zur Besserung gebracht ward. Doch schmerzte ihn diese Seelenwunde noch heftiger, da er den vierten Tag sein Königreich mit dem Rücken als gefangener Sklav ansehen, und sein Vaterland verlassen[343] mußte. Die Hoffnung aber, welche ihm schleunige Erlösung versprach, tröstete ihn so weit, daß er nicht eher bis außer Siam auf die Gelegenheit seiner Flucht bedacht war. Inzwischen wußte Abaxar seine ingeheim verlobte Fylane dermaßen zu bedienen, und wohl in acht zu nehmen, daß sie sich auch in ihrem Gefängnis glückselig schätzte, und mitten in ihrem Unglücke vergnügter denn zuvor im väterlichen Schloß und Schoße war.[344]

1

Im Königreich Dacin sind Völker, Batacchi genennet, welche Menschenfleisch fressen, die ihre alte Eltern schlachten, und nebst denen erbetenen Nachbarn verzehren. Der König braucht sie anstatt der Henker, welche den armen Sünder totschlagen, Hände und Füße abhauen, mit Salz und Pfeffer bestreuen, und also auffressen. Balby, pag. 97.

2

Ist bei den Japonern eine Art der Lebensstrafe, welche sich es vor eine große Gnade und Ehre halten, wann sie sich selbst mit einem Messer den Bauch kreuzweise aufschneiden dürfen. Je beherzter sich nun einer hierinnen bezeiget, je größeren Ruhm hat er davon. Happel, Rel. Cur. Tom. I, p. 118.

3

Die Peguaner glauben: die Welt sei allbereit von vier Göttern regieret worden, welche alle dahin wären: der fünfte Gott sei aber noch nicht angekommen, nach dessen Hintritt die ganze Welt verbrennen werde. Alex. Ross. p. 141.

4

Dutroa wächst als ein gemeines Kraut in Ostindien auf dem Felde, wann man dasselbe in Getränke oder Speise einnimmt, so verändert sich der Mensch, daß er entweder einschläft, oder sich närrisch stellt, da er nichts sehen, erkennen oder verstehen kann, es geschehe auch in seiner Gegenwart, was es wolle. Welches zwölf bis vierundzwanzig Stunden währt, ehe der Mensch wieder zu sich selbst kömmt, es sei denn, daß man ihm die Füße bald mit kalten Wasser wasche. Dessen bedienen sich öfters die unkeuschen Weiber in Ostindien, vermittelst dessen sie angesichts ihrer Männer die unsichtbare Schmach pfropfen. Linschott [Linschoten, Navigatio ac Itinerarium, Hagae Comitis 1599] part. 4 c. 7.

5

Sicken sind Reichs-Räte. Vid. Scultet. Reisebeschreibung pag. 95.

6

Balby setzet gar funfzehnmal hunderttausend Mann.

7

E. Franzisci. Trauer-Saal dritter Teil p. 998.

8

Aloysius Cadamastus cap. 71. Navigat. ad terras ignotas.

9

Ein Ticols ist ein Stück fein Silber von ein und Drittel Gülden.

10

Maser gilt halb soviel.

11

Fünftausend Catti machen sechstausendmal tausend Gülden.

Quelle:
Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen: Die Asiatische Banise. München 1965, S. 180-345.
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