Der Asiatischen Banise drittes Buch

[345] Daß vorige Post aus Pegu mit der Wahrheit allerdings übereinstimmig gewesen, solches erhellet sattsam hieraus, als Chaumigrem bereits das Königreich Martabane, durch welches er seinen Rückzug nehmen mußte, mit aracanischen Truppen erfüllet, und alle Pässe besetzet fand: Indem Balacin mit fünfmal hunderttausend Mann in Chaumigrems Abwesen in Pegu eingefallen war, und weil das Land ganz von Waffen entblößet, bereits unterschiedene Festungen und Städte ohne einigen Widerstand eingenommen hatte. Und so Balacin noch vor des Chaumigrems Ankunft alsobald vor die Hauptstadt Pegu gerücket wäre, so hätte eine schleunige Eroberung ihme gar leicht den Siegeskranz über ganz Pegu erteilen mögen. Wie aber das gütigste Haupt auch nicht von Verrätern verschonet bleibet, also war es auch hier ergangen, indem von unterschiedenen Staatsbedienten eiferigst widerraten worden, daß man nicht alsobald das Herz angreifen, sondern nur alle Adern verrennen sollte, so würde es von sich selbst verbluten. Welchem unseligen Rate Balacin folgete, und den Feldherrn Chatigan mit hunderttausend Mann durch Pegu in Martabane einbrechen ließ, welchem sofort auch die Hauptstadt Martabane ohne Schwertstreich zufiel, und dahero Chaumigrem einen schweren Durchzug haben sollte. Allein der listige Fuchs nahm einen Umweg, und eilete nach äußerstem Vermögen auf Pegu zu. Welches, als es Balacin erfuhr, ihm erst die Augen eröffnete, und dannenhero der völlige Zug der aracanischen Armee, obzwar viel zu spät, nach Pegu eingerichtet ward. Denn Chaumigrem war ihnen bereits zwei Tage zuvorgekommen, und hatte ihnen den festen Paß Abdiara vor der Nase abgeschnitten. Welches ein großes Versehen des Chatigans gewesen, daß er über den Paß Abdiara Pegu vorbeigegangen, solchen Paß unbesetzet, und also dem Feinde ledig stehenlassen. Welches alles endlich dem[345] König Balacin solchen Verdruß erweckte, daß er fünfzehen verdächtige Häupter gefänglich einziehen, und auf die Folter bringen ließ: da sie denn insgesamt die starke Würkung des bramanischen Goldes vorschützeten, und sich dahero wegen solcher Gelbsucht die Hauptader am Halse mußten schlagen lassen. Dessen ungeachtet überwand der königliche Großmut des Balacins alle Beschwerlichkeiten, und setzte sich vor, seine Anschläge nicht mehr auf die Vielheit der Ratenden, sondern nur auf wenig Getreue zu gründen.

Inmittelst beging Scandor eine sonderbare Heldentat: denn indem ihm sein König auf sein bittliches Ansuchen zweitausend Freireuter untergeben, damit dem Feinde allen Abbruch nach eignem Belieben möglichst zu tun; so ging er jederzeit mit diesen untergebenen Reutern voraus, und war nicht unglücklich, sowohl in Kundschaften als auch in Einbringung vieler Gefangenen. Unter andern erhielt er von einigen Gefangenen gewisse Nachricht, was maßen dreihundert mit Pulver beladene Wägen unter Begleitung sechstausend Mann von Macaon nach Pegu in wenigen Tagen sollten geführet werden. Auf diese machte er alsobald einen Anschlag, und weil er bei dem Schlosse des alten Talemons durch den sonst verhinderlichen Fluß vor diesem mit eigner Gefahr einen Furt erfunden hatte: als ging er nach drei Tagen bei anbrechendem Abend mit seinem Haufen dahin, und weil die große Dürre den Fluß noch seichter gemacht hatte: so setzte er glücklich hindurch: Und wie ihm Weg und Steg wohl bekannt war, worzu der Mond sein Licht reichlich erteilte, also rückte er in das oft erwähnte Tigerholz, weil er sich wegen des nah gelegenen Feldlagers vor Pegu im freien Felde sehen zu lassen, nicht getrauete. Als er nun an die Macaonische Straße gelanget, und mitten in dem Walde eine geraume Wiese antraf, stellete er sich auf derselben, weil der Weg gleich über den grünen Weg ging. Indessen lief die Gewißheit ein, wie daß der Feind in vollem Anzuge wäre, weilen sich bereits die Vortruppen merken ließen. Dannenhero verteilete er seine Leute in drei Haufen, und versteckte sie an drei Orten im Gehölze mit gegebenem Befehl, wie sie sich verhalten, und in gewisser Ordnung angreifen sollten. In kurzen darauf kam der Vorzug des Feindes zum Vorschein, und weil die Wagen noch etwas zurückblieben, setzten sie sich in viertausend stark auf diesem Platze, in willens den Weg zu versichern, bis die Wagen hindurch wären. Als nun diese herbeikamen, brach[346] Scandor mit siebenhundert Pferden hervor, und setzte mit gräßlichem Geschrei unter die sichern Peguaner, welche dahero sich anfangs ziemlich trennen ließen: nachdem sie aber die ungleiche Macht vermerkten, setzten sie sich bald wieder, und nötigten den Scandor, daß er ihnen den andern Haufen mußte in der Seiten einbrechen lassen, wodurch der Feind ganz verwirret ward, und nicht wußte, wie er sich wenden, oder wider wen er fechten sollte. Endlich hatte Scandor die sämtlichen Trompeter zu dem letzten Haufen gestellet, welche alle zugleich blasende dem Feinde in den Rücken einfielen, und diesen zeigte erst der Feind sein Mißtrauen, daß er sich in die Flucht begab. Inmittelst säbelte Scandor tapfer hinter ihnen drein, und verjagte sie so weit, als es Nacht und Sicherheit erlaubte. Hierauf packte er die Wagen an, welche alle mit Büffeln bespannet waren: und weil es schon um Mitternacht, ließ er sie so geschwinde, als diese Tiere kunnten fortgetrieben werden, nach obbemeldetem Furte treiben. Er aber ging mit zwölfhundert, Pferden, nachdem er mehr nicht, denn hundertundsechsundfunfzig Mann verloren, hinter ihnen her, um sie zu bedecken. Also kam er glücklich wieder über den Fluß: und war diese verwegene Tat dem Glücke zuzuschreiben, daß er sich mit so wenig Köpfen unter eine solche herumliegende Armee wagen, und eine so langsame Beute wegführen durfte, da er doch in vier Meilen keinen Rückenhalt oder Entsatz zu hoffen hatte. Balacin, als er gegen Mittag seinen Scandor mit der Beute ankommen sahe, verwunderte sich über alle Maßen wegen solcher Kühnheit, und rühmte seine Tapferkeit. Nachdem aber das Pulver abgeladen war, befanden sich über fünfzig Wagen mit Golde beladen, welches gleich dem Pulver in Tonnen eingeschlagen war, und über zwei Millionen betrug. Der König selbst wurde nicht wenig hierüber erfreuet, und schenkte dem Scandor und seinen Leuten fünf Wagen voll Goldes hiervon: wodurch sie dermaßen aufgemuntert wurden, daß sie lieber alsobald noch einen Streich gewaget hätten, wenn es der Schlaf, welchen sie vierzig Stunden in steter Bemühung entraten müssen, zugelassen hätte.

Nach wenig Tagen wurde durch abermalige Gefangene, welche Scandor eingebracht, vor gewiß berichtet, daß Chaumigrem mit siebenmal hunderttausend Mann zu Roß und Fuß und viertausend Elefanten über den Paß Abdiara ginge, in willens, die Aracaner mit Gewalt anzugreifen. Welches fast[347] ein allgemeines Schrecken verursacht hätte, wenn nicht Balacin als ein kluges Haupt die Zahl des Feindes alsobald um ein großes vermindern lassen. Indessen war dem Könige von Aracan nicht allerdings wohl zumute, weil er sich in allem nicht über viermal hunderttausend Mann stark wußte, da hingegen der Feind fast mit gedoppelter Macht im Anzuge war. Wie dem allen aber, so achtete er doch seine gerechte Sache viel höher als noch eine Armee, dannenhero er sofort mit den vornehmsten Kriegshäuptern zu Rate ging, und mit denselben feste beschloß, dem Feinde keinen Fußbreit zu weichen. Weil aber bisweilen eine kluge List den größten Sieg erlanget, also war des weisen Korangerims Rat allen sehr angenehm: indem er mit vielen Beweisgründen darlegte, wie nötig es sei, bei so ungleicher Menge sich der List zu bedienen, und dem Feinde einen solchen Schrecken einzujagen, wodurch seine Ordnung getrennet, und die Menge durch Furcht zur Flucht gebracht werde. Denn, sagte er, mit offenbarer Gewalt durch den Feind brechen, und ihn aus dem Felde zu treiben, sich bemühen kann ein jedweder tapferer Soldate: aber mit Vorteil und ohne sonderliches Volk-Verlieren das Feld erhalten ist der klügsten Kriegshäupter Eigenschaft. In einer Viertelstunde richtet ein verschmitzter General oft mehr aus weder ein tollkühner Wagehals im ganzen Jahre. Wer seines Feindes Trutz sich zu einem zweifelhaften Treffen verleiten lässet, da ihm der Sieg durch einen nähern Weg könnte zuteil werden, der ist, als ein Verächter des Sieges, der Überwindung nicht wert, und hat, so es hernach mißlinget, nicht dem Glücke, sondern seiner Tollkühnheit die Schuld beizumessen. Verstand und Geschwindigkeit tun, wie in allen Sachen, also auch im Kriege das beste. Was viel tausend Geharnischte verloren haben, das gewinnet eine einzige Erfindung zuweilen im Augenblick wieder. Solches nun auch hier zu bewerkstelligen, riet er ferner, sei zum schädlichen Schrecken und schreckenden Schaden keine bequemere Sache als das blitzende Pulver, dessen man anjetzo durch Scandors Tapferkeit einen großen Überfluß hätte. Solches sollte man an einen gewissen Ort verbergen, wo man vermeinte, daß der Feind ansetzen würde. So nun solches alsdenn durch ein laufendes Feuer angestecket würde, so könnte der darauf erfolgende Schlag leicht die halbe Unordnung setzen, und der Sieg auch durch bloßes Schrecken erhalten werden.

Dieser Anschlag wurde allerseits beliebet, und hierzu[348] schleunige Anstalt gemacht. Es war aber ein sehr großes und weites Feld, welches nicht zu übersehen war: Auf demselben nahm Balacin vor Ankunft des Feindes den bequemsten Platz ein. Nachdem man aber leicht wissen kunnte, woher der Feind kommen, und wohin er sich setzen und stellen würde, so wurde an einem ebenen Orte eine große Eröffnung, sechshundert Schritte lang, hundertundfunfzig Schritte breit: und etwa drei Ellen tief in die Erde gemacht, dieselbe mit dem eroberten Pulver ziemlich stark überschüttet, hernach aber mit Erde, Stein und Rasen dermaßen wiederum erfüllet und bedecket, und man fast keine Spur, viel weniger einigen Argwohn, merken kunnte. Aus dieser Grube ging eine mit Zunder angefüllte Röhre unter der Erden bis in das aracanische Lager, welche dermaßen verwahret war, daß sie kein Getümmel zu zerrütten vermochte.

Inmittelst, nachdem sattsame Kundschaft von des Feindes mächtigem Anzuge eingelaufen war, wurde bei Leib- und Lebensstrafe bei der Armee verboten, weder auf Partei zu gehen, noch sich zu weit zu wagen, damit niemand gefangen, und dieser Anschlag des lauschenden Pulvers verraten würde. Damit aber solches noch weniger Verdacht geben möchte, dehnete Balacin seine Schlachtordnung so weit aus, daß die Pulvergrube von der aracanischen Reuterei ganz bedecket wurde, und zwar aus diesen Ursachen: Weil oftmals der Feind die Elefanten, welches Tier die Pferde nicht vertragen können, gegen die Reuterei wendet, so würden die feindlichen Elefanten die größte Unordnung verursachen, wenn das Pulver unter sie geriete: welches hernach der Ausgang bekräftigte, daß dieses sehr wohl ausgesonnen wäre.

Nachdem nun Balacin diesen Vorteil hatte, daß er das Feld meistenteils vor dem Feinde einnehmen, und es sich nach Belieben bequem machen kunnte: so führte er die sämtliche Armee aus dem Lager, und stellete sie mit Beirat des erfahrenen Korangerims und tapfern Ragoa, aracanischen Unterfeldherrns, dermaßen, daß es nur anfangs eine allgemeine Einteilung der Völker zu sein schiene, welche sowohl im Fall der Not in vollkommener Ordnung fechten als auch bei beobachtetem Vorhaben des Feindes ohne Unordnung getrennet, und verändert werden kunnte.

Als nun die Sonne fast die Höhe des Himmels erreichet hatte, sahe man ostenwärts von Abdiara her einen dermaßen großen Staub aufsteigen, daß er fast die Wolken zu bedecken[349] schiene, welches denn ein unfehlbares Zeichen des feindlichen Anzugs war: Dannenhero denn ein allgemeiner Lärmen entstund, und sich jedweder an seinen Ort verfügte. Balacin, nebst einigen hohen Generalspersonen ließ sich eifrigst angelegen sein, alle Unordnung zu verhüten, dannenhero er vermittelst einiger frischen Pferde, die ganze Armee durchrennete, und jedwedem Haufen, so viel es Zeit und Gelegenheit erlaubete, einen tapferen Mut zusprach: welche insgesamt durch ein starkes Waffengeräusche und Feldgeschrei ihre Begierden zum Fechten anzeigten. Weil auch einige Tage zuvor bereits aller Vorteil abgesehen, und viel Geschützerhöhungen verfertiget waren, so wurden die Stücken, deren eine große Anzahl, alsobald aufgeführet: Und weil solche durch lauter erfahrne Portugiesen gehandhabet wurden, so waren sie den ungeschickten Mohren des Chaumigrems weit überlegen. Wiewohl Chaumigrem kein Geschütze mitgenommen hatte, indem er vermeinte, die Aracaner nur so trucken aufzureiben. Alleine er wurde den Betrug seiner Meinung bald innen, als er von dem aracanischen Geschützdonner bei erster Annäherung dermaßen empfangen wurde, daß die Verwirrung des linken Flügels die schädliche Wirkung durch zeitiges Flüchten bald verraten hätte.

Inmittelst hatte sich die feindliche Ordnung in zwei gespitzte Flügel geteilet, gleichsam als ob sie die Aracaner umringen gesonnen wären, also daß der Kern von auserlesenen Bramanern in gevierter Ordnung das Mittel hielten, bei welchen sich Chaumigrem in Person befand. Die Reuterei aber erstreckte sich auf beiden Flügeln, daß sie obgemeldtermaßen einer Scheren gleicheten, und waren die Elefanten dem rechten Flügel zugegeben.

Korangerim, welcher vorhin ein tapferer Feldherr gewesen, wegen Schwachheit des Alters aber nicht mehr fechten kunnte, merkte gar bald des Feindes Arglistigkeit, wie er sich auf seine Macht verließe, und sie gleichsam mit aufgesperreten Rachen zu verschlingen trachtete. Diesem nun vorzukommen wurde in Eile die aracanische Ordnung ganz verändert, und mußten sich die Flügel, welche in Reuterei, mit untermengtem Fußvolke bestunden, weit ausdehnen. Das Mittel der Armee aber spitzte sich in Form eines Kegels vornen zu, und zielete gleichsam auf des Feindes Trennung. Damit auch vorerwähntergestalt der Feind möchte sicher gemacht, und auf die Falle gelocket werden, so wurden zwar die fördersten[350] Haufen, alle in einer Gleichheit über die Pulvergrube gestellet, jedoch hinter jedweden eine solche genügsame Weite gelassen, auf welcher sie sich bei verstelltem Weichen wieder setzen, und an die hintersten in einer Linie schließen kunnten. Wie nun die aracanische Reuterei meist auf den linken Flügel unter Anführung des Ragoa gestellet war; also vermeinete ihnen Chaumigrem einen gewaltigen Rang abzulaufen, wenn er ihnen die Elefanten entgegensetzte.

Als nun also beide Heere in voller Schlachtordnung gegeneinanderhielten, setzte sich Balacin in einem blau- und güldenen Küraß auf einen schönen apfelgrauen Hengst, und wählete sich zu seinem Leibschutz sechshundert tapfere Aracaner und vierhundert handfeste Portugiesen, deren letzteren noch etliche Tausend bei der Armee waren, und denen wilden Aracanern heldenmäßig vortraten. Weil sich nun der Feind säumete, den Angriff zu tun, indem er wegen abscheulicher Menge nicht so hurtig sich stellen kunnte: so ließ Balacin nochmals die gesamten Kriegshäupter vor sich fodern, und redete sie in geschlossenem Kreise vor der Schlacht also an:

»Tapfere Helden! Unverzagte Herzen! Dieses ist der Tag, welcher uns mit der einen Hand Tod und Schande, mit der andern Ehr und Leben darbietet, und uns die freie Wahl läßt, nach welchem wir greifen wollen. Weil ich denn des festen Vertrauens lebe, es werde dieses jenem von euch allen vorgezogen werden: so erweiset euch demnach heute als solche Leute, welche ihre Ehre dem Leben gleich achten, und den Siegeskranz mit eigenem Blute zu bepurpurn begierig sein. Wir haben einen mächtigen Feind vor uns, dessen Krieg in Mordlust beruhet, die Ursache aber des Krieges ist mit grausamster Ungerechtigkeit erfüllet. Hingegen führet die Gerechtigkeit unser Schwert mit eigner Hand. Ist nun diese auf unserer Seiten, wie wir alle mit dessen gewisser Versicherung den Säbel entblößen können, so haben wir gewißlich von den Göttern Hülfe und Beistand zu hoffen. Und wo diese hülfreiche Hand anlegen, da kann weder Himmel noch Erde, weder die Gewalt der Menschen, noch die Stärke der Elefanten etwas ausrichten. Denn der, so ihnen das Wesen gegeben, kann auch ihnen die Macht benehmen.

So saget demnach euren Unterhabenden, daß sie sich nicht vor der Menge der Feinde entsetzen sollen. Denn die Menge der Waffen versichert nicht das Herze, sondern eine gerechte Sache, tapferer Entschluß und die göttliche Gnade. Führet[351] ihnen zu Gemüte die Tapferkeit ihrer Vorfahren, und wie sie sich an den ererbten Siegeszeichen und Ruhm ihrer Voreltern nicht sollen begnügen lassen, sondern vielmehr bedacht sein, ihnen heute gleich zu werden, wo nicht zu übertreffen. Stellet ihnen vor den Verlust des heutigen Tages: Denn sollten wir durch unnötige Zaghaftigkeit dem Feinde weichen, ja ihm gar den Sieg durch allzu große Liebe unsers Lebens in die Hände spielen, so wird es doch nur vergebens sein, dem feindlichen Schwerte zu entfliehen, und es würde scheinen, als ob dieser Platz nicht so gut mit Ehren zu sterben wäre als jener, den man erst durch schändliche Flucht erreichet hätte. Der blutbegierige Tyrann würde sie bis in ihre Hütten verfolgen, selbige über ihren Köpfen anzünden, ihre Weiber vor ihren Augen schänden, und die Kinder an den Wänden zerschmettern: ja ein schmerzlicher Tod würde das Ende ihres Jammers, und die höchste Schande die Frucht ihrer Flucht sein. Hingegen bildet ihnen ein den unbeschreiblichen Nutzen heutiger Siegeserlangung. Auf diesen Stunden beruhet Ehre und Wohlfahrt des ganzen Reichs Aracan. Dieser Sieg machet uns ein so mächtiges Reich unterwürfig, welches sich wohl ehemals gelüsten lassen, den Szepter von Aracan zu entwenden, und einen sklavischen Tribut von uns zu fodern. Reichtum und Vermögen werden uns die entseelten Feinde so reichlich mitteilen, daß die Armut auch bei dem Ärmsten ein Fremdling sein wird. Die Sicherheit wird uns wieder nach Hause begleiten, und, nachdem wir von den Unsrigen mit Freuden empfangen worden, uns in unsern Wohnungen bewachen. Was aber über dies alles gehet, ist die unsterbliche Ehre, für welche ganze Asien zu enge sein wird: Ja, nachdem ihr mit den immergrünenden Blättern ewigen Ruhms bezieret worden, wird euch solcher auf seinen Flügeln weiterführen, als wo sich der weiße Bär im Schnee wälzet. Ich will euch insgesamt dermaßen vorgehen, daß ihr sehen sollet, wie auch ein gekröntes Haupt sein Leben nichts achte, wenn es an die Ehre gehet. Folget mir nach, fechtet ritterlich und wisset: daß dieses Feld ein Schauplatz unserer Ehren sein wird.«

Dies gesagt, verfügten sich alle Obersten und Hauptleute jedweder nach seinem Truppe, und hinterbrachten diese tapfermütige Rede den Ihrigen, welche hierüber ein abermaliges Feldgeschrei zu Bezeugung ihrer Tapferkeit dergestalt erschallen ließen, daß auch die über der Armee fliegenden Vogel ganz betäubt als tot herniederfielen. Hierauf begunnten die[352] aracanischen Stückkugeln dermaßen sich unter die Feinde zu wagen, daß ganze Glieder aus den hintersten hervorrückten, und die Stellen der Erschlagenen wieder füllen mußten. Dannenhero erachtete Chaumigrem nicht vor ratsam, länger unter dieser donnernden Gefahr zu stehen, indem die Portugiesen, so gewiß in ihrer tödlichen Kunst waren, daß jedwede Kugel von der Höhe bei den Köpfen der Fördersten anschlug, und bis zu den Füßen der Hintersten durchdrang, wodurch ein unsäglicher Verlust der Völker entstund, und eine endliche Unordnung zu besorgen war. Welchem vorzukommen, Chaumigrem Befehl erteilte, mit dem linken Flügel den Feind anzugreifen. Welches auch sobald willigst verrichtet ward, denn sich die Peguaner erklärten, lieber zu sterben als länger unter den Stücken zu stehen. Weil aber der rechte Flügel auf aracanischer Seiten häufig mit bengalischen Rohrschützen durchflochten: so liefen die Peguaner auf einen heftigen Stumpf, daß sie bald die Hitze ihres Anfalles erkalten ließen, und sich nach der ersten Salve zum Weichen bequemten. Nachdem sie aber von den Aracanern unverfolgt blieben, setzten sie sich wieder, so gut sie konnten, wiewohl die Spitze des Flügels ziemlich abgebrochen schien.

Als nun Chaumigrem sahe, daß er auf dieser Seiten nicht viel auszurichten vermochte, befahl er, den rechten Flügel nebst den Elefanten anzuführen, worauf es denn etwas hitziger auf beiden Teilen herging, indem der linke aracanische Flügel seinem rechten die Ehre, den Feind zum Weichen zu bringen, nicht allein gönnen wollte. Allein die Wut der Elefanten trieb sie endlich zurücke, also daß sie nicht allein weichen, sondern auch mit zehentausend Lanzen verstärket werden mußten. Weil denn bei diesem Verlauf der vorgewichene peguanische Flügel wiederum ansetzen kunnte, als wichen die Aracaner mit Fleiß, welchen Balacin mit dem corpo folgete, um sich jederzeit in gleicher Linie zu halten. Chaumigrem verstund dieses Weichen unrecht, und legte es vor eine Furcht aus, dahero er mit der ganzen Macht nachzudrücken begunnte. Weil auch die Elefanten, verlangtermaßen, das Pulverfeld betreten hatten, so wurde dem Zunder im Lager beizeiten Feuer gegeben: nachdem aber solcher etwas zu langsam eingerichtet war, als mußten demnach die Aracaner eine grausame Gewalt, wo nicht gar die Gefahr des Feldverlusts, ausstehen. Denn nachdem Chaumigrem mit der gesamten Macht als eine Flut daherrauschte, und so nahe an[353] die Aracaner rückte, daß sie einander nunmehro fast mit den Händen erreichten, konnte es nicht anders sein, denn daß sie die Säbel zur Hand nahmen, und durch solches Handgemenge ein grausames Blutvergießen erregeten.

Hier föchte nun Mann vor Mann, und hielten einander die Spitze des Säbels und der Lanze ins Gesichte. Es war keiner auf beiden Seiten so verzaget, der sich dessen hätte entschlagen können, sondern es mußte sich ein jeder, auch wider Willen, seiner Haut wehren. Am schärfsten aber ging es auf dem linken Flügel aracanischer Seiten her: indem die wilden Elefanten die Reuterei fast verjaget hatten; daher Balacin die Portugiesen eilende nebst die Bengaler stellete, welche die Reuter wiederum zum Stande brachten. Nach diesem erhub sich nun auf allen Seiten das blutigste Gefechte, und fochten alle mit unverwendetem Fuße Hand gegen Hand, als ob jedweder einen absonderlichen Kampf anzugehen hätte. Es konnte keiner seinen Platz verändern, er machte sich denn durch den Tod seines Feindes einen Raum, da er doch nicht weiter als nur einen Schritt fortsetzen konnte, so fand er einen frischen Feind vor sich. Es konnten auch die Verwundeten nicht aus dem Treffen weichen, weil sie den Feind von vornen, und die Ihrigen von hinten her hatten, welche ihnen zugleich auf allen Seiten zu Halse waren. Balacin ging allein ungemein tapfer vor, indem er allenthalben wie ein Blitz durchbrach, und so grimmig um sich hieb und stach, daß ihm ein jeder willigen Platz machte. Deme dann die Portugiesen ungescheuet folgeten, und sich gleichfalls sattsamen Raum macheten. Ob sich nun zwar ein jeder Aracaner so tapfer erwies, daß ein jedweder, wo er stand, niederfiel, und dem Feinde keinen Schritt einräumete: so dürften doch endlich die Elefanten mit ihren Rüsseln den Sieg zu sich gerissen haben: Indem keine Rohrkugel auf dem harten Felle haften wollte: dannenhero die Portugiesen alles Geschütze auf diesen unvernünftigen Feind richten mußten; welches ungemeine Wirkung tat, und einig und allein den Sieg auf feindlicher Seite verhinderte. Denn wenn so eine Hauptpille ein solches Tier schnellete, so ließ es sich nicht mehr regieren, sondern kehrete mit größer Ungestüm zurücke, und begab sich ins freie Feld, da es niederfiel und starb: bis endlich die Glut des glimmenden Zunders erwünschtermaßen das Pulver erreichte, welches sich im Augenblick über und über entzündete, und mit einem so entsetzlichen Knallen und Donnerschlage hervorbrach,[354] daß das Erschüttern der Erde einem ziemlichen Erdbeben nicht ungleich war. Da sahe man mit erschrecklicher Verwunderung die ungeheuren Elefanten in der Luft fliegen, welche nebst denen Steinen und anderer Rüstung nicht wieder an ihren Ort, sondern auf ihr eigen Volk zurücke fielen, und deren sehr viel erschlugen. Der grausame Dampf überzog das ganze Heer des Chaumigrems wie eine Wolke, daß keiner den andern sehen kunnte. Und dieser einige Schlag schlug auch dem Chaumigrem den bereits in Händen habenden Sieg aus der Faust. Denn zu geschweigen der schrecklichen Verwirrung, so die Elefanten verursachten, welche sich alsobald zerstreuten, alles, was ihnen vorkam, zertraten, und in den zur Seiten gelegenen Wald liefen, woselbst sie die Türme an den Bäumen zu Stücken zerbrachen, und die Soldaten, so darinnen saßen, zu Boden warfen: so überfiel auch die ganze Armee des Chaumigrems, welche den Ursprung dieses, aus der Erden entstehenden Donnerwetters nicht wußten, ein so allgemeines Schrecken, daß sie Hand und Herze sinken ließen, und ein jeder seine Sicherheit in der Flucht zu suchen trachtete. Hierdurch bekamen die Aracaner bald gewonnen Spiel, und fielen den Feind noch viel grimmiger an: diese verteidigten sich zwar noch etwas mit der Faust, endlich aber erwählten sie insgesamt bei itztsinkender Sonne die Flucht, und hinterließen den sieghaften Aracanern das Feld.

Der erfreuete Balacin verfolgete sie mit aller Macht, bis an den Paß Abdiara, allwo erst der Feind die größte Niederlage leiden mußte: weil die Flüchtenden nicht alle zugleich durchdringen konnten, und die Hintersten notwendig in der Aracaner Hände verfielen. Was nun geborne Peguaner waren, deren wurden so viel, als bei solcher Gelegenheit geschehen kann, gefangen angenommen: die Bramaner aber mußten ohne Unterscheid dem Säbel herhalten; worüber die Aracaner endlich so ermüdeten, daß ihnen die Faust am Säbel erstarrete: weil solches Metzeln bis nach Mitternacht zu Untergang des Monden währete, welcher durch seine Entfernung allen Unterscheid zwischen Feinden und Freunden benahm, und ihnen einen Stillstand bis zu anbrechendem Morgenlichte auferlegte.

Sobald nun die Morgenröte über die fernentlegene Berge spielete, so war weit und breit außer den Fußstapfen nichts von dem Feinde zu ersehen, weil er den nächtlichen Schatten fleißig zu Hülfe genommen hatte: Worauf Abdiara ohne einigen[355] Widerstand eingenommen und besetzet wurde. Hier ließ nun Balacin die ermüdete Reuterei ausruhen, und erwartete mit Schmerzen den Nachzug der Fußvölker, welche sich mit Beutemachen und Aufhaschung der Elefanten etwas verspätet hatten. Denn Korangerim befahl ihnen, sich der Elefanten zu bemächtigen: Von denen sie aber keinen einigen würden bekommen haben, wenn ihnen nicht einer von denen Gefangenen darinnen wäre behülflich gewesen, und zwar dermaßen, daß sie über fünfhundert Stück fingen, welche Korangerim mitnahm, und den König dahin beredete, daß er von dem an jederzeit solche Tiere im Kriege gebrauchete.

Nach diesem herrlichen Siege hielt Balacin nicht vor ratsam, dem geschlagenen Feinde viel Zeit zu lassen: sondern hielt alsobald nach vierundzwanzigstündiger Ruhe eine Generalmusterung, in welcher er zweiundfunfzigtausend zu Roß und hundertundfünfunddreißigtausend zu Fuße vermissete: Daß also dieser Siegeskranz viel blutige Dornen zeigete, ehe er sich die Rose der völligen Überwindung abbrechen ließ. Der Feinde wurden über zweihundertundvierzigtausend auf der Walstatt gezählt: und bei hundertundachtzigtausend verloren in der Flucht ihr Leben, ohne die Gefangenen, deren sich über funfzigtausend Peguaner freiwillig unterstelleten, und das aracanische Heer auf zweihundertunddreiundsechzigtausend Mann verstärketen. Weil solche Macht aber noch lange nicht zulänglich war, eine solche Hauptbelagerung, wie Pegu erfoderte, vorzunehmen: so wurde eilend zurücke nach Aracan gesendet, um sowohl diese freudige Siegespost denen daselbst sich befindenden Reichsräten und Ständen zu hinterbringen, als auch noch hundertundfunfzigtausend benötigte Mannschaft abzufodern, welche ihren Zug eiligst nach Pegu einrichten sollten. Indessen ginge Scandor mit seinen Freireutern bis an das feindliche Lager vor Pegu, welches er in solche Verwirrung brachte, als ob die ganze Macht der Feinde vorhanden wäre: indem bereits ein solcher Schrecken ihre Gemüter beseelet hatte, daß auch der bloße Name Balacin eine durchgehende Furcht erweckte. Als sie aber endlich die Schwachheit des Scandors merkten, so hatte er hohe Zeit, wieder seinen Abtritt zu nehmen, weil sie ihm sonst etwas Übels zugedacht hatten. Nachdem sie sich aber, ihn zu verfolgen, nicht getrauten, kam er endlich mit ziemlicher Beute davon.

Sobald nun Scandor dieses berichtete, daß der Feind vor[356] der Stadt ein Feldlager geschlagen hätte: mußte alsobald Ragoa mit dreißigtausend zu Roß und fünfzigtausend zu Fuße bei eiteler Nacht aufbrechen, und dem feindlichen Lager zuziehen, Balacin aber folgete mit dem Geschütze und der ganzen Macht hernach.

Ragoa sähe bei aufgehender Sonnen das Lager von fernen liegen, welches sich von Pegu an bis an einen großen Wald erstreckte, dannenhero er sich auf die linke Hand nach dem Walde schlug, wodurch er ganz verdeckt bis fast an das Lager kam. Sobald aber die peguanischen Wachen, indem sie seiner ansichtig worden, Lärmen machten: tät auch Ragoa zugleich den Angriff mit zwanzigtausend Mann. Weil nun der Feind vermeinte, es wäre nur abermals so eine verlorne Partie wie zuvor Scandor gewesen: So begunnten sie sich anfangs tapfer zu wehren, und wollten durchaus keinen Eintritt in ihr Lager verstatten: in welcher Sicherheit und Meinung auch das meiste Lager verblieb, und nur einige tausend Mann zur Gegenwehr stelleten. Nachdem sich aber die übrige Macht der Aracaner, sowohl Reuter als Fußvolk, aus dem Walde hervorbegab, und sich in dem weiten Felde weit ausdehnte, auch das Fußvolk zugleich das Lager bestürmte; entstund ein Geschrei, der Feind stünde mit der ganzen Macht vorm Lager. Weil nun Furcht und Schrecken annoch alle Gemüter beherrschte: so erhub sich abermal ein allgemeines Flüchten nach der Stadt; und, indem niemand das Lager zu beschützen, bedacht war, so kam es die Aracaner leicht an, solches mit stürmender Hand zu erobern, da sich denn ein solches Metzeln und Würgen von neuen erhub, daß das ganze Lager mit Blute befeuchtet wurde: indem über hundertundzwanzigtausend Mann die Stadt nicht erreichen konnten: Also war die mächtige Armee von siebenhunderttausend Mann in wenig Tagen zerschmolzen.

Als nun gegen den Mittag Balacin mit der übrigen Armee nachfolgete: sahen erst die Peguaner und Bramaner mit Schmerzen ihren Irrtum: dahero sie sich teils vor Scham, teils vor Grimm nicht zu lassen wußten, und bald anfangs mit starken Ausfällen sich zu rächen suchten. Hier fanden nun die Aracaner ein wohlbestelltes Lager: da sie nicht allein zu dessen Befestigung keine Hand ferner anlegen noch sich um einige Lebensmittel bekümmern durften; sondern auch mit so reicher Beute versehen wurden, daß es schien, als ob die Stadt ihren Überfluß dem Lager anvertrauet hätte. Balacin,[357] als er sahe, wie die göttliche Rache sich wider den Chaumigrem zu ermuntern schiene, faßte dahero einen tapfermütigen Entschluß, der aracanischen Hülfe unerwartet, eine würkliche Belagerung anzufangen. Dannenhero er das Lager gegen die Stadt gebührend erweitern, auch sofort Pegu von der Mitternacht- und Abendseite berennen ließ.

Es wird aber nötig sein, die Stadt Pegu kürzlich zu entwerfen: solche ist nun in zwei Teile geteilet, deren das eine die alte, das andere Teil die neue Stadt benennet wird. Die alte stimmet den Gebäuden nach mit dem Namen überein, welche sehr alt, weitläuftig und groß sind, jedoch ohne einige sonderliche Befestigung. Die neue aber, welche auch wegen des kaiserlichen Sitzes die vornehmste ist, lieget an einem der allerlustigsten Orte, unter dem sechzehnten Grad, und zwar gegen Mitternacht. Sie ist in das Gevierte gebauet, und mit einer sehr starken Mauer umfangen, durch welche vier Tore gehen, also daß jedwede Seite gegen Osten, Westen, Süden und Norden ein Tor zeiget. Diese Mauer wird von einem sehr breiten und tiefen Wassergraben umgeben, welcher durch die Krokodile so unsicher gemacht wird, daß dem Ufer niemals zu trauen ist: Indem solche ungeheure Tiere sich zu dreißig Schuhen lang darinnen aufhalten, da fast kein Tag vergehet, daß nicht einige Menschen von ihnen gefressen werden. Dennoch werden solche Bestien von diesen törichten Leuten so hochgehalten, daß sie nicht im geringsten beleidiget, sondern noch dazu verehret werden, weil sie glauben, welcher Mensch von einem Krokodil erwürget würde, dessen Seele führe von Mund auf gen Himmel. Es sind diese Tiere so arglistig, daß, wenn die Leute des Tages mit ihren Geschirren kommen Wasser zu schöpfen, sie sich unter den Schilf verbergen, die Armseligen alsdenn bei den Füßen oder Händen erwischen, und sie also mit sich unter das Wasser schleppen: da sie solche Körper in ihre Höhlen tragen, und nicht eher verzehren, bis sie ganz verfaulet und vermodert sind; denen Elefanten aber, welche täglich in diesem Wasser baden, tun sie nichts, weil sie sich vor ihrer Größe entsetzen. Die kaiserliche Burg stehet mitten in der Stadt, und ist gleichsam eine sonderliche Festung, mit Gräben und zwei Toren von der Stadt abgesondert: außer daß ein langer steinerner und gewölbter Gang bis an die Süden-Mauer der Stadt gehet, und sich daselbst durch die sogenannte Tigerpforte einen Ausgang machet.[358]

Balacin bemühete sich indessen mit den vornehmsten Kriegeshäuptern fleißigst, alles aufs genaueste zu erkundigen: wie stark die Mauern, Türme und Tore wären? wie man die heimlichen Ausfälle entdecken, sich davor versichern; und wie man das Lager vor des Feindes Geschütze bedecken könne? Ob die Gräben morastig oder kieslig, und wie solche von dem Ungeziefer der Krokodile zu reinigen wären? Ingleichen, ob man die Schwäche oder Stärke der Mauer zuerst angreifen solle? Ob die Brustwehren von Stein, Erde oder Holz, und was mehr dergleichen nötiges Bedenken in solchen Fällen erfodert wird: indem Balacin wohl wußte, daß eine Festung zu erobern und einzunehmen, mehr auf der Gewalt und Geschicklichkeit, als auf dem Glücke beruhe: ja, er hatte es bereit mehr als zu reiflich erwogen, und sich diese Rechnung beizeiten gemacht: daß Pegu zu belägern, und sich dessen zu bemächtigen, ein solches Vorhaben sei, das ihm viel Mühe, Unkosten und blutige Arbeit verursachen würde: welche große Beschwerlichkeiten er alle mit standhaftem Entschluß, wohl gefaßtem Rat, reifem Gemüte und gnugsamer Stärke überwinden mußte, wo er anders die Ehrenpalmen seines Sieges zu vollkommenem Wachstum bringen, und sich die schöne Banise zur Belohnung seiner mühsamen Tapferkeit zueignen wollte.

Indem nun das ganze Lager im Begriff war, der Belagerung einen würklichen Anfang zu machen: Entstund an der Mittagsseite in der alten Stadt Pegu ein heftiger Lärmen, welcher auch sofort das ganze Lager in die Waffen brachte, indem eine starke Armee zu Roß und Fuß der alten Stadt zuzog: Ohne, daß es Feind noch Freund wußte, ob es Feind oder Freund wäre? Sobald aber dieses unbekannte Kriegesheer sich der alten Stadt näherte: bestürmete es solche dermaßen, daß man dieselbe in einer Stunde mit Mord und Brand erfüllet sahe. Folgenden Tages befestigten diese fremde Sieger, zu jedermanns Verwunderung, die alte Stadt auf solche Art, daß man ihren Sinn, Pegu gleichfalls zu belägern, leichte daraus abnehmen kunnte. Dem Könige Balacin war nicht allerdings wohl zumute, indem er sich gegen Pegu noch lange nicht stark genung befand: Sonst hätte er Alt-Pegu wohl selbst zuvor weggenommen; sollte er nun etwan einen gefährlichen Nachbar an die Seite bekommen, so hielt er sich viel zu schwach, seine Macht zu teilen; dannenhero er den aracanischen Hülfsvölkern Adlersflügel anwünschte.[359]

Wer nun diese unersuchte Mitgehülfen waren, solches wurde dem besorgten Balacin bald durch einige Abgeordnete von selbigem Heer entdeckt. Diese legeten folgende Werbung ab: Es ließe nämlich Prinz Zarang von Tangu sich erkundigen: aus welcher Macht, oder aus was Ursachen sich Balacin unterfangen hätte, den Kaiser von Pegu zu bekriegen? da er doch wohl wüßte, wie er sich zuvor hätte bemühen sollen, ihn, als einen alten Feind, zu dämpfen, und alsdenn unverhindert das Verlangte zu suchen. Nun wüßte er sich zwar wohl zu entsinnen, welchergestalt sich Balacin bei dem blühenden Wohlstande des Xemindischen Hauses einige vergebene Gedanken wegen der Prinzessin Banise machen dürfen: welche, daß sie möchten erloschen sein, und er sich nicht etwan ihrentwegen mit einer solchen Macht vor Pegu bemühet habe, er gänzlich verhoffete: indem erwähnte Prinzessin der einzige Magnet wäre, welcher das Eisen seiner Waffen vor diese Stadt gezogen hätte, des festen Vorsatzes, entweder zu sterben, oder sie zu erwerben. Sollte aber ja, über Verhoffen, diese das ungerechte Absehen der aracanischen Warfen sein: so wäre er zwar mächtig genug, sie mit Gewalt von solchem Vorhaben abzuhalten; und zu lehren, wie die Liebe keine Nebenbuhler leide; weil aber hieraus dem Feinde ein großer Vorteil erwachsen dürfte: so würde ein Zweikampf diese Sache am besten entscheiden. Dannenhero fodere er Balacinen zwischen beide Armeen in voller Rüstung auf Leib und Leben aus, da denn der Fall des Überwundenen dem andern den Sieg und die Prinzessin überlassen und zuerkennen sollte.

Balacin nahm solches auf eine Stunde Bedenkzeit an, und weil er nicht vor ratsam hielt, weder diesen verzweifelten Vorschlag einzugehen, noch ihn durch harte Antwort bei so schwachen Zustande der Armee Anlaß zu einigem gefährlichen Unternehmen zu geben, als ließ er ihm wider zu entbieten: Daß es vors erste denen Waffen an ihrem Ruhme ziemlich nachteilig wäre, so man solche bloß um eines Frauenzimmers willen wider den Feind gebrauchte: Dahero ließe er den Prinz von Tangu versichern, daß ihn außer diesem noch viel höhere Ursachen hiehergetrieben hätten, welche ihm zu entdecken, er vor bedenklich hielte. Was die Ausforderung anlangete, so würde er keine Ursache an seiner Tapferkeit zu zweifeln, sondern wohl erfahren haben, wie er dessen Abgeordneten in Pegu mit eigener Hand des Zweikampfes gewürdiget, und ihm begegnet hätte. Vorjetzo aber[360] wäre er in dem Zustande, da er nicht anders, denn sich mit etliche hunderttausend Mann im Felde herumzuschlagen, gewohnet wäre. Wegen der Prinzessin, so könnte er nicht leugnen, wenn er die Stadt eroberte, daß er sich dieselbe Beute vermöge der Kriegsraison zueignen würde. Würden aber die Götter dem Prinzen von Tangu hierinnen den Vorzug gönnen, so möchte er sich gleichfalls ihrer anmaßen.

Ob nun zwar diese tapfermütige Antwort dem Zarang nicht allerdings anständig war; so ließ er sich doch den falschen Vorschlag belieben, daß derjenige, welcher die Stadt zuerst eroberte, auch die Prinzessin unter die Beute zählen sollte.

Hier wollen wir diese zwei Löwen den Tiger bestreiten lassen, und uns nach dem Prinzen Nherandi umsehen, wo dieser in solcher Unruhe geblieben sei? Erwähnter Prinz war in währendem Herauszuge nach Pegu völlig gesund worden, dahero ihm denn seine Gefangenschaft desto beschwerlicher fiel, und, nachdem er von der Prinzessin, seiner Schwester, und dem treuen Hüter Abaxar abgesondert war, welche nach Pegu in die Burg zur Verwahrung geschicket worden: so war ihm dieses eine unerträgliche Seelenpein, also gleichsam, durch die Augen der Wächter gebunden, den Feinden seines Reiches zu folgen. Dannenhero er sich äußerst bemühete, einen und andern, dem seine Obsicht anvertrauet war, auf seine Seite zu bringen: Welches ihm endlich, weil zumal bei solcher Kriegsverwirrung nicht sonderliche Achtung mehr auf ihn gegeben wurde, auch gelunge, daß er durch vieles Versprechen vier Bramaner bewegte, mit ihm durch und nach Siam zu gehen. Sie verwandelten demnach ihre Kleider, und verließen noch auf den martabanischen Grenzen gegen Pegu das bramanische Lager. Weil nun, wie vorerwähnet, Martaban bereits durch den aracanischen Feldherrn meistens erobert und besetzet war: als funde der Prinz bald seine Sicherheit, indem er sich dem Chatigan zu erkennen gab, und von demselben freudigst an- und aufgenommen wurde. Von hier aus sendete er alsobald geheime Boten nach Odia und andern siammischen Orten, denen er seine Freiheit hinterbringen, und sie ihrer Pflicht und Treue erinnern ließ. Wo sie nun das bramanische Joch vom Halse werfen, und ihn, als rechtmäßigen Erben, vor ihren König erkennen und annehmen wollten: so wollte er in kurzer Zeit mit dreißigtausend Mann erscheinen und den väterlichen Erbsitz mit Gewalt und durch[361] ihre Hülfe behaupten. Denen Siammern war dieses ein angenehmer Ton in ihren Ohren, deswegen sie ihrem Prinzen tausend freudige Willkommungen entgegenschickten, und um Beschleunigung der versprochenen Gegenwart beweglichst anhielten. Ja ihre Freude kunnten sie so wenig bergen, daß es bald die von dem Chaumigrem hinterlassene Besatzungen merkten, und sich dahero nichts Gutes träumen ließen, weil durch das ganze Reich nur hunderttausend Mann verteilet waren, welche wider diese Flut der erbitterten Siammer ein viel zu schwacher Damm waren. Nherandi säumete hierauf nicht, sondern ging mit zwanzigtausend Aracanern, welche ihm Chatigan untergab, auf Siam zu: sobald er aber nur die Grenzen erreichet hatte, erregete sich ein solcher Zu- und Auflauf, daß er sich in wenig Tagen mit zweimal hunderttausend Mann umgeben sahe. Mit dieser Macht rückte er vor alle Städte des Reichs Siam, die er auch alle eröffnet, und vom Feinde entlediget fand, weil die Besatzungen entwichen, und sich gar verlaufen hatten.

Das einige Odia wollte sich sperren, indem Chaumigrem fünfunddreißigtausend Bramaner hineingeleget hatte, weil er den Peguanern nicht allerdings trauen durfte. Nachdem aber Nherandi ihnen heftig drohen ließ, die Bürgerschaft sich auch zu einem allgemeinen Auflauf wider die fremde Besatzung rüstete: als nahmen sie einen Akkord willig an, wodurch sie sich bei dem heiligen Feuer verpflichten mußten, in Jahr und Tag ihrem Herrn wider keinen Feind zu dienen, sondern sich geraden Fußes nach ihrem Vaterlande und darinnen zur Ruhe zu begeben. Worauf diese Besatzung aus und Nherandi mit unbeschreiblichem Jauchzen und Frohlocken des Volkes einzog: Da er sich denn alsobald krönen ließ, nachdem er innerhalb zehen Tagen das ganze Reich fast ohne Schwertschlag wiederum erobert hatte. Nachdem nun auch die gewisse Zeitung von dem angefangenen Kriege zwischen Pegu und Aracan einlief: so rüstete sich König Nherandi in Eil, denen Aracanern mit einer fliegenden Armee von hundertundfunfzigtausend Mann zu Hülfe zu gehen, und sich hierdurch an dem Chaumigrem zu rächen. Zu welchem Ende eilends etliche tausend Wagen angeschaffet wurden, alles, was zu einem fliegenden Lager nötig wäre, zu verführen. Er nahm nicht mehr denn dreißig Stücke Geschütz mit sich, und das königliche Rüsthaus in Odia, welches der Brand noch verschonet hatte, mußte eine große Menge Röhre, Schilde, Pfeile,[362] Bogen und Säbel hervorgeben. An Pulver mangelte es auch nicht; weil hierzulande der Salpeter wohlfeil ist, also daß die Siammer kein Kriegszeug von entlegenen Orten herbeizuschaffen nötig haben, sondern andern noch wohl aushelfen können. Hierbei haben sie männliche und tapfere Herzen, sind nicht tollkühn, sondern sehr arglistig auf Parteien, dabei zwar etwas langsam, doch vorsichtig in Feldzügen und Schlachten.

Indem nun also halb Asien in erschrecklichen Kriegsflammen stunde, welche der gottlose Chaumigrem mit seiner verdammten Regiersucht angezündet hatte, hielte es die junge Königin von Ava vor ein Zeichen großer Undankbarkeit, wenn sie nicht bei solcher Gelegenheit ihr erkenntliches Gemüte gegen ihren wertesten Bruder Balacin würklich erzeigete: Dannenhero sie sich gleichfalls mit einem leichten Heer von dreißigtausend zu Rosse und siebenzigtausend zu Fuße gefaßt machte, das Lager vor Pegu zu verstärken. Weil nun die Entlegenheit ihr zu eilen gebot, als säumete sie sich nicht, in eigener Person aufzubrechen und den geraden Zug südwärts nach Pegu zu nehmen. Welche wir auf dem Wege verlassen und sie bald in Ketten und Banden finden wollen: nachdem wir zuvor die peguanischen Mauren übersprungen, und den verliebten Zustand des Chaumigrems und Rolims betrachtet haben.

Es begunnte Chaumigrem allgemach gegen die Prinzessin zu erkalten, weil ihn teils der Rolim von dero Anschauen beweglichst und arglistig abgehalten, daß also die Zeit ihr Bildnis aus seinem Herzen ziemlich vertilget hatte: teils weil der schmerzliche Verlust der Schlacht sein Gemüte dermaßen eingenommen hatte, daß die Liebe vor Verdruß fast keinen Platz mehr darinnen finden kunnte. Wie aber der ungerechte Neid dasjenige, was er nicht haben kann, auch andern nicht gönnen will: also war er eifrigst dahin bemühet, sie um das Leben zu bringen; welches aber der Rolim jederzeit kräftigst hintertrieb, in der Hoffnung lebende, es werde endlich die Prinzessin seine Treue erkennen, und solche mit würklicher Liebesgenießung belohnen. In welcher Meinung er sich abermals zu der Prinzessin verfügte, und sein abermaliges Ansuchen etwas schärfer wiederholte.

»Prinzessin«, sagte er, »es ist nun nicht mehr Zeit, sich mit eingebildeter Keuschheit und vermeinter Tugend zu beschirmen, sondern Sie muß einmal die Augen eröffnen, und[363] denjenigen, welcher Ihre Schande und Tod verhindert, mit verliebten Blicken betrachten. Der Kaiser hat seine Liebe in tödlichen Haß verwandelt, und so mein Ansehen nicht im Wege stünde, so hätte er Sie längst in tausend Stücke zerfleischen lassen. Will Sie nun einem schmählichen Tode entgehen, so bequeme Sie sich meinem verliebeten Willen, und wisse, daß das grüne Holz von dem dürren leichter könne entzündet werden als von seinesgleichen. Sie befördere Ihre Wohlfahrt, rette Ihr Leben, und stille mein Verlangen!« Weil er nun dieses mit sehr frechen und nachdenklichen Gebärden vorbrachte, so wurde die Prinzessin durch innerlichen Tugendeifer dergestalt zu heftigem Zorne bewegt, daß sie solches unverschämte Ansinnen mit diesen harten Worten beantwortete: »Schäme dich ins Herz, du alter stinkender Geilheits-Bock! Sollen die Götter durch deine unzüchtige Scheinheiligkeit dermaßen beleidiget werden? O so schlage doch der Blitz deinen grauen Schädel entzwei! Ist dieses wohl jemals von einem solchen alten Bufieß, geschweige einem geweiheten Oberpriester der Gottheit, erhöret worden? darum schweige, und beunruhige mich nicht ferner! denn du und der Kaiser sollt wissen, daß ich eher mein Eingeweide um einen glühenden Pfahl will winden, ja mich lebendig in einen Ameishaufen verscharren lassen, ehe ich das geringste, was Zucht und Tugend beleidiget, eurem vermaledeiten Willen einräumen will. Sollte ja aber der Kaiser mit Gewalt meinen Willen zu brechen suchen, so soll dieses Messer meine Seele von aller Schande befreien, und meinen toten Körper eurer Tyrannei hinterlassen.« – »O unbesonnenes Weibesbild!« antwortete der Rolim mit verzweifelten Gebärden, »so bist du denn, du schwaches Wesen, dermaßen verblendet, daß du auch deine Ohnmacht nicht erkennen kannst! Mißbrauche derowegen meiner Geduld nicht ferner, oder ich will dir zeigen, was vor eine begeisterte Kraft in meinen Armen und Lenden stecke.« Worüber sich die Prinzessin dermaßen ereiferte, daß ihr die Tränen aus den Augen drungen, und ihn mit diesen Worten bedrohete: »Entferne dich, du unzüchtiger Hund! oder dieses Messer soll dich lehren, wie du einer kaiserlichen Prinzessin begegnen sollst.« – »Verzweifelte Tat!« hub der Rolim an, »darf sich wohl ein sterblicher Mensch unterstehen, auf einen geheiligten Oberpriester das Messer zu zücken? Diese Freveltat muß mit der Ehre bezahlet werden.« Worauf er sie ganz verwegen anfiel, ihre beiden Armen begriff, und[364] seine alten Kräfte dermaßen gebrauchte, daß sie seiner Stärke weichen, und zur Erden fallen mußte. Ob sie nun zwar in solchen Ängsten beweglich um Hülfe rufte, so war doch der Ort von allen Menschenohren dermaßen entfernet, daß sie ohne eigene Hülfe ungezweifelt den schmerzlichen Verlust ihrer Ehre würde haben erdulden müssen. Als er aber zu Vollziehung seines verdammten Willens notwendig die eine Hand befreien mußte, bekam sie Gelegenheit das Messer in die befreite Faust zu nehmen, welches der Rolim vor rasender Brunst nicht merkte. Mit diesem fuhr sie ihm unter der rechten Brust hinein, daß die Spitze im Herzen steckenblieb, und er fast im Augenblick mit dem Blute die schwarze Seele von sich stieß.

Hier sähe nun zwar die Prinzessin ihre Ehre gerettet, der Leib aber sollte dieses büßen. Denn als kurz nach verbrachter Ehrenrettung die zugegebenen Frauen in das Zimmer traten, und den Rolim in seinem Blute, die Prinzessin auch damit ganz bespritzet stehen sahen, fingen sie ein entsetzliches Zetergeschrei an, und liefen in der Stadt als unsinnig herum, den Mord ihres großen Rolims allen zu verkündigen. Worauf allenthalben ein solch Getümmel entstunde, als ob der Feind bereits die Mauren überstiegen hätte. Es versammleten sich alsobald viel tausend Menschen um den Tempel herum, also daß die von Chaumigrem dahin geschickte Reichsräte, die Sache zu untersuchen, kaum durchzudringen vermochten.

Als nun diese den blutigen Körper des Rolims erblickten, und zugleich die Prinzessin mit unerschrockenem und ernsthaftem Angesichte auf einem Stuhle sitzen sahen, hub der erste alsobald an zu reden: »Welches Unmensch hat sich unterstehen dürfen, dieses heilige Blut zu vergießen? Keine menschliche, viel weniger eine Weiberhand, hat diese Greueltat verrichten können. Gewiß, ein hundertfacher Tod wird viel zu wenig sein, dieses grausame Verbrechen nur im wenigsten zu büßen.« – »Ein tausendfacher Tod«, fiel ihm hier die Prinzessin in die Rede, »soll mir erträglicher sein als der geringste Verlust meiner Ehre. Forschet nur nicht lange nach dem Täter: Denn hier ist die Faust und das Messer, mit welchem kein heiliger Priester, sondern ein Ehrenschänder und alter Bösewicht nach Verdienst ist abgestrafet worden. Denn Ihr sollt wissen, daß auch der Kaiser, so er sich solcher Gewalttat, wie dieser alte abgestochene Bock, unterfangen hätte, nichts anders als Tod und Stich von mir sollte zu gewarten[365] haben.« – »O höchste Verzweifelung!« war des andern Rede, »o abscheuliche Verblendung! die dir keine guten Götter können beigebracht haben, daß eine so heilige Liebe sollte des Todes würdig sein. Doch wirst du deine Torheit bald mit Blut beweinen müssen.« Worauf der Körper des Rolims aufgehoben, und in die Vorhalle des Tempels gesetzet; die Prinzessin aber dermaßen mit Ketten beschweret wurde, daß sie unter solcher Last kaum fortzuschreiten vermochte, und in ein besonder Gefängnis geführet.

In was vor Würden nun die Person des Rolims bei den Peguanern müsse gewesen sein, solches ist leicht aus den prächtigen Umständen der Verbrennung und Wahl eines neuen Rolims zu ermessen. Chaumigrem machte selbst in Person alle Anstalt zu folgendem Leichbegängnis, und die vom Blute gesauberte Leiche wurde auf eine erhabene Bühne geleget, welche mitten auf dem Markte darzu aufgerichtet, mit Flor bekleidet, und mit drei Himmeln von geblümten Atlas bedecket war. In der Mitten sahe man einen Thron, zu dem man auf zwölf Staffeln steigen mußte, welcher wie ein Grab zugerichtet, und mit vielen Gold und Edelgesteinen bezieret war. Außen herum stunden viel silberne Leuchter und Feuerpfannen, darinnen man allerlei Räuchwerk brannte, weil der Leichnam wegen großer Hitze bereit zu riechen begunnte. Solcher wurde die ganze Nacht von sechstausend Pfaffen, als Bicos, Grepos, Menigrepos, Taligrepos und Guimons bewacht, welche ein unaussprechliches Wehklagen verführeten.

Zwo Stunden nach Mitternacht kam aus der Kirchen Quiay Figrau, das ist des Gottes der Sonnenstäublein, ein Reihen, von mehr denn fünfhundert nacketen Kindern, welche an dem Halse und mitten um den Leib mit Stricken und Ketten gebunden waren. Auf ihren Häuptern trug jedes ein Bündlein Holz und in der Hand ein Messer, sungen auch zugleich in zweien Choren einen so traurigen Ton, daß sich die Zuhörer des Weinens nicht wohl enthalten kunnten. Unterdessen sprach einer von den beiden Choren: »Du, der du die Güter des Himmels besitzest, laß uns nicht als Gefangene in dieser Pilgramschaft!« Darauf ihm der andere Chor antwortete: »Auf daß wir uns mit dir in den Gütern des Herrn erfreuen!« Darnach fielen sie alle vor dem Gerüste, auf welchem die Leiche stund, nieder, und ein Grepos, der über hundert Jahr alt war, kniete zugleich, hub seine Hände gen Himmel, und tat im Namen dieser Kinder einen Vortrag. Darauf[366] ihm ein ander Grepos im Namen des Verstorbenen also antwortete: »Dieweil es Gott beliebet, mich durch seinen heiligen Willen aus der Erden zu erschaffen: so hat es ihm auch gefallen, mich wieder zu Erde werden zu lassen. Ich befehle euch, meine Kinder! daß ihr diejenige Stunde fürchtet, in welcher uns die Hand des Herrn in die Waagschale seiner Gerechtigkeit stellet.« Worauf alle andere mit großem Geschrei antworteten: »Der höchste Herr, der in der Sonnen herrschet, wolle nicht ansehen unsere Werke, auf daß wir von der Strafe des Todes erlöset werden!«

Nachdem nun diese kleine Kinder abgezogen waren, kamen andere von zehen bis zwölf Jahren, mit langen Röcken von weißen Atlas angetan, welche mit güldenen Ketten an den Füßen und vielen köstlichen Kleinodien um den Hals beleget waren. Diese, da sie dem Entseelten große Ehrerbietung erwiesen hatten, gingen sie rings um das Grab herum, und fochten mir bloßen Säbeln: gleichsam als ob sie Teufel vertreiben wollten. Wobei sie zugleich überlaut sprachen: »Weichet ihr Verfluchten in den Abgrund des Rauchhauses, allda ihr zu einer ewigen Strafe ohne Aufhören sterben, und doch nimmermehr ersterben werdet können, damit ihr das strenge Gerichte des hohen Herrns bezahlen müsset.« Darauf gingen sie ab, nachdem sie mit einem starken Geheule so viel zu verstehen gegeben hatten, wie daß nunmehro die Leiche von der Teufel Gewalt, die vorhin von ihnen belagert gewesen, allerdings erlöset und befreit wäre.

Alsdenn folgten sechsundzwanzig von den vornehmsten Taligrepos, so alle über achtzig Jahr alt, und in violbraunen Damask gekleidet waren, denen zwölf Türhüter mit silbernen Kolben vortraten. Da nun diese das Grab zum viertenmal mit großer Ehrerbietung beräuchert hatten, fielen sie alle auf ihre Angesichter zur Erden nieder, und redete einer von ihnen den entleibten Rolim also an: »Wofern die Wolken des Himmels unser Betrübnis den Tieren des Landes sagen könnten, so würden diese gewißlich ihre Weide verlassen, und uns sowohl deinen gewaltsamen Tod als auch unsere äußerste Wehmut beweinen helfen. Oder sie würden dich, o Herr, bitten, daß wir mit dir in dieses traurige Haus eingehen möchten, da wir dich nun alle sehen, und doch von dir nicht gesehen werden: Dieweil wir nämlich einer so großen Gnade nicht würdig sind. Damit aber das Volk in dir getröstet werden möge, ehe denn das Grab deinen Leichnam vor uns[367] verbirget: So zeige uns zuvor die ruhige Freudigkeit und die annehmliche Vergnügung deiner Ruhe, damit sie alle aus dem schweren Schlafe, darein sie die Finsternissen des Fleisches verwickeln, aufgewecket werden, und wir elende Menschen eine Anreizung bekommen, dir nachzufolgen, und dich in unserm letzten Atem des Lebens in dem fröhlichen Hause der Sonnen zu sehen.« Hierauf antwortete alles Volks mit großem Schreien: »Der Herr beweise uns diese Gnade!«

Folgends machten die zwölf Trabanten mit ihren Kolben einen Weg durch das drängende Volk: Worauf man aus einem Hause zur rechten Seiten des Leichengerüstes vierundzwanzig köstlich gekleidete Jünglinge hervorkommen sahe, die gleichfalls viel Gold und Edelgesteine um den Hals trugen: Welche, als sie in zwei Reihen vor dem Grabe niedergekniet waren, sehr lieblich musizierten, und sungen ihrer zween drein, denen stets fünf andere antworteten: Welches denn alle Umstehende zu häufigen Tränen bewog, sogar, daß etliche von den Vornehmsten sich große Gewalt antaten, und mit den Köpfen wider die Staffeln des Gerüsts liefen. Was noch erschrecklicher war, so opferten sich sechs junge Grepos von Adel selbst auf, und soffen aus einem güldenen Geschirr, das auf der Tafel stund, einen sonderbaren gelben Saft, welches ein so starker Gift war, daß sie von Stund an tot zur Erden niederfielen. Durch diese Tat wurden diese Teufels-Märtyrer unter die Heiligen gezählet, und wegen solcher Glückseligkeit noch sehr geneidet. Ihre Leiber aber nahm man alsobald, und verbrannte sie in einem von köstlichem Holze angelegten Feuer.

Des andern Morgens entblößte man den Trauerthron, und wurden die köstlichen Stücke von demselben abgenommen: die Himmel aber samt den Tapezereien und Fähnlein blieben dabei: Und alsdenn steckten sie mit lautem Schreien, vielen Seufzen und klingendem Saitenspiele das Feuer im Trauergezelte an, besprengten es auch zum öftern mit wohlriechenden Feuchtigkeiten, bis sich das verbrannte Fleisch in Asche verwandelte. Also wurde der tote Rolim durch Feuer verzehret, und welcher in der Brunst gestorben, der mußte in der Glut sein Begräbnis finden. Der Kaiser und alle Großen vom Hofe wurfen unterdessen viel güldene Stücke und köstliche Kleinodien ins Feuer, welche samt den Leichnam und Gebeinen verbrannten.

Folgenden Tages früh, da die Asche zu kühlen begunnte,[368] kam Chaumigrem samt allen Großen wieder an den Ort der verbrennten Leiche in einer Ordnung mit allen Grepos einhergegangen, unter denen hundertunddreißig mit silbernen Rauchfässern und vierzehen mit güldenen Bischofshüten versehen waren. Sie hatten lange Kleider von gelber Seide an: Die andern aber, siebzehntausend an der Zahl (woraus die Größe der Stadt zu ermessen), waren mit gelben Daft und leinwandnen Oberröcken bekleidet. Da sie nun alle an erstbesagte Brandstelle gekommen, stieg ein alter Taligrepos auf einen erhabenen Stuhl, und hielt eine weitläuftige Rede an das Volk, deren Anfang in einer Lobrede des Verstorbenen bestund, darinnen sein Leben gewaltig herausgestrichen ward: Um denen Europäern nichts nachzugeben, noch ihnen den Ruhm allein zu lassen, daß nur sie ihre Toten im Tode zu erheben, und mit verschonter Wahrheit mehr im Grabe zu versprechen wissen, als das Leben gewähret hat. Hernach kam er von den Kaisern zu reden, darunter er die guten rühmte, die bösen aber greulich lästerte. Wobei er denen Untertanen dermaßen das Wort redete, daß Chaumigrem bei der Asche des Rolims schwur, sofern ihn die Götter diesmal aus seiner Feinde Hand erretteten, so wollte er mit solcher Güte regieren, daß ganz Pegu ihm ein ewiges Leben wünschen sollte.

Hierauf sammlete man die Asche zusammen, und teilte sie, als ein großes Heiligtum, in vierzehen güldene Becken, davon Chaumigrem selbst eines auf sein Haupt setzte, die übrigen trugen die vornehmsten Grepos. Die Asche wurde in angefangener Ordnung unweit von dannen in die schöne Kirche Qviay Doco, oder zum Gott der Betrübten auf Erden, in ein Grab, das nächst bei der Erden gemacht war, gebracht, und allda beigesetzet. Solches Grab wurde nachmals mit zwei silbernen und einem küpfernen Gegitter eingefasset, und hing man an drei eiserne Stangen, so quer über die Kirche gingen, zweiundvierzig silberne Lampen, eine jede von zehen bis zwölf Lichtern, an silbernen Ketten auf. Die Staffeln aber, welche in das Grab gingen, wurden mit sechsunddreißig Kästlein voll Rauchwerks, von Aloe-Holz, Benzoin und Ambra besetzt. Mit dieser Beisetzung wurde der ganze Tag zugebracht, und ließ man gegen den Abend viel Vogel, welche man mehr als in dreitausend Käfichten dahin gebracht hatte, los: Sintemal die Peguaner davorhalten, es wären so viel Seelen der Verstorbenen, welche in die Leiber dieser Vogel[369] gefahren, und bis daher darinnen aufbehalten worden. Diese sollten nun, nachdem sie freigelassen, des Rolims Seele in jenem Leben bedienen, und ihr Gesellschaft leisten. Überdies teilte man viel Almosen unter die Armen aus, bis indessen die Nacht herbeikam, da sich denn Chaumigrem wieder in die Burg verfügte, das Volk aber sich nach und nach verlor, und also dieser traurigen Handlung ein Ende gemacht wurde.

Tages darauf ließ der Kaiser allen Priestern anbefehlen, die Wahl eines neuen Rolims in ihr Gebet zu schließen, zu welcher er neunzig Grepos erwählte. Als aber diese über solcher Wahl nicht einig werden kunnten, verminderte er solche Zahl bis auf neune, welche inner vierundzwanzig Stunden einen achzigjährigen Mann namens Mouchan aus der Stadt Digum mit einhelliger Stimme zum Rolim ernenneten. Chaumigrem schiene über dieser Wahl höchst erfreuet zu sein, dahero er denn sobald seinen Stiefbruder nebst dem größten Adel nach seiner Behausung schickte, und ihn abholen ließe, welchen er vor dem Tempel des Gottes der Tausend Götter entgegenkam, sich vor ihm neigte, und dreimal die Erde küssete: Der neue Rolim aber hub ihn von der Erden auf, und rührte mit der Hand des Kaisers Haupt an, welches er sich vor die größte Ehre achtete, indem er ihm zugleich, als er kniete, dreimal auf das Haupt blies, da denn alles Volk zur Erden fiel. Darauf setzte man den neuen Rolim auf einen güldenen und mit kostbaren Perlen besetzten Stuhl, und trug ihn nach dem Tempel zu. Rings um ihn her gingen zwölf Kinder in gelben Atlas gekleidet mit Hüten von geblümten Zeuge, und führeten güldene Szepter in ihren Händen. Vor und hinter ihm folgten alle anwesende Herren des Reichs, unter dem Klange vieler Saitenspiele, der Kaiser schätzte es sich vor eine Ehre, daß er zu Fuße neben ihm hergehen durfte.

Als er nun an den Tempel gelanget war, durfte er vor großer Heiligkeit die Erde nicht mit den Füßen berühren, sondern Chaumigrem trug ihn selbst auf seinen Rücken bis in den Tempel, allda ein herrliches Gezelt von gelben Atlas aufgerichtet war. Nachdem er sich nun daselbst auf einem kleinen güldenen Bette niedergelassen, stellete er sich, als ob er tot wäre: Da denn alle Grepos, nachdem ein Glöcklein zum drittenmal geklungen, vor sich zur Erden niederfielen, und also bei einer halben Stunde liegen blieben: Die Umstehenden aber hielten zum Zeugnis ihrer Traurigkeit die Hände vor die Augen, und sprachen überlaut: »Herr, rufe diesen deinen[370] Diener wiederum zu einem neuen Leben, damit wir einen haben, der für uns bitte.« Darauf nahmen sie ihn, wickelten ihn in ein Stück gelben Atlas, und brachten ihn mit einem traurigen Gesange zu Grabe, da sie denn ihn, nachdem sie dreimal um den Tempel gegangen, in das hiezu gemachte, mit schwarzen Flor bedeckte, und mit Totenköpfen umgebene Grab hinunterließen. Alsdenn sprachen sie etliche Gebete, und zogen eine großen Glocke an, welcher alle Glocken in der Stadt antworteten, daß von solchem Getöne die Gassen erbebeten. Nachdem dieses Geläute aufgehöret, stiegen zwei Taligrepos von hohem Ansehen und in ihrem Gesetze wohlerfahrene Männer auf zween mit türkischen Teppichen köstlich bekleidete Stühle, und erklärten von denselben dem Volke, was diese Gebräuche vor heimliche Deutungen bei sich führeten: Zugleich täten sie einen weitläufigen Bericht, von dem unglücklichen Tode des alten und Erwählung des neuen Rolims, dessen Tugenden und Eigenschaften sie vortrefflich zu rühmen wußten. Da nun die vorige große Glocke abermal angezogen ward, stiegen sie herunter, stießen ihre Stühle um, und verbrannten sie.

Nachdem alles wieder stille worden, sahe man aus der nächsten Kirche einen großen Umgang von lauter kleinen Kindern, so alle zum Beweis ihrer Unschuld in weißen Daft gekleidet waren, hervorkommen, welche viel Kleinodien um den Hals, güldene Ketten an den Füßen, vergoldete Wachskerzen in den Händen und mit Gold und Edelgesteinen reichlich besetzte Hüte auf ihren Häuptern trugen. Mitten innen sähe man einen Kasten, mit einem güldenen Stücke bedecket und ringsumher mit viel güldnen Rauchfässern behangen, welche einen lieblichen Geruch von sich streueten. Dieser Kasten wurde von zwölf Kindern getragen, die andern Kinder aber spieleten auf allerhand Saitenspielen, und baten Gott, daß er doch diesen Verstorbenen zu einem neuen Leben auferwecken wolle. Als sie nun an denjenigen Ort kamen, da der Rolim lag, satzten sie den Kasten nieder, und da der Deckel abgenommen wurde, stieg ein kleiner Knabe von sieben Jahren ganz nackend heraus, welcher von hinten dermaßen mit Gold und Edelgesteinen bedecket war, daß man seinen bloßen Leib fast nicht sehen kunnte. Er hatte Flügel von Golde, und eine köstliche Krone auf dem Haupte. Diejenigen, so um ihn her stunden, knieten alsobald nieder, und riefen: »O du Engel, der du um unserer Seligkeit willen vom Himmel[371] gesandt bist, bitte für uns, wenn du dich zu rechter Zeit wieder in den Himmel verfügest.« Der Kaiser selbst nahm dieses Kind mit großer Ehrerbietung auf seine Armen, und brachte es zur Seiten des Grabes, allda solches, indem alle auf ihren Knien lagen, und die Priester den Rolim schon zum fünften Male beräuchert hatten, den Totscheinenden also anredete: »Du, der du in Sünden und Unreinigkeit des Fleisches empfangen bist! Gott sendet mich, dir anzudeuten, daß du dich zu einem neuen Leben erwecken, welches ihm angenehm sei, und jederzeit die Strafe seiner mächtigen Hand vor Augen haben sollest, damit du in dem letztem Atem deines Lebens nicht strauchelst, wie die Kinder der Welt; und daß du von Stund an aufstehest, weil es von dem Größten der Größten also beschlossen ist. Folge mir! Folge mir! Folge mir!« Worauf Chaumigrem dieses Kind wieder auf seine Arme nahm, der Rolim aber stund ganz verzücket auf, fiel dem Kinde zu Fuße, und sprach: »Ich nehme diese neue Gnade von der Hand des Herrn an, und verpflichte mich, daß ich bis in den Tod ein Vorbild der Demut, und der Geringste unter den Seinigen sein werde: damit die Menschen der Erden nicht in dem Überflusse vergehen.« Alsdenn wurde abermal eine Glocke gezogen, auf deren Schall zum andernmal alles Volk niederfiel, und sprach: »Gesegnet seist du Herr um so einer großen Gnade willen!« Hier erschalleten nun wiederum alle Glocken, die Stücken aber wurden um die ganze Stadt scharf auf den Feind gelöset, daß die Mauern erschütterten.

Nach Verrichtung alles desjenigen wurde der Rolim in den neuen Stuhl gesetzet, und von den vornehmsten Herrn in die kaiserliche Burg getragen. Der Kaiser folgete abermals zu Fuße nach. Solche Demut und Andacht hatte ihn die Not gelehret, und trug einen köstlichen Hauer auf der Achsel. Als er diese Nacht in der Burg geruhet, wurde er in gestriger Gestalt, doch ohne des Kaisers Gegenwart, auf den Markt getragen, allda er von vielen Menigrepos, welche in steter Einsamkeit leben, empfangen wurde. Diese nun, über etliche Tausend stark, gingen mit bloßen Füßen daher, und hatten schwarze Matten um den Leib zum Beweis, daß sie die Welt ganz verachteten. Sie trugen Hirnschalen und Totenbeine auf dem Haupte, dicke Stricke um den Hals, und hatten ihre Angesichter mit Kote beschmieret. An ihren Stirnen war diese Schrift angeheftet: »Kot! Kot! siehe nicht an deine Niedrigkeit,[372] sondern auf die Vergeltung, die Gott denenjenigen versprochen hat, welche sich demütigen, ihm zu dienen.« Diese wurden nun von dem Rolim sehr freundlich empfangen, worauf sie alle niederfielen, und einer von ihnen mit strengen Anblicke den Rolim also anredete: »Derjenige, von dem du nun so große Gnade empfangen, daß du der Oberste über alle diejenigen worden bist, die auf Erden wohnen, gebe, daß du so fromm und heilig lebest, damit ihm alle deine Werke angenehm sein mögen. Gleichwie die Unschuld derjenigen Kinder, welche schweigen, wenn ihnen die Mutter ihre Brust darreicht.« Darauf die andern alle mit einer düstern Stimme und lautem Geschrei antworteten: »Das gebe der hohe Herr, durch seine mächtige Hand!«

Als er nun in dieser Gesellschaft fortzog, kam er an denjenigen Ort, wo des verstorbenen Rolims Asche beigesetzet war. Da neigete er sein Angesichte zur Erden, und redete mit einer kläglichen Stimme gleichsam den Entseelten folgendergestalt an: »Derjenige, so über der Sterne Schönheit herrschet, mach mich würdig, daß ich Euer Sklave sein möge, damit ich in dem Hause der Sonnen, darinnen Ihr Euch jetzt belustiget, zu einem Fuß-Hader der Sonnen werden möge. Denn solchermaßen werde ich so zu einem köstlichen Diamante werden, mit welchem aller Welt Reichtum nicht wird zu vergleichen sein.« Die Menigrepos antworteten hierauf: »Masiran fatypan«, das ist, Gott gebe es: Diesem nach nahm er eine Kette, die auf dem Grabe lag, als ein köstliches Heiligtum um seinen Hals, und schenkete zu einem Almosen sechs silberne Lampen, zwei Rauchfässer und sieben Stücke violbraunen Damast: Da er nun von diesem Grabe in seinen Palast gekommen war, warf er etliche Hände voll Reis zum Fenster hinaus, der von dem knienden Volke mit offenen Händen aufgefangen wurde. Nachdem also auch dieses Werk, welches in die drei Stunden gewähret hatte, geendigt war, läutete man zum dritten Male die große Glocke, und wurde also die Wahl beschlossen.

Hierauf wurde der neue Rolim zum erstenmal in den Reichsrat nach Hofe berufen, in welchem alsobald Chaumigrem diese Sache abzuhandeln vorlegte: Welchergestalt der grausame Mord des vorigen Rolims an der Prinzessin sattsam abzustrafen sei, damit nicht die bereits heftig erzürneten Götter zu endlichem Verderben des Reichs möchten angereizet werden. Welches zu beantworten der Rolim, wegen ersthabender[373] Stimme, willig auf sich nahm, und mit beweglichen Worten den elenden Zustand des Reichs vorstellig machte: Ingleichen, wie die Gottheit, durch bisher verübte grausame Tyrannei dermaßen beleidiget worden wäre, daß der Untergang des Reichs nicht unbillig zu besorgen stünde. Bevoraus schiene es, als ob der große Gott des Krieges Corcovita seinen Zorn am heftigsten über Pegu ausschütten wollte, indem die vorhin so glückseligen Waffen des Kaisers anjetzo nicht allein das Reich Siam, Martabane und die Schlacht bei Abdiara verloren hätten, sondern sich auch dermaßen in einer Stadt müßten einschließen lassen, daß sich der Kaiser nicht mehr einer unbeschränkten Gewalt rühmen könnte. Solche Zornglut nun zu dämpfen, würde das Blut einer unbefleckten Keuschheit am angenehmsten sein: welche aber allenthalben zu finden, ein so schweres Werk sei, als ob man weiße Tiger suchen wollte. Nachdem nun die Prinzessin ihre Ehre und Keuschheit so grausam verteidiget hätte: so wäre hieraus ihr reines Wesen zu schließen, und würde dahero ein solches unbeflecktes Blut als ein Opfer die unfehlbare Versöhnung auswürken. Diese Worte waren kaum den blutschäumenden Lippen des grausamen Rolims entfallen, so schrien sie alle: Diese Meinung hätte einen göttlichen Ursprung, und wurde die schöne Prinzessin von allen als ein reines Opfer des Gottes Corcovita beliebet und erwählet.

Der Rolim ließ alsobald durch einen Grepos der unglückseligen Prinzessin ihren Opfertod ankündigen, und darzu einweihen, nebst der Bedeutung, wie sie sich hierzu geschickt, und würdig machen solle, vor die Wohlfahrt ihres Vaterlandes ihr Blut zu vergießen: Zu welcher Bereitung ihr einundzwanzig Tage Zeit eingeräumet worden. Welche Ankündigung sie mit standhaftem Gemüte und mit diesen Worten aufnahm: »Gar wohl! ich werde mit Freuden sterben, wenn die Ehre mein Leichenschmuck und die Tugend mein Grabstein sein soll«. Worauf sie in ein sonderes Zimmer geführet, und daselbst aufs beste in acht genommen wurde, in welchem sie ihre Zeit mit Fasten, Beten und Weinen zubrachte, und sich als ein unschuldiges Opfer mit verwunderlicher Andacht selbst einweihete.

Dieses Opfer wird dem Kriegsgott Corcovita jährlich dermaßen geleistet, daß in den Kirchen reine Jungfrauen ernähret werden, die sich zu einem versprochenen Opfer müssen aufbehalten lassen, welche in solcher Hochachtung leben,[374] daß, wenn sie ihre Eltern oder Freunde besuchen, alles mit großer Ehrerbietung und Anbeten geschehen muß, indem sie ihre Töchter als heilige und himmlische Menschen bittlich ersuchen, sie wollen doch ihrer eingedenk verbleiben, wenn sie vor ihrem großen Gott erscheinen würden. Darum bringen sie ihnen auch allerhand Speise und andere Dinge zum Opfer mit. Zu dem Opfer aber nimmt man nun auf den gefälligen Tag eine von diesen geweiheten Jungfern, welche von den Palpas oder Kriegspriestern halb nackend auf einen Marmelstein, der vor dem Altar des Abgottes stehet, gesetzet wird; und wenn sowohl der Jungfrau als dem Abgotte gnugsam mit Weihrauch geräuchert worden, so erwürgen sie solche in Beisein ihrer Eltern: Welche fleißig Achtung geben, ob sie auch recht tot sei, damit sie nicht eine zweifache Marter ausstehen dürfe. Hierauf schneiden sie mit einem Steine, welcher so scharf als ein Schermesser ist, den erwürgeten Leichnam auf, reißen das Herze heraus, werfen es dem Abgott ins Angesichte, und verbrennen es; welche Asche sie hernach mit Wasser anfeuchten, und den Abgott damit besprengen: Das übrige aber von dem Körper wird mit wohlriechendem Holze verbrannt. An etlichen Orten wird das Fleisch gar von den Priestern gefressen.

Ein solches jämmerliches Opfer sollte auch dieses tugendhafte Wunderbild der Schönheit werden: Worzu sie sich auch dermaßen wohl zu bereiten wußte, als ob sie künftig ihrem geliebten Prinzen die Rosen ihrer Zucht opfern sollte. In welcher Andacht wir sie eine geraume Zeit nicht verstören, und einen Flug wieder über die Mauern in die feindlichen Läger tun wollen.

Diese waren nun aufs eifrigste bemühet, sich der Mauer zu nähern, und einen bequemen Grund zu verfertigen, worauf man fußen, und einen Sturm antreten könnte. Bevoraus ließ sich Zarang solches am heftigsten angelegen sein, und Tag und Nacht so gewaltig auf die Stadt losdonnern, als wollte er sie bloß mit dem Geschütze erobern. Er war aber zugleich durch unermüdeten Fleiß der Tanguter dermaßen über den Graben gerücket, daß er sich bereits unterstehen durfte, zuweilen anlaufen zu lassen, und tat ihm hierinnen der Damm, welcher auf der Mittagsseite von der Stadt durch den Graben bis in das Feld ging, nicht wenigen Vorteil: indem die Peguaner denselben nicht gnugsam besetzt hatten. Unserm Balacin war indessen nicht wohl bei der Sache, indem er vor[375] Ankunft der aracanischen Völker sich nichts unterfangen kunnte, auch nicht wollte. Dahero er sich ganz stille in seinem Lager verhielt, damit die Belagerten ihre Macht wider das tangutische Lager wenden, und des Zarangs wütendes Vorhaben desto besser dämpfen könnten. Ja er sahe mit Lust zu, wie sich Zarang schwächte; dahero er sich eine gewisse Rechnung machen kunnte, wie er auf begebenden Fall beiden gewachsen sein könnte, daß ihm doch die beste Beute bliebe.

Inzwischen hatte sich Higvanama durch schleunigen Marsch dermaßen genähert, daß sie verhoffte, in wenig Tagen ihren werten Bruder in dem Lager vor Pegu zu küssen, und ihre Dankbarkeit mit hunderttausend tapferen Leuten abzustatten. Vor welcher eingebildeten Freude sie fast nicht zu ruhen vermochte, und dannenhero durch starke Tagereisen die Völker nicht wenig ermüdete. Hier aber werden wir ein abermaliges Beispiel der Unvollkommenheit menschlicher Freude vor uns sehen. Denn als sie bereits durch einigen Umweg die verhasseten Grenzen von Brama hinter sich geleget, und zu Carpa ihr Lager geschlagen hatte, von welchem Ort sie nur eine Tagereise bis nach Pegu zu zählen wußte: Da überlegte sie mit tausend Freuden, wie sie durch eine Verstellung das aracanische Lager erschrecken, und sich hernach mit beliebter Anmut zu erkennen geben wollte. Nach welchem Entschluß sie dem Mangostan, ihrem erwählten Feldherrn, Befehl erteilte, wie er die Völker etwas ausruhen lassen sollte, weil sie erst des andern Tages bei Abendzeit das Lager vor Pegu erreichen wollte. Dieses alles aber war dem bramanischen Feldherrn, Soudras, welchen Chaumigrem bereits von Siam aus nach Brama, um mehr Volk zu pressen, geschicket hatte, verräterischerweise durch einen Mohren entdecket: Worauf er alsobald mit dreimal hunderttausend Mann ihr auf dem Fuße nachging, und sie bei Carpa in aller Sicherheit ohne sonderlich bestellte Wachten antraf. Weil ihm denn nun auch die Nacht zustatten kommen wollte, ließ er bei scheidender Dunkelheit das schlafende Lager mit einem erschrecklichen Anfalle dergestalt aufwecken, daß viel Köpfe verloren gingen, ehe sie die Augen eröffneten. Ob nun wohl alsobald durch das ganze Lager Lärmen ward, und sich jeder nach Möglichkeit zur Wehre stellete, so war es doch wegen der Unordnung und der zerteilten Kräfte unmöglich, dem Feinde einigen Widerstand zu tun. Ja die erschrockenen Avaner wußten nicht einmal, wer ihr Feind wäre. Higvanama selbst[376] sprang in Schlafkleidern auf ihr gewöhnliches Leibroß, einen schönen persianischen Hermelin, und bezeigete sich bei solcher Gefahr aller weiblichen Natur zuwider als eine ungemeine Heldin, indem sie etliche tausend Mann an sich zog, und dem nächsten Einbruch der Feinde dergestalt begegnete, daß sie alsbald auf flüchtige Gedanken gerieten, und die Avaner bereit, weil ihnen des Feindes weit überlegene Macht unbewußt war, ein Siegesgeschrei erschallen ließen, in Meinung, als ob es nur eine starke Partei gewesen. Als ihnen aber Soudras mit funfzigtausend der Bestbewehrtesten begegnete, verkehrten sich diese Palmen in Zypressen, und die treuen Avaner wurden ungeachtet ihrer unbeschreiblichen Gegenwehr, weil sie durchaus ihre Königin nicht verlassen wollten, dermaßen niedergemetzelt, daß Higvanama sich kaum mit dreihundert Mann umgeben sähe, als sie auf ihre eigene Flucht bedacht war. Allein diese Gedanken waren zu spät, indem nicht allein Mangostan mit der übrigen Armee bereits auf flüchtigem Wege begriffen, und das ganze Lager verloren war, sondern Soudras, als er des Hauptes Gegenwart vergewissert, stürmete dergestalt auf ihr ein, daß er sie, nachdem ihr der treulose Säbel, mit welchem sie eigenhändig unterschiedene erleget, vor der Faust abgesprungen, selbst gefangen bekam: welchem sie sich auch ergeben mußte. Die schöne Königin wurde bald asiatischen Gebrauch nach mit Ketten beleget, und auf einen Elefanten gesetzet, von welchem sie mit tränenden Augen die bis in Tod getreuen Avaner entkleiden, plündern, und aller Kostbarkeiten berauben sehen mußte.

Hier saß nun die armselige Königin gebunden, welche vor wenig Tagen ein großes Reich beherrschte, und noch vor etlichen Stunden hunderttausend Köpfe zu ihrem Wink stehen hatte. Ja die sich nicht sattsam an der süßen Hoffnung vergnügen kunnte, wenn sie ihren liebsten Bruder mit einem schwesterlichen herzgetreuen Kusse umfassen würde, die muß sich jetzt als Sklavin in die Arme ihres Feindes werfen, und die prächtige Last, will sagen, silberne Fessel, küssen. Doch, großmütige Higvanama! lasse nur die Geduld des Geistes Pflaster werden, und wisse, daß du in kurzem das Verhängnis loben und rühmen wirst.

Denn was geschicht? Die Schickung der Götter führet indessen den Prinz Nherandi, nunmehro König in Siam, mit seiner oberwähnten Macht gewünscht heran. Indem er aber seinen Zug gleich auf Pegu zuzunehmen entschlossen ist,[377] befindet er sich wegen Aufschwellung des Flusses, welcher die Schiffahrt nach Macoa befördert, dermaßen verhindert, daß er drei Meilen nordwärts, dem Fluß entgegen, und bei dem Paß Abdiara, bei welchem vormals die unglückliche Schlacht des Chaumigrems geschehen, und mit Aracanern wohl besetzet war, übergehen mußte. Denn ob zwar Pegu diesseits des Hauptstroms gelegen war, so hinderte doch ein aufgeschwellter Arm hiervon des Nherandi Überzug, also daß er notwendig diesen Umweg nahm. Hier ließ Nherandi die Völker sich einen Tag erfrischen, und besahe die Walstatt, worauf sich Balacin einen so herrlich- und blutigen Sieg vor weniger Zeit erhalten hatte: Da er sich denn nicht genung über die wunderliche List des Korangerims und der entsetzlichen Gewalt des Pulvers verwundern kunnte.

Indem er aber nebst dem Feldherrn Padukko (welcher bei Eroberung von Odia sich in einem Priesterkleide unter den Geistlichen enthalten) diesen mit Blut gedüngeten Kirchhof besichtigte, und sich alles genau von einigen Aracanern erzählen und bedeuten ließ, werden sie von fernen einiger flüchtiger Reuter gewahr, welche sich endlich dermaßen vermehrten, daß sie einer kleinen Armee nicht unähnlich schienen. Nherandi verließ alsofort den Platz, und ließ in Eil zu Pferde blasen: Padukko aber ließ gleichfalls Lärmen schlagen, als ob ein feindlicher Einbruch zu besorgen wäre, also daß die siammische Armee in kurzem in freiem Felde, und zum Schlagen fertig stund. Als nun die flüchtigen Avaner der siammischen Schlachtordnung gewahr wurden, erschraken sie noch heftiger, und begunnten auf der Seite durchzugehen. Welche Furcht aber Nherandi bald merkte, und ihnen einige reitende Truppen nachschickte, welche sich erkundigen mußten, was sie vor Volk wären? Da endlich die leidige Zeitung zurücke gebracht wurde, daß es flüchtige Völker von der geschlagenen Armee der Königin von Ava wären, und wie sie ihnen in der Gewalt des Feindes gefänglich nachfolgete.

Als nun Mangostan nach erfreulicher Erkenntnis des Königes von Siam alles umständlich entdeckte, wie hinterlistig sie von den Bramanern wären überfallen worden, ergrimmete Nherandi aufs heftigste, und befahl dem Mangostan, die Flüchtigen aufzusammlen, und sie in eine absonderliche Ordnung zu stellen. Welches denn auch so wohl anging, daß sich die siammische Armee folgenden Tag mit fünfundsechzigtausend Avanern verstärket sähe, aus welchen man den Verlust[378] leicht abnehmen kann. Mit dieser wohlgefaßten Macht ginge Nherandi dem Soudras beherzt entgegen, jedoch richtete er den Zug sehr langsam ein, weil ihm doch der Feind begegnen mußte. Ja er hätte seiner wohl gar erwarten, und die Seinigen ausruhen lassen können, so es Eifer und Liebesverlangen gestattet hätte. Hier durfte er nun seinen Feind nicht lange suchen: Indem ihm gegen den Mittag bereits dessen Vortruppen begegneten, welche Padukko alsobald übern Haufen warf, und dahin zwang, daß der Nachzug des Feindes aus ihrem Blute seine Ankunft ersehen kunnte. Soudras, als sonst ein tapferer Soldat, merkte wohl, was ihm vor eine Nuß zu beißen würde vorgeleget werden, jedennoch erwählete er einen ehrlichen Tod statt schändlicher Flucht, zu welcher er sich auch nicht beursachet sahe, weil er im vorigen Treffen über zwanzigtausend Mann nicht eingebüßet hatte. Nur bekümmerte ihn dieses, daß es mehrenteils junge Leute und noch Schüler im Kriege waren, die er wider diesen wohlversuchten Feind anführen sollte. Weil es nun schiene, als ob ihm die Siammer nicht viel Zeit lassen würden, so stellete er in möglichster Eil die Seinigen in Ordnung, der gefangenen Higvanama aber ordnete er tausend alte Bramaner zu Fuße zu, mit hartem Befehl, ohne die Königin nicht vor seinem Angesichte zu erscheinen. Nherandi hingegen vergesellte sich mit dem Mangostan, und nahm gleichfalls tausend handfeste Siammer zu Pferde zu sich, überließ dem Padukko die völlige Anordnung, und setzte sich vor, nicht eher zu ruhen, bis er seine innigstgeliebteste Higvanama, welche er in zweien Jahren nicht gesehen, erlöset hätte. Er selbst tät mit seinem Haufen auf der rechten Seiten des Feindes den Angriff, welchem die Avaner tapfer folgeten, und nachdem sich die Bramaner gleichfalls erwiesen, wie sie nicht ungerochen fallen wollten, entstund ein so blutiges Gefechte, als ob jedweder den Tod suchte.

Nherandi rasete gleichsam unter den Bramanern herum, und suchte diejenige mit Schmerzen, um derer willen ihm auch sein Leben geringschätzig war. Statt ihrer aber begegnete ihm, zu eignem Unglücke, der bemühete Soudras, welcher gleich einen frischen Haufen an den Feind führen wollte. Nherandi erkennete ihn alsofort, und als sich Soudras gleich wenden wollte, schrie er ihn an: »Halt stand, du Fräuleinräuber! und gib meinem Säbel Rechenschaft, wohin du die Königin von Ava geführet hast?« – »Ich bin kein Räuber«,[379] antwortete Soudras, »sondern ein rechtschaffener Soldate, welcher alle Feinde seines Kaisers ohne Unterscheid verfolget.« – »Du seist wer du wollest«, erwiderte der ergrimmte Nherandi, »so fodere ich sie doch von deinen Händen.« Nach welchen Worten er wie ein Blitz auf ihn einstürmete, und den Soudras zu einer ernsten Gegenwehr bereit fand. Allhier nun zitterte die Erde unter den Füßen ihrer Rosse, und schiene, als ob sie der Staub, welcher sich haufenweise um sie erhub, ganz bedecken wollte. Nherandi führte bald anfangs einen so starken Streich nach des Soudras Haupt, daß er ihm den vorwerfenden Schild ganz entzwei spaltete: Hingegen traf ihn Soudras so gefährlich auf den Helm, daß er ihm ein Stücke vom Federbusche weg hieb, und fast taumelnde machte. In solcher schädlichen Bemühung verharreten sie dermaßen, daß ihre Pferde atemlos, und von dem warmen Schaum ganz weiß wurden.

Weil sich nun Nherandi schämete, daß ihm sein Feind solchen unvermuteten Widerstand tat, so gebrauchte er sich neben seiner Stärke diese List, und stellete sich, als wollte er abermals nach des Soudras Kopfe schnellen: Indem nun Soudras den zerteilten Schild vorwarf, um sich zu bedecken, versetzte ihm Nherandi eine tiefe Wunde in die linke Schulter, daß das Blut häufig die Waffen färbete. Ob nun zwar dieser Streich nicht allerdings unvergolten blieb, indem Nherandi in die rechte Seite eine ziemliche Fleischwunde empfing, so betraf doch den Soudras dieser Unfall, daß sein Pferd über etliche tote Körper strauchelte: Als er ihm aber allzu geschwinde helfen wollte, rückte er es gar übern Haufen. Sobald nun Soudras fiel, drückten die bisher zuschauenden Bramaner los, und wollten ihren Feldherrn erretten. Allein die Siammer wollten ihrem Könige den Sieg nicht nehmen lassen, dahero sie sich bald einmischeten, und ein solches hitziges Gefechte anfingen, als ob hiedurch der Streit zwischen beiden Armeen sollte geschlichtet werden. Nachdem aber die Bramaner zu weichen begunnten, Sprüngen einige Siamer von den Pferden, nahmen den fast ohnmächtigen Soudras gefangen, und führten ihn aus dem Gedränge hinter die Armeen.

Sobald Soudras weggeführet war, so schiene es, als ob ein großer Baum gefallen wäre, durch welchen alle Bäume, so unter und neben ihm gestanden, niedergeschlagen würden: Denn es bemühete sich jedweder Bramaner, denen Feinden ihr Gesichte zu entziehen, und diese unglückliche Stätte zu[380] verlassen. Welches sich denn Padukko sehr wohl zunütze zu machen wußte, mit der ganzen Macht auf die Weichenden losging, und den linken Flügel von dem Mittel trennete, wodurch das ganze feindliche Heer auf die Flucht gebracht wurde, welche Mangostan mit vierzigtausend Reutern verfolgen mußte. Der linke Flügel aber, so da greulich eingebüßet hatte, war dermaßen umringet, daß sie alle ihr Gewehr wegwarfen, und um Quartier ruften: welches ihnen auch Nherandi alsobald erteilete. Denn er, als ein tapferer, doch bescheidener Held, begehrte nicht, wider wehrlose Leute zu fechten. Ja ob es gleich mitten in dem hitzigen Gefechte das Ansehen hatte, als ob er für Grausamkeit wüte und tobe, und daß sein Grimm durch nichts als Blut und Tod könne gestillet werden: so ist doch gewiß, daß sich niemand des Sieges mäßiger zu gebrauchen wußte als er, indem er keinesweges übermütiger wurde, also, daß man wohl sagen kunnte: Er habe seinem Zorne die Waffen genommen, sobald er seinen Feind wehrlos gemacht.

Unter diesem Haufen befand sich nun die fast entzückte Higvanama, welche auf ihre Erlösung mit Freuden wartete, und nichts anders vermeinete, als daß Balacin ihr so erwünscht zu Hülfe erschienen sei. Ob sie auch gleich lauter Siammer um sich sahe, welche sie der unanständigen Pracht befreieten, so stund sie doch in den Gedanken, solche Völker wären nur von dem Balacin ihrer Tapferkeit wegen angenommen, oder Nherandi habe sie ihm zu Hülfe geschicket. In solcher Überlegung näherte sich Nherandi, und sprang, ungeachtet der schmerzenden Wunde, hurtig vom Pferde: Welchem die Prinzessin mit offenen Armen entgegeneilte, und ihn, weil die bereits eingebrochene Abenddämmerung ihr die eigentliche Erkenntnis verhinderte, als einen lieben Bruder inbrünstig und mit diesen Worten küssete: »Ach trautester Seelenbruder! so setzet Ihr mir nun die Krone von Ava noch einmal auf? Ja, was noch weit höher zu schätzen ist, so schenket Ihr mir die güldene Freiheit? Ihr erlöset mich aus feindlicher, und bindet mich mit freundlicher Hand dermaßen, daß ich auch mein Leben zu einem würdigen Schuldopfer viel zuwenig achte. Doch nehmet die treuen Küsse von schwesterlichen Lippen, als wahre Zeugen an, daß ich mich von einem werten Bruder überwunden erkenne, und mich in diesen angenehmen Liebesfesseln als eine Sklavin ewiger Treue Euch ergebe.« Nherandi merkte zwar wohl den beliebten[381] Irrtum, jedoch weil ihm die Zuckerspeise von ihren Lippen so wohl schmeckte, so trug er Verlangen, noch länger Tafel zu halten, und wollte sich noch ferner vor einen lieben Bruder küssen lassen. Indem er aber besorgte, es werde seine Sprache den Prinzen von Siam vorstellen, so wollte er zuvor, ehe er sich durch Reden verriet, noch einige Küsse ernten, welches er mit so höchster Entzückung bewerkstelligte, daß er sich diese Stunde vor den Glückseligsten der Welt achtete, weil er diese Früchte ewig sammlen sollte.

Die unschuldige Prinzessin wollte dem verliebten Bruder die dankbaren Lippen nicht entziehen, indem sie sich ihm viel zu verbunden schätzte; endlich aber brach er sein vergnügtes Stillschweigen, und sagte: »Allerwerteste Higvanama! Ich bin ...« Hier sprang die erschrockene Prinzessin mit lautem Schreien zurücke, und wußte nicht, wo sie sich vor Scham lassen sollte? Der Prinz aber verfolgete seine Rede, und sagte: »Ob ich zwar nicht, schönste Prinzessin, ein Bruder bin, so wird Sie doch verhoffentlich die Ehre und das Glücke Ihrer Erlösung einem Prinzen nicht mißgönnen, welcher so lange Zeit die geschworne Treue heiligst beobachtet, und seine Liebe diesen Tag mit seinem Blute, wo nicht mit seinem Tode versiegelt hat.« Mit welchen Worten er in eine tiefe Ohnmacht hinsank: weil durch heftige Gemütsbewegung sich die Seitenwunde dergestalt eröffnet hatte, daß das Blut häufig hervorrieselte, und ihm durch überflüssigen Ausgang die Lebensgeister entzog. Hier bedachte sich Higvanama nicht lange, ob sie Liebe oder Scham sollte herrschen lassen, sondern diese mußte jener weichen, indem sie mit zitternden Armen und weinenden Augen ihren Prinzen aufzurichten sich bemühete, auf die Erden setzte, und ihn gar auf ihre Schoß legte: Da denn sobald die Leibärzte und Feldscherer herbeigeholet, und der halbtote Nherandi wieder zu sich selbst gebracht ward, wobei doch die linde Hand und die angenehme Lagerstatt sonder Zweifel die größte Würkung taten, und alle andere Stärkungen weit übertrafen.

Wie er nun endlich die Augen eröffnete, und seine Higvanama beweglichst anschaute, gleichsam als ob er einiges Mitleiden von ihr foderte, gewährete sie ihm solches reichlich durch häufige Tränen und folgende Worte: »Wie? Mein erwählter Prinz! will Er sterben, da die Seinige zu leben anfänget? Will Er diejenige so schleunig wieder verlassen, die eine zweijährige Höllenpein durch Abwesenheit ausstehen[382] müssen? Ach so wäre ich ja weit glückseliger, wenn ich mich auch mit einem Dolche unter den dicksten Haufen der ergrimmeten Feinde gewaget, und einen rühmlichen Tod von ihrer gereizten Hand empfangen hätte, damit die späte Nachwelt sagen könnte: Higvanama hat durch Tapferkeit und nicht durch Wehmut ihr Leben verloren. Denn Er nehme dieses, als ein wahres Zeugnis größter Liebe von meinen betrübten Lippen an: Daß die erste Stunde seines Todes die letzte meines Lebens sein soll.« Worauf sie sich vor reiner Glut nicht enthalten kunnte, in Gegenwart aller Umstehenden, ihm einen sanften Kuß zu erteilen: Welcher das kräftigste Seelenlabsal war, wordurch sich der Geist dergestalt ermunterte, daß er sich aufrichten, und ein gedoppeltes Echo vorstellen wollte, so aber die Ärzte widerrieten, und ihn in Begleitung der Prinzessin nach einem auf der Walstatt aufgerichteten Gezelte führen ließen, woselbst er sich sofort zur Ruhe begab. Die Prinzessin aber ließ neben solches noch ein Gezelt vor sich und ihr Frauenzimmer aufschlagen, weil sie wohlständigkeithalber ihn diese Nacht verlassen mußte.

Das große Weltauge hatte kaum das blutige Feld bestrahlet, so war die muntere Higvanama schon bemühet, ihres Prinzen Ruhe zu erforschen, welcher denn durch Versicherung erholter Kräfte ihr sorgendes Verlangen stillete. Weil sie nun auf den verfolgenden Mangostan warteten, so erlaubte ihnen die Zeit sattsam, eine verliebte Erinnerung des vergangenen Leid- und Freudenwechsels gegeneinander anzustellen, und sich nach verzogenem Ungewitter an der Liebessonne, wie Keuschentflammte pflegen, wiederum zu wärmen und zu ergötzen: Woran sie aber nach einigen Stunden durch den zurückkommenden Mangastan verhindert worden, da denn die Häupter eine allgemeine Plünderung erlaubten. Nach dieser wurde der Zug wieder zurück nach Abdiara eingerichtet: Mangostan aber mußte mit seinen müden Völkern einen Tag stille liegen, und den Nachzug halten.

Folgenden Tages gelangeten sie mit sinkender Sonne vor dem aracanischen Lager an, und verursachten, weil sie die eroberten Fahnen in denen fördersten Haufen führen ließen, einen heftigen Lärmen durch das ganze Lager: zumal Balacin bereits einige Nachricht von des Soudras Anzuge bekommen hatte. Als sie nun von der äußersten Wache erblicket, und als bald vor Feinde erkennet wurden, gaben alle Schildwachten durch das Lager Feuer, worauf alle Wachten rundum[383] ins Gewehr kamen: Die Völker zu Roß und Fuß wurden sofort in Ordnung gestellet, die Gassen und Eingänge mit Wagen geschlossen, und das Geschütze sahe den vermeinten Feind mit offenen Rachen an. Wie aber Nherandi solchen Ernst sahe, ließ er sich begnügen, und dem Könige von Aracan durch einige Trompeter ihre Ankunft verständigen. Welchen aber Balacin nicht trauen, sondern die Stifter dieses Lärmens selbst sehen wollte; indem er sich nicht unbillig eines martialischen Betrugs befürchtete. Weswegen denn Nherandi nebst der Higvanama und etwan funfzig Pferden auf tausend Schritte vorausritt, denen Balacin in gleicher Anzahl begegnete.

Als sie nun einander erkennet hatten, sprungen sie allerseits, einander zu bewillkommen, von den Pferden: Und will ich hier der Feder ein Stillschweigen auferlegen, weil sie, alle Vergnügungen, Freundschaftsküsse und herzliche Worte vorzustellen, nur ihre Unvermögenheit verraten würde. Genung, daß ich sage: Sie zogen höchst vergnügt und voller Freuden in das Lager, und wurden mit Losbrennung der Stücke, erschallendem Feldspiele und durchgehendem Freudengeschrei dermaßen herrlich empfangen, daß gleichsam die Wolken einen fröhlichen Widerschall ertönen ließen.

Die Siammer aber und Avaner mußten diese Nacht den Himmel ihr Gezelte sein lassen, bis sie folgenden Tag ihr Lager dem aracanischen anhängig machen, und die Morgenseite bis an die alte Stadt gegen Mittag einnehmen kunnten. Weil nun auf solche Art die täglich erwartende aracanischen Hülfsvölker wegen Mangel des Raums im Rücken des Lagers würden bleiben müssen, so wurde einhellig beschlossen, dem Prinzen von Tangu einen Abzug raten zu lassen: widrigenfalls würde man ihm mit Gewalt zu verstehen geben, wie zwei Hunde an einem Knochen sich durchaus nicht vertragen könnten. Diesem aber kam eine sonder- und wunderbare Begebenheit durch die Prinzessin von Savaady zuvor, von welcher bald fernerer Bericht erstattet werden soll.

Was nun die Fortsetzung der Belagerung anbelanget, so hatte Balacin aus bereits erwähnten Ursachen bisher keine sonderliche Gewalt gegen die Stadt verspüren lassen, außer daß man sich der Stärke der Mauer durch das Geschütze ein wenig erkundiget, und zugleich die Zeit mit Wegfangung der schädlichen Krokodile aus dem Graben zugebracht hatte. Denn diese Tiere waren dermaßen gefährlich, daß sie sich[384] auch erkühnen durften, manchen guten Kerl von dem Lande wegzuholen, und auch die Schildwachen anzugreifen. Derowegen Korangerim abermals eine nutzbare List ersonne, sie gleich den Walfischen zu fangen. Er ließ starke eiserne Haken machen, welche an lange und dicke Seile befestiget waren. Weil nun dieses Ungeziefer verfaultes Fleisch vor seine beste Speise hielt, so wurden solche Äser, deren es in Lägern gnugsam gibet, an den Haken, und also ins Wasser geworfen. Ehe fast solcher Köder das Wasser erreichet, so war es schon neben dem Haken von einem solchen ungeheuren Tiere verschlucket, worauf denn alsobald vierzig bis funfzig starke Männer an dem Seile ziehen, und dies widerstrebende Tier auf das Land zwingen mußten: Da es endlich, jedoch nicht ohne Gefahr und Mühe auf den Rücken gebracht, und durch den Unterleib ertötet wurde. Denn das schuppichte Rückenfell verachtete alle Waffen, und waren die Kugeln nur wie Spreu. Durch diese Mittel wurden über achtzig solche Tiere erleget, und in die Erde verscharret. Ingleichen wußten sich auch die Portugiesen in ihrer Kunst an diesen unvernünftigen Feinden meisterlich zu üben, indem sie mit den Feldstücken, sobald sich ein solches Tier jenseit dem Ufer blicken ließ, solche so wohl zu erreichen wußten, daß sie einen großen Gestank nach ihrem Tode über das Wasser zur Rache schickten.

Der größte Verlust, welchen Balacin sonderlich bedauerte, war, daß der tapfere Scandor in einem Ausfalle gefänglich in die Stadt gezogen worden. Denn als er seine Lorangy von Talemons Schlosse ins Lager abgeholet, und sie nach so langer Zeit das erstemal wiederum gesehen hatte, wurde er ihr so schleunig geraubet, daß die Kriegsbedienten gnungsam an ihr zu trösten hatten.

Nherandi aber wußte hierinnen wohl zu raten, indem er den gefangenen Soudras vorstellete, welcher alsobald ungeachtet der Ungleichheit eines Feldherrns gegen einen Befehlshaber der Freireuter gegen den Scandor auszuwechseln beschlossen ward, und dem Chaumigrem ein angenehmer Wechsel war, indem er den Scandor wegen seiner lustigen Einfälle als einen bloßen Narren betrachtete: worinnen er sich aber sehr betrog. Denn obgleich bisweilen ein lustiger Geist seine geschickten Einfälle in Gesellschaft anzubringen sich bemühet, so kann doch wohl Scherz und Klugheit beisammenstehen, daß er also nur von der unverständigen Welt[385] vor närrisch gehalten wird. Dieses zu behaupten, war des Scandors Ankunft dem Hauptzwecke dieser Belagerung nötiger, als ob Chaumigrem selbst gefangen wäre. Denn er brachte den gefährlichen Zustand der Prinzessin mit sich, und wie nur noch vierzehen Tage zwischen ihrem Leben und Tode wäre. Als sich nun Balacin hierüber äußerst entsetzte, und in die tiefste Sinnenverwirrung geriet, wurde er doch bald wiederum durch einen Brief, welchen Abaxar dem Scandor in geheim einhändigen lassen, und durch folgenden Inhalt merklich aufgerichtet:


Großmächtigster König und Herr!


Ich schätze mich beglücket, daß ich die Zeit erlebet habe, worinnen ich Eur. Majest. und der unvergleichlichen Banisen angenehme und höchst ersprießliche Dienste leisten kann. Banise soll sterben! ja was noch erschrecklicher ist, Banise soll dem Teufel geopfert sein. Allein mein Blut soll eher vergossen als ihr nur eine Ader verletzet werden. Weil ich nun in diesem Vorsatze durch höhere Hand gestärket werde, so soll die Art und Weise dieses gefährlichen Anschlages künftig bei dem Norden-Tore durch einen bepfeilten Brief entdecket werden. Inzwischen unterlassen Eur. Majest. nichts, was eine schleunige Eroberung gewähren kann, welches noch sicherer als unsere Anschläge scheinet. Ich versichere meine Treue, und bin

Eur. Majest.

Gewidmester Diener.


Die Unterschrift war mit Fleiß außen gelassen worden.


Diesem Berichte gemäß war nun Abaxar mit dem Feldherrn Martong in vertrauliche Bekanntschaft geraten, als bei welchem der in Siam vom Chaumigrem angetane Schimpf nunmehro zu bluten begunnte, und weil diese Rachbegier durch ein billiges Mitleiden gegen die schöne Banise merklich vergrößert wurde: So waren sie beiderseits bemühet, noch mehrere Freunde zu ihrem Beistande sich in geheim zu verbinden: welches die Götter dermaßen segneten, daß sie sich inner drei Tagen einen starken Anhang, wiewohl in höchster Geheim, machten.

Nach Verlesung aber erwähnten Briefes wurde alsobald im Kriegsrat beschlossen, die Stadt mit allem Ernst anzugreifen, und weder Gut noch Blut zu sparen: Zu welchem[386] Vorsatz die hohen Häupter durch den fröhlichen Bericht des Anzuges der aracanischen Hülfe desto heftiger angefeuert wurden. Alsobald ging Befehl, zu Erfüllung der Graben alle benötigte Anstalt zu machen, welches so fleißig ins Werk gerichtet wurde, daß man innerhalb acht Tagen trockenes Fußes an die Mauern gelangen kunnte. Denn es wurde von soviel tausend Händen das nahe gelegene Holz fast gänzlich ausgerottet, mit unsäglicher Mühe und Gefahr in die Gräben geworfen, und alsdenn mit Sand, Erden und Steinen aufs beste erfüllet, welches denn manchen Kopf kostete: Indem ein Kugelregen nach dem andern von den Mauern blitzte. Dessen ungeachtet, kunnte doch diese Arbeit durch keine Gewalt hintertrieben werden, indem durch kluge Anstalt des Korangerims solche Blendungen gemachet wurden, dahinter die Arbeitenden ohne Gefahr fortfahren kunnten. Währender Bemühung der Aracaner sahen sie eines Tages Alt-Pegu in vollem Brande stehen, welches die Tanguter verlassen und sich in aller Stille unsichtbar gemacht hatten, dessen Ursache niemand zu erraten vermochte, und mit Ungewißheit von jedermann verwundert wurde.

Die Ursache und Beschaffenheit aber dieses schleunigen Abzugs war die beständig brennende Liebe der Prinzessin von Savaady gegen den unerkenntlichen Prinzen Zarang. Diese, ob sie zwar wohl wußte, daß er nicht ihrentwegen vor Pegu so hart anklopfte, war doch auf alle Weise bedacht, wie sie ihren geliebten, doch harten Prinzen nur noch einmal sehen, und durch bewegliches Vorhalten ihrer Liebe einiges Feuer in ihm anzünden möchte, worzu sie sich gewisse Hoffnung gemacht hatte. Solches nun am füglichsten ins Werk zu richten, nahm sie einen verzweifelten Entschluß, entweder in ihrer Liebe glücklich zu sein, oder zu sterben. Da sie denn vornehmlich dahin trachtete, wie sie nur einen Brief in des Zarangs Hände sicher liefern könnte. Die Gelegenheit aber des Schlosses benahm ihr alle Hoffnung hierzu, indem die Burg nicht allein, wie vorgemeldet, mitten in der Stadt lag, sondern auch jederzeit mit einer starken und genauen Wacht besetzet war. Aus diesem nun zu kommen, ersanne sie diese List, und wendete vor, sie könnte mit der stolzen Prinzessin von Siam, welche Ponnedro durch Einräumung eines bequemen Zimmers zu ihrer Nachbarin gemacht hatte, sich nicht allerdings vertragen; indem sie gleichsam unter den Ketten einige Hochmut gegen sie spüren ließe, und nicht bedächte,[387] daß sie das Unglück in gleichen Stand gesetzet hätte. Als nun diese Klage vor dem Chaumigrem kam, erlaubte er der Prinzessin von Savaady, die Burg zu verlassen, und sich eine Wohnung in der Stadt nach eignem Belieben, jedoch unter gnugsamer Wacht, zu erwählen. Welches ihr die erfreulichste Gnade von der Welt war, und sich sofort ein Haus an der Mauer gegen das tangutische Lager erwählete, welches, weil es den Geistlichen zustund, vor der Gefahr des feindlichen Geschützes aus Gütigkeit des Zarangs gnugsam gesichert war. Von diesem Hause kunnte sie Alt-Pegu und das ganze Lager übersehen, und ihr Vorhaben um so viel bequemer vollziehen. Sie entschloß sich demnach, diesen Vogel durch solche Beeren zu kirren, welche er verlangte, ich will sagen, ihm mit verstellter Hand einen Brief im Namen derjenigen, welche er wahrhaftig liebete und suchte, zuzuschicken, und folgenden Inhalts einzurichten:


Mein Prinz!


Ich empfinde die Strafe der Götter allzu sehr, womit sie meine Hartnäckigkeit, die ich Eurer treuen Liebe jederzeit erwiesen, rächen wollen: und zwar dergestalt, daß es scheinet, als ob der Trost menschlicher Hülfe allgemach verschwinden wollte. Ich habe zwar durch eigenhändige Hülfe meine Keuschheit wider den unverschämten Rolim genugsam verteidiget: Hingegen bringet mir dieses den Tod, und ich soll zu einem grausamen Opfer der erzürneten Gottheit in wenig Tagen dienen. Eure getreue Waffen scheinen die Götter fast stumpf zu machen, und der Prinz von Aracan bezeiget durch seinen schläfrigen Ernst, daß er der Gefahr weichen, seine Liebe hintansetzen, und seine Ohnmacht bekennen müßte. In solchem Zustande sollte ich mich zwar scheuen und schämen, nunmehro denjenigen um Rettung anzuflehen, welchen ich im beglückten Wohlstande nicht eines geneigten Blickes würdigen wollen. Eure tugendhafte Beständigkeit aber versichert mich einer unveränderlichen Liebe, welche die Fehler alle bedecken, und ins Vergessen stellen wird: Ja dieses Vertrauen machet mich so kühne, daß ich eine Probe Eurer Treue von Euch fordern darf, ob solche Liebe auch auf Bestand gegründet sei? Denn Ihr sollt wissen, tapferer Prinz, daß folgende Mitternacht Euch der Feind durch einen scharfen Ausfall besuchen wird: Weil ich denn meinen Tod auf bessere Art als durch schmähliches Aufopfern zu suchen, entschlossen[388] bin; als habe ich die Treue der Wache dergestalt an mich erkauft, daß sie mich in männlicher Kleidung in ihre Gesellschaft auf-, und in diesem Ausfall mitnehmen wollen. Ist nun Eure Liebe ungefärbet, und Euch mit meiner Gegenhuld und deren vollkommenen Genießung etwas gedienet: so bedeutet mir durch ein aufgestecktes Tuch, an welchen Ort ich mich, sobald ich in meine Freiheit geraten, wenden, und Eurer liebreichen Hülfe gewärtig sein soll. Die Götter segnen unsern Anschlag, und ich ersterbe

Eure treue

Banise, Prinzessin von Pegu.


Diesen Brief wickelte sie um einen Pfeil, und schoß ihn über den Graben gegen das Lager, welcher angesichts ihrer von einigen Soldaten aufgehoben, und unwissende warum? zu ihren vorgesetzten Häuptern gebracht wurde, durch deren Hand es vor den Prinzen gelangete, welcher nach Verlesung dessen, der leichtgläubigen Liebe allzuviel Raum erteilte, und den Brief unzähligmal küssete. Der Befehl ging alsbald dahin, ein weißes Tuch auf der linken Hand des Ausfalles zu stecken, und sich im übrigen durchgehends auf einen schleunigen Aufbruch gefaßt zu machen: Weil er die Schalen dem Könige von Aracan gerne gönnen wollte, wenn er nur den Kern genossen hätte. Ob nun zwar solches jedermann höchst verwunderlich vorkam, so durfte sich doch niemand erkühnen, nach der Ursache zu fragen: Sondern des Prinzen Befehl: Ich will, erfoderte einen gleichlautenden Gegenhall: Ich will.

Die Prinzessin von Savaady hatte das Zeichen weißer Treue kaum fliegen gesehen, so wurde sie mit innigsten Freuden dermaßen überschüttet, daß sie an den ungewissen Ausschlag des verzweifelten Unterfangens nicht zu gedenken vermochte. Demnach forderte sie drei Soldaten von ihrer Wache zu sich ins Zimmer, und redete sie dergestalt an: »Tapfere Männer! Ich glaube, daß eure Großmut auch jederzeit mit einem billigen Mitleiden gegen ein unglückseliges Frauenzimmer wird vergesellschaftet sein. Mit einem Frauenzimmer, welches den Tod suchet, und ihr in meiner Person vor euch sehet. Wann mir denn die Tyrannei des Kaisers auch zu sterben verweigert, so ist mir das Leben um so vielmehr verhaßt, und wünsche ich nichts mehr, als eure Glückseligkeit, die ihr gnugsame Gelegenheit habet, solches mit einem rühmlichen Tode zu verwechseln. Schenket mir demnach ein Teil solcher[389] Glückseligkeit! Erbarmet euch über mich, und nehmet mich künftige Nacht bei gesetztem Ausfall in eure Gesellschaft, so soll dieses alles, was ihr hier an Kostbarkeiten schauet, als eine verdiente Erbschaft vor euer Mitleiden euch anheim fallen.«

Ob nun zwar diese Worte nicht sonderliches Beileid in diesen rostigen Herzen zu erwecken schienen, so waren doch die stummen Zungen des verhandenen Goldes und Edelgesteine dermaßen beredt, daß eine schleunige Bewilligung der begehrten Sache einen erwünschten Ausschlag gab. Die Nacht, auch endlich die Mitternacht rückte herbei, da sich die beherzte Prinzessin in gemeine Soldatenkleider warf, ihre Haare in eine Sturmhaube zwang, und sich in solcher Verstellung denen andern, welche sich zum Ausfalle bereits zusammengezogen hatten, getrost beigesellete. Die Pforte des heimlichen Ausfalles war kaum eröffnet, so drang sie mit den fördersten hindurch, und gelangte glücklich über den Graben. Als aber auf gegebene Nachricht der Prinzessin die Ausfallenden häßlich empfangen wurden, und es sich gefährlich anließ, daß die Ausgefallenen gänzlich abgeschnitten wurden, so vermeinte die Prinzessin von Savaady nicht ratsam zu sein, der nächtlichen Gefahr länger beizuwohnen, welches auch ihr Absehen nicht gewesen, sondern sie schlug sich alsbald auf die linke Hand nach dem aufgesteckten Zeichen, woselbst sie eine zierliche Sänfte ihrer wartende fand, worein sie sich geschwind setzte, und von tausend Reutern begleitet dahinflog. Wie nun der Ausfall auf seiten der Belagerer glücklich abgelaufen war, und Zarang die angenehme Nachricht erhielte, wie die vermeinte Banise bereits in Sicherheit gebracht wäre, schiene er so vergnügt zu sein, als ob ihm das ganze Reich Pegu zugefallen wäre. Er selbst machte alle Anstalt zu einem sichern Aufbruch, und folgte auf den Tag mit fünfhundert leichten Reutern nebst einigen hohen Generalspersonen der werten Beute nach, welche er aber, weil er mit ihr zu eilen befohlen, erst des dritten Tages an den martabanischen Grenzen erreichte.

Er hatte kaum die reisende Sänfte von fernen erblicket, so gab die Liebe ihm, und er dem Pferde dermaßen die Sporen, daß er sie in kurzem einholte, und stille zu halten befahl. Weil nun Zarang ein kostbares Frauenkleid in die Sänfte legen lassen, so hatte sich dessen die Prinzessin wohl zu bedienen gewußt und angelegt.[390]

Als nun einige vornehme Kriegshäupter, welche ermeldtermaßen den eilenden Prinzen begleiteten, die Sänfte umgeben hatten, und mit Schmerzen diejenige zu sehen verlangten, um derer willen ganz Pegu in Waffen war, auch der Prinz selbst vor verliebter Ungeduld den Verzug nicht erwarten kunnte: so stieg endlich die nunmehro höchst beängstigte Prinzessin mit bebendem Fuße und zitterndem Herzen hervor, und warf sich alsobald mit diesen kläglichen Worten vor des Prinzen Füße: »Ach mein Prinz! erbarmet Euch über ein schwaches Wesen, welches der Macht äußerster Liebe nicht zu widerstehen vermocht. Sehet, hier lieget eine Prinzessin, welche sich Euch und der Liebe gefangengibet, und Leben oder Tod von Eurer Hand und Lippen erwartet. Ach verzeihet, verzeihet! Wertester Prinz! der grundgetreuen Prinzessin von Savaady den ruhmswürdigen Betrug, womit sie Euch zu gewinnen, und sich zu retten vermeinet. Lasset Euch doch meine Tränen erweichen, und diese heiße Flut das zaubernde Bildnis der Prinzessin von Pegu aus dem Herzen tilgen, welche Euch selbst durch die Unmöglichkeit vorenthalten wird. Betrachtet doch mit gesündern Vernunftsaugen die fußfällige Savaadianerin, wie ihre Gestalt wohl ehemals fähig gewesen, auch kaiserliche Prinzen zu bestricken, und wie öfters der seufzende Prinz von Pegu bloß um Eurentwillen von mir verstoßen worden. Ach gönnet mir doch die beliebten Strahlen Eurer Augen, und lasset Euch diese unsterbliche Treue zu der geringsten Gegenliebe bewegen.«

Zarang kunnte sich nicht entschließen, ob er diese Begebenheit vor einen Traum, oder als ein wahrhaftiges Begeben halten sollte. Er sahe sie mit starren Augen an, schlug die Hände ineinander, und eine verbitterte Betrachtung hemmete seine Zunge. Endlich als er an der Gewißheit dieses Betruges nicht mehr zweifelte, redete er sie mit grimmigster Verstellung an: »Ha! verteufelte und betrugsvolle Sirene! Bilde dir nur nicht ein, daß dein schmeichlendes Vorbringen meine Zornrache verhindern werde. Diese Schmach und dieser unverantwortliche Schimpf, den du mir durch verdammte List vor allen Völkern erwiesen hast, kann auch mit deinem Blute nicht versöhnet werden; und sollst du auf dieser Stelle der himmlischen Banisen ein unwürdiges Opfer werden.« Worauf er den Säbel entblößte, und ihre treue Liebe mit einem blutigen Zuge würde belohnet haben, wenn nicht erwähnte Anwesende ihm in die Arme gefallen, und ihm das wunderliche[391] Verhängnis und die ungemeine Beständigkeit der getreuen Prinzessin beweglichst vor Augen gestellet hätten. Als sie nun den beharrlichen Haß vermerkte, und sich aller Hoffnung beraubet sahe, ließ sie der Verzweifelung den völligen Zügel schießen, entblößete ihre Brust, und fassete einen verborgenen Dolch mit diesen Worten zur Hand: »So schaue demnach, unbarmherziger Tyranne, wie dieses verspritzte Blut auf ewig um Rache wider dich schreien, und dein unerweichliches Herze Tag und Nacht vor den Göttern verklagen soll. Rühme dich nicht, diamantene Seele! daß dich eine Prinzessin bis in den Tod geliebet, und um dieser Liebe willen ihre Brust durchbohret habe: Denn dieser Stich wird mir durchs Herze, dir aber durch die Seele dringen, mir kurze Schmerzen und dir ewige Qual verschaffen: Weil dich mein blutiger Geist auch bis ans Ende der Welt verfolgen, stündlich vor deinen Augen schweben, und dir deine Grausamkeit vorrücken soll.« Worauf sie den Stoß zu vollziehen vermeinte, welches aber die Hand eines wohlmeinenden Soldatens verhinderte.

Als sie nun der Prinz in so beweglicher Gestalt vor sich knien sahe, die Albasterhaut der eröffneten Brust betrachtete, und einer sonderbaren Anmut in dem gewiß liebenswürdigen Wangenfelde gewahr wurde: brach ihm endlich das Herz, daß er diese seltsame Beständigkeit erkennete, den Säbel wegwarf, und sie mit diesen Worten aufhub. »Ich gebe mich gefangen, schönste Prinzessin, und bekenne, daß ich dieser Schönheit und Liebe nicht würdig bin, womit mich die gütige Schickung der Götter beseligen will. Treueste Seele! Sie wende den Dolch auf dieses mein unerkenntliches Herze, und vollstrecke die wohlverdiente Rache auf meiner Brust. Ich habe geirret, und dem Schluß des Himmels widerstrebet; darum danke ich der ewigen Gottheit, daß sie mich in diesem Augenblick zur Erkenntnis gebracht hat: bei welcher Gottheit ich denn, in Gegenwart dieser Getreuen, will geschworen haben: daß die Prinzessin von Savaady die Krone von Tangu vor ihre Beständigkeit, und mein Herz als ein stetes Dank- und Sühnopfer ewiger Liebe soll zu gewarten haben.«

Worauf er sie inbrünstig küssete, und sie unter freiem Himmel vor allen Augen zur Königin von Tangu und seine liebwerte Gemahlin erklärete: Darüber die Prinzessin dermaßen vergnüget ward, daß sie gleichfalls eine öffentliche Danksagung auf den Knien wegen so erwünschten Ausgangs[392] ihrer Liebe zu den Göttern und ihrem Prinzen abschickte. Als auch die sämtliche Armee, welche sich auf sechsundzwanzigtausend Mann vor Pegu vermindert hatte, angelanget, führte er sie im Triumphe in Tangu ein, ließ sie krönen, und sich königlich beilegen. Da sie denn lange Jahre in größter Zufriedenheit und Vergnügung beisammen gelebet, und unterschiedene tapfere Zeugen ihrer Liebe erzielet haben.

Denen Poeten aber wurde hierdurch Anlaß gegeben, allen beständigen und keusch verliebten Seelen diesen Trost- und Lobspruch der Beständigkeit zu erteilen:


Beständigkeit besteht, obschon die Erde kracht,

Und durch die schwarze Nacht entbrannte Strahlen dringen:

Ein treuer Sinn läßt sich nicht Blitz noch Donner zwingen:

Die feste Liebe bleibt, wenn schon die stolze See

Den grunderbosten Schaum bis an die Sterne schmeißet,

Und Segel, Mast und Baum in Salz und Wasser reißet,

Sie dringt durch Sturm und Wind, durch Abgrund und durch Höh,

Bis endlich Gott zu rechter Zeit

Selbst krönet die Beständigkeit.


Wir lassen hier den vergnügten Zarang den savaadischen Gürtel lösen, und verfügen uns wieder in das aracanische Lager vor Pegu, woselbst wir statt lieblicher Küsse donnernde Kartaunen spielen, und statt der Myrten die Mauren von Pegu mit blutigen Zypressen umgeben schauen. Denn Tages nach des Prinzen von Tangu Abzuge kam die erwünschte Hülfe aus Aracan glücklich an, welche die getreuen Stände des Reichs mit funfzigtausend Mann vermehret, und also zweimal hunderttausend auserlesene Mannschaft ihrem Könige zugeschickt hatten. Diese bezogen sofort das alte Lager, die Prinzen aber nahmen die alte Stadt ein, und machten sich solche zu einem bequemern Aufenthalt, weil der Brand ein Teil verschonet hatte: Jedoch hofften sie bald in Neu-Pegu bessere Bequemlichkeiten zu haben. Weil nun die Tanguter die Bahn zum Stürmen sehr wohl gemacht hatten, so ließ der erhitzte Balacin fast keinen Tag vergehen, an welchem er nicht in eigener Person die Völker zum Stürmen antrieb, wiewohl ihre Mühe hierinnen nichts anders ausrichtete, als daß[393] sie ihren Ruhm mit roten Buchstaben denen Mauern einverleibten. Das Geschütze mußte Tag und Nacht blitzen, die unbeweglichen Mauern zu bewegen, daß sie doch einen freien Eintritt erlauben wollten. Allein die verzweifelte Tapferkeit der Bramaner und die stete Gegenwart des beängstigten Chaumigrems machten alle gewaltsame Anschläge fruchtlos.

Als aber die Zeit bis auf drei Tage verflossen, da die schöne Prinzessin den rauhen Opferstein betreten sollte, fand man in dem Norden-Lager einen mit Papier umwundenen Pfeil, welcher alsbald dem Balacin eingehändiget wurde. Diesen entwickelte er mit zitternder Hand, weil er die Schreibart des Abaxars wohl kennete, und las folgendes daraus:


Allergnädigster König und Herr.


Jetzund setzet die liebreiche Prinzessin einen Fuß ins Grab, und der Strick, welcher ihren Schwanenhals henkermäßig umschlingen soll, ist verfertiget. Ihre stumme Gefahr aber und das herzliche Mitleiden heißet uns eilen, und auf mächtige Rettungsmittel bedacht sein, weil sie aus der Hand eines mächtigen Feindes soll errettet werden. In dreien Tagen wird das blutige Opfer vollzogen, und die Lösung aller Stücken wird alsdenn den traurigen Bericht erstatten, wie die tugendhafteste Seele den schönsten Leib verlassen habe. Doch trauen Ihro Majestät den Göttern und dem getreuen Abaxar, und versichern sich, daß nebst dem General Martong und Ponnedro über siebenzigtausend Peguaner in diesem Staatskörper ein gefährliches Geschwüre sind, welches, wo es aufbrechen sollte, dem Chaumigrem den unfehlbaren Tod gewähren wird. Ihro Majestät Gegenwart in unbekannter, und, nach des Ponnedro Bericht, portugiesischer Gestalt, würde das Werk erwünscht befördern helfen: Welche zu erlangen ich Ew. Majestät morgen um sechs Uhr in einem Ausfalle als gefangen abholen wollte, wenn Sie durch rote Kleidung sich erkenntlich machen werden. Die Anordnung des alsdenn notwendigen Hauptsturms wird der bekannten Tapferkeit des Prinzen von Siam wohl anzuvertrauen sein. Ich schließe und erwarte.


Jedwedes Wort bedauchte dem Prinzen ein Donnerschlag zu sein, weil aber Zeit und Not keinen Verzug verstattete, als ließ der angstvolle Balacin noch selbe Stunde Higvanama, Nherandi, Padukko, Korangerim, Mangostan und Ragoa zu sich erfordern, und begehrte, ihre ratsame Meinung über dieses[394] wichtige Begehren des Abaxars zu vernehmen. Ob sie zwar nun alle widriges Sinnes waren, und sich nicht ohne guten Vorbedacht gar einer listigen Verräterei besorgeten: so trauete doch Balacin der durch Scandorn versicherten Aufrichtigkeit des Abaxars, und entschloß sich, diesem Begehren nachzuleben. Als sie ihm nun solches nicht zu widerraten vermochten, bewilligten sie endlich darein, und wurde nunmehr die Art und Weise eines allgemeinen Hauptsturmes zur Gnüge abgehandelt.

Balacin erwählte sich seinen getreuen Scandor zum Gefährten dieses bedenklichen Unterfangens, und als die Morgenröte kaum angebrochen, verstellten sie sich gewohntermaßen mit den Farbeblättern, daß sie von jedermann vor unerkenntlich gehalten wurden. Indem sie sich aber der Higvanama zum Scherz zeigen wollten, kam der Bericht, wie sich der Feind durch einen Ausfall eingestellet, und sich sehr feindselig erzeigte: Dannenhero Balacin einen guten Panzer unter dem Rock legte, eine Sturmhaube aufsetzte, und sich also nebst dem Scandor in roter Kleidung unter die Fechtenden einmischte. Weil nun Abaxar diesen Ausfall in Person kommandierte, so befahl er seinen Leuten, diese zwei Rotröcke, welche greulich hauseten, anzupacken und aufzufangen, welches die Verstellten, als ob sie ihres Gewehres beraubet wären, endlich geschehen, und sich gefangen in die Stadt führen ließen: da sie denn Abaxar vor zwei portugiesische Hauptleute ausgab, und unter Vorwand eines starken Lösegeldes, sie dermaßen zu verwahren wußte, daß wegen Menge der Gefangenen sie des andern Tages leicht zu vergessen waren.

Worauf Abaxar unterschiedene geheime Zusammenkünfte anstellete, welchen Ponnedro und Martong beiwohneten, und sich daselbst mit einem Eide verbunden, die Prinzessin von diesem grausamen Tode zu befreien, und den tyrannischen Chaumigrem zu stürzen. Damit nun Balacin unvermerkt dem Opfer beiwohnen könnte, so wurde beschlossen, den Rolim durch Geschenke dahin zu bewegen, daß er ihn unter die Zahl der Palpas oder Talipous aufnähme: weil nun der jüngste Priester jederzeit das Opfer erwürgen müßte, als würde Leben und Tod der Geliebten desto freier in seiner Hand beruhen.

Nachdem nun auch Balacin den göttlichen Ausspruch zu Pandior bei sich wohl überlegte, wie alle Begebenheiten mit demselben so wohl übereingestimmet, wie er den Kaiser[395] Xemindo, als damaligen Feind von Ava, aus seines Feindes Chaumigrems Händen errettet, wie das fremde Bild der Prinzessin von Savaady ihn verblendet, endlich doch eine vergebene und eingebildete Ruhe seiner Liebe in der Banise gefunden hätte. Wie ferner seine Prinzessin, als sein einiges Vergnügen, in Ketten, in Schrecken und Furcht des Todes läge: wie drei Kronen, Ava, Aracan und Siam, die Krone von Pegu zu erretten bemühet wären: wie, sage ich, alles dieses so genau erfüllet worden, daß nichts ermangele, ohne daß ihn das Opfer als einen Talipou oder Priester kröne. Weil nun dieser Anschlag hierauf zielte, als wurde Balacin im Gemüte dermaßen gestärket, daß er feste davor hielt, es könnte zu endlicher Erfüllung der göttlichen Wahrheit nicht anders denn beglückt ausschlagen: dahero er um so viel freudiger einwilligte, und dem Abaxar ein kostbares Kleinod einhändigte, um dadurch bei dem Rolim eine Priesterstelle zu erkaufen.

Abaxar verfügte sich sofort nach dem Rolim, und bedeutete ihn, wie daß er einen nahen Anverwandten habe, welchem die Götter in währender Belagerung auf sonderbare Art das Leben erhalten hätten, dahero er ein Gelübde getan, zur schuldigen Dankbarkeit sein übriges Leben zum Dienste der Gottheit, und zwar, weil er ein Soldate gewesen, des Carcovitä zu widmen, und darinnen zuzubringen. Weil aber der Rolim kommendes Opfer vorschützete, welche Verrichtung sich der itzige jüngste Priester, weil es ihn zu einer größern Würde fähig machte, nicht würde nehmen lassen, und ihn dahero ersuchte, nach dem Opfertage sein Begehren zu wiederholen, da ihm willigst sollte gewillfahret werden: So mußte Abaxar eine andere Beredsamkeit hervorsuchen, und ihn durch die güldene Zunge des Kleinods, welches der vermeinte Freund als eine Beute in Siam sollte erobert haben, dahin bereden, daß er versprach, sein Ansehn hiedurch zu behaupten, und diesem neuen Priester zu Verrichtung dieses Opfers behülflich zu sein. Abaxar nahm solches zu Danke an, und hinterbrachte dem Balacin den glücklichen Fortgang ihrer Sachen mit Freuden: Nur beklagten sie, daß der betrübten Prinzessin wegen allzu starker Wache auch nicht ein Wink von ihrer vorhabenden Erlösung erteilet werden kunnte. Diesemnach führte Abaxar den Prinzen zu dem Rolim, gegen den er sich dermaßen fromm und heilig zu bezeigen wußte, daß der Rolim den äußerlichen Schein vor den andern Priestern hoch zu rühmen wußte, und er sodann mit gewöhnlichen Gebräuchen[396] zum Opferpriester in dem Tempel Corcovitä eingeweihet, auch ihm zugleich der Opferstrick nebst dem steinern Messer zu bevorstehendem Opfer eingehändiget wurde: worüber sein Gemüte sich dermaßen bewegte, daß es auch der Rolim merkte; weil er es aber vor eine Zagheit hielte, so sprach er ihm auf gut henkerisch ein Herze ein. Und hiermit endigte das schwindende Sonnenlicht auch diesen Tag, welchen die trostlose Banise ihren letzten zu sein erachtete. Balacin aber vermochte die ganze Nacht keinen Schlaf in seine Augen zu bringen, sondern es schwebete nur die gefesselte Prinzessin in seinem Gemüte und die bekümmerten Gedanken, wie es mit dieser gewaltsamen Erlösung ablaufen würde, verstatteten ihm keine Ruhe.

Endlich zeigete sich das Licht, an welchem das letzte Blut vor die Wohlfahrt des peguanischen Kaisertums sollte vergossen werden. Ganz Pegu erseufzete ingeheim, sooft es sich das traurige Schlachtopfer ihrer Erbprinzessin vor Augen stellete, und dieser Tag schiene einer der berühmtesten in den asiatischen Geschichtbüchern zu sein. Weil nun dieses Opfer des Morgens mußte verrichtet werden, so war die kaiserliche Mißgeburt des Chaumigrems in Person bemühet, alles aufs prächtigste in solcher Ordnung anzustellen, wie es die Würde des sonderbaren Opfers erfoderte. Er war willens, alle Gassen mit gedoppelter Mannschaft zu besetzen, und sich dadurch zugleich eine sichere Augenlust zu schaffen: Allein der geschäftige Feind zwang ihn, daß er statt der Gassen die Mauren wohl besetzen mußte; weil sich das ganze Lager regete, und angesichts der Belagerten sich zu einem allgemeinen Sturm rüstete.

Nherandi erwiese sich hier als ein ungemeiner Kriegesstern, welcher seine Gegenwart auf allen Seiten strahlen ließ, und sich denen Feinden als ein blutbedeutender Komete zeigete. Er ordnete in eigener Person den Sturm an, und legte eine gewaltige Probe seiner Kriegserfahrenheit hierinnen ab. Auf die Norden-Seite stellte er die erste Armee der Aracaner, welche er selbst anzuführen vornahm. Gegen Morgen setzte sich die heldengleiche Higvanama vor, dieselbe Seite mit ihren Avanern zu bestürmen, zu welchen noch dreißigtausend Aracaner stoßen mußten, weil sie in der Carpanischen Schlacht sehr vermindert waren. Vom Abende her dräuete Padukko mit seinen Siammern entweder zu siegen oder zu sterben: Mangostan aber wurde denen neuen Hülfsvölkern aus Aracan[397] vorgestellet, um mit ihnen sein Heil an der Mittagsseite zu versuchen. Weil nun Mangostan auf dieser Seite den Vorteil wegen besagten Dammes hatte und die Mitternachtsseite gleichfalls eine ziemliche Öffnung zeigete, so wurde das Geschütze nur von Osten und Westen her, als grausame Ungewitter, gegen die Stadt gerichtet, und alles dermaßen wohl angeordnet, daß zu einer schleunigen Eroberung nichts mehr als der Angriff konnte erfodert werden, obgleich von innen alle Hülfleistung wäre versaget worden.

Als nun bei angebrochenen Frühstunden die Glocken zu bevorstehendem Festopfer angezogen wurden, und ihr trauriger Schall die Annährung der Todesgefahr einer hohen Person außer der Stadt verkündigte, wurden zur Stunde die Völker aus allen vier Lagern gegen die Stadt in schönster Ordnung angeführet, da jedes Lager etliche tausend hohe Leitern, auf welchen drei Personen nebeneinander anlaufen kunnten, vor sich hertragen ließ, welches die von den Siammern gefangene Bramaner verrichten mußten zur Rache wegen gleichfalls mißbrauchter Hülfe der armen Siammer vor Odia in Versenkung der Schiffe. In solcher Gestalt warteten sie mit höchstem Verlangen auf das versprochene Zeichen, und gaben ihre Begierde zu fechten durch ein öfteres Feldgeschrei sattsam zu erkennen, wiewohl sie über drei Stunden mit höchster Ungeduld hierauf warten mußten, indem Chaumigrem diese wichtige Sache mit größer Vorsicht vorzunehmen vermeinte, und zuförderst alle möglichste Anstalt zu Beschirmung der Stadt machte, auch bei Lebensstrafe allen Peguanern und Inwohnern der Stadt verboten wurde, sich nicht auf der Gassen, viel weniger bei dem Opfer sehen zu lassen.

Den Tempel des Corcovitä mußte Abaxar mit viertausend Mann in dreifacher Reihe umziehen lassen, und die Reuterei wurde in allen Gassen verteilet. Der Rolim war inzwischen gleichfalls aufs äußerste bemühet, den Tempel herrlichst zu zieren, und weil die armselige Prinzessin diese tyrannische Gnade erlanget, daß sie, wie es ein ungewöhnliches Opfer, auch die Opfergebräuche in etwas verändern, und nach ihrem Belieben einrichten möchte, so wurde eine herrliche Musik darbei angestellet, und nichts unterlassen, was ein kaiserliches Opfer zieren konnte.

Der Tempel war länglich-rund mit vergüldetem Erz bedecket, und hatte zwölf Türen mit polierter Arbeit. Inwendig[398] war er mit weißem Marmel durchaus gesetzet, und so künstlich ineinandergefüget, daß es schien, als ob der ganze Tempel nur aus einem Stück gehauen wäre. Die Fenster waren von dem schönsten Kristall gemacht, durch welche der Tag mit vermehrtem Lichte hineindrang, und doch den Augen nicht schädlich war. Der Boden war mit bunten Jaspis gepflastert, und rings um den Tempel stunden hundert alabasterne Säulen. An dem Ende des Tempels gegen Morgen sahe man den Kriegesgötzen Corcovita in einer erschrecklichen, ja teuflischen Gestalt. Der Leib war wie ein Mensch gebildet, ingleichen die Hände, deren rechte er auf der Brust, die linke auf dem linken Knie liegen hatte, weil er sitzende vorgestellet war. Das Angesicht gleichte einem alten Mann mit großen Hörnern, zwischen welchen noch zwei kleinere saßen. Die Füße waren auf Bocksart bereitet, und zwei Flügel hingen auf dem Rücken. Das erhabene Gestelle, worauf er saß, war von grünen Jaspis, mit ausgegrabener und erhobner Arbeit von Golde, aufs künst- und köstlichste gezieret. Vor diesem Gestelle oder Altar stund nun der bunte Marmel, auf welchem das abscheuliche Opfer verrichtet wurde. Etwan zwanzig Schritte dem Abgott gegenüber war ein von sechs Staffeln erhöhter Thron, mit gestickten Teppichten behangen, auf welchem das tyrannische Mordkind Chaumigrem sitzen, und seine Augenweide an dem jämmerlichen Tode der unschuldigen Prinzessin sehen wollte.

Zwo Stunden nach der Sonnen Aufgang verfügte sich Chaumigrem, von vielen großen Staats- und Kriegshäuptern begleitet, auf einem Elefanten nach dem Tempel, allwo Abaxar mit dreißig Trabanten, welche silberne Barten führten, den Thron umgeben mußten, auf welchen er sich, nachdem er eine und andere Anstalt selbst betrachtet hatte, mit größtem Hochmut setzte, weil er des festen Glaubens war, durch dieses Opfer würde Corcovita versöhnet, der Feind fast ohne Waffen verjaget, und sein Thron durch dieses Blut befestiget werden.

Als sich nun der Rolim nebst neunzig Priestern gleichfalls eingestellet hatte, wurden zum letztenmal die Glocken angezogen, auf deren Getöne die hitzigen Aracaner alsobald angelaufen wären, wenn sie nicht Nherandi durch ernstes Befehlen hiervon abgehalten hätte, da sie denn wie ergrimmte Tiger die besetzte Mauren ansahen, und von denselben gleiches Blickes gewürdiget wurden. Nach dem Klang der Glocken[399] aber wurde die Prinzessin Banise unter Begleitung hundert Pfaffen nach dem Tempel zugeführet. Sie war königlich gezieret, und zu Bezeugung ihrer Reinigkeit in ganz weißem Atlas gekleidet; eine Krone von Perlen bezierte das zu Feld geschlagene Lockenhaar, und ein diamantner Gürtel umgab die wohlgesetzten Lenden. Füße und Hände waren mit starken güldenen Ketten gefesselt, und in solcher traurigen Pracht kam sie in den Tempel. Balacin stund bei dem Opfersteine, und stellte sich sehr geschäftig, ja recht blutbegierig an; sobald ihm aber das schöne Opfer in die Augen strahlte, fiel ihm Strick und Messer aus der Hand, ja er hatte vonnöten alle seine Großmut und tapfern Geister zusammenzufordern, damit er in gleichem Wesen bleiben, und zu Ausführung dieser wichtigen Sache gnugsam geschickt sein möchte. Die Priester stellten sich in einer langen Reihe auf beiden Seiten des Abgotts, da denn der Rolim mit einem güldenen, die andern aber mit silbernen Rauchfässern dergestalt dem Abgott zu Ehren zu räuchern begunnten, daß der ganze Tempel mit wohlriechendem Dampf erfüllet wurde.

Währenden Räucherns fing eine sanfte und durchdringende Musik von fernen an zu spielen, in welche nachfolgende Arie, auf der Prinzessin Begehren, welche sie selbst gesetzet hatte, mit traurig-beweglichsten Stimmen abgesungen wurde:


1.

Sollen nun die grünen Jahre,

Und der Unschuld Perlenkleid

Auf die schwarze Totenbahre,

In die dunkle Ewigkeit?

Soll mein Blut die Erde färben?

Soll Banise nicht mehr sein,

Und so jämmerlich verderben?

Himmel das ist Seelenpein!


2.

Meine Jugend heißt mich hoffen,

Weil die vollen Rosen stehn:

Und mein Fuß betritt die Stufen,

Welche nach dem Grabe gehn.

Stern und Himmel ruft vergebens:

Suche Flammen in dem Schnee,

Weil die Sonne meines Lebens

Sinket in die Totensee.[400]


3.

Statt verhoffter Liebesblicke

Küsset mich der blasse Tod,

Und der Tugend bestes Glücke

Ist nur Jammer, Angst und Not.

Gold und Kronen sollt ich erben,

Ja ein Kind der Götter sein.

Aber, ach! so soll ich sterben!

Und betreten Gruft und Stein.


4.

Doch getrost! das Licht der Tugend

Blitzet auch durch Tod und Nacht.

Es ist Schönheit, Stand und Jugend,

Was den Tod dir bitter macht.

Dieses sind nur falsche Sterne,

Und ein Glanz der Eitelkeit:

Spreu und Schalen sonder Kerne,

Welche schwinden mit der Zeit.


5.

Tugend kann den Tod versüßen,

Hoffnung zuckert Gallen ein.

Weil wir alle sterben müssen,

Will ich nicht die letzte sein.

Es wird meine reine Seele

Reisen durch die Sterblichkeit,

Und entgehn des Grabes Höhle

Zur gestirnten Ewigkeit.


6.

Zwar mein Prinz wird sich betrüben,

Weil mein Fall die Liebe stört:

Doch ein keuschgesinntes Lieben

Wird durch keinen Tod versehrt.

Ihre zarte Wurzel dringet

Auch bis in die kalte Gruft:

Wenn sich Geist und Seele schwinget

Durch die blaugewölkte Luft.


7.

Nun, die Zeit befiehlt zu scheiden,

Und mein Stundenglas zerbricht.

Ich soll Tod und Messer leiden,[401]

Es verdunkelt Aug und Licht.

Dieses ist die letzte Stunde.

So vergeht der Jugend Pracht!

Wort und Silb erstirbt im Munde:

Welt und Prinz zu guter Nacht!


Diesem allem hörte die großmütige Prinzessin ganz beherzt und mit einem solchen Angesichte zu, in welchem man statt der Furcht eine ernsthafte Freundlichkeit und solche Anmut erblickte, welche die Steine zu durchdringen schien. Der sonst unbewegliche Prinz konnte sich der Tränen nicht enthalten, indem er kein Auge von der Prinzessin wendete. Ja, er wünschte, daß nur bald die Zeit verflossen, und die Stunde des Opferwechsels vorhanden wäre. Nach geendigtem Singen wurden die Ketten von dem schönen Opferlämmgen abgenommen, und unter stetem Räuchern des Rolims vor dem Abgott geführet, von welchem sie ihr englisches Angesichte ab- und dem Chaumigrem, nebst allen Anwesenden zuwendete, da sie zugleich mit ungemeiner Herzhaftigkeit und unerschrockener Stimme folgende Rede vom Tode hielt:


Trauer- und Abschiedsrede der Sterbenden Banise

»So ja etwas Erschreck- und Entsetzliches kann oder mag genennt werden, wovor die Helden zittern, die Starken beben, und die Tyrannen erschrecken; ja wo etwas zu finden ist, welches die Gottlosen von der Sünde noch etwas zurücke halten kann, so ist es gewiß das blasse Reich des Todes und dessen furchterweckende Betrachtung. Der Tod, sage ich, das erschrecklichste alles Schrecklichen, welcher alles zerbricht, was seinen Ursprung von der Erde nimmt, und was nur die Geburt an die Sonne stellt; welchen auch die wilden Tiere und giftigste Schlangen zu scheuen pflegen, und die menschliche Natur vor ihren größten Feind erkennet, wider den sie bei allen Ärzten Entsatz und diesen abscheulichen Grabeswurm möglichst abzuhalten sucht. Ja der Tod, welcher mir itzt die eiskalte Hand reichet, ihm auf einer blutigen Bahn zu folgen. Gewiß, wenn wir den Tod mit unsern Vernunftsaugen etwas genauer betrachten, so scheinet es, als ob unserer Natur allzu, große Gewalt angetan würde, und die erzürnte Gottheit denen Menschen etwas auferleget hätte, welches menschlicher Schwachheit zu ertragen unmöglich wäre. Allein, so wir den Kern kosten, und die Schalen verwerfen, so befinden wir,[402] daß unsere größte Glückseligkeit im Tode beruhe. Es würde uns das gallenbittere Leben noch viel herber schmecken, so wir kein Ende unserer Not, viel weniger eine Verbesserung wüßten. Nicht wolle jemand wähnen, als ob mich die Not lernte das Leben verachten, weil ich den Tod vor Augen sehe, und mir selbten, als eine Sache, welche nicht zu ändern, süße vorzustellen mich bemühete. Nein, keineswegs; sondern ich versichere, daß ich mich in der Todesbetrachtung mehr als im Spiegel lebenslang beschauet habe, indem ich ein wahrer Zeuge des Glücks und Unglücks bin.

Ich meines Orts halte davor, daß der allgemeine Wunsch einiger Lebensverlängerung bloß aus einer unzeitigen Liebe des Lebens herrühre, welche sodann den Tod verhaßt macht, und denselben auf das greulichste vorbildet; so wir aber den Ursprung solcher Liebe untersuchen wollen, so wird die Quelle aus dem Irdischen entspringen. Was aber irdisch sei, solches sehen und erfahren wir in unserm irdischgesinnten Leben täglich. Bilden wir uns ein, die höchste Glückseligkeit beruhe in Kron und Thron, und der Szepter könne nur unser Leben versüßen, so betrügen wir uns heftig. Denn, ach! daß es nur die Welt glauben wollte! jede Krone und Fürstenhut ist ein Joch, dessen Gold schwerer als Blei zu ertragen ist. Die Diamanten sind spitzige Pfriemen, welche gekrönten Häuptern ihre Ruhe verstören; die Perlen bedeuten Tränen, und die schütternden Rubinen sind geronnen Blut, welches öfters aus den Adern des gekrönten Knechts hervorquillet. Weh mir, daß ich meinen Herrn Vater zu einem kläglichen Beispiel vorstellen muß! Suchen wir unsere Lebensversüßung an den Höfen der Prinzen, so begeben wir uns zur Herbstzeit auf eine See, welche uns durch verborgene Klippen und Sandbänke einen täglichen Schiffbruch dräuet. Ja die Vergnügung ist nirgend weniger denn hier zu finden, weil stetes Mißtrauen und Furcht jedweden Schritt begleiten: Und rühmet sich gleich einer in dem Schoß der Gnaden zu sitzen, so kann doch ein unzeitiges Wort oder Gebärde tausend Donnerkeile aus dieser Gnadenwolke ziehen, welche sein Glücke im Augenblick zerschmettern. Hier weinet oft das Auge bei lachendem Herzen, und ein Todfeind schmücket sich mit Freundschafts-Larven; ja die Liebe des Nächsten wird zu Hofe ein Ungeheuer, und diese Tochter der Natur ein Mißgeburt der Welt. Hier muß man allen Blicken einen Kappzaum anlegen, demjenigen am meisten heucheln, welcher uns am meisten[403] unterdrückt, und auch die schändlichsten Gebrechen als Tugenden ausstreichen, daß also, da wir oft die größten Sklaven sein, wir uns doch aus stolzer Einbildung Herren zu sein bedünken. Vielweniger kann und soll uns Reichtum als die güldene Folterbank des Gemüts, noch einig scheinbares Glücke oder Ehre das Leben dermaßen beliebt machen, daß wir den Tod sogar hassen, und ein ewiges Leben dieser Zeitlichkeit wünschen sollten. Es muß jeder bekennen, daß er sich öfters über die Länge der Zeit beschweren müsse, und dahero bemühet er sich, solche nach Möglichkeit zu vertreiben, ja gleichsam zu verjagen, und bekennet also auch wider seinen Willen den Verdruß der Zeitlichkeit.

Nun dieser Fessel, womit das Gemüte an das Irdische sich verbindet, ist meine Seele gleichfalls ganz befreiet, und küsse ich vielmehr dieses güldene Licht, an welchem ich das Joch der Eitelkeit ablegen, und mich denen Sternen beigesellen soll: Ja ich achte das eitele Wesen dieser Welt nicht mehr einiger Gedanken würdig. Denn wer wohl schlafen will, der muß auch die Kleider ablegen, und wer wohl zu sterben verlanget, der lege das Irdische von sich. Der Tod ist nicht so schrecklich, als man sich einbildet, und wer sich davor fürchtet, oder die Verlängerung des Lebens allzu heftig suchet, der muß gottlos sein, daß er Ursach hat, sich vor der Verdammnis zu fürchten; dasjenige Leben aber, welches stets in solcher Todesfurcht und Gewissensangst umgeben, ist kein Leben, sondern nur eine Marter zu nennen. Wohl sterben ist nichts anders, als der Gefahr, übel zu leben, und fernern Unglück entfliehen, und doch empfinden ihrer viel den größten Abscheu von der Trennung des Leibes und der Seelen: ich aber will beherzt eine böse Stunde vor ein gutes Jahr, und einen wenigen Schmerz vor eine ewige Freude ausstehen. Und also sterbe ich mit höchsten Vergnügen, weil mich die Tugend lehret, wie man sich bezwingen, und durch den Tod dahin kommen müsse, wo ein beperlter Rock der Ewigkeit meine Schultern bedecken wird.

Wird gleich der Draht meiner zarten Jugend zerschnitten, und bleibet Kron und Szepter zurücke, so wird doch meine Seele in dem glänzenden Niba auch Sonne und Sternen an Klarheit übertreffen. Muß gleich der artige Bau meiner Glieder zerbrechen, und der Purpur meiner Wangen und Lippen mit Totenfarben bestrichen werden, so bin ich doch versichert, daß an meinem Geiste solcher Verlust wird tausendfach ersetzet[404] werden. Ich weiß zwar, daß viel getreue Herzen ihre Tränen mit meinem Blute vermischen wollten, wenn nicht ein Damm ihrer Grausamkeit ihren Lauf hemmete: Allein glaubet, daß mir dieser Trauerstein angenehmer weder der Thron zu sein bedünket: und wäre es demnach ganz unnötig, daß ihr meine Asche mit eurer Wehmut beflecken wolltet. Ein von Lastern befreiter Geist lässet sich den Tod nicht schrecken, denn dieser kömmt nur blöden Augen häßlich vor, und verwehnte Lippen wollen nicht Wermut schmecken. So erkenne ich mich demnach dem Kaiser höchst verpflichtet, indem er mir hierdurch eine solche Gunst bezeiget, daß ich seine vorige Schattenliebe anitzo vor eine helle Sonne erkennen muß: Wenn er mir durch den Tod ein solches Geschenke erteilet, welches mich weit mehr als keine irdische Liebe vergnüget. Ich werde in kurzem mit verneuerten Lippen die besten Freunde küssen, und ich sehe bereits, wertester Herr Vater, sein mit tausend Sternen beflammtes Angesichte durch die blaue Luft glänzen. Ich schaue im Geist, wie mir die liebste Frau Mutter aus der Ewigkeit zuwinket, und mich mit lächlendem Munde ihrer Vergnügung versichert. Ach seligste Schwester! die du auf unerhörte Art am Galgen ersticken müssen, ich sehe ganz entzückt, wie um deinen Hals, statt des verdammten Henkerstrickes Diamanten, und deine vier kleine Todeszeugen, wie die Morgensterne um dir schimmern. Ja, liebsten Freunde! ich erblicke schon mit sterblichen Augen vergötterte Gestalt, und wie ihr Arme und Hände ausstrecket, mich zu euch zu ziehen.

Ach aber! was vor ein Angstschweiß befället meine bereits erkalteten Glieder, und welche Wehmut heißet mich die letzten Tränen vergießen? Mein Herze schwitzet Blut, und ein bleicher Jammer bestürmet mein Gemüte. Allein, nicht mein sterbendes Unglück, nicht der Verlust von Kron und Szepter, oder daß ich den Purpur mit einem Sterbekittel vertauschen soll, verursachet diese Schmerzen; sondern das empfindlichste Andenken meines liebwertesten Prinzen Balacins beunruhiget meine Seele. Ach liebster Prinz! in was vor eine Tränensee wird dein Herz verschlagen werden, wenn diese Trauerpost in deinen Ohren erschallen wird: Deine Banise, dein Schatz, ja deine versprochene Braut ist tot, und ihr getreues Blut klebet noch in Pegu an dem Opfersteine. Nunmehro wirst du nicht mehr die Zuckerfrucht reiner Küsse von meinen Lippen ernten können, und der Frühling unserer keuschen[405] Liebe hat sich in einen kalten Todeswinter verwandelt, welcher einen fruchtgenießenden Herbst nicht eher, als in den Sternenauen verspricht. Ach getreuester Balacin! wie wird dein Herz klopfen, und deine Großmut mit Tränen überschwemmet werden, wenn man dir nach erfolgter Eroberung den geringen Rest meines verbrennten Leibes in einem engen Geschirre zeigen wird: In noch tiefere Traurigkeit und Mitleiden aber wirst du versetzet werden, wenn du erfahren wirst, wie ich meine dir geschworne Treue bis in den Tod unbefleckt erhalten, und unserer Liebe eine keusche Seele aufgeopfert habe. So lebe demnach wohl, erwähltes Herze! lebe wohl, und empfange diesen Abschiedskuß durch die Luft. Ich sichere dich, die Flamme soll nicht so heftig meinen Leib umfangen, als wie meine Asche in der Beständigkeit gegen dich noch glühen soll. Ja wenn sich das Wort im Blute netzen, und der Tod auch das Lallen verbieten wird, so sollen doch die Seufzer noch häufig nach dem Himmel und zu dir fliegen. Gute Nacht, mein Prinz! der Himmel segne deine Waffen, und gönne dir so viel gute Jahre, als ich böse Stunden habe zählen müssen. Gute Nacht! Meine zu bevorstehendem Todeskampfe benötigte Großmut verbeut mir, ferner an dich zu gedenken, und erlaubet mir, nur noch einmal zu sagen: Die letzte gute Nacht!

Indessen getrost, mein Geist! und lasse dich nichts irren, ob dich gleich ein zitterndes Grauen anfechten, und dir die Vernunft deine Jugend und das letzte Anschauen der Welt vorstellen will. Gedenke, es müsse sein, der Himmel habe es also beschlossen, daß dein reines Blut ein roter Zeuge der Keuschheit sein solle. Wer heute stirbt, der darf nicht morgen sterben. Nun gute Nacht! Zeit und Wehmut erlaubet nicht ferner die Tugend zu rühmen, und das Leben zu verachten. Ich sage: Gute Nacht! weil ich die lange Todesnacht antreten, und mich euren Augen auf ewig entziehen soll. Es ist genung, ich bin vergnügt, wenn ich weiß, daß, ob ich gleich vergehe, dennoch mein Name bleiben werde. So komme denn, angenehmer Tod! und vermähle mich mit dir. Du himmlische Gottheit aber laß dir meinen Geist zu geheiligter Hand befohlen sein, und lasse ihn statt jetziger Galle die süße Himmelskost schmecken. Lasse ihn bald dahin gelangen, wo er das gestirnte Heer viel tausend Meilen unter sich sehen, und alle Tyrannei und Eitelkeiten dieser Welt getrost verlachen kann. Verwechsele meine Kummerdornen mit einer rosensanften Luft,[406] und bekröne mein Haupt mit einer Sternenkrone, so werde ich mit Lust sterben, wenn alle Welt mir diese Grabschrift stellen wird:


Weil Banise Tod und Laster besieget hat,

so ist sie eine Nachbarin der Sonnen geworden.«


Nach welchen Worten sie sich mit etwas erblasseten Wangen und wankendem Fuße dem traurigen Opfersteine näherte, und allda des mörderischen Strickes mit bereits geschlossenen Augen erwartete. Balacin aber stund unbeweglich vor ihr, und schiene, als ob er vor Zorn, Wehmut und Liebe ganz versteinert wäre. Ob ihn nun zwar der Rolim zu unterschiedenen Malen seines Amtes erinnerte, so verzog er doch dermaßen, daß ihm endlich Chaumigrem selbst zurufte: »Es ist dein unzeitiges Erbarmen vergebens: Verrichte dein Amt, und vermeide deine Strafe.« – »Du wirst des Mordens besser gewohnt sein«, antwortete der ergrimmete Prinz, »grausamer Bluthund: Derowegen so komme nur selbst her, und verrichte dieses henkermäßige Opfer.« Worauf er alsobald in möglichster Eil mit denen bei sich habenden Blättern sich erkenntlich machte, welches aber weder die halbtote Prinzessin, noch der vor Zorn rasende Chaumigrem bemerkete. Die Pfaffen aber, welche diese Veränderung sahen, schlugen alle die Hände über den Kopf zusammen, und schrien alle mit gräßlicher Stimme: »Verräterei! Verräterei! Verräterei!« Welches Geschrei den Kaiser dermaßen verwirret machte, daß er dessen Bedeutung nicht merkete, sondern im Grimm von Throne aufsprang, nach dem Prinzen lief, und ihm den Strick aus der Hand reißen wollte, in willens, die Prinzessin mit eigener Hand zu erwürgen. Balacin aber kam ihm hurtig zuvor, und warf ihm selbst den Strick um den Hals, risse ihn zu Boden, und versetzte ihm mit dem scharfen Opfersteine und diesen Worten einen tödlichen Stoß in die linke Brust: »Siehe du Bluthund! So muß man den Teufeln, und nicht den Göttern opfern!« Chaumigrem aber konnte vor Schrecken nichts als das widerschallende Wort Verräterei vorbringen.

Wie nun solches die anwesenden Bramaner ersahen, stürmeten sie einmütig mit bloßen Säbeln auf den Prinzen. Abaxar aber, welcher sowohl die Trabanten, als auch die um den Tempel gestellten Völker zu seinem Wink bereit wußte, täte den rachgierigen Bramanern einen blutigen Einhalt, und[407] entstund ein so hartes Gefechte in dem Tempel, daß das Blut auf dem glatten Jaspisboden stromweise dahinflosse: ja die göttliche Rache schickte es dermaßen, daß der tödlich verwundete Chaumigrem, welcher sich so ofte mit unschuldigem Blute besudelt, sich in dem häufigen Blute brüllende herumwälzen, und mit Ach und Weh seinen schwarzen Geist der flammenden Hölle zuschicken mußte. Der Prinz ergriff indessen die ganz erstarrete Prinzessin, und setzte sie auf den erhöheten Altar des Abgottes, damit ihr der allenthalben wütende Säbel nicht einiges Leid zufügen möchte. Hierauf drungen die äußersten Völker mit großem Geschrei: »Es lebe Prinzessin Banise!« in den Tempel, und hieben im Grimm alles nieder, was nur eine bramanische Ader regte: wodurch der Tempelstreit seine Endschaft erreichte.

Indem aber, vorerwähntermaßen, die Prinzessin ihre Trauerrede geendiget hatte, und das Opfer indem verrichtet werden sollte, so war bereits das Zeichen zu Lösung der Stücke gegeben, welche denn um die ganze Stadt mit so entsetzlichem Donner gelöset wurden, daß Häuser und Tempel erbebeten. Solcher Knall hatte sich kaum in den Lüften verloren, so wurde von der Ost- und Westen-Seite so grimmig geantwortet, daß auf beiden Seiten eine dreißigklafteriche Eröffnung die grausame Würkung zeigete. Nach diesem ginge der Sturm auf allen Seiten dergestalt an, daß es schiene, als ob sich die Menschen unterstehen wollten, den Himmel mit der Erden zu vereinigen. Die Bramaner fochten als verzweifelte Leute, und die Stürmenden wollten von nichts als Sterben oder Siegen hören. Die Toten verhinderten die Lebendigen, und das schlüpferige Blut verursachte denen Anlaufenden ein gefährliches Gleiten. Als aber der tapfere Abaxar die erste Probe seiner Treue abgeleget, überließ er dem Prinzen zu Beschirmung der Prinzessin tausend Mann: Eintausend Mann mußten in allen Gassen ausrufen: »Es lebe die Prinzessin Banise!« Auf welches aus allen Häusern ein hunderttausendfaches Echo erfolgete. Mit zweitausend Mann eilte er dem Norden-Tore zu, allwo er bereits den General Martong mit denen Bramanern wegen Behauptung des Tores in vollem Kampf begriffen fand: da er als ein Blitz durchdrunge, und das Tor mit Gewalt aufhauen ließ. Solches war kaum eröffnet, so drungen die Aracaner als eine dicke Wolke hinein, und erfülleten alle Gassen mit Blut und Tode, jedoch wurden die Häuser verschonet. Nherandi kam mit den fördersten[408] hinein, und traf auf dem Markte den Padukko mit den Siammern zu höchster Verwunderung an, welcher auf seiner Seiten die Mauren mit Gewalt erstiegen hatte. Worauf denn inner zwei Stunden alles über und über ging, und wurde, was nur einen bramanischen Namen führete, niedergehauen.

Wo lassen wir aber die entzückte Banise, nebst ihrem höchst vergnügten Prinzen? Diese kunnte sich durchaus nicht fassen noch begreifen, sondern die Todesangst wollte sie überreden, sie habe bereits den Tod überstanden, und habe sie die Gesellschaft ihres Prinzen in dem Niba angetroffen. Als indessen das blutige Getümmel in etwas gestillet, und sie einigermaßen, gleichsam aus einer tiefen Ohnmacht, wieder zu sich selber kommen war; fiel sie vor dem Altar zu des Prinzen Füßen, und sagte mit schwacher und beweglichster Stimme zu ihm: »Ach englischer Balacin! lebe ich, oder bin ich tot? Schlafe ich? Träumet mir? Oder sind dieses solche Begebenheiten, die sich noch in der unterirdischen Welt zutragen? Ach ist es möglich, daß ich durch deine Hand aus der Gewalt des Todes gerissen worden? Betören mich meine Augen, daß ich den Mörder meiner Eltern, den Feind meiner Keuschheit und den nach meinem Blute dürstenden Tyrannen in seinem Blute vor mir liegen sehe? Wie können sich denn die Dörner so geschwinde in Rosen, und die Hölle in ein Paradies verwandeln? Ich küsse die hülfreiche Hand, und bin, wie vor, bereit, mein Blut vor diese Treue zu vergießen. Ach könnte ich doch mein Herz aus dem Leibe reißen, und solches als ein freudiges Dankopfer vor deinen Augen verbrennen. Statt dessen aber sei dir, wertester Engel! Geist, Leib, Hand, Mund, Brust und Liebe hiervor aufgeopfert.« Balacin hub sie von der Erden, und antwortete: »Allerschönste Prinzessin! Sie erhebe nicht mein schwaches Verrichten allzu hoch, weil die Stärke von den Göttern entsprossen, und ich ohnedies Dero Wohlfahrt mit meinem Blute verbunden bin. Ich erstaune selbst über der plötz- und glücklichen Veränderung, worinnen die Gottheit ihre mächtige Hand im Spiele hat, und merke ich aus dem Getümmel, daß auch die Stadt bereits in unserer Hand sei.«

Indem sie aber noch ein und anders, ihre Vergnügung zu bezeugen, vorbrachten, traten Nherandi und Higvanama, nebst andern hohen Personen in ihren blutbesprützten Rüstungen in den Tempel. Was nun hier vor Empfang- und Glückwünschungen vorgingen, ja wie sich die beide Prinzessinnen,[409] Banise und Higvanama, welche das erstemal einander kennenlernten, so inbrünstig und mit vielen Tränen einander umarmeten, solches würde dieses enge Papier der wohlständigen Kürze berauben, und vielmehr einen Ekel erwecken. Weil aber dieser schöne Tempel nunmehro gleich einer Mördergrube voll Blut und Leichen lag, und diesen Vergnügungen einen abscheulichen Gegenstand hielt: als verließe diese hohe Gesellschaft den entweihten Tempel, und verfügten sich nach der gleichfalls eroberten Burg.

Als nun zugleich von denen Generalen ein allgemeiner Stillstand der Waffen in der Stadt geboten und denen Soldaten die Gassen, nicht aber die Häuser zu plündern erlaubet worden, so war die Stadt mit Aracanern besetzt, die übrigen Völker aber wurden wiederum in die Läger geführet, und ihnen reichliche Verpflegung, welche ein treuer Soidate auch verdienet, verschaffet. Zu Hofe aber wurde fleißig Rat gehalten, wie aller fernem Verwirrung abzuhelfen, und alles in vorig erwünschten Zustand zu setzen wäre. Weil demnach durch hohe Vermählung der Prinzessin Banise die königliche Krone des Reichs Pegu auf des Königs von Aracan Haupt gesetzet werden mußte; als wurde durch vier Herolden unter dem Schall der Trompeten und Pauken in der Stadt folgendes ausgerufen:

»Demnach es durch die gütige Schickung der Gottheit und Tapferkeit des großmächtigsten Königes von Aracan nebst dessen hohen Bundesverwandten dahin gediehen, daß unsere allergnädigste Erbprinzessin vom Tode und dieses bisher unbeglückte Kaisertum Pegu aus der gewaltsamen Hand des tyrannischen Chaumigrems glücklich errettet worden: so geziemet zuförderst jedwedem getreuen Peguaner, den Göttern, dem Ursprunge unsers Heils, fußfälligen Dank abzustatten. Denn ihr sollt wissen, daß nunmehro der allgemeine Feind der Natur, der schädliche Krieg, gänzlich soll aufgehoben, und der edle Friede eingeführet werden. Heute sollen sich alle Säbel in Pflugscharen, die Spieße in Eggen und die Lanzen in Weinpfähle verkehren. Der Friede soll unsere Mauren besitzen, und die Sicherheit soll vor jedem Hause ihre Fahne aufstecken. Nun soll der Pflug getrieben, Handel und Wandel fortgesetzet, und die Handwerke vor die Hand genommen werden. Was vergraben und verborgen gewesen ist, soll herfürgezogen werden, und durch alle Hände gehen. Die Felder sollen fruchtbar gemacht, die Städte gezieret, und mit Reichtum[410] erfüllet werden. Die bishero schweigenden Gesetze und die schlafende Gerechtigkeit soll hingegen ihr Schwert wiederum ergreifen, und nur die Laster bekriegen. Die Väter, welche bishero wider den Lauf der Natur ihre Kinder begraben haben, sollen nunmehro von ihren Kindern in Frieden zu Ruhe gebracht werden. Der Adel soll nunmehro vor dem gemeinen Volke erkennet, alle Verwirrung abgetan, und alles in friedliche Ordnung gesetzet werden. Es soll auch zugleich eine allgemeine Verzeihung gegen diejenigen, welche sich allszusehr nach dem Laufe der Zeiten gerichtet, und wider ihre Pflicht sich mit Worten oder Werken an unserer allergnädigsten Erbprinzessin oder dero hohen Eltern, mildesten Andenkens, vergriffen haben, ergehen, und solches Verbrechen tot und ab sein, auch dessen nimmermehr gedacht werden: wofern ein künftiges gehorsames Wohlverhalten diese Fehler zu büßen bemühet sein wird. Weil nun alle diese edle Früchte des Friedens uns von der Hand des tapfern und unüberwindlichen königlichen Heldens von Aracan mit Darsetzung seines Gutes und Mutes erteilet worden; als hat unsere durchlauchtigste Erbprinzessin solche allgemeine Wohltat statt unser dermaßen zu erkennen gewußt, daß sie ihre Liebe und sich selbst ihm hiervor ergeben und aufgeopfert: Also und dergestalt daß aus diesem edlen Friedenswerke zugleich eine höchst-er-sprießliche Vermählung entspringet, und den Thron unsers allergnädigsten Kaisers Xemindo mit einem höchst-anständigen Regierungshaupte nunmehro besetzet worden: welcher diesen Frieden nicht allein erworben hat, sondern auch mächtigst erhalten wird. Zu dessen Krönung inner drei Tagen soll geschritten werden. Friede! Friede! Friede!«

Welches mit einem widerschallenden Freudengeschrei allenthalben beantwortet wurde, indem man in allen Ecken und Winkeln rufen hörte: »Es lebe der unüberwindliche Kaiser Balacin mit seiner unvergleichlichen Banisen!«

Unterdessen versammleten sich alle Fürsten des Reichs, und weil sie noch vor der Krönung alles, was sie zu suchen oder zu erinnern hatten, vorbringen mußten, so wurde solche noch einige Tage verschoben. Nachdem aber Balacin unter andern fürstlichen Tugenden vornehmlich die Dankbarkeit beobachten wollte, so ließ er den Martong und Abaxar vor sich kommen, und gab ihnen freie Wahl, sich vor ihre unersetzliche Treue eine freie Gnade zu erwählen, wodurch sie sich vor ihre Mühe vergnügt befinden könnten: Worauf denn Martong[411] untertänigste Ansuchung tat, daß er das aufrührische Reich Brama mit zweimal hunderttausend Mann züchtigen, und im Namen Ihrer Majestät von Pegu einnehmen dürfte; da er denn, so ihm die Statthalterschaft anvertrauet, seine Pflicht besser als Xenimbrun in acht nehmen würde. Welches ihm sofort mit Darreichung einer güldenen Ketten, woran ein schweres Kleinod von Diamanten hing, bewilliget wurde. Abaxar aber trat mit höherm Ansehen hervor und sagte: »Weil es mir denn erlaubet ist, meine schuldige Mühwaltung mir gleichsam selbst zu vergelten, so begehre ich weder Gold noch Kleinod, weder Macht noch Reichtum, sondern etwas, welches uns die Götter in die Armen werfen, wenn sie uns vergnügen wollen. Ich bitte um dasjenige, was ich mit Darsetzung meines Lebens erworben habe, und mich mit Einwilligung des Geschenkes wohl berechtiget dazu finde. Ja ich bitte, großmächtigster Kaiser und Herr, Sie geruhen gnädigst, bei dem Könige von Siam vorzubitten, daß er es sich gefallen lasse, wenn die schöne Prinzessin Fylane mein Verlangen stillet, und der Lohn meiner Treue wird.« Worauf er etwas stille schwieg, und allen hohen Anwesenden ein stillschweigendes Verwundern wegen solcher kühnen Bitte verursachete. Er aber fuhr fort, und sagte: »Durchlauchtigste Gesellschaft! Sie tadeln nicht zu zeitig mein hohes Begehren, sondern wissen, daß ich nicht mehr Abaxar, ein Bedienter eines unwürdigen Tyrannen, sondern der unglückselige und verloren geschätzte Prinz Palekin von Prom bin, welchen das Unglück gezwungen hat, unter einem Tyrannen mehr Liebe und Freundschaft als einer boshaften Stiefmutter zu suchen: Wiewohl solches, den Göttern sei Dank, ersprießlich geraten, und zu meinem Besten angeschlagen ist. Damit sie nun meines Vorbringens desto besser gesichert sein mögen, so will ich mich durch das von der Natur eingeprägte Schwertzeichen rechtfertigen.« Worauf er seinen rechten Arm entblößete, und ein Mal, wie ein Schwert gestaltet, aufwiese. Weil auch von diesem Schwertmal nach der Geburt dieses Prinzen ganz Asien erfüllet, und solches jedermann bekannt war, also wurde desto weniger an der Gewißheit seines Herkommens gezweifelt, dannenhero er in seiner Rede fortfuhr: »Wie mich nun«, sagte er, »das gütige Verhängnis auch zu Kronen geboren hat; also verhoffe ich, dieser schönen Belohnung nicht so gar unfähig zu sein. Es ist Ihnen ohne mein Erinnern bekannt, wie mich der Haß meiner Stiefmutter, Nhay Nivolan, welche ihrem[412] Sohne die Krone von Prom aufzusetzen bedacht war, dermaßen verfolgete, daß ich meines Lebens nicht versichert war: Worzu noch dieses kam, daß diesen Haß eine ungewöhnliche Ungnade des Vaters begleitete, welcher mich nicht wohl mehr vor seinen Augen erdulden kunnte. Weil ich mich nun täglich einer Giftmischung besorgen mußte, so hielte ich mein Leben vor eine Beute, welches zu erretten ich mein Vaterland gar verließ. Ich wandte mich hierauf nadi Martabane, allwo ich mich über fünf Jahre als ein Graf aufgehalten, und in solcher Zeit solche verwunderliche Zufälle erfahren müssen, welche zu erzählen einige Tage Zeit darzu erfordert würden. Als nun der allgemeine Untergang von Martabane erfolgete, so habe ich mich zwar als ein Haupt über zehentausend Mann wider den Chaumigrem nach solcher Kraft und Vermögen, die mir die Götter verliehen, tapfer gebrauchen lassen: Weil es aber schiene, als ob dieses Reiches Fall in einem höhern Rat beschlossen worden, so habe auch ich damals nebst vielen andern erliegen, und mich gefangengeben müssen. Nachdem nun Chaumigrem, ich weiß nicht was vor sonderbares, aus meiner Bemühung in der Schlacht bemerket, so wurde er mir wider seine Gewohnheit dermaßen geneigt, daß er mir nicht nur die Freiheit schenkte, sondern auch einige Völker anvertrauete; und weil er mein ferneres Wohlverhalten sahe, so untergab er mir gar seine Leibwache. Wodurch er mir denn die gewünschte Gelegenheit erteilte, der durchlauchtigsten Banisen und diesem Reiche einige angenehme Dienste zu erweisen. Weil denn nun die langsame, doch gerechte Rache des Himmels die Krone von Prom der kronsüchtigen Stiefmutter entrissen, als wird die hohe Gerechtigkeit des gekrönten Oberhauptes von Pegu solche inskünftige wohl zu vergeben wissen, damit ein verjagter Prinz wiederum das rechtmäßige Erbe erlangen möge. Darf ich nun der in meinem Herzen unschätzbaren Prinzessin von Siam die verbundene Hand küssen, so achte ich meine Mühe allzu reichlich belohnet, und das bisherige Elend dergestalt ersetzet zu sein, daß ich die himmlische Schickung mit ewigen Dankopfern verehren werde.«

Balacin, Higvanama und Nherandi nebst allen Großen erstarreten gleichsam über diesem Vorbringen, und weil eine stete Mutmaßung die Gemüter bishero gefesselt hatte, daß Abaxar von höherer Art entsprossen sein müßte, auch das bewußte Schwertmal dieses bekräftigte; so wurde solches von allen vor beglaubt und wahrhaftig angenommen, und der[413] nunmehrige Palekin als ein königlicher Prinz beehret und empfangen. Nherandi aber holte seine Schwester, die Prinzessin Fylane, unvermerkt herbei, führete sie bei der Hand ins Zimmer und dem Prinzen von Prom mit diesen Worten zu: »Weil es demnach billig ist, tapferer Prinz, daß man die Tapferkeit nach Verdienst belohne, so will ich nicht erst bemühet sein, dasjenige, was diesen Ehrennamen verdienet, von Euch anzuführen, indem es auch bereits die lallenden Kinder in Pegu zu rühmen wissen; sondern Euch hiermit den verlangten Dankpreis, welchen Ihr bereit in Siam mit Darsetzung Eures Lebens Euch zugeeignet habt, von treuer Hand überreichet und geschenket haben. Der Himmel befestige dieses Band, und lasse die Rosen Eurer tugendhaften Liebe blühen, bis sie ein später Reif des Todes zum Welken zwinget.« Balacin legte diese Worte bei: »Und weil mir, wertester Prinz! durch Euren getreuen Beistand ein Kaisertum, ja was noch mehr ist, eine unvergleichliche Liebe zuteil worden, so empfanget von meiner Hand die Krone von Prom, welche Ihr und Eure Nachkommen zu ewigen Lehn von mir tragen sollet. Der Himmel lasse den Tau seines Segens auf Eure Liebesverbindung fließen, und erwecke solche Zweige durch Euch, welche dem tapfern Stamme allerdings nacharten.« – »So werde auch ich mich«, redete Higvanama, »als eine Blume in den Kranz der Dankbarkeit einwinden lassen, weil ich diejenige Freundschaft, so mein allerwertester Bruder genossen, vor mein Anteil anrechne. Und nachdem mich nun der gütige Himmel gnugsam gesegnet hat, wenn er mir meinen liebsten Prinzen Nherandi, und so folgbar die siammische Krone geschenket hat; so begehre und verlange ich ein mehrers nicht, und setze Euch hiermit die Krone von Ava, als ein angrenzendes Reich, welches Ihr besser als das entlegene Siam schützen könnet, auf Euer Haupt, wünschende, daß der Himmel selbst Eure Flammen stärken, und sie durch keinen Schmerzenswind bestürmen lassen wolle.« Worauf ihm die Prinzessin Banise eine kostbare Krone aufsetzete, und Palekin nicht wußte, was er vor Freuden sagen, oder vor Worte zu einiger Dankabstattung vorbringen sollte, bis ihn seine geliebte Fylane mit einer wohlgesetzten Dankrede vertrat, und sich diese hochvergnügte Gesellschaft zur Tafel erhub.

Nach aufgehobener Tafel ließ sich der alte Talemon anmelden, welchem Balacin bis an die Tür des Gemachs entgegenging. Dieser bat die hohe Gesellschaft, eine kleine Mühe[414] sich nicht verdrießen zu lassen, und ihme nachzufolgen, welchen Gang er ihnen wohl bezahlen wollte. Jedoch wollte er niemanden mehr erlauben mitzugehen außer Balacin, Nherandi, Palekin, Banisen, Higvanama und Fylanen. Da er sie denn vermittelst einer Lampen funfzig Staffeln unter den Burgturm und zu einer wohlverwahrten Türe führete, welche zu eröffnen, sie insgesamt Hand anlegen mußten. Nach deren Eröffnung sie in zwei unterirdische Gewölber eintraten, worinnen sie aber wegen Tunkelheit nichts erkennen kunnten. Weil aber Talemon eine Flasche Öl mitgenommen, so zündete er zwanzig große, und ganz güldene Lampen an, vermittelst deren ihnen allein ein solcher Schatz von Gold und Edelgesteinen in die Augen blitzte, daß sie es vor Zauberei hielten, und sich nicht zu begreifen vermochten. Endlich hub der alte Talemon an, und sagte: »Sehet, allergnädigster Kaiser und Herr! sehet und beschauet das würkliche Pfand meiner untertänigsten Treue! Nehmet, durchlauchtigste Banise, diese reiche Erbschaft Eures erblasseten Herrn Vaters von der Hand eines alten und bis in den Tod getreuen Dieners, welcher lieber sterben als diesen Schatz den Raubklauen des Chaumigrems entdecken wollen. Hiedurch wird die erschöpfte Reichskammer keinen Mangel klagen dürfen. Ich aber begehre nichts hiervor als Dero hohe Gnade und eine geruhige Lebensbeschließung.«

Worauf ihm Banise aufs holdseligste dankete, Balacin aber ihn nebst seinem Sohn Ponnedro nach reichlicher Beschenkung in ihrem Schatz- und Hofmeisteramt bestätigte: und nachdem sie mit erstaunender Verwunderung alles betrachtet hatten, Balacin auch denen Anwesenden unschätzbare Verehrungen tat, verließen sie diese verborgene Kostbarkeiten. Banise aber befahl, eine Million Goldes zu vermünzen, und unter die Armen zu verteilen.

Folgenden Tages wurde mit gewöhnlicher Pracht der kluge Korangerim als Rolim erwählet, weil der vorige in dem Tempelgefechte nebst sechzig Pfaffen niedergehauen worden. Scandor aber bekleidete den Platz eines Oberhauptmanns über die kaiserliche Leibwache, und wurde jedermann, welcher sich durch Treue und Tapferkeit verdient gemacht, nach Würden beschenket, und mit Ehrenämtern versehen.

Endlich brach der Tag der Krönung an, welche in freiem Felde zwischen den Lagern angestellet wurde: Dahin sich alle Prinzen, nebst der ganzen Hofstadt verfügten. Der neue[415] Rolim brachte den Prinzen Balacin nebst der Prinzessin Banisen auf eine hohe Schaubühne, von Steinen aufgerichtet, auf welche man über eine Brücke, mit aschenfarbenen Tuche bedecket, gehen mußte. Hierauf rufte einer von denen Reichsräten überlaut: »Itzo erfordere es die Not und des Reiches Bestes, wiederum ein neues Haupt zu erwählen.« Dabei zeigte er dem Volke eine große Keule mit drei glänzenden Spitzen, und hub solche empor, das Volk aber hielt sich hierbei ganz stille. Darauf offenbarte er, wer zu erwählen sei? und stellete ihnen zugleich den Prinzen vor, welcher auf einen Stein treten mußte. Da denn erwähnter Reichsrat noch ferner dessen Rechtmäßigkeit zur Krone erklärte, seine Tugenden nach Verdienst erhub, und zugleich begehrte: Wer etwas dawider einzuwenden hätte, der solle sich gestellen. Das Volk aber schrie hingegen: »Gott hat ihn gesegnet, und zu unserm Kaiser erkoren.« Worauf sich eine ungemeine Stille bei einer Viertelstunde lang ereignete, um zu erwarten, ob jemand etwas zu klagen habe. Nach dieser Stille fingen alle Läger an mit Trompeten, Pauken und Schalmeien zu spielen. Worauf der Rolim dem Balacin eine bleierne Krone aufsetzte, ein Beil in die Hand gab, und zugleich einen weißen Mantel, welcher reichlich mit Gold und Perlen gestickt war, umlegte; und ihn folgendergestalt anredete:

»Sehet nunmehro, großmächtigster Kaiser! worzu Euch das getreue Volk von Pegu erwählet hat, und was sie Euch vor ein hohes Pfand, nämlich ihre Erbprinzessin und Krone anvertrauen. So nehmet zugleich diese Lehren meines Mundes als das kostbarste Geschenke mit geneigtem Herzen an. Urteilet alles, wie es an sich selber ist, und vermindert oder vermehret keinesweges durch Zuneigung die Gerechtigkeit, dessen Euch dieses Beil erinnert. Lasset den Zorn niemals die Vernunft beherrschen: denn der Zorn ist eine Motte, welche den Purpur verderbet. Fliehet den Neid als einen selbst-eigenen Mörder, weil dieser mitnichten einem Fürsten anstehet, sondern nur ein Laster niedriger Gemüter ist. Im Reden seid vorsichtig, denn die Zunge ist ein Werkzeug, wodurch das Gemüte erkennet wird; ja der Fürsten Worte sollen, weil sie von jedem erwogen werden, zuförderst wohl auf der Waageschale der Bedachtsamkeit abgewogen sein. Die Lügen bemühet Euch durch fleißige Erforschung der Wahrheit an das Licht zu bringen, und den Lügner zu beschämen. Haltet dieses vor gewiß, daß die Laster eines Fürsten mit tausend[416] Augen bemerket werden: Ja der Vorwitz ist das Fern- wo nicht Vergrößerungsglas, wodurch auch die geringsten Finsternisse der Regierungs-Sterne aufgezeichnet werden. Denn was sind die Fürsten anders als irdische Planeten, in welchen sich die göttliche Sonne der Gerechtigkeit zur Regierung des Erdbodens ausbreitet? Den guten Namen haltet höher, als das Leben, denn dieser ist eine Fackel, welche auch im Tode brennet. Sehet zu, ob Euer Tun und Lassen mit der Voreltern ruhmbaren Verfahren übereinstimme, und so gleich solches sich befände, so sollt Ihr Euch doch bemühen, Euch auch über diese durch die zwei Flügel der Tugend und Tapferkeit zu schwingen. Gedenket, daß Euch diese Krone von der Hand des höchsten Gottes erteilet werde, und daß Ihr auch solche den Nachkommen hinterlassen müsset. Erinnert Euch, daß der Szepter ein gutes, zugleich aber auch ein betrügliches Wesen sei. Vor allen Dingen aber befestiget Eure Majestät durch die Gesetze mit Gerechtigkeit: Denn das Gesetze ist eine schweigende Majestät, und die Majestät ein redendes Gesetze. Diesem allen nun soll die Gottseligkeit, wie das Gold dem Silber, vorgehen: Denn in derselbigen bestehet des Reiches Feste und die Hoffnung aller Siege. Fället Euch etwas Ungemeines und Schweres vor, so beratet Euch mit den Gelehrten, und verachtet solche nicht: Denn die Weisheit ist des Reichs Anker und ein Kompaß der Fürsten. Nimmt aber diese Tugend ab, da lieget die Seele der Regierung in letzten Zügen. Ja durch diese werdet Ihr die Krone und das Ansehen erhalten. Im Glück und Unglück seid unveränderlich: Denn wer mit dem Glücke sein Gemüte ändert, der bekennet, daß er dessen nicht würdig sei: sondern hoffet und harret, so wird Euch aus den Dornen der Widerwärtigkeit eine Rose des Glückes blühen: und so Ihr aus zweien Übeln das beste erwählet, so werdet Ihr mit allen Winden fahren. Bemühet Euch, daß Ihr von allen geliebet und gefürchtet werdet: Denn die Liebe der Untertanen ist die beste Festung und die Furcht eine Stütze der Majestät. Die geheimen Anschläge Eures Herzens vertrauet Euch allein, und lernet die Klugheit von der Schlange, welche durch öftere Wendung ihren Lauf unwissende macht. Verlasset Euch nicht allzusehr auf Eure Majestät, sondern gedenket allezeit, daß Ihr könnet hintergangen werden. Denn ein Mensch ist das unbeständigste Tier, welchem niemals zu trauen. Ja ein Hofmann schreibet die Wohltaten in Wachs, die Schmach in Marmel, und was er[417] andern Gutes erwiesen, in Erz. Daher schlafet unter Euren Leuten mit offenen Augen, weil sich oft die Heuchelei unter den Mantel der Tugend verstecket. Liebet getreue Räte, und befördert die alten: Denn ein Fürst, welcher soviel reden und hören muß, sollte billig von lauter Augen und Ohren zusammengesetzet sein. Weil nun aber solches nicht sein kann, so ist es nötig, daß er sich anderer gebrauche. So Ihr was mit Recht zu erlangen suchet, so brauchet Rat und Waffen, und betrachtet stets, daß, wo die Reiche nicht vermehret werden, solche abnehmen. Wenn Ihr nun etwas mit gutem Bedacht beschlossen habet, so sehet zu, daß das Ende mit dem Anfange wohl übereinstimmet, und vollziehet solches in möglichster Eil. Beschweret die getreuen Untertanen nicht mit allzu großen Auflagen, und bedenket, daß dieses kein Hirte, sondern ein Tyranne ist, welcher sich nur selbst weidet, und den armen Schafen das Futter entzeucht. Handel und Wandel erhaltet als die Angeln des Reiches, in welchem die Tür des Reichtums auf- und zugehet; und wie solcher durch Friede am besten unterhalten wird, also suchet selbigen durch Stahl oder Gold, und fanget keinen Krieg an, als nur den Frieden zu erlangen, welches denn öfters mehr durch Rat als Waffen geschiehet. Endlich gedenket, daß, wo Ihr diesem meinen wohlmeinenden Einraten Folge leistet, ein stetes Wohlergehen und ewiger Nachruhm solchen Gehorsam bekrönen wird.«

Nach dieser Rede brachte man ihm ein Gefäße von Smaragd, darinnen die Asche des ersten Kaisers von Pegu war, worüber er schweren mußte, diesem allen nachzukommen. Hierauf ward ihm die bleierne Krone nebst dem Mantel abgenommen, und die Prinzesin Banise setzte ihm mit eigner Hand ein Bonnet von carmesingolden Stück, mit einem güldnen Kranz, und einer mit Edelgesteinen besetzten Spitzen vornenan, auf das Haupt. Ferner legte ihm der Rolim einen türkischen Rock mit weißen Hasenfellen gefüttert um, wobei er ihn erinnerte, wie solches Futter die gebührende Aufrichtigkeit seines Lebens vorbildete. Ja, wie die bleierne Krone Maß und Gewichte in allen Dingen zu halten erinnere: also ziele der Stein, worauf er gestanden, auf die Beständigkeit seines Tuns. Die Aschenfarbe aber stellete ihm seinen Tod vor Augen, und daß er sich im Leben einen ewigen Namen machen solle. Hierauf führeten ihn drei Fürsten ins Lager, allwo dieser neue Kaiser speisen wollte. Der Falcada aber, als unterster Reichsrat, ginge vor ihm in einem weißen[418] Kleide her, und hatte ein gülden Beil in der Hand, wobei er stets rufte: »Gott, und nicht das Volk hat ihn erwählet.« Wo nun der Kaiser vorbeiging, fielen alle zur Erden: die andern aber küsseten einander zu Bezeugung ihrer Freude die Achseln. Auf dem Felde und um das Lager stunden viele bunte Hütten, in welchen Tafeln zugerichtet waren, worauf das Volk speisete. Denn alles Volk wurde auf des Kaisers Unkosten gespeiset, und nahmen einen unglaublichen Platz ein, wiewohl dennoch alles mit guter Art um Ordnung zuginge.

Nach diesem allen entschlossen sich die Kaiser- und Königlich-Verlobten, weil ihre Liebe mit lauter Waffen umgeben gewesen, und sie mit so vielem Blute bestätiget und erhalten worden, so wollten sie auch insgesamt solche unter den Waffen vollziehen. Dannenhero in dem Norden-Lager die prächtigste Anstalt zu diesem dreifachen Beilager gemachet, und vier königliche Gezelte aufgeschlagen wurden, unter deren einem sie das Tali empfangen sollten, in denen andern aber sollte das fünfte Wesen der Liebe geschehen. Solches alles wurde auch mit unbeschreiblicher Pracht und Herrlichkeit vollzogen.

Als nun die späte Nacht einen Aufbot zur allgemeinen Ruhe und diesem freudenvollen Tage ein sehnliches Ende machte, begaben sich der Kaiser Balacin mit der Prinzessin Banise von Pegu; Nherandi, König von Siam, mit der Prinzessin Higvanama von Ava; und Palekin, König von Prom, mit der Prinzessin Fylanen von Siam in ihre Ruhgezelter: Worinnen die mit so vielen Dornen bisher verwahrte Rosen mit größter Vergnügung gebrochen, und alles Ungemach mit einem süßen Achgeschrei der leidenden Prinzessinen erwünscht geendiget wurde.

Indessen waren die muntern Generalspersonen Padukko, Mangostan, Martong, Ragoa und andere bemühet, wie sie diese bemühete Helden durch eine anmutige Schuldigkeit beehren möchten: welches sie denn gar artig durch eine wohlgesetzte Nachtmusik bewerkstelligten, indem sie durch solche einen Streit zwischen der Venus und dem Kriegsgotte vorstellig machten, und dahero die musikalische Ordnung dermaßen einteilten, daß jene, auf Seiten der Liebesgöttin, in Lauten, Harfen und andern anmutigen Saitenspielen nebst einer lieblichen Stimme von zwölf portugiesischen Knaben: diese aber auf seiten des Kriegsgottes in Trompeten, Pauken und andern Feldspielen nebst einer rauhen doch angenehmen Stimme von zwölf erwachsenen Portugiesen, bestunde.[419]

Als nun der Mond um Mitternacht die silbernen Hörner einzog und den nächtlichen Schatten völlige Gewalt einräumete, sahe man anstatt dessen Lager und Feld mit viel tausend hellen Pechfackeln erleuchtet: worauf Trompeten und Pauken ein luftschallendes Freuden- und Siegeszeichen ertönen, das gesamte Lager aber ein solches Feldgeschrei erschallen ließen, daß bei der stillen Nachtluft die Berge durch einen gedoppelten Widerschall ihr Mitvergnügen mit größter Anmut bezeugeten, welchen ein erfreulicher Stückendonner dermaßen antwortete, daß man vermeinte, es würde anjetzt die Luft viel schärfer und freudiger davon durchdrungen, als wenn jeder Knall Mord und Totschlag bedeutete. Wodurch die müden Verliebten, wie leicht zu erachten, von der bedürftigen Ruhe ganz wieder ermuntert wurden, den anmutigen Siegesstreit der Liebesgöttin mit dem Mavors desto aufmerksamer zu bemerken.

Als nun hierauf die Saitenspiele abwechselten, hörte man den Kriegsgott unter dem Schall gedämpfter Trompeten folgendergestalt singen:


MARS.

Viktoria! so sieget Helm und Stahl:

Es liegt der Feind gestreckt zu meinen Füßen.

Es steht entzückt der Sternen blasse Zahl:

Diana neigt sich, meine Faust zu küssen.

Der Himmel beehrt mich mit blitzenden Keilen,

Weil schwirrende Säbel die Lüfte zerteilen.


Hierauf tat ihm der Venus Anhang unter der Saitenanmut folgenden Einhalt.


VENUS.

Viktoria! so sieget meine Hand:

Es muß der Feind zu meinen Füßen fallen.

Die Fessel sind ein zartes Liebesband,

Und Blicke sind die stärksten Feuerballen.

Wodurch ich in diesem vergnügenden Kriege

Selbst Prinzen und Götter und Sklaven besiege.


MARS.

Triumph! Triumph! der Feind gibt schnöde Flucht.

Es tritt mein Fuß auf warme Feindesleichen.

Gold, Ehr und Furcht ist meines Sieges Frucht,[420]

Die Hölle muß erschrecken, fallen, weichen:

Vor Mörsern und blitzenden Donnerkartaunen,

Wenn Mauern zerspringen, und Wolken erstaunen.


VENUS.

Triumph! Triumph! der Feind küßt meinen Fuß:

Ein weicher Thron muß meine Walstatt werden.

Oft fällt ein Held durch einen Wechselkuß,

Es fesseln ihn anmutige Gebärden:

Denn reizende Lippen und blitzende Sterne

Besiegen die Helden auch öfters von ferne.


MARS.

Verweg'nes Weib! schau diesen blanken Stahl.

Erschrickst du nicht vor meiner Waffen Schimmer?

Es ist mein Ruhm durch blasser Helden Zahl

Erhöht bis an das blaue Sternenzimmer.

Entweiche! sonst möchte mein zornig Erhitzen

Auf deine Verwegenheit krachen und blitzen.


VENUS.

Verweg'nes Haupt! schau diese Marmorbrust,

Erstaunst du nicht vor diesen Mundrubinen?

Es ist dir ja mehr als zu wohl bewußt,

Wie deine Schar der Helden mich bedienen.

Entweiche! sonst möchten die Rosen der Wangen

Dich endlich, als Fessel der Liebe, selbst fangen.


MARS.

So schaue denn der Waffen strenge Macht!

Entblößet bald der Säbel krumme Menge.

Hört, wie bereit der Stücken Donner kracht:

Senkt auf den Feind der Piken scharfe Länge.

Laßt Kugeln, Granaten, Schwert, Pfeile, Musketen

Die kämpfende Feinde zerschmettern und töten.


VENUS.

So schaue denn der Liebe starke Kraft!

Ihr Augen spielt mit tausend Reizungsflammen.

Du Rosenmund, ihr Purpurwangen schafft,

Daß jede Glut von eurer Glut muß stammen.

Erhebt euch ihr Ballen, mit euren Korallen:

So müssen auch Prinzen zu Fuße mir fallen.[421]


MARS.

Ich bin besiegt! Hier liegt das Schwert.

Ach, Venus, ach! laß Gnade widerfahren!

Weil mir dein Blitz durch Seel und Adern fährt.

Es kann sich wohl ein Held mit Liebe paaren.

Ich küsse die Venus, und liebe die Waffen,

Ich wache zu Felde, im Lager zu schlafen.


VENUS.

Io! Triumph! Die Venus hat gesiegt.

Ein jeder Prinz muß mir dies Zeugnis geben,

Der jetzund selbst in meinen Armen liegt,

Wo Kuß und Lust und süße Seufzer schweben:

Ich könne Prinz, Helden und Götter besiegen,

Weil Mavors sich selber in Ketten muß schmiegen.


Endlich stimmten beide Chöre mit größester Anmut zusammen, und sungen folgende letzte Verse:


MARS UND VENUS.

Ruhe, du Kleeblatt der tapfersten Helden!

Ruhet und schlafet, ihr habet gesiegt!

Wenn ihr erwachet, so sollt ihr vermelden,

Ob euch mehr Venus, mehr Mavors vergnügt.

Schenket uns Früchte des nächtlichen Sieges,

Weil euch nicht störet das Schrecken des Krieges.


2.

Himmel, erteile den flammenden Segen!

Hör uns als Knechte der Schlafenden an!

Lasse den Segen in kurzem sich regen:

Stürze, was Liebenden schädlich sein kann.

Lasse den Nordstern sich nimmer betrüben,

Wenn sich die Prinzen in Kronen verlieben.


Im Augenblick endigte sich die volle Musik, und erhub sich gleich auf kluge Anordnung in allen Lagern eine solche Stille, als von soviel tausend Menschen nicht leicht kunnte vermutet werden: damit die stille Ruhe desto eher in den hohen Gezeltern ihren Eintritt nehmen, und unsere Helden und Heldinnen in sanften Schlaf bringen könnte.

Als nun folgenden Morgen unsere erwähnte Liebeshelden bei später Sonnen die weiche Walstatt verlassen hatten, warteten die Portugiesen untertänigst auf: und weil ihnen ein[422] freier Handel durch das ganze Reich zugelassen worden, baten sie um allergnädigste Erlaubnis, ihre Dankbarkeit durch eine theatralische Handlung, nach europäischer Art, in der Burg vorstellen zu lassen: worzu sie nach gnädigster Bewilligung die hohen Personen insgesamt einluden, welche sich dannenhero aus dem Lager nach der Burg erhuben, und allenthalben mit unsäglichem Freudengeschrei auf- und angenommen wurden. Nach gehaltener Mittagstafel verfügten sie sich sämtlich nach dem hohen Saal, allwo die Portugiesen einen prächtigkostbaren Schauplatz aufgerichtet hatten, auf welchem sie mit höchster Vergnügung aller Anwesenden, angesehen solches etwas Unerhörtes in Asien,

Die Handlung der listigen Rache,

Oder

Den Tapfern Heraclium,

folgendermaßen vorstellig machten.

Quelle:
Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen: Die Asiatische Banise. München 1965, S. 345-423.
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