Lieb- und Lebensgeschichte Prinz Balacins und der Prinzessin Banisen.

[102] Wir sind gestern bei dem traurigen Abschiede des Prinzen von seiner geliebten Fräulein Schwester, der Prinzessin Higvanama geblieben: Nun wenden wir uns zu unserer Zurüstung und Abreise von Ava. Mein Prinz, als welcher meiner Treue und Herzhaftigkeit sattsam versichert war, erwählte mich aus sonderbaren Gnaden vor allen andern zu seiner Bedienung und zugleich nur fünf wohlgesetzte Klepper zur Reise, nebst zwei Reitknechten, welche er alle wohl ausrüstete, sich aber ließ er ein kostbar indianisch Kleid verfertigen, welches ich hernach bei Erzählung von dessen Gebrauch beschreiben will. Das vornehmste Bedenken bei unserer Reise, war die Frage, wohin? Und ob ich gleich meinem Prinzen fast alle Winkel der Welt her erzählte, so war ihm doch kein Ort gelegen, in welchem er sattsames Vergnügen zu haben vermeinte. Seine meiste Begierde stund dahin, sich in Kriegsdienste einzulassen; es war aber damals in Asien eine solche friedsame Zeit, daß ein Soldate gar nicht fortkommen kunnte. Und unsertwegen wollte auch niemand einen Krieg anfangen. »Wollten die Götter!« hub der Prinz an, »der unruhige Chaumigrem ließe sich in einigen Krieg mit seinen Nachbarn ein, so hätte ich erwünschte Gelegenheit, die an meinem Herrn Vater begangene Zauberei zu rächen.« Was aber nun anzufangen? Hierauf gaben mir sonder Zweifel die Götter in Sinn, dem zweifelhaften Prinzen folgenden guten Rat zu erteilen: »Gnädigster Herr«, sagte ich, »man soll zwar in allen Dingen die Vernunft fleißig zu Rate ziehen; allein wo diese nicht zulänglich ist, da ist wohl der beste Weg, den Rat der Götter anzuflehen. Wollen wir nun unsers Vorhabens gewiß sein, so wäre meine unvorgreifliche Meinung, wir erwähleten uns einen gewissen Götzentempel in oder außer[102] Landes, verrichteten allda unsere Andacht, und erwarteten so denn eines göttlichen Ausspruchs, nach welchem wir am sichersten unsere Reise anstellen können.« Dieses Eingeben gefiel dem Prinzen sehr wohl, dannenhero wir morgenden Tages noch vor aufgehender Sonnen unsere Reise antraten, mit dem Vorsatz, uns gegen Mittag zu wenden und den ersten Tempel zu besuchen. Als wir nun nach dreitägiger Reise den wegen seines Götzentempels berühmten Grenzflecken Pandior erlanget hatten, entschloß mein Prinz, hier zu verziehen, und den fernern Weg bei den Göttern zu erforschen. Ich mußte mich sofort nach dem obersten Talipon oder Priester begeben, dessen Behausung mir unfern des Tempels gewiesen wurde. Daselbst klopfte ich sachte an, erschrak aber über alle maßen, als die Tür nur durch bloßes Anrühren mit einem starken Knalle aufsprang, und ich eine düstere Stimme vernahm:


Ein Frommer darf die Schwelle überschreiten:

Wer unrein ist, entferne sich beizeiten.


Diese Worte machten mich so bestürzt, daß ich kürzlich mein ganzes Leben durchlief, ob ich mich einiger Todsünde schuldig wüßte. Jedennoch dachte ich, wo du nur von lauter Frommen willst besucht sein, so wirst du selten in menschliche Gesellschaft kommen dürfen. Ich sahe nichts als lauter Finsternis in dem Hause, bis ich endlich von fernen ein Licht schimmern sahe; da befahl ich mich den Göttern, ginge getrost hinein, und führte mich ein langer Gang zu einem Zimmer, welches offen stund, und von dreien angezündeten Lampen erleuchtet wurde. Als ich in dieses hintrat, sahe ich mir einen langen Mann entgegenkommen, welcher weder auf dem Kopfe noch im Angesichte einiges Härlein hatte, sondern ganz kahl beschoren war, und kleidete ihn ein langer, mit roter Erde gefärbter Rock, dessen Ärmel auf die Füße hingen. Diesen hielte ich nun nicht unbillig vor den rechten Priester, derowegen ich mich einiger Andacht anmaßete, und mich ganz demütig vor ihm niederwarf, bis er mich anredete: »Du, der du unsere Gottheit ehrest, entdecke ungescheut dein Anliegen.« Worüber ich mir alsobald ein Herze fassete, und ihm antwortete: »Du großer Talipon der unsterblichen Gottheit, laß es dir gefallen, daß einige verirrete Fremdlinge aus fernen Landen durch deinen Mund den rechten Weg und Zweck ihres Vorhabens erfahren mögen: Hievor soll den Göttern[103] so Andacht als Opfer gewähret werden.« Hierüber fing er überlaut an zu lachen, daß ich nicht wußte, wie ich mich dabei verhalten sollte. Endlich richtete er mich auf, und fertigte mich mit diesen Worten ab: »Gehe hin mein Sohn, und entdecke deinem Herrn, dem Prinzen Balacin von Ava, daß er törlich handele, wo er sich vor der allwissenden Gottheit verbergen wolle. Vermelde ihm ferner, daß, wie wir hier die Gottheit des Apalita9, als einen mächtigen Beistand der Reisenden verehren, also würde um so viel eher sein Verlangen erfüllet werden. Inmittelst soll er mäßig und nüchtern um Mitternacht nur selbander erscheinen und sich auf Gebet und Opfer gefaßt machen.« Ich wußte nicht, wie mir geschahe, als ich den Prinzen nennen hörte, und furchte mich nicht wenig, er möchte auch meine Gedanken erraten; denn ich gedachte, das hat dir wohl der Teufel gesagt. Hier säumte ich nicht lange, sondern verfügte mich alsbald zu dem Prinzen, welcher durch diese Nachricht nicht wenig erfreuet wurde und kaum die Mitternacht erwarten kunnte. Als nun das helle Mondenlicht mitten am Himmel stund, und sich jedwedere Seele zur Ruhe begeben hatte, verfügte sich der Prinz in aller Stille nach der Varelle oder Tempel Apalitä. Dieses war nun von außen ein steinern Gebäude, wie ein Turm gebauet, auf dessen Spitze ein küpferner Apfel ruhete: Sonst schiene sie auswendig gleichsam auf Blätterart vergüldet, und mit Eisenwerk wohl versehen. Indem wir dieses betrachteten, kam der Talipon, welcher die Varelle eröffnete, und uns mit gebührender Andacht hineinzutreten befahl. Als wir hineingetreten, war es anfangs stockfinster darinnen, es wurde aber der ganze Tempel durch ein verborgenes Feuer gleichsam im Augenblicke dermaßen erhellet, daß wir nicht wußten, wie uns geschach. Dieser Tempel nun war inwendig rund und ganz vergüldet, daß auch der Widerschein des Lichtes unsere Augen blendete. Gegen den Aufgang stund ein erhabener Altar, auf diesem aber der Gott Apalita, in der Größe und Gestalt eines Menschen, von purem Golde, welcher auf dem Haupte mit einer Krone und vielen Edelgesteinen häufig gezieret war. An der Stirne saß ihm ein Rubin, so groß als eine Pflaume, und zu beiden Seiten hingen sehr schöne Saphire. Um den Leib, von der linken Schulter an bis zu der linken Hüfte, war er mit einem güldenen, und mit vielen Edelgesteinen besetzten Gehenke umgeben. Vor dieser prächtigen[104] Gottheit fielen wir andächtig nieder, und verrichteten unser Gebet, bis der Priester den Prinzen aufforderte, ihn zum Opfer ermahnete, und bei dem Arme einige Stufen hinauf zum Altar begleitete. Daselbst legte der Prinz mit tiefer Ehrerbietung eines von den kostbaren Kleinodien, welches ihm die Prinzessin Higvanama mitgegeben, auf den Altar: Worüber sich das ganze Bild heftig erschütterte, und zugleich eine lichte Flamme aus dem Altar hervorschluge, welches der Priester vor ein gnädiges Wohlgefallen ausdeutete. Hierauf führte er den Prinzen dreimal um den Altar und nach diesem zu einem an der Seite des Altars stehenden Bette, in welches er ihn legte, er selbst aber fiel vor dem Altar nieder, und verrichtete mit vielen Murmeln und wunderlichen Gebärden seine Andacht. Indessen mußte ich kniende verharren, welches mich sehr sauer ankam. Als nun der Talipon sein Gebet verrichtet hatte, langete er unter dem Altar eine Schachtel hervor, und färbete daraus des Prinzen Angesichte, wodurch er so verstellet war, daß nicht nur die Farbe, sondern auch sogar die Gesichtslinien verändert schienen, und ich ihn nicht zu erkennen vermochte. Nach diesem gab er ihm eine Wurzel in den Mund, von welcher der Prinz ganz unempfindlich ward, und in einen tiefen Schlaf fiel. Hernach legte er einen weißen Zettul auf den Altar, erlaubte mir aufzustehen, und mich auf den Fuß des Altars zu setzen. Nach welchem der Priester gleichsam als tot darniederfiel, und ohne einzige Bewegung liegenblieb. Hier begunnten mir die Haare zu Berge zu stehen, und ein kalter Schauer überlief meinen ganzen Leib, denn zudem, daß mein Prinz feste schlief, der Priester aber tot zu sein schiene, verwandelte sich auch vorerwähntes Licht in eine solche Finsternis, daß ich nichts als eine kleine blaue Flamme auf dem Altar hin und her fahren sahe. Was mir damals vor wunderliche Gedanken einkamen, würde mir schwerfallen zu erzählen. Denn weil ich diesem Gottesdienste niemals beigewohnet, hielte ich alles vor Zauberei, und trug nur Sorge vor meinen Prinzen, welchen ich gerne aufgewecket hätte, wenn mich nicht des Priesters Verbot, daß ich mich nicht von der Stelle rücken sollte, hiervon abgehalten hätte. Als nun diese furchtsame Stille, meinem Bedünken nach, mehr als eine Stunde gewähret hatte, erschreckte mich aufs heftigste ein starker Knall, als ob es ein Donnerschlag wäre. Worauf es in der ganzen Varelle wieder so helle als zuvor ward. Der Abgott schütterte sich abermal, daß die[105] Erde unter mir zu beben schiene, und zugleich richtete sich der Priester auf, welcher sich nach dem Prinzen verfügte, ihn durch bloßes Anrühren aufweckte, und beiden ein Stillschweigen auferlegte. Ich schwere, daß ich damals nicht wußte, ob es der Prinz war, so hatte ihn der Talipon verstellet. Als er ihn aber mit einigen Blättern wieder abriebe, ersahe ich mit Freuden die vorige Gestalt meines Herrns. Hierauf nahm der Priester den Zettul vom Altar, legte ihn zusammen, und übergab ihm denselben nebenst zwei Schachteln und diesen Worten: »Die gnädige Gottheit hat deine Andacht und reichliches Opfer angesehen: so gehe denn hin in Frieden. Dieser Zettul, welchen du bei untergehendem Monden lesen sollst, wird dir Weg und Steg zeigen und dir offenbaren, was du zu wissen verlangest. Die zwei Schachteln aber händigen dir zugleich durch mich die milden Götter ein, aus deren einer du dich verbergen, aus der andern aber wiederkommen kannst. Solche bewahre aufs beste, denn es kommt die Zeit, da du durch Verstellung Liebe und Reich zu erhalten suchen möchtest.« Darauf fielen wir nochmals nieder, und verfügten uns alsdenn eilende nach unserer Behausung. Was nun hierbei das verdrießlichste war, so durften wir vor Untergange des Monden kein Wort gegeneinander reden, wiewohl ich in des Prinzen Gesichte einiges Vergnügen und sehnliches Verlangen ersahe, ich aber kunnte nichts als brummen, bis endlich gegen den Morgen der Mond gute Nacht gab: Da denn der Prinz zum ersten das Stillschweigen brach: »O ihr Götter!« hub er an, »ist es euer Ernst, oder beliebet euch so mit uns sterblichen Menschen zu scherzen? Ich weiß nicht, ob ihr durch Verstörung meiner Ruhe meinen Vorwitz bestrafen, oder meine Andacht belohnen wollet. Denn, ach Himmel! was vor eine überirdische Schönheit hat sich denen Gemütsaugen im Schlafe vorgestellet: Ihr bloßes Anschauen hat mich entgeistert, und das Andenken setzet meine Seele in empfindlichste Flammen. Ach getreuester Scandor, wo dieses nur ein bloßer Traum ohne erfüllende Bedeutung gewesen ist, so gestehe ich gar gerne, daß ich keinen Augenblick länger zu leben, sondern nur in das schöne Niba aufgenommen zu werden begehre, allwo sich außer allem Zweifel diese göttergleiche Schönheit aufhalten muß, und ich nur durch stetes Anschauen mich zu vergnügen wünsche.« – »Gnädigster Herr«, redete ich hier ein, »Träume sind Schatten, und ein kluger Geist achtet ihre Anmut nichts, wie auch ihr[106] Schrecken keine Furcht in uns erwecken soll.« – »Ach schweig, unverständiger Scandor«, verwies mir der Prinz, »ein anders ist eine Phantasie, welche aus einem besorgten Herzen ihren Ursprung nimmt, und die Geister verführet; ein anders ist hingegen eine göttliche Offenbarung. Denn diese vorgestellte Anmut hat mir im Schlafe etwas mehrers eingepräget, als daß ich sie wachende so bald vergessen sollte. Ja ich schwere, dieses Bild soll mir nimmermehr aus meinem Herzen gerissen werden. Ich will alle Ecken der Welt durchreisen, und die Schönheit suchen. Bin ich hierinnen unglücklich, so will ich sie doch im Himmel antreffen.« Als ich des Prinzen starke Einbildung merkete, erkannte ich meinen Fehler, daß man solchen Herrn nicht allzu sehr Widerpart halten soll: Derowegen ich ihm endlich Beifall gab, und nur erinnerte, den Ausspruch der Gottheit aus dem Zettul zu ersehen, vielleicht ließ sich erwünschte Nachricht hiervon finden. Diesem zufolge nahm er den Zettul mit begierigen Händen hervor, und las daraus die mit güldenen Buchstaben gesetzte Schrift:


Zeuch hin, betrübter Prinz, dir winket Pegu zu,

Errette deinen Feind aus seines Feindes Händen:

Es wird ein fremdes Bild so Aug als Liebe blenden:

Doch endlich findet man die eingebildte Ruh.

Schau! Dein Vergnügen liegt in Schrecken, Furcht und Ketten:

Drei Kronen müssen erst die vierte Krone retten.

Das Opfer krönet dich als einen Talipu.


»O wundervolles Geheimnis!« rief der Prinz: »Aus diesen Worten blühet meine Hoffnung, daß ich meine Schönheit in Pegu finden werde. Auf, auf, Scandor! laß uns fort eilen, denn die Götter weisen uns selbst den Weg zu unserem Glücke.« Allein dieses wollte mir nicht in Kopf, daß, da ich die ganze Nacht gewachet, und in Furcht und Sorgen zugebracht hatte, ich so ungeruhet mich auf das Pferd werfen, und dem in einen Schatten verliebten Prinzen folgen sollte. Derowegen ich mich entschuldigte und bat, nur ein paar Stunden auszuruhen, und also denn die Reise anzutreten, welches auch endlich beliebet ward. Als uns nun das aufgehende Sonnenlicht erinnerte, unsere Reise zu bewerkstelligen, war der Prinz der erste, welcher sein Lager verließ, und die Pferde fertigzumachen befahl. Wir begaben uns ingesamt auf die Reise, und mußten uns wohl in acht nehmen, weil wir ein ziemlich[107] Teil des Reichs Brama, worinnen Chaumigrem als König regierte, durchreisen mußten, ehe wir die Grenzen von Pegu erreichen kunnten. Wie uns nun auf dieser vierzehentägigen Reise nichts Sonderliches begegnete, welches ich einiger Erzählung würdig achte, also wurden wir nicht wenig erfreuet, da wir von einer kleinen Höhe die prächtige Stadt Pegu erblickten. Und solches war auch höchst vonnöten, daß sich die Reise endigte, weil unsere Pferde die Begierde unsers verliebten Prinzen sattsam empfunden, indem sie abgemattet waren, daß sie sich fast mit uns zur Ruhe legen wollten. Als wir etwan tausend Schritte fortgeritten waren, verloren wir Pegu aus unserm Gesichte, und gelangten in das bekannte Tigerholz, welches lustige Wäldlein öfters die Könige von Pegu auf die Jagd locket. Wir hatten solches kaum erreichet, so vernahmen wir von fernen ein starkes Schreien und zugleich ein Getümmel, als ob ein harter Streit vorginge. Wie nun meines Prinzen Tapferkeit bisweilen auf einen Vorwitz hinauslief; also wendete er sich gleich ungeachtet meines Widerratens nach dem Schalle dieses Getümmels, da wir denn nach kurzer Zeit einen ungleichen Kampf zu Gesichte bekamen. Denn es hatten sich drei indianische Ritter zu Fuße an einen dicken Baum, um ihren Rücken in Sicherheit zu haben, gelehnet, vor ihnen lagen über zwanzig Leichen und tote Pferde, welche ihnen noch zur Brustwehre wider funfzehen verwegene Räuber zu Pferde dienen mußten. Es schiene, als ob es in kurzer Zeit mit diesem Kampfe zu Ende laufen möchte, wo denen drei bedrängten Rittern nicht eilende Hülfe widerführe, maßen sie nicht allein verwundet, sondern auch weit übermannet waren. Mein Prinz hielte sich alsobald verpflichtet, denen Notleidenden beizuspringen, dahero er in Eil abpacken und sich die auf alle Fälle mitgenommene Sturmhaube reichen ließ. Wie er nun jederzeit unter seinem langen Rocke mit einem leichten Brustharnische verwahret war; also hing er an den linken Arm seinen Schild, und in die rechte Faust nahm er eine scharfe Lanze, welche er jederzeit mit sich führen ließ, uns andern aber befahl er abzusteigen, die Pferde anzubinden, und mit unserm Gewehr getrost zu folgen. »Halt, ihr verwegene Räuber«, schrie sie der Prinz noch von weitem an, »ist das rittermäßig gefochten, wenn die Menge ihrer Gewalt mißbraucht?« Auf diese Worte kamen als im Blitz ihrer drei auf den Prinzen angerannt, und weil sie nur bloße Säbel in der Hand führten,[108] so faßte der Prinz mit der Lanzen den einen so wohl, daß er im Augenblick hinter dem Pferde lage, und sich im Sande krümmte. Weil aber die andern beide herzueilten, und der Prinz nicht Platz hatte, wegen Müdigkeit des Pferdes sich mit der Lanze zu wenden, mußte er sie fahren lassen, und den Säbel ergreifen. Was hier vorerwähnte Sturmhaube vor Dienste leistete, wiese die tief eingehauene Narbe in dem Stahl sattsam aus. Ich lief alsobald nach dem gefälleten Räuber, zog ihm die Lanze aus dem Leibe, und bemühte mich so lange, bis ich noch einen von meines Prinzen Bestreitern herunterlangte, welchem ich denn unter dem rechten Arm so wohl einfuhr, daß das Eisen oben am Halse auf der linken Achsel wieder ausging, und er sich gleich seinem Kameraden im Sande zu Tode sturbe. Indessen wurde der Prinz mit dem dritten durch einen Säbelstoß auch fertig, daß er die Lanze wieder zur Hand nehmen, und nach dem rechten Kampfplatze eilen konnte, allwo sich bereits die Zahl der wenigen vermindert hatte, indem gleich einer zu Boden fiel, als mein Prinz dessen Tod durch einen grausamen Lanzenstoß rächete, und sich mitten unter diesen feindseligen Haufen einmengete. Weil nun dessen Pferd von einer so fernen Reise sehr müde war, und darzu eine tiefe Halswunde empfangen hatte; als war es hohe Zeit, daß ich mit unsern beiden Dienern herzu eilete. Diese waren nun auch in keiner übeln Schule gewesen, und konnten mit ihren Wurfspießen dermaßen wohl zurechte kommen, daß nicht allein der Prinz, welcher mit dem Pferde stürzte, glücklich errettet, sondern auch ihrer drei mit dem Leben bezahlen mußten. Indessen hatten sich die beiden Ritter am Baume, von welchem sich der Streit abgezogen, in etwas erholet, wiewohl das Blut an etlichen Orten hervorrieselte, und fingen dessen ungeachtet nach äußerstem Vermögen wiederum an, uns beizustehen. Weil wir ihnen nun an der Zahl fast gleich waren, an Tapferkeit aber sie weit übertrafen, so muß ich zwar bekennen, daß die Räuber ganz verzweifelt fochten, und durch ihre Wut sattsam bezeigeten, wieviel ihnen an dem Tode der beiden Ritter gelegen war. Nachdem aber einer nach dem andern herunterstürzte, so nahmen endlich die übrigen fünfe die Flucht, welche zu verfolgen die Pferde zu matt, und unsere Kräfte zu schwach waren. Sobald nun dieser gefährliche Kampf geendiget und man vor allen fernern feindlichen Anfällen gesichert war, sank einer von den zwei überbliebenen[109] Rittern wegen heftiger Verwundung in Ohnmacht, der andere aber, aus welchem man wegen seines majestätischen Ansehens, kostbaren Kleidung, und den mit Smaragden reichlich versetzten Säbel etwas Vornehmes schließen kunnte, fiel auf seine Knie, und dankte den Göttern vor diese wunderbare Errettung, inzwischen daß wir den in Ohnmacht gesunkenen wieder in etwas ermuntert, und so viel möglich zurechte gebracht hatten. Hierauf trat itzt ermeldter Ritter zu meinen Prinzen, und umfing ihn mit höchst anständigen Gebärden und diesen Worten: »Nächst denen Göttern so danke ich auch Euch, tapferer Fremdling, daß Ihr Euch durch die verborgene Hand der Gottheit so willig zu einem kräftigen Werkzeuge meiner Errettung habet wollen gebrauchen lassen. Eurer Tapferkeit bin ich mein Leben schuldig, und außer Euerer Hülfe hätte ich ohne Zweifel ein Todesopfer dieser Verräter werden müssen. So entdecket mir demnach Euer Suchen in diesem Lande, weil ich doch an Euerer Kleidung sehe, daß Euch Pegu nicht gezeuget habe, saget mir kühnlich, womit Euch kann gedienet werden, es soll alles geschehen, was Eure Vergnügung erfüllen kann.« Mein Prinz begegnete ihm mit nicht minderer Höflichkeit, und antwortete: »Tapferer Ritter, es würde einiger Beistand unvonnöten gewesen sein, wenn nicht öfters die Tugend der Menge weichen müßte. Und weil mich denn die gütigen Götter zu so erwünschter Gelegenheit hergeführet, so ist ihre Gnade um so viel größer, als mein Verdienst desto geringer. Wo ja aber meine wenige Hülfe in einige Betrachtung gezogen wird, so bitte ich nichts mehr, als mich in beharrliche Gewogenheit einzuschließen, mich an dem Kaiserlichen Hofe in Pegu bekannt zu machen, und zu entdecken, wenn meine schwache Faust zu Diensten gestanden habe?« – »Dieses alles«, erwiderte jener, »ist viel zu wenig, Eure treue Dienste, die Ihr in Beschützung meines Lebens angewendet habet, nur in etwas zu belohnen: doch den Anfang einiger Dankbarkeit durch Willfahrung Eurer geringen Bitte zu machen, so wisset, daß Ihr eine solche Heldentat verrichtet habet, wovor Euch der Kaiserliche Hof auf ewig verbunden ist. Wisset demnach, daß als der Kaiser öfterer Gewohnheit nach, diesen Wald als ein Liebhaber der Jagd durchstrichen, und zwar nur in weniger Gesellschaft von acht Personen, welche hier gestreckt liegen, und als treue Leute ihr Leben vor ihren König aufgesetzet haben, sich etliche zwanzig verwegene Räuber unterstehen[110] dürfen, den Kaiser samt seinen Leuten verräterischerweise zu überfallen, und sich äußerst zu bemühen, durch den Tod des Xemindo ihren verdammten Zweck zu erreichen. Wie aber die Götter ihre Hand meist über die Gekrönten haben, also habet Ihr durch Eure Mannheit den Kaiser von Pegu in meiner Person vom Tode errettet, und ihn aufs neue geboren. Damit ich nun meine Dankbarkeit nach Würden könne spüren lassen, so entdecket mir gleichfalls Euren Namen und Zustand; ich schwere bei der Krone dieses Reichs, Eure itzt verübte Tat soll Euch mit einem Königreiche belohnet werden.« Wie wir über diesen Bericht teils erschreckt, teils erfreuet wurden, ist leicht zu erachten, und bildete sich mein Prinz damals feste ein, der Götter Ausspruch wollte hier bereits den Anfang seiner Erfüllung machen, in welcher sie so fortfahren würden, bis er die Braut und das Glücke in Armen hätte, indem wir von der Prinzessin von Pegu vor längst viel gehöret hatten. Allein wie schlecht diese Meinung eingetroffen, solches müssen wir noch anitzo mit Tränen beklagen. Doch wieder auf voriges zu kommen, so warf sich der Prinz nebst uns, als er vernahm, daß es der Kaiser selbst wäre, alsobald ehrerbietigst zu dessen Füßen und antwortete: »Großmächtigster Kaiser und Herr, ich bitte demütigst, unsere Unwissenheit vor eine gnungsame Entschuldigung gelten zu lassen, daß wir nicht sofort unsern alleruntertänigsten Respekt besser in acht genommen haben: inmittelst sehe ich, daß dieses ein bloßes Werk der Götter sei, wenn meine geringschätzige Hand den größten Monarchen der Welt vom Tod und Verräterei errettet hat. Ich begehre dennoch nichts als bloß die hohe Kaiserliche Gnade. Und wie mich E.M. in der Person Pantoja, eines Sohnes des Erbfürsten in Tannassery und Vasallen des Königs in Siam, wissen sollen; also versichere seeleninnigst, daß ich es mir vor das größte Glücke in der Welt rechnen würde, wenn ich vor Dero hohe Wohlfahrt mein Leben aufopfern sollte.« – »So sind wir Bundsgenossen«, erwiderte der König, »und bin Euch mit desto größerer Gnade gewogen, weil aber fernerer Überfall zu besorgen sein möchte, so lasset uns diesen unglücklichen Ort verlassen, und in bessere Sicherheit begeben.« Indem nun des Kaisers Pferde bei diesem Kampfe alle geblieben waren, so befahl er uns, unsere Pferde herbeizubringen, wovon er dem Kaiser mit höflichen Worten eines anbot, und sich auf das andere setzte, deme wir zu Fuße nachfolgten. Ehe die[111] Diener aber diesen Befehl verrichteten, sahe mein Prinz, daß sich noch einer von den Räubern regte, weil nun der Kaiser noch selbst nicht wußte, wo diese Verräterei herrührete, so verfügte er sich zu demselben, und kehrete ihn um, setzte ihn auch die Lanze an die Brust, und stellete sich, als wollte er ihn vollend hinrichten. Herz und Haupt aber war noch frisch, derowegen hub er unvermutet an zu reden: »Haltet inne«, rufte er, »und höret zuerst mein letztes Bekenntnis mit geneigten Ohren an, weil doch nicht eher meine Seele diesen Körper verlassen kann, sie habe denn zuvor entdecket, was vor ein Befehl mich in dies Unglücke gestürzet habe.« Auf diese Worte eilte der Kaiser ganz begierig herbei, und redete ihn selber an: »So sage denn, du boshaftiger Räuber, welch Mordbefehl hat dich zu dieser Verwegenheit angetrieben? Verschweige ja nichts, denn außer diesem soll dein Leben bis zu grausamster Marter verschonet werden, welches annoch einige Gnade zu hoffen hat.« Der Räuber entsetzte sich heftig über den harten Anspruch des Kaisers, und brach in diese Klage heraus: »Ach wehe mir! Verflucht sei die Stunde, da ich mich zu diesem Morde verleiten lassen. Ich bitte E.M. um aller Götter willen, diese unverantwortliche Beleidigung einer sterbenden Seelen zu verzeihen. Ich und diese meine Mitgesellen, deren die meisten ihren allzu gelinden Lohn empfangen, sind geborne Bramaner, und durch Befehl unsers grausamen Chaumigrems, welcher jedem hundert Bizen10 Goldes zu geben versprochen, darzu veranlasset worden, daß wir I.M. als Deren öftere und einsame Besuchung dieses Waldes verkundschaftet war, hier verwarten, und um das Leben bringen sollten. Wie ich nun hierüber eine herzliche Reue trage, also sterbe ich nun vergnügt, nachdem ich diesen bösen Anschlag rückgängig und E.M. noch am Leben schaue.« Nach welcher Bekenntnis ihm der Prinz die Lanze durchs Herze stieß, wiewohl es der König lieber gesehen, daß man durch sein Leben ein mehrers aus ihm gebracht hätte. Dieses Schelmstücke des Chaumigrems verursachte nun eine gemeine Verwunderung und Fluch, und wir eileten ohne ferneres Säumen nach Pegu: da uns denn, sobald wir den Wald auf den Rücken hatten, bei zweitausend Mann entgegenkamen, weil bereits einiges Gerüchte in der Stadt erschollen, als ob der Kaiser in Gefahr wäre. Hiedurch waren[112] wir in volle Sicherheit gesetzet, und zogen unter tausend frohlockenden Zurufen der Peguaner in die Stadt ein, woselbst alsobald auf hohen Befehl meinem Prinzen ein schöner Palast nächst dem Schlosse eingeräumet ward, welchen wir auch sofort bezogen, und darinnen einen ungemeinen Überfluß an kostbaren Hausrat und aller Bequemlichkeit antrafen. Noch selbten Abend ward eine Leibwacht von fünfzig Mann vor unsere Türe gestellet, welche in zwei Reihen sich längsthin auf die Erden setzten, und ihre Rüstung vor sich auf Stangen hingen. Ingleichen erschienen zwölf königliche Bediente in langen weißen Röcken mit göldnen Binden, welche königlichen Befehl hatten, unsern Prinzen zu bedienen. An Speise und Trank fehlte es auch nicht, und lebten wir in so erwünschtem Zustande, daß wir es ewig begehrten. Folgenden Morgen übersendete der Kaiser unserm Prinzen zehn schöne Pferde, so gut sie nach hiesiger Landesart unter den besten kunnten ausgelesen werden, nebst zweien großen und wohlgeputzten Elefanten, um, wie er zugleich vermelden ließ, den geringsten Verlust des Pferdes in etwas zu ersetzen. Diesen waren zugleich gnungsame Wärter und Futter beigefüget, welche der König als leibeigen mitgab. Das beste aber, welches ein Kämmerling überbrachte, waren tausend Bizen güldene Münze, daß sich also der Prinz sehr wohl und standesmäßig aufführen konnte. Inmittelst verlangte der Prinz sehr nach Hofe, wohin aber ohne kaiserlichen Befehl niemand kommen durfte, und mußte in diesem Verlangen auch mein Prinz drei Tage verharren, nach deren Verfließung ihm endlich angedeutet ward, der Kaiser verlange ihn zu sehen. Da wir denn nicht säumten, sondern uns alsofort in das Schloß begaben, und weil mich der Prinz vor einen vornehmen Edelmann aus Tannassery ausgegeben hatte, so durfte ich bei solcher Gelegenheit allenthalben gegenwärtig sein. Als wir unter die fördersten Bogen des Eingangs gelanget waren, hörten wir zwölf silberne Trompeten blasen, welches ein Zeichen war, daß es nunmehr dem Kaiser gelegen sei, Verhör zu erteilen. Derowegen wir uns in den inneren Hof verfügten, und einige Stufen nach dem hohen Saal geführet worden. Dieser Ort war ziemlich weit und hoch, über die Maßen schön vergoldet, und himmelblau gemalet. Er saß auf einem mit Edelgesteinen versetzten Throne, sein Haupt ward von einer vierfachen Krone bedecket, eine jede Krone aber ruhete auf besonderen Stänglein, und stellte[113] dannenhero eine ziemliche Höhe vor. Auf der rechten Hand saß der Erbprinz Xemin, und auf der linken stunden einige hohe Bedienten, worunter auch gegenwärtiger Herr Talemon als damaliger Reichs-Schatzmeister war. Als wir nach Gebrauch mit dreimaligem Fußfall unsere Ehrerbietung verrichtet, rufte der Kaiser meinen Prinz zu sich, reichte ihm die Hand zum Kusse, und befahl ihm, auf die oberste Staffel des Thrones zu sitzen, worauf er eine weitläuftige Rede an die sämtliche Anwesenden hielt, meines Prinzen Tapferkeit gewaltig herausstrich, und ihnen allerseits zu Gemüte führete, was vor Dank man ihm schuldig wäre: Nach kurzer Antwort aber meines Prinzens erhub sich der Kaiser von dem Thron, nahm den Prinzen bei der Hand, und führte ihn in ein geheimes Zimmer, welchen niemand als Prinz Xemin folgen durfte. Hier hatte ihn nun der Kaiser, wie mir der Prinz hernach alles ausführlich erzählte, abermals mit beweglichen Worten angeredet: »Mein wertster Pantoja, ich weiß es nicht allein, sondern habe es auch sattsam erfahren, wie verbindlich Ihr Euch gemacht habet: ja ich weiß es mehr als wohl, daß die Dankbarkeit der Tugend beste Zierde sei, und wo diese den Szepter führet, da könne nichts als Segen und Wohlfahrt blühen. Daß nun diese Tugend den Ruhm eines gekrönten Hauptes um ein großes vermehre, solches will ich allerdings an Euch erfüllet wissen.« Nach welcher Rede er an eine Türe geklopfet hatte, aus welcher sofort eine schöne Prinzessin, von unterschiedenen Frauenzimmer begleitet, gekommen war, welche der Kaiser bei der Hand genommen, und dem Prinzen mit diesen Worten zugeführet hatte: »Hier nehmet, tapferer Fürst, dieses Kleinod unseres Hofes, von meiner Hand, als ein hohes Zeugnis wahrer Dankbarkeit: und wie das Königreich Cambaya Tannassery um ein großes übertrifft, so nehmet es mit dieser Prinzessin zu einem Heiratgut an; jedoch daß Ihr unserm Reiche einverleibet und getreu verbleiben möget. Der Himmel segne Euch, und die Götter verleihen, daß durch beiderseitige Erkenntlichkeit ein stetes Wohlergehen blühe.« Mein Prinz hatte hier nicht gewußt, ob ihm abermals träumte, oder ob es in der Wahrheit so geschehe, und weil er sich nicht alsobald fassen können, hat er sich auf die Knie gesetzet, und geantwortet: »Es ist zu viel, Großmächtigster Kaiser und Herr, es ist zu viel, daß diese Schuldigkeit, wozu mich meine Pflicht und der Götter Vorsehung getrieben hat, zugleich mit einer Krone[114] und einer so schönen Prinzessin, meinesteils unwürdigst, soll belohnet werden. Und weil ich nicht geschickt bin, mich bei solcher Eil in ein so großes Glücke zu finden; als bitte ich E.M. in Untertänigkeit, mir einige Tage Frist zu erlauben, worinnen ich mich besser fassen, und dieses hohe Gnadengeschenke mit gebührender Erkenntlichkeit annehmen könne.« – »So einen hohen Dienst Ihr mir erwiesen«, waren des Kaisers Gegenworte gewesen, »so einen großen Gefallen werdet Ihr mir auch erzeigen, wenn Ihr diese meine dankbare Gnade alsofort gebührend erkennet, und von meiner Hand annehmet.« Worauf sich mein Prinz nicht ferner zu widersprechen getrauet, dannenhero er, nicht wissende, wie ihm geschähe, sich der Prinzessin genähert, ihre Hand geküsset, und sie kurz angeredet: »So nehme ich dann dieses hohe Glücke von der Hand eines so großen Monarchens mit Freuden an, und wie ich nicht zweifele, es werde Dero Schönheit sich dem Kaiserlichen Willen gleichförmig erzeigen, also befehle ich mich in Dero Gunst und E.M. Gnade«, welche Worte sie mit nichts als einigen Tränen beantwortet, und auf des Xemindo Befehl ihn mit ihrem Bildnis beschenket hatte, Prinz Xemin aber hatte das Zimmer gar verlassen. Mittages mußten wir bei der Tafel bleiben, wobei sich auch Prinz Zarang von Tangu befand, welcher sich eine geraume Zeit an diesem Hofe aufgehalten, dessen Ursache bei folgender Erzählung soll erwähnet werden. Als ich nun in oberwähntem Verhörsaal eine geraume Zeit aufgewartet, sahe ich endlich meinen Prinzen mit ganz verwirreten Gesichte wieder in den Saal treten, welches mich denn nicht wenig verwunderte, vielmehr aber betrübte. Wir wurden aber bald hierauf in ein ander Zimmer geführet, in welchem die Tafel, in etwas von der Erden erhöhet, gedecket war, und befand sich Xemin und vorerwähnter Zarang, Prinz von Tangu, darinnen. Dieser letztere stellete sich sehr freundlich gegen meinen Prinzen an, wünschete ihm Glücke, sowohl wegen der Errettung, als auch der reichlichen Belohnung. So angenehm sich aber Zarang zutat, so murrisch stellete sich hingegen Xemin, also, daß er auch meinen Prinzen nicht einigen Wortes würdigte, sondern seine Verachtung merklich bezeigete. Worein wir uns ganz nicht zu finden wußten, und meinte ich nicht anders, er zürnete, daß man seinen Herrn Vater errettet, und ihm die Hoffnung zur Krone geraubet hätte. In solche Verwirrung wurde ich noch tiefer gestürzet, als der[115] Kaiser vorige Prinzessin bei der Hand ins Zimmer begleitete, und sie meinem Prinzen zuführete. Welches mich vollends in tiefste Verwunderung setzte, weil ich noch nicht wußte, was vorgegangen war. Der Prinz sahe bestürzt aus, sie aber verriet ihr Mißvergnügen durch häufige Zähren, bis wir endlich nach morgenländischer Art auf kostbare Teppichte uns zur Tafel niedersetzten, wobei ich gleichfalls meinen Rang unten an beobachtete. Dieses war nun eine seltsame Mahlzeit, wobei mehr Gemütsbewegungen als Speisen zu sehen waren: wiewohl auch an diesen ein sattsamer Überfluß vorhanden. Der Kaiser sahe stets meinen Prinzen und die Prinzessin, welche beieinander saßen, mit bekümmerten Augen an, mein Herr saß voller betrübten Gedanken, die Prinzessin vergoß mehr Tränen, als sie Speise zu sich nahm, und Xemin, welcher der Prinzessin gegenüber saß, gab sein sonderbares Anliegen durch stetes Seufzen zu erkennen. Ja wenn nicht Zarang, welcher am vergnügtesten zu sein schien, ein und das andere Mal meinen Prinzen aufzumuntern gesucht hätte, so wäre alles in solcher Stille zugegangen, weder bei so einer vornehmen Gesellschaft nicht zu vermuten gewesen. Ich hingegen, als aller Dinge unwissende, sahe diesem Schauspiel voller Verwunderung zu, und hat mich der Weg von Pandior bis nach Pegu nicht so verlanget, als ich damals das Ende der Mahlzeit wünschte, um meinen Prinzen bald alleine zu sprechen, in Hoffnung, er würde mir diesen Zweifelsknoten auflösen. Sobald nun die Tafel aufgehoben, schützte mein Prinz einige Unpäßlichkeit vor, und verfügte sich ohne einige Weitläuftigkeit nach seinem Palast. Sobald er das Zimmer betreten, warf er Säbel und Rock von sich, und ging eine geraume Zeit voller Gedanken auf und ab, daß ich mich also nicht erkühnen durfte, ihn durch einiges begieriges Nachfragen zu beunruhigen, bis er endlich von sich selbst anfing zu reden: »O ihr betrüglichen Götter«, hub er an zu klagen, »ist dieses die vorgestellte Schönheit, die Ihr nur im Traume zu zeigen, nicht aber im Leben darzustellen vermöget. Ist dieses die schöne Tochter des Königs Xemindo, von dero überirdischen Schönheit das Gerüchte fast ganz Asien begierig gemacht hat, sie zu sehen? O so darf sich meine Schwester vor beglückt achten, daß sie dieser gar gerne den Lorbeer aus der Hand reißet. Hättet Ihr nicht meinen Geist durch eine träumende Schönheit verunruhiget, so hätte ich einfältig geliebet, und mich glückselig geachtet, daß ich so bald eine Braut mit[116] einem Königreich überkäme: ja ich hätte nicht gewußt, worin die wahre Schönheit bestünde. Allein, nachdem es mir unmöglich fällt, das in dem Tempel zu Pandior erschienene Bild aus meinem Herzen zu reißen, so ist es mir auch unmöglich, etwas anders zu lieben, was nicht jene vollkommene Gleichheit meinen Augen vorstellet. Auf derowegen, mein Scandor, hier ist nicht länger Zeit zu warten, weil der Götter Rat auf was anders zielen muß, welches zu suchen und anzutreffen, mein Geist nicht eher, denn in dem Grabe, ruhen wird.« Dieses war mir nun eine ganz unangenehme Zeitung, indem ich mich auch in meinem Vaterlande nicht zu verbessern wußte. Derowegen forschete ich erst, was in dem innern Zimmer vorgegangen war, wornach ich denn mein Einreden richtete. »Gnädigster Herr«, sagte ich, »wie können Sie sich den Schatten eines Traums so feste einbilden? Vielleicht haben die Götter durch die träumende Schönheit, welche dieser Prinzessin abgehet, das anhangende Heiratsgut, als das Königreich Cambaya, bedeuten wollen: angesehen eine Krone in aller Menschen Augen das schönste Gesichte wegsticht. Denn jene ist beständig und mächtig genung, sich selbst zu erhalten, diese aber kann durch ein geringes Fieber verzehret werden. Zudem muß ich doch auch gestehen, daß diese Prinzessin, meiner Einfalt nach, noch wohl liebenswürdig sei.« – »Ach«, antwortete der betrübte Prinz, welcher sich indessen auf das Bette geworfen hatte, »sie ist nur ein Schatten gegen jenem Traume. Denn wie jener alabasterne Stirne durch die lichten Locken um ein großes erhaben ward: also mißfallen mir an dieser nicht wenig die rötlich scheinenden Haare, welche nicht selten einen bösen Sinn verraten. Und wie jenes Angesichte durch eine runde Gestalt seine anmutige Vollkommenheit darstellete, also überschreitet dieses durch einige Länge die Grenzen der Schönheit. Ihre Augen sind zwar mehr schwarz als blau, jedoch sind sie nur wie ausgelöschte Kohlen, bei denen sich kein Schwefel der Liebe entzünden kann. Ihre Lippen sind zwar Korallen, doch ohne Magnet, und ihre Wangen ein mit Rosen allzu häufig überstreutes Feld. In summa, es mißfället mir etwas an ihr, welches ich selber nicht verstehe noch sagen kann. Ihre Freundlichkeit ist mir zuwider, und ihr Schönstes kommt mir verdrießlich vor, ob ich sie gleich nur kurze Zeit betrachten können. Weswegen ich denn lieber alle Kronen entbehren, ja sterben, ehe ich mir das Heiratsband zu einer Sklavenkette machen will.« Diesem[117] kräftigen Einwurfe und festem Vorsatze befand ich mich damals zu schwach, gnugsam zu widerstehen: Dahero es mir sehr gelegen war, als sich der General Rangustan, und gegenwärtiger Herr Talemon, damaliger Reichs-Schatzmeister, anmeldeten, welche der Prinz alsobald vor sich ließ. Dieser Rangustan war nun eben derjenige Ritter, welchem wir nebst dem Xemindo das Leben erhalten hatten, dahero er noch den Arm in einer Binde tragen mußte, und sich an unterschiedenen Fleischwunden nicht allerdings wohlauf befand. Dieser legte bald anfangs eine Danksagung vor erwähnte Lebensrettung ab, und erhub abermals meines Prinzen Tapferkeit bis an den Himmel, daß ihm auch endlich der Prinz hierinnen Einhalt tun mußte. Der Herr Talemon aber besuchte uns amtshalber, indem ihm unsere Verpflegung von dem Kaiser anbefohlen war. Und weil er bei währender Aufwartung über der Mahlzeit die sonderbare Verwirrung meines Prinzen gleichfalls bemerket hatte, so ware er begierig, dessen Ursache zu vernehmen, welches ihm aber der Prinz nicht eher entdeckte, bis Rangustan nach Hofe erfordert und Talemon also bei uns allein gelassen wurde. Dieser kunnte sich nun nicht enthalten, alsobald den Prinzen anzureden: »Wie? nunmehro König von Cambaya, kann ein so mächtiges Königreich und so eine schöne Braut nicht mächtig genung sein, ein betrübtes Gemüte aufzurichten? Oder ist hieraus unsers großmächtigsten Kaisers Dankbarkeit noch nicht genug zu spüren?« Mein Prinz hörete diese verweisliche Frage mit geduldigen Ohren an, beantwortete sie aber dergestalt: »Mein Herr Schatzmeister, ich erkenne mich freilich dieser Prinzessin unwürdig, und hätte mich dessen nimmermehr versehen, daß ich durch meine geringe Dienste nicht sowohl einen königlichen Thron besteigen als auch eines so großen Monarchens Eidam werden sollte. Allein, saget mir von Grund Eures Herzens, ob mein Betrübnis zu tadeln sei, wenn ich keine Gegenliebe verspüre, und von dem Kronprinzen mit scheelen Augen angesehen werde? Wie nun solcher Liebeszwang nur jederzeit Wermut im Munde und Ekel im Herzen mit sich führen wird; also scheinen mir aus des Prinzen Gesichte lauter gefährliche Kometen, deren Bedeutung erst nach des Herrn Vaters Tode auf meinen Kopf fallen möchte.« Talemon verspürte des Prinzen Irrtum, jedoch wollte er sich nach Art kluger Hofeleute nicht allzu geschwinde bloß geben, sondern hub einen weitläufigen Diskurs[118] von der Landschaft Tannassery an, also, daß mein Prinz genung zu tun hatte, gebührende Antwort zu geben. Denn weil er in seiner Jugend Siam durchreiset und sich auch einige Zeit an dem Hofe zu Tannassery aufgehalten hatte, so wußte er mehr zu fragen, als mein Prinz zu antworten. Ja als Talemon fortfuhre, nach der Stammlinie der tannasserischen Regenten zu forschen, gab mir der Prinz einen Wink, diesen Diskurs zu unterbrechen. Ich saß selber wie ein Feuer, und wußte in der Angst nichts zu sagen, als daß ich fragte: Ob der Herr Schatzmeister auch eine feine Gemahlin hätte? »Wie kommt dem Herrn diese Frage im Sinn?« antwortete er lächelnde: »Ich will nicht hoffen, daß diese Frage einige Bedeutung nach sich ziehen werde.« Nach diesem verließ er mich, und wendete sich wieder zum Prinzen, welcher sich schlafende anstellte. Als er aber nach einer halben Stunde die Augen wieder aufschlug, verfolgte ihn Talemon mit dieser Rede: »Gnädigster Herr, Sie verzeihen meinen Vorwitz, welcher vielleicht zu Ihrem Besten angesehen ist. Ja ich sage, daß es Dero eigne Wohlfahrt erfordert, mich in die Zahl derer Vertrauten Diener aufzunehmen. Sie vermerken es demnach in hohen Gnaden, wenn ich zwar aus Deren angebornen Majastät eine hohe Person mutmaße: allein daß Sie ein Prinz aus Tannassery sein sollten, solches Dero Wissenschaft verneinen, und mir heimlichen Beifall geben lasse. Denn mir einig und allein an diesem Hofe ist bekannt, wie der letzte unglückliche Prinz Pantoja in Tannassery von seiner boshaften Stiefmutter mit Gift vergeben worden, in Meinung, ihrem sechsjährigen Sohne den Thron vorzubehalten, welcher aber nach zwei Jahren im Tode folgete, und also der ganze Stamm, bis auf den alten Vater, mit welchem auch die Hoffnung zu einigen Erben zu Grabe gehet, abgegangen ist. Dahero so unmöglich, als Sie nun ein Prinz von Tannassery sein können, so gewiß und unfehlbar schließe ich, daß Sie aus wichtigen Ursachen an diesem Hofe Ihren hohen Stand verdecken, und sich unbekannterweise aufhalten wollen. Wie nun solches bisweilen eine kluge Staatsvorsicht erfodert; also ist es zugleich hochnötig, sich ingeheim aufrichtige Freunde zu schaffen, welche aus Erfahrung in deren Angelegenheiten mit Rat und Tat dienen, und Ihre Anschläge ersprießlich befördern können. Wollen nun E.M. in meine wenige Person, welche bereits in königlichen Diensten zweiunddreißig Jahr getreu gewesen, einiges Vertrauen setzen,[119] so gelobe ich alle, jedoch meinem Kaiser unschädliche Treue und Aufrichtigkeit. Ja, ich beschwere bei allen Göttern, und verspreche an Eides statt, nicht allein Dero Stand in geheim zu halten, sondern auch E.M. in itzigem verwirrten Zustande dermaßen treulich beizustehen, und solche Geheimnisse zu entdecken, welche sie hochnotwendig wissen müssen, daß ich mich dessen lebenslang um E.M. werde zu erfreuen haben.« Hier fand sich nun der Prinz dermaßen betreten, daß er teils anfangs verstummte, teils auch sich über die Klugheit Talemons verwundern mußte, und indem er sein hohes Beteuren hörte, auch jederzeit eine sonderbare Zuneigung gegen diesen Mann in sich verspüret hatte, so brach er endlich in diese Worte heraus: »Weil ich mich denn durch Eure Klugheit verraten sehe, so traue ich Eurer Aufrichtigkeit. Wisset demnach, daß ich ein Kronprinz aus Ava bin, welchen die Grausamkeit des Vaters und die Bosheit des Bramanischen Königes Chaumigrens, welcher sich eine geraume Zeit an selbtem Hofe aufgehalten, gezwungen hat, sein Glücke durch Verstellung anderwärts zu suchen, und wie mir die Götter zu Pandior nach Pegu geraten und mir allda meine Vergnügung versprochen; so bin ich nicht wenig bestürzt, wenn ich deren Ausspruch auf widrige Art erfüllet sehe. Denn Ihr sollt ferner wissen, nunmehro vertrauter Talemon, daß ich mein Vergnügen nicht in Land und Leuten suche, als welches mir die Götter nach meines Vaters Tode an dem mächtigen Königreiche Ava sattsam stillen werden: sondern es haben mir die Götter in dem Tempel Pandior eine Schönheit im Traum vorgestellet, und mich solche zu suchen angereizet, daß ich mir nicht getraue, länger diese Zeitlichkeit zu genießen, wo nicht eine Gleichheit dieses nächtlichen Gesichtes sich von mir finden läßt.« – »Großmächtigster Prinz«, antwortete Talemon hierauf ehrerbietigst, »ich erkenne Ihren Irrtum, und merke Ihr Mißvergnügen: so haben Sie sich denn die Hälfte geraten, indem Sie mir den wahren Zustand Ihrer hohen Person entdecket. Die Prinzessin nun, womit unser Kaiser seine Dankbarkeit zu bezeigen vermeinet hat, ist nicht dessen Tochter, wie der Prinz in den irrsamen Gedanken stehet, sondern eine Prinzessin von Saavady, welches Land als ein Lehnreich von Pegu verwichener Jahre der Tyrann von Brama, als des Chaumigrems Bruder, mit tausenddreihundert Schiffen zu Wasser belagert, eingenommen, den König gefangen, und diese Prinzessin verjaget, welche sodann ihre[120] Zuflucht zu unserm Hofe genommen, und sich einige Zeit als eine Gespielin der durchlauchtigsten Banisen, Erbprinzessin von Pegu, hier aufgehalten hat.« Diesen Bericht hörte mein Prinz mit aufmerksamen Ohren an, und wurde begierig, durch vieles Fragen alle Umstände zu wissen. »So ist dieses nicht die schöne Prinzessin von Pegu, von welcher ganz Asien zu sagen weiß?« – »Nein, diese ist es nicht«, antwortete Talemon, »ja hier unter der Rose, sie ist nicht ein Schatten gegen jenem Lichte zu rechnen: und weil sie sich gar selten sehen lässet, außer wenn es der Kaiser ihr Herr Vater befiehlet; so hat es auch heute gefehlet, daß sie nicht bei der Tafel erschienen.« Hier mußte nun Talemon ihre ganze Gestalt beschreiben, welches den Prinzen in solche vergnügte Verwunderung setzte, daß er überlaut ausrief: »O ihr gütigen Götter, vergebet mir das in Euch gesetzte Mißtrauen, welches die Ungeduld, als aller Verliebten stete Begleiterin, in mir verursachet hat. Diese, ach ja diese Schönheit ist es, an welcher ihr Eure Bildungskunst erweisen, und mit Eurem Meisterstücke gegen mich prangen wollen. Wie artig wisset Ihr Eure Worte zu erfüllen? ›Es wird ein fremdes Bild so Aug als Liebe blenden‹, lautete der verdeckte Ausspruch, ach so lasset doch auch das folgende seine glückliche Erfüllung erreichen, wenn ihr versprechet, ich sollte endlich die Ruhe finden. Allein«, fuhr er fort den Talemon zu fragen, »wie daß sich denn der Prinz Xemin so widersinnisch anstellet, wie wird denn derselbe durch mich beleidiget?« – »Hierunter stecket«, antwortete Talemon, »ein sonderbares Geheimnis. Denn erwähnter Prinz hat sich in die Prinzessin von Saavady unsterblich verliebet, und gehet mit dem festen Vorsatz schwanger, sie dermaleins auf den Thron von Pegu neben sich zu setzen, welchem aber der Wille des Herrn Vaters durchaus nicht beipflichtet, weil sie vors erste eine Vasallin von Pegu ist, vors andere, sich Pegu mit Siam durch eine Heirat des Prinzens mit der Prinzessin Fylane verbinden soll. Dieses gedenket nun der Kaiser klüglich hintertrieben zu haben, wenn er die Prinzessin von Saavady anderwärts vermählet, und dem Sohne alle Hoffnung, sie zu erlangen, raubet.« – »Wie?« fragte mein Prinz, »sollte sie wohl so törlich handeln, und den Thron von Pegu ausschlagen? Warum stellet sie sich denn so betrübt an, da sie weder mich noch den Verlust des Prinzen von Pegu beweinet?« – »Die Gemüter der Menschen«, erwiderte Talemon, »sind unterschiedlich,[121] indem manches die Liebe Krön und Thron vorzeucht. Und dieses tut fast die Prinzessin von Saavady, indem sie sich vergnügter einbildet, den geringen Thron von Tangu zu besitzen, weil die Person des Prinzen Zarang ihre Augen und Herz dermaßen eingenommen, daß sich auch die ganze Welt vergebens bemühen würde, sie von dieser Liebe abzuziehen. Wiewohl ihre Unempfindlichkeit gegen dem Xemin sattsam gerochen wird, indem sie gleichfalls von dem Zarang keiner Gegenliebe gewürdiget wird.« – »Und was verhindert«, fragte mein Prinz ferner, »denn den Zarang an solcher Gegenliebe?« – »Die schöne Prinzessin von Pegu«, antwortete Talemon. Über welchen Worten mein Prinz dermaßen erschrak, daß er ganz aus sich selber zu sein schiene, und würde er eine neue Klage angestimmet haben, wenn nicht Talemon fortgefahren, und ihn getröstet hätte. »Er liebet sie heftig«, sagte er: »so unglücklich aber Prinz Xemin gegen die Prinzessin von Saavady, und hingegen diese gegen den Prinz Zarang ist; so unglücklich, ja weit unglücklicher ist Zarang gegen unsere Prinzessin Banise. Denn ob ihm gleich die Gnade und Gewogenheit unsers Kaisers nicht wenig zustatten kömmt, so ist doch ihr nicht sowohl seine Person als auch seine viele Untugenden, die er durch Hochmut, Ruhmrätigkeit, vieles Saufen und auch kundbare Unzucht öfters merken läßt, dermaßen zuwider, daß sie lieber eine Schlange als dessen Gegenwart erdulden kann: wiewohl sie der väterliche Befehl zwinget, sich von ihm bedienen zu lassen. Sie wendet zwar vor, weil Tangu auch ein Lehnreich von Pegu wäre, warum sie weniger als ihr Bruder Prinz Xemin, sollte geachtet sein, welchem die Liebe gegen die Prinzessin von Saavady deswegen untersaget würde, weil sie eine Vasallin wäre. Nun wäre ja Zarang auch ein Vasall: warum würde es ihr denn nicht erlaubet, sich dem Kaiserlichen Willen gleichfalls gemäß zu bezeigen? Allein der Kaiser schützet solche Staatsursachen vor, welche auf eine bloße Zuneigung gegen den Zarang auslaufen, daß auf solche Maße die arme Prinzessin nicht wenig gequälet wird. Und also haben Sie das ganze Rätsel unsers verliebten Hofes aufgelöset, nach welchem sich denn mein Prinz richten, und sich meiner wenigen, doch getreuen Dienste dabei versichern kann.« – »Ist das nicht ein verwirrtes Liebesspiel?« hub mein Prinz hierauf an, »da so viel Personen lieben, zugleich hassen, und doch keines vergnüget wird. Ja was verwunderlicher, so werde ich[122] auch in dieses Spiel mit eingeflochten: helfet derowegen, ihr gütigen Götter, daß ich in diesem Kampfe den besten Kranz davontrage! Inmittelst werdet Ihr, mein wertester Talemon, bedacht leben, alles, was vorgehet, mir genau zu hinterbringen. Ich versichere Euch völlige Gnade und reiche Belohnung.« Nach einigen Tagen ward uns von dem Kaiser Erlaubnis zugeschicket, unsere Vergnügung in dem kaiserlichen Lustgarten zu suchen, welches denn meinem Prinzen sehr angenehm war, weil er von dem Talemon berichtet ward, daß die Prinzessinnen denselben öfters besuchten. Dannenhero, als wir eines Tages verständiget worden, daß sich Xemindo mit denen Prinzessinnen im Garten befinden würde, legte mein Prinz einen von grünem Atlas mit Golde reichlich durchwürkten Rock an, setzte einen künstlich gewundenen Bund, an welchen einige Federn von dem Sinesischen Sonnenvogel durch ein kostbares Kleinod geheftet waren, auf sein Haupt: der rechten Brust hing er der Prinzessin von Saavady Bildnis an und seinen mit Diamanten reichlich versetzten Säbel vermittelst einer güldenen Ketten um den Leib, welches ihn dermaßen ansehnlich machte, daß es anders unmöglich war, ein Frauenzimmer mußte sich in ihm verlieben. Hierauf verfügeten wir uns nach dem Garten, welcher zur Seiten des Schlosses in drei Teile abgeteilet war. Die erste Abteilung stellete einen gewaltig schönen Baumgarten vor, welcher einem anmutigen Lustwalde nicht unähnlich war, in dessen Mitten gab es einen Teich, auf welchem Schwanen, Reiher und Enten herumschwammen. Die andere Abteilung bestund in einem Zier- und Lustgarten, in demselben war alles anzutreffen, was die Natur und Kunst hervorzubringen fähig war. Hier sprang ein künstliches Wasser, dort blühete ein rares Gewächse, und war alles in so verwunderliche Ordnung eingeteilet, daß ich nicht glaube, daß seinesgleichen in Asien mehr sei. Welches denn um so viel mehr zu bejammern, daß dieser herrliche und recht königliche Lustgarten sonder Zweifel bei verwichenen allgemeinen Landverderben wird zerstöret worden sein. Das dritte Teil dieses Gartens war mit einer hohen Mauer abgesondert, hinter welchem einige fremde Tiere aufbehalten wurden. Als wir nun den Baumgarten betreten, und dessen zierliche Pflanzung der Bäume betrachteten, indem immer eine Reihe Pomeranzen-, Liemonien-, Dattel- und Ölbäume, nebst andern fremden Gewächsen, wechselweise gesetzt waren, so[123] hörten wir zur Seiten eine Person singen, welche durch ihre beweg- und klägliche Stimme ihr heftiges Leiden sattsam zu erkennen gab, da wir bei Annäherung folgende Worte vernahmen:


1.

Gute Nacht, ihr harten Sinnen,

Gute Nacht, du Felsenherz.

Soll mein Hoffnungswachs zerrinnen?

Ist mein Lieben nur dein Scherz?

Ei so will ich dir beizeiten

Eine gute Nacht andeuten.


2.

Diamanten müssen springen,

Wenn sie schlechtes Bocksblut kühlt:

Und ein Tiger läßt sich zwingen,

Daß er mit dem Menschen spielt.

Hier muß Diamant und Tiger

Dich erkennen als Besieger.


3.

Stahl muß weichen, Gold muß fließen,

Wenn es nur die Glut beseelt:

Und durch öfteres Begießen

Wird der Stein gleich ausgehöhlt.

Aber du willst dich erweisen,

mehr zu sein als Stein und Eisen.


4.

Du verachtest meine Tränen,

Du verlachest meine Treu:

Ich darf niemals fast erwähnen,

Wie mein Geist entzündet sei.

Also können selbst die Zeiten

Nicht den harten Sinn bestreiten.


5.

Wider das Verhängnis leben,

Ist den Menschen nicht erlaubt:

Harte Eichen widerstreben,

Bis der Blitz die Härte raubt.

Darum hüte dich, du Schöne,

Daß die Reue dich nicht kröne.[124]


6.

Zwar ich will dich gerne gönnen,

Dem, dem du dich zugedacht:

Wirst du dich verbessern können,

Sag ich willig gute Nacht!

Doch wenn es dich wird gereuen,

Wird der Himmel mich erfreuen.


Welche letztere Worte von einem tiefen Seufzer begleitet, und wir in sorgsames Nachdenken versetzet wurden: Wer doch immer solche Abschiedsgedanken hegete. Solches aber zu erfahren, und aufzupassen, hätte uns mögen vor einigen Vorwitz ausgedeutet, und als Fremden verübelt werden, dahero wir uns so fort zurücke und nach dem innern Garten begaben, und weil kurz hernach Prinz Xemin hinter uns folgete, so mutmaßten wir bald, daß er die betrübte Stimme müsse gewesen sein. Weswegen denn mein Prinz sagte: »Armseliger Prinz, ich meinesteils wünsche dir von Herzen die Vergnügung, welche du in Besitzung der Prinzessin von Saavady zu haben vermeinest, ich schwere dir, keinen Eintrag zu tun, sondern würde mich vielmehr beglückt und verpflichtet achten, wenn ich durch dich einer solchen verdrießlichen Liebe überhoben würde.« Unter diesen Reden gelangeten wir in den Lustgarten, worinnen unsere Augen so viel zu sehen vor uns fanden, daß wir vermeinten in ein irdisch Paradies zu kommen. Wir sahen niemand in dem Garten, mutmaßeten doch, daß sie sich wohl vor der Sonnenhitze in denen bedeckten Spaziergängen aufhalten würden. Als wir aber fast die Mitten, allwo ein herrliches Lusthaus stund, erreichet hatten, wurden wir die Prinzessin von Saavady hinter uns gewahr, welche wir im Vorbeigehen wegen vieler Aufmerksamkeit übersahen, und weil sich Prinz Xemin bereits bei ihr eingefunden, so wollte mein Prinz nicht erst wieder umkehren, sondern stellte sich an, als sähe er sie nicht, dahero wir uns je mehr und mehr unter die erhabenen Gewächse begaben, hinter welchen wir sie, sie aber nicht uns, bemerken kunnten. Hier sahe ich nun mit Lust, mein Prinz aber mit sonderbarem Mitleiden zu, wie sich der arme Xemin vergebens bemühte, ihre Gunst nur durch ein geringes Zeichen zu erlangen. Ihre Augen waren von ihm abgewandt, und ob er sie gleich stets mit Reden zu unterhalten schien, so erhielte er doch keine Antwort, sondern sie stellete sich,[125] als ob sie mehr Achtung auf die Blumen als seine Worte gäbe, dahero sie denn nur durch Singen ihre vertiefte Gedanken zu erkennen gab. Als sie sich aber uns näherten, verfügten wir uns weiter nach einem langen und offenen Spaziergang, welchen wir auszugehen erwählten. Wir hatten kaum zehn Schritte fortgesetzt, so erhub sich ein heftiges Geschrei hinter einem kleinen Rosengebüsche, in kurzem aber sahen wir zur Seiten den Kaiser und den Prinzen Zarang nebst unterschiedenen Frauenzimmer voller Schrecken und Angst laufen, daß wir also nicht wenig erschraken, indem wir keine Ursache solcher ängstlichen Flucht sahen oder wußten. Wir wollten gleichfalls umkehren, und dem Kaiser entgegeneilen, ihm auf allen Notfall beizustehen, siehe, o wunderliches Schicksal des Himmels! so lief uns die schönste Schönheit voller Angst und Schreien entgegen, weil sie ein grausames Panthertier, welches aus Nachlässigkeit des Tiergartners durch ein Gatter gerissen, und also in den Lustgarten kommen war, verfolgte. Mein Prinz wäre entzückt stehengeblieben, wenn ich ihn nicht eilend erinnert hätte, die Prinzessin in so augenscheinlicher Lebensgefahr zu retten. Worauf sich mein Prinz ermunterte, und ihr mit bloßem Säbel entgegeneilte. Wie er denn zu hoher Zeit ankam, indem das grimmige Tier bereits die Tatze hinten in ihren Rock eingeschlagen, und zur Erden zu reißen bemühet war. Der Prinz wußte in der Angst nicht, ob er hauen oder stechen sollte, derowegen er einen Stoß nach dem Tiere führete, welcher in ein Auge geriet, und ihm so heftig schmerzte, daß es die Prinzessin verließ, um diesen Stoß an meinem Prinzen zu rächen, und ihn so grausam anfiel, daß es ihn den Bund vom Kopfe riß. Ich lief demnach auch herbei, meinen Herrn zu retten, ehe ich aber herzukam, hatte er ihm bereits durch einen gewaltigen Hieb das Haupt gespalten, daß es tot zur Erden stürzte. Indessen lag die schöne Blume, die Prinzessin, sage ich, in dem Grase in einer tiefen Ohnmacht, dahero mein Prinz alsobald den blutigen Säbel wegwarf, und sich neben sie auf die Knie setzte, auch durch sanftes Schütteln sie zu ermuntern trachtete. Hier lag nun die Rose, welche alle Schönheit des Gartens übertraf, mein Prinz verwendete kein Auge von ihr, und sagte heimlich: »Dies ist der Götter Schönheit, die sie mir zu Pandior gewiesen.« Endlich hätte es nicht viel gemangelt, daß nicht der Prinz neben sie ins grüne Gras gesunken wäre, so sehr hatte ihn Liebe, Verwunder-[126] und Bestürzung eingenommen. Endlich eilte der Kaiser, Zarang und das Frauenzimmer ganz erschrocken herbei, und vermeinten nicht anders, weil der Schweiß des Panthers hin und wieder das Gras gefärbet, die Prinzessin sei bereits erwürget, und nur ihr Tod gerochen worden; dannenhero sich ein solches Zetergeschrei erhub, daß es weit erschallete. Xemindo fiel neben sie nieder, Prinz Zarang stund als ein Stock, Xemin und die Fr. v. Saavady kamen endlich auch dazu, mein Prinz saß unbeweglich, und hatte seine Augen an ihre Wangen geheftet, ja das Frauenzimmer beweinte sie als tot, und ich glaube, dieses unnötige Trauergeschrei hätte noch nicht seine Endschaft erreicht, wenn ich ihnen nicht den ganzen Verlauf berichtet hätte, wie die Prinzessin nur vom Erschrecknis in eine Ohnmacht geraten, und ganz unbeschädiget wäre, worauf sie sich allerseits wieder zu fassen begunnten. Der Kaiserliche Herr Vater hub sie mit tränenden Augen auf, und legte sie meinem Prinzen in die Schoß, welcher dahero noch entzückter und mehr einem Bilde als einem Menschen gleich wurde. Als sie nun mit köstlichem Balsam bestrichen, und durch frisches Wasser etwas erquicket war, schlug sie die holdseligen Augen auf, und wußte nicht, wo sie war. Endlich, als sie sich etwas mächtiger befand, richtete sie sich vollend auf, und setzte alle Anwesenden in eine ungemeine Freude. Prinz Zarang aber ließ seine Eifersucht aus den Augen blicken, da es ihm doch ebensowohl freigestanden, sich auf dergleichen Art um die Prinzessin verdient zu machen, wenn es seine furchtsame Tapferkeit zugelassen hätte. Nachdem es sich nun völlig mit der Prinzessin gebessert hatte, betrachteten sie insgesamt den grausamen Panther, welcher auch noch im Tode entsetzlich war, weswegen sich denn der Kaiser zu meinem Prinzen wendete, und ihn mit der freundlichsten Umarmung also anredete: »Allerwertester Pantoja, so haben Euch denn die Götter hergeschicket, mein Leben zu erhalten, und dieses mein liebstes Kind mir aufs neue wieder zu schenken? wodurch Ihr mich zu freier Bekenntnis zwinget, daß, ob mir zwar die Götter außer der Unsterblichkeit alles möglich zu machen, erlaubet, mir es dennoch an vollkommener Dankbarkeit ermangeln will, womit ich Euch diese unvergleichlichen Heldendienste sattsam belohnen könne. So nehmet denn von mir diesen Kuß, und von der Prinzessin Banise als ein Zeichen höchster Dankbegierigkeit an: ja weil ich nichts ersinnen kann, womit Pegu seine[127] Erkenntlichkeit könne dartun, so soll Euch eine freie Bitte erlaubet, und solche auch mit der Hälfte meiner Krone gewähret werden.« Nach diesem eröffnete die himmlische Banise ihre Rosenlippen, und sagte zu meinem Prinzen: »Tapferer Pantoja! ob ich mich zwar nicht wenig beschämt finde, daß ich einem fremden Mannsbilde in den Armen befunden worden, so wird doch solche Scham durch Euer hohes Verdienst gänzlich getilget, und wie ich Euch lebenslang vor meinen Erlöser halten werde, also habet Ihr Euch auch aller anständigen Gnade von mir zu versichern.« Diese Zuckerworte wurfen meinen Prinzen zu der Erden, daß er mit den verliebtesten Gebärden den Saum ihres Rockes küßte, und mit schwacher Stimme antwortete: »Großmächtigster Kaiser! Überirdische Prinzessin! Ich als ein geringes Werkzeug der Götter, bin viel zu unwürdig sotaner hohen Gnade, womit mich Dero hohe Freigebigkeit überschüttet. Ich habe getan, was meine Pflicht erfodert, und worzu mich der innerliche Trieb, in Dero Diensten zu sterben, anführet. Ich bitte nichts mehr als ein gnädiges Auge und freien Zutritt, so wird mir jederzeit die Wohlfahrt dieses hohen Hauses auf meine Seele gebunden sein.« Worauf ihm die Prinzessin ihre Hand zum Kusse, als ein Zeichen hoher Gnade, darreichte, und nebst dem Kaiser den Garten verließ. Von dieser Stunde warf Zarang einen tödlichen, doch unverschuldeten Haß auf meinen Prinzen, und verlor sich bald hernach zugleich aus dem Garten. Prinz Xemin aber, nebst der Prinzessin von Saavady und dem andern Frauenzimmer, blieben zurücke, und wollten bei den Blumen ihre geängsteten Kräfte wieder erholen: als mein Prinz voller Gedanken sich nach einer Galerie begab, in welcher er seiner Liebe völlig den Zaum wollte schießen lassen, daher ich ihn denn nicht verstören, sondern allein lassen wollte. Ich ging indessen gleichfalls meinem Willen nach, und betrachtete das peguanische Frauenzimmer, welches mich zu sich rief, und mich in ihre beliebte Gesellschaft mit aufnahm. So angenehm mir nun dieses war, so verdrießlich hingegen fiel mir die Gaukelei, welche sie als Lustspiele zu ihrer Zeitvertreibung anfingen, und mich hierzu mit einschlossen, bis mich endlich eine von diesem Frauenzimmer erledigte. Diese, weil ich nicht übel gekleidet, auch noch sonst ansehnlich gnung war, hatte sich vielleicht vorgenommen, einen Fuchs der Liebe nach mir zu schießen, dannenhero sie mich bei der Hand ergriff, und unter dem Vorwand,[128] daß sie erwähnten Spielens auch überdrüssig sei, mich zu einem und andern Lustbrunnen führte. Währenden Gehens führte sie allerhand Reden gegen mich, welche aber alle auf eine Nachforschung wegen eigentlichen Zustandes meines Prinzen hinausliefen: als ich aber meinem Bedünken nach auf alle Fragen richtig geantwortet hatte, fragte sie zuletzt auch nach meiner Beschaffenheit. Hier zog ich nun mein großes Messer hervor, und schnitt solche Luftstreiche von meinem vornehmen Adel, stattlichem Vermögen und großer Gnade meines Prinzen, daß sich das Wasser in denen Springbrunnen hätte hemmen mögen. Sie hörte mit sonderbarer Vergnügung zu, und erzählte mir zugleich aus eigner Bewegnis ihren Zustand mit solchen reichen Umständen, daß fast alles mit dem meinigen übereintraf, und ich leicht merken kunnte, wie Speck und Butter zusammen kommen wären. Der Endzweck ihres Diskurses aber lief auf eine Liebe zwischen uns beiden hohen Personen hinaus; indem sie sich nicht scheute, zu sagen, wie sie den ersten Augenblick, als sie mich gesehen, eine Gelübde getan, mich ihrer Liebe würdig zu machen. Ob mir nun zwar nichts weniger in Sinn gekommen war, als daß ich eine solche häßliche Schönheit lieben sollte: so dauchte es mich doch sehr ersprießlich vor meinen Prinzen zu sein, wenn ich mich mit jemand von seiner geliebten Prinzessin Frauenzimmer bekannt machte. Denn, sie nicht zu lieben, war dieses die Ursache, daß es zu beklagen ist, wenn die verliebtesten Herzen öfters mit den häßlichsten Angesichtern begabet sein. Sie war endlich dem Wachstum nach gut gnung: allein wie ihr Gesichte vermittelst breiter überhangender Stirne und spitzigen Kinnes einen rechten Triangel machte; also war sie so unvergleichlich mager, daß ich vermeinet hätte, es wäre unmöglich, daß sie vom Fleisch und Blut einige Anfechtung haben sollte. Ja ihr Angesichte hätte einen Maler zu Vollkommenheit seiner Kunst verhelfen können, angesehen er die Vertiefungen aus denen Gruben ihrer gedörrten Wangen, die Schattierung aber aus ihren Farben, da sich Gelbe in Schwarzbraun verlor, sattsam lernen können. Durch Beschreibung des übrigen will ich meinen hochgeehrten Zuhörern keinen Ekel erwecken. Das beste an ihr war, daß sie bei der Prinzessin Banise sehr wohl gelitten und in sonderbaren Gnaden stund. Welches mich denn auch veranlaßte, sie meiner Gegenliebe zu versichern, wodurch sie mir eines und anders von ihrer Prinzessin entdeckte,[129] und zwar, wie sie so sehr mit der verdrießlichen Liebe des Zarangs geplaget würde, nach deren Erlösung sie täglich seufzete. Nach diesen Unterredungen sahen wir uns nach unsern Höhern um, da wir denn niemanden als den Prinzen Xemin voller Gedanken bemerkten, von welchem sich die Prinzessin von Saavady verloren hatte: endlich kam auch mein Prinz wieder hervor, welcher auf den Xemin zuging. Ich verließ meine neue Liebe, und wendete mich nach meinem Herrn, welchen ich den Prinz Xemin also anreden hörte: »Wie so betrübt? gnädigster Herr, ist dieser schöne Garten nicht so fähig, Ihre Gedanken zu befriedigen?« Worauf aber Xemin ein höhnisches und zugleich saures Gesichte machte, auch diese unanständige Gegenantwort erteilte: »Es ist vor einen Fremdling zu viel, sich um unsere Gedanken zu bekümmern.« Ob nun zwar mein Prinz solcher Antwort nicht sonders gewohnt war, so wußte er sich doch klüglich in die Zeit zu schicken, dahero er denn ganz glimpflich versetzte: »Wenn aber sotaner Kummer aus ergebenstem Gemüte und wohlmeinender Aufrichtigkeit seinen Ursprung nimmt, so kann solcher nicht verübelt werden.« Worauf ihm der Prinz den Rücken zukehren, und nur mit dieser kurzen Antwort: »Verunruhiget uns nicht ferner, und schweiget«, abfertigen wollte. Dieses empfand aber mein Prinz nicht wenig, wendete sich ihm nach, und redete ihn ferner an: »Ich weiß nicht, mein Prinz, wie ich so gar unverdient in Dessen Ungnade geraten bin? Wie mir nun solche ganz unerträglich fällt, also bitte gehorsamst, so einige Verleumdung mich angegeben, mir solches in Gnaden zu offenbaren, und alsdenn meine gerechte Verteidigung gütigst anzuhören.« – »Keine Verleumdung«, erwiderte Xemin, »sondern Ihr selbst reizet mich zu diesem Zorne, denn Ihr sollt wissen, daß solange die Prinzessin von Saavady in Eurem Herzen und auf der Brust hänget, ich mich äußerst bemühen werde, Euren Untergang zu befördern. Wollet Ihr nun meiner Gewogenheit teilhaftig sein, so verbannet diese Prinzessin aus Eurem Herzen, und gebet mir das Bildnis, welches Euch der Kaiser, mein Herr Vater, gegeben hat, wieder, so sollet Ihr Euch alsdenn über mich zu beschweren keine Ursach haben.« Hier sahe mein Prinz die Worte des Talemons erfüllet, daß Xemin von dieser Saavaderin gefesselt sei: weil er aber zuvor aus seinem Singen verstanden, als wenn er selbst diese Liebe verlassen wollte, so hätte er sich[130] nimmermehr eingebildet, daß dessen Gunst noch so feste an ihr kleben sollte. Mein Prinz antwortete demnach: »Ob ich zwar nicht sagen will, daß ich die Prinzessin von Saavady aus meinem Herzen verbannen wollte: so befinde ich es meiner Ehre doch nicht vor ratsam, das Bildnis, welches mir von der Hand eines so großen Kaisers anvertrauet worden, schlechterdings hinzugeben: bitte dannenhero, meinen Gehorsam auf andere Art zu probieren.« – »Ich rate«, antwortete Xemin dräuende, »daß Ihr mein Begehren ohne ferneres Weigern erfüllet, widrigen Falles wird Euch die Schärfe meines Säbels bessern Gehorsam lehren.« Hierdurch ward nun das Band der Geduld bei meinem Prinzen fast zerrissen: jedoch wollte er es noch mit Worten versuchen, ob er den Xemin auf andere Gedanken bringen möchte, indem er sich befurchte, sowohl den Kaiser als die Prinzessin höchst zu beleidigen, so er sich einiger Tätlichkeit wider diesen Prinzen unterfinge, dannenhero sagte er: »Prinz von Pegu, erinnert Euch Eures Standes, und lasset Euch die Liebe zu keiner unanständigen Tat verleiten: denn Ihr sollt wissen, daß Ihr eine Person vor Euch habet, welche Euch an hohem Stande, weniger am Herzen, ein Haar breit weichet. Sehet hier ist das Bildnis«, welches er zugleich von der Brust nahm, »welches zwar mit keiner sonderlichen Andacht von mir verehret wird: solange aber ein warmer Blutstropfen in mir schwebet, soll es mir durch keine Gewalt entfremdet werden. Denn ein edles Gemüte und tapfere Faust läßt sich nichts nehmen.« Xemin knirschte hierauf mit den Zähnen, und sagte: »Ha! verwegener Mensch, darfst du dich unterstehen, einen gebornen Erbprinzen von Pegu zu trutzen? Ob ich nun zwar gnugsame Mittel hätte, dich auf andere Art abzustrafen, so will ich doch der unvergleichlichen Prinzessin von Saavady zu Ehren, mir die Mühe der Strafe selbst nehmen, und erweisen, daß du dieses Bildnisses nicht würdig seist. Indessen soll es an diesem Rosenstocke unserm Kampfe zusehen, und dem siegenden Teile zur Belohnung zufallen.« Dieses bewilligte mein Prinz alsbald, und hing es an einen unfern einer Galerie stehenden Rosenstock. Kaum hatte er dieses verrichtet, so stürmte Xemin bereits mit entblößten Säbel auf ihn ein, daß sich mein Prinz genötiget befand, tapfere Gegenwehre zu tun. Hier kämpften nun zwei so große Prinzen aus ganz widriger Regung: meines Prinzen Säbel regierte die Ehrsucht, dem Xemin aber die Liebe, und[131] beide kämpften um ein Bildnis, welches jener nicht wollte, und dieser nicht sollte lieben. Endlich, als sie einander allzu heftigen Ernst erwiesen, und die zunehmende Verbitterung einen übeln Ausgang weissagte, wobei allem Ansehen nach Xemin seine allzu treue Liebe mit seinem Blute würde versiegelt haben; so sprang unversehens die Prinzessin von Saavady aus der Galerie hervor, hinter deren Verdeckung sie den Ursprung dieses Kampfes angehöret, und alles bemerket hatte, riß ihr Bildnis von dem Rosenstocke, steckte es ein, und sprach mit verächtlichen Gebärden: »Haltet ein, unbesonnene Prinzen, ihr bemühet euch vergebens um eine Sache, worzu keiner berechtiget, noch das geringste davon enträumet worden ist. Sparet euer Blut, bis ihr bessere Gewißheit von euer Liebe habet, und seid versichert, daß keiner von euch beiden mich zu lieben fähig sein soll.« Hiermit verbarg sie sich im Augenblick wiederum, und hinterließ der streitenden Partei ein verwirrtes Nachsehen. Die Prinzen senkten die Spitzen ihrer Säbel zur Erden, und sahen einander beschämt an: endlich brach Xemin zum ersten das Stillschweigen, und schrie ihr gleichsam nach: »Fahre hin du stolze Seele! und wisse, daß dein Verfahren rühmlich sei, indem du dich derjenigen Liebe, derer du nicht würdig bist, selbst entäußerst. Verflucht sein demnach die verlornen Stunden, die ich in Bemühung, deine nunmehr verhaßte Gegengunst zu erwerben, vergebens angewendet habe. Euch aber, an Leib und Gemüte tapferer Pantoja, bin ich ewig verpflichtet, daß Ihr mich zu rechtem Erkenntnis meines verliebten Irrtums gebracht habt. Ich erkenne Eure Tugend, noch mehr Eure Klugheit, daß Ihr Euch nicht habt durch diese Sirene fangen lassen. Verzeihet mir demnach meinen Fehler, und versichert Euch, daß künftige Freundschaft von nun an diese Beleidigung ersetzen soll.« Mit welchen Worten er den Säbel wegwarf, und meinen Prinzen freundlich umarmete. Mein Prinz bezeigete hingegen sein versöhntes Herz und freundschaftbegieriges Gemüte mit den verpflichtetsten Worten, und wurden also die vertrautesten Freunde. Welches recht wunderlich zu sehen war, daß zwei verbitterte Herzen, deren jedes des andern Tod suchte, gleichsam im Augenblicke einander küßten, und sich zu genauster Freundschaft verbunden. Nachdem sich nun diese neue Herzensfreunde sattsam umarmet hatten, forderte Xemin eine Gelübde von meinem Prinzen, der Prinzessin von Saavady auf ewig zu vergessen, auch sich nimmermehr um ihre Liebe[132] zu bewerben, welches denn mein Prinz mit willigen Herzen einging, und es aufs höchste beteuerte, sie nimmermehr zu lieben. Und hiemit nahmen sie Abschied von einander. Wir verfügten uns alsobald wieder nach unserm Palast, allda überlegte mein Prinz allererst die wunderlichen Zufälle, welche er innerhalb etlicher Stunden gehabt. Indem ich ihn zugleich etlichermaßen entkleidete, vermißte er seiner Fräulein Schwester, der Higvanama Bildnis, welches sie ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben, und er stets am Halse zu tragen pflegte. Hierüber bekümmerte sich mein Prinz nicht wenig, bevoraus, weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeichnet stund: zu stetem Andenken ihrem wertesten Bruder, Balacin, Prinzen von Ava. Higvanama. Welches, daß es ihn verraten würde, er nicht unbillig besorgete. Die Vergnügung aber, welche er über Erkenntnis seiner von den Göttern vorgezeigten Prinzessin empfand, hieß ihn dieses Kummers bald vergessen, und in diese Worte herausbrechen: »O angenehmstes Verhängnis! beglückter Tag, an welchem mir die Sonne meines Lebens aufs neue aufgegangen ist. Nunmehro bin ich genesen, und die wahrhaftigen Götter haben mein Hoffen gesegnet. Ach überirdische Schönheit! deren Glanz die Sterne übertrifft, und sich durch kein Gleichnis beschreiben läßt! Es erhellet nur eine Sonne den Himmel, und die Erde heget nur einen Phönix; also ist nur eine Gottheit in Asien, welche anbetenswürdig ist: so lasset mich demnach, o ihr Götter, ihr Priester werden.« Ich mußte hierinne in allem meinem Prinzen Beifall geben: denn gewiß, ich glaube, daß derjenige eine vergebene Arbeit tun würde, welcher in Asien sich eine gleiche Schönheit auszusuchen bemühen wollte. Ich selbst wurde ganz verblendet, als nach überstandner Ohnmacht der Purpur wiederum ihre Wange bekleidete: ja es kam mir fast unglaublich vor, daß eine solche Schönheit von sterblichen Menschen könne gezeuget werden. Ihre Gebärden hatten so ein hohes und majestätisches Ansehen, daß man sie unmöglich, ohne in hohen Ehren zu halten, und sich über dieselbe zu verwundern, ansehen konnte. Sie hatte ein so freies und leutseliges Wesen, daß, ungeachtet ihrer mit einspielenden Ernsthaftigkeit, die sie stets im Gesichte behielte, in allen ihren Reden und Tun nichts als lauter Freundlichkeit und höchste Anmut zu spüren war. Die Sonnen ihrer Augen spielten mit solchen Blitzen, wodurch auch stählerne Herzen wie Wachs zerfließen mußten. Und wenn sie die schwarzen Augäpfel[133] nur einmal umwendete, so mußten alle Herzen brennen, und die Seelen, welche sie nur anschaueten, in volle Flamme gesetzet werden. Ihre lockichten Haare, welche um ihr Haupt gleichsam mit Wellen spielten, waren etwas dunkler als weiß, und dienten zu rechten Stricken, einen Prinzen in das Garn der Dienstbarkeit einzuschlingen. Ihre Lippen, welche einen etwas aufgeworfenen Mund bildeten, beschämten die schönsten Korallen, und bedeckten die wohlgesetzte Reihen der Zähne, welche die orientalischen Perlen verdunkelten: ob man sie zwar sowohl in Reden als in Lachen wenig konnte zu sehen bekommen. Die Wangen stellten ein angenehmes Paradies vor, in welchem Rosen und Lilien zierlich untereinander blüheten, ja die Liebe schiene sich selbst auf dieser weichen Rosensaat zu weiden. Die wohlgesetzte Nase vermehrte die Proportion des schönen und runden Angesichts um ein großes. Der mehr lang als kurze Hals, welchen der Adern subtiles Wesen zierlichst durchflochte, war nebst der andern Farbe ihrer Haut, so weit es die Wohlanständigkeit zu sehen erlaubte, so wunderschön, daß ich nicht glaube, daß auch der kälteste Winter ihrer Purpurröte, welche sich mit der schneeweißen Farbe artlich vermischte, einigen Abbruch tun könnte. Ihre wohlgebildeten Hände luden durch ihre zarte Finger und weiße Haut jedweden Mund zu einem demütigen Handküssen: und daß ich den geballten Schnee mit Stillschweigen übergehe, so darf ich an die übrigen Teile des Leibes, welche doch meinen unwürdigen Augen verborgen blieben, nicht einmal gedenken, wo ich mir nicht selbst die größte Qual verursachen will. Dieses war nun ein ziemlicher Gegensatz, wenn ich meine verliebte Eswara betrachtete. Endlich so schien es, als ob sie sich wenig um einigen Zierat oder Schmuck bekümmerte, indem sie sich nicht allzu köstlich gekleidet, sondern ihren wohlgewachsenen Leib einem gleichfalls grün und güldenen Leibrocke, wie mein Prinz aus wunderlicher Schickung trug, anvertrauet hatte, außer daß durch die Haare einige blitzende Diamanten spielten: ja ihre natürliche Schönheit war ihr größter Schmuck, nicht zwar, daß, wenn sie angeputzt gewesen, nicht alles über die Maßen wohl angestanden, wo nicht gar ihre Schönheit vermehret hätte; sondern sie verließ sich auf ihre schöne Bildung, und begehrte nichts von der Kunst zu entlehnen. In der Geschichterzählung aber fortzufahren, so stellte sich der ehrliche Herr Talemon zu rechter Zeit wieder bei uns ein, und brachte zur erfreulichen[134] Zeitung, daß Prinz Zarang, wegen seiner Zaghaftigkeit, die er bei vorgegangener Gefahr erwiesen, ziemlich aus des Königes Gnade gefallen, indem er in der Flucht gleichsam der erste gewesen, und sowohl den Kaiser als seine geliebte Prinzessin im Stiche gelassen: hingegen wäre Prinz Pantoja am ganzen Hofe beliebt, und von ihm etwas Größeres gemutmaßet, auch würde von allen davor gehalten, daß sein Suchen an diesem Hofe etwas Sonderliches hinter sich haben müßte, weil er sich so sehr bemühete, sich aufs äußerste um das Kaiserliche Haus verdient zu machen. Und schiene es, als ob die Götter mit im Spiele wären, daß er sein Gesuchtes finden, und den Zweck seiner Liebe vor andern erreichen dürfte. Über diesen Trostworten fiele mein Prinz dem Talemon um den Hals, und küßte ihn vor lauter Freuden, sagende: »Wertster und vertrautester Talemon! Euch habe ich es zu danken, daß ich mich wegen Eurer getreuen Nachricht in alle Fälle schicken, und mein bestes beobachten können: und diese Treue will ich auch mit meinem Blute vergelten. Fahret nur fort, und stehet mir ferner mit gutem Rate bei, ob es ratsam, daß ich meinen rechten Stand entdecke, oder ob solches noch zur Zeit zu verschweigen sei?« – »Es ist besser«, riete Talemon, »noch zur Zeit zu schweigen: es wäre denn, daß uns der Name von Tannassery wegen Ungleichheit gegen dieses Kaiserliche Haus nachteilig wäre, oder sonst eine andere Gelegenheit hierzu veranlasse. Genung ist es, daß Ihr Euch dem Kaiser verbindlich und die Prinzessin geneigt gemachet habet, welches alles einen glücklichen Fort- und Ausgang unsers verliebten Vorhabens bedeutet.« Ich hätte diesem länger zugehöret, wenn ich nicht durch einen kleinen Mohren wäre nach Hofe berufen worden. Da ich denn bald merkte, daß meine schöne Eswara mich würde fodern lassen: hierinnen befand ich mich auch nicht betrogen, denn indem mich dieser kleine Mohr durch die Schloßpforte nach einer Stiegen und dieselbe hinaufführte, fiele mir die Eswara um den Hals, und versetzte mir einen solchen Kuß, welcher noch durch bloßes Andenken einen Aufstoß bei mir verursachet: denn weil ihr viel Heimlichkeiten der Liebe in dem Magen mochten verfaulet sein, so empfand ich aus ihrem Halse einen solchen Geruch, welcher auch die Japoneser11 zum Abfall hätte zwingen können. Hierüber erschrak ich nun nicht wenig, sie aber[135] lachte so freundlich, daß man den wenigen Vorrat ihrer Zähne gar deutlich sehen kunnte, welche einer alten Mauer mit Schießscharten nicht unähnlich schienen. Ich stellte mich so freundlich, wie eine tote Katze, welche noch bei ihrem Abschiede die Zähne weiset, und erfreute mich über ihrer Gegenwart, fragte auch zugleich nach ihrem Begehren, welches in nichts als einem herzlichen Verlangen mich zu sehen bestund: endlich führte sie mich in ein sauber Zimmer, und setzte sich neben mich auf ein niedriges Bette. Da sich denn, wie bei Verliebten pfleget, hunderterlei Gelegenheit zu reden fand: unter andern fragte sie nach meinem Prinzen, welchen ich in Einsamkeit verlassen zu haben berichtete. Sie fragte ferner, ob mein Prinz nicht ein Bildnis vermissete? Hierüber errötete ich, und schwieg stille. Sie aber fuhr fort, und sagte: »Verberget es nur nicht vor mir, mein Engel!« und bei diesen Worten versetzte sie mir wieder einen solchen Schmatz, daß mir Hören, Sehen und Riechen verging, und mir der balsamierte Geifer ins Maul lief. Ich ließ es meinem Prinzen zum besten so dabei bewenden, als ich sie ferner reden hörte: »Ich will es Euch im Vertrauen, doch bei angelobten Stillschweigen vertrauen, daß eine von unsern Kammerjungfern im Grase ein Bildnis einer schönen Prinzessin gefunden, dessen Verlust sie alle Euerm Herrn zuschreiben: dieses Bildnis hat sie bald meiner Prinzessin überbracht, welche aus einiger dabei gestellten Schrift etwas anders von Eurem Herrn urteilet, und dahero gerne Gewißheit davon haben möchte.« Hier raffte ich nun meinen Prinz zusammen, und zwang mich äußerst, sie über Vermögen zu karessieren: ich nahm sie in die Arme, und redete sie ganz liebäuglende an: »Allerschönster Engel!« sagte ich mit höchster Unwahrheit, »ich erkenne dieses als eine Probe ungefärbter Liebe, daß mich mein Kind solcher Geheimnisse würdiget, woran mir und unserer Liebe viel gelegen ist: Sie entdecke mir doch ferner, ob auch meinem Herrn einige Gefahr hieraus zuwachsen könne, wenn ja über Verhoffen dies Bild ein Verräter wäre.« – »Ei Possen! Was Gefahr?« erwiderte Eswara, »meine Prinzessin, (ich beschwere Euch aber bei unserer Liebe, solches auch Eurem Herrn nicht zu entdecken) wünschet, daß Ihr Lebenserretter eine solche Person wäre, wie es das Bildnis fast zeuget, alsdenn hoffet sie von dem verhaßten Zarang wie von dem Panther erlöset zu werden: ja ich wollte schweren, ihm alle Gegenliebe zu verschaffen.« Wie angenehm mir dieses zu hören war, so[136] herzlich wünschte ich, daß es mein Prinz bald wüßte. Ob ich nun zwar gerne fortgefahren und noch ein mehrers aus ihr gebracht hätte, so ließ sie sich doch die Liebe zu sehr einnehmen, welche sie ganz auf andere und mir höchstwidrige Reden brachte, daß ich nicht wußte, was sie eigentlich hierunter verstehen wollte, jedoch ihr Absehen von weiten wohl merkte, also daß ich wünschte, aus lauterm Abscheu wiederum bei meinem Prinzen zu sein. Wie ich nun in solchen Ängsten war, begab sie sich ungefähr an ein Fenster, tat einen lauten Schrei, und erschreckte mich aufs äußerste, als sie sagte: »Da schlage der Henker drein, hier kömmt mein Teufel.« Ich fragte sie nun ängstlich, wer es denn wäre? da entdeckte sie mir, es wäre ihr Mann, welcher Oberelefantenwärter wäre. Und also erfuhr ich, daß mein lieber Engel eine verheirate Person sein, welches mich teils erfreute, teils bekümmerte. Darauf sagte sie: »Hier ist nicht lange Wartens, verberget Euch um des Himmels Willen, sonst bin ich des Todes.« Wiese mir auch hierauf einen mit einem Teppich bis auf den Boden bedeckten Schrank, unter dessen hohlen Fuß ich mich verstecken sollte. Auf solches bewegliche Zureden, da sie mir gar Todesgefahr vor Augen stellete, ließ ich mich endlich bewegen, und verbarg mich auf allen Vieren unter diesen Teppich. Ich hatte mich kaum eingelagert, so kam der gute Mann zur Türe hinein, welcher sie alsobald anfuhr, und sagte: »Du altfränkische Kuppelhure, wo hast du den fremden Kerlen hingesteckt, welchen dir der kleine Mohr zu deiner Leichtfertigkeit herholen müssen. Sag es bald, oder du und dein Bösewicht sollt meinen Elefanten zu einem Futter dienen.« Wie mir da das Herze klopfte, lasse ich einen andern davon urteilen, welcher sein Gewissen in diesem Fall mehr als ich beschweret befindet. »Was«, hub sie ganz trotzig an, »siehestu mich vor eine solche gemeine Person an, welche sich von der Straßen andere Leute zur ihrer Bedienung würde holen lassen, als ob ich nicht Aufwartung von den Hofleuten zu Hause gnung hätte? Derowegen so siehe zu, ob du auch deine Reden verantworten kannst, und gedenke, daß ich dich so geschwinde wieder von deinem Elefantendienste bringen könne, als ich dich dazu gebracht habe.« Er aber wollte mit dieser Entschuldigung nicht zufrieden sein, sondern sagte: »Deines Redens ungeachtet, so muß ich doch sehen, wer mir meinen Hausfrieden stören will. Es ist heutiges Tages eine verdächtige Sache, um eine Frau, welche weiß, daß zwei Steine besser mahlen als einer«:[137] und nach diesen Worten begunnte er überall herumzusuchen. Währenden Suchens nun wußte Eswara vor Angst nicht, was sie tun sollte: und weil hin und wieder einige Jagdhunde auf dem Boden lagen, welche in ihrer Unschuld ihrer Ruhe pflegten, nahm sie einen Stecken, und wollte sie aus dem Zimmer jagen, ob sie zwar dessen keine Ursache wußte. Die Hunde aber furchten sich ihre Bequemlichkeit zu verlieren, und wollten nicht aus dem Zimmer, sondern suchten hier und da, die Winkel zu ihrer Sicherheit. Endlich wollte sich auch ein großer Reckel, welcher scheckicht war, unter den Teppich, worunter ich stak, verbergen: als er aber etwas Lebendiges, welches seiner Art unähnlich war, vermerkte, hub das Rabenaas an zu bellen, und setzte mich in die äußerste Herzensangst. Ob ihn nun zwar Eswara suchte abzutreiben, ließ er doch nicht ab, sondern brachte die andern Hunde zugleich mit an, daß sie insgesamt mit Bellen und Turnieren meinen Posten bestürmten, auch endlich den Teppich mit ihren Zähnen anfielen, herunterrissen, und also meine arme Gestalt entdeckten. Hier saß ich nun, wie eine Gans über den Eiern, und wußte nicht, ob ich beten oder fluchen sollte. »Siehe da«, fing endlich der Mann an, »Herr Schwager, hat Er in meinem Teiche fischen wollen, und läßt sich selber fangen? sucht Er mich zu einen Hirschen zu machen, und die Hunde sehen Ihn vor einen Hasen an? nur hervor, die Elefanten sollen ein artig Ballett mit Euch tanzen.« Ich wußte hierauf nichts zu antworten, denn ob ich gleich ein gut Gewissen hatte, so war doch der äußerliche Schein verraten, und hätte ich mich nicht ihr zufolge verkriechen sollen. Endlich als ich sahe, daß es nur ein kleines und dürres Männchen war, so vermeinte ich, noch wohl mit ihm auszukommen, begab mich demnach aus meinem Lager hervor, und machte mich zum Abzuge fertig. Weil ich aber merkte, daß er nach seinen Knechten rufen wollte, welche mich leicht hätten einholen können, so faßte ich eine kurze und gute Resolution, nahm den heruntergerissenen Teppich, überfiel hiemit das kleine gute Männchen, und wickelte ihn so feste hinein, daß er ohne der Frauen Hülfe unmöglich wieder heraus konnte. Hiemit sprang ich nach dem Ausgange des Zimmers, und nahm meinen Abschied so flüchtig, als ob mich noch die verräterischen Hunde verfolgten, bis ich unsern Palast glücklich wiederum erreichte. Wie das liebe Paar ferner miteinander ausgekommen ist, solches habe ich nicht erfahren. Sobald ich nun wieder[138] bei meinem Prinzen angelanget, erzählte ich ihm die artige Begebenheit, nach allen Umständen, welche er denn heftig belachte, und innigst vergnügt befande, als ich ihm auch das entdeckte, was mir Eswara von der Prinzessin wegen des Bildnisses vertrauet hatte. Dahero sich mein Prinz feste einbildete, er säße bereits dem Glücke im Schoße, und könnte unmöglich herausfallen. Weil wir auch auf morgenden Tag von dem Kaiser zu einem Schiffeste, welches sie Sapan Donon nennten, eingeladen wurden, so konnte mein Prinz kaum den Morgen erwarten, nicht sowohl die Pracht des Kaisers, als bevoraus die sonnengleiche Banise seinen Augen vorzustellen. Der erwünschte Morgen brach an, da sich denn mein Prinz auf das beste herausschmückte, und seinen kostbaren und unvergleichlichen Sinesischen Rock anlegte: dieser war von einem sonderlichen Zeuge, in welchen die wunderschönen Federn des Königesvogel aus Sina künstlich eingewürket waren, welche wegen ihrer bunten Schön- und Seltenheit dem Golde weit vorgezogen werden, die Knöpfe darauf waren von gediegenem Golde, deren jeden ein großer Diamant zuspitzte. Vorn herunter über die Länge des Rocks gingen auf jedweder Seite einer Querhand breit geschlagene und mit künstlichen Gelenken versehene Goldplatten, welche dermaßen reichlich mit Diamanten versetzet waren, daß man sie fast ohne Verletzung der Augen nicht ansehen konnte. Ein asiatischer und auf sonderbare Art gewundener Bund bedeckte sein Haupt, woran das von Higvanama mitgegebene Kleinod hing, und an dem Säbel konnte man gleichfalls vor den häufigen Diamanten fast nicht erkennen, von was vor Materie das Gefäß und die Scheide gemacht wäre: also daß dieser königliche Schmuck meinen Prinzen sattsam verriet, er sei etwas Höhers als eines kleinen Königs aus Tannassery Sohn. In solcher Pracht setzten wir uns zu Pferde, und begaben uns vor die Stadt, allda an dem Flusse des Kaiser zu erwarten, und dessen prächtigen Aufzug anzusehen. Was hier vor ein Zulauf des Volks war, als wir durch die Stadt ritten, ist nicht zu beschreiben, und konnte ich mir einbilden, daß dieses Volk entweder mich oder meinen Prinzen bewunderten. Als wir nun eine halbe Stunde vor der Stadt bei dem Flusse angelanget waren, sahen wir ein groß Teil des Wassers mit kleinen Schiffen bedecket, welche meistenteils vergoldet, und mit vielen bunten Flaggen und Segeln von Atlas gezieret waren, das denn ein vortrefflich schönes Ansehen machte, indem zugleich[139] die Sonne diesen Aufzug mit anschaute. Vor allen andern fiel das große Königsschiff in die Augen, welches des Kaisers Herr Vater noch hatte machen lassen. Dieses war aus- und inwendig reichlich und stark vergoldet, und mit so vielem künstlichen Blum- und Schnitzwerke ausgezieret, daß wir uns nicht gnungsam darüber verwundern konnten. Die Segel waren von rot und gelben Damast, alle Stricke aber von roter Seide mit Golde durchflochten. Es war ziemlich lang, jedoch etwas enger, als es sonst proportionhalber hätte sein sollen. Auf jeder Seite waren hundertundfünfzig Ruder, welche hinunter bis an die Breite stark verguldet waren. Die Ruderer saßen auf beiden Seiten, und übten sich indessen mit vielen Hin- und Widerfahren, bis zu des Kaisers Ankunft. Ein jeder hatte ein besonder kurzes Ruder in der Hand, mit welchem sie das Wasser fein zugleich an sich zu ziehen, und dem Schiffe dermaßen geschwinde fortzuhelfen wußten, daß fast kein Pfeil geschwinder fliegen kann, zumal keiner sein Ruder eher aus dem Wasser hub, als der andere, welches denn eine sonder- und wunderbare Augenlust war. In der Mitten stund ein verdecktes Häusgen, mit unterschiedenen Fenstern gezieret, und hatte einen ziemlichen Umfang. Als wir dieser Lust eine Weile zugesehen, hörten wir durch das ferne Getümmel und Blasen der Trompeten, daß der Kaiser ankäme, dannenhero sich alles im Augenblick in Ordnung begab, und solche Ankunft erwartete. Wir blieben am Ufer unfern des großen Schiffs halten, jedoch daß wir keine Hinderung verursachten. Nach weniger Zeitverfließung erblickten wir den Vorzug, welcher in drei Ordnungen bestand, und zwar in der ersten die mit den Lanzen, nachmals die Schützen mit Feuerröhren und dann die mit Schwertern und Schilden; mitten zwischen diesen Haufen gingen einige gewappnete Elefanten. Hinter dieser Ordnung folgete Prinz Xemin auf einen schönen schwarzbraunen Hengste mit verwunderlicher Pracht, worauf die vornehmsten Herren des Reichs und Hofes, ingleichen alle Kriegsobersten und Hauptleute in schöner Ordnung zogen. Nach diesem gingen zwei rote Elefanten mit Gold und Seiden reichlich gezieret, denen vier weiße folgeten, welche mit Gold und Edelgesteinen fast bedeckt waren. Diese hatten über jeden Zahn ein Futteral von gediegenen Golde, dichte mit Rubinen versetzt, welches ihnen ein prächtiges Ansehen machte. Hierauf kam der Kaiser selbst auf einem erhabenen und aus einem Stücke gemachten[140] Triumphwagen mit einem kostbaren und ganz vergüldeten Himmel. Dieser Wagen ward von acht schönen Hermelinen gezogen, deren Zeug Carmosin und Gold war, neben den Pferden gingen viel Hauptleute, welche Stricke in den Händen hatten, und sich anstellten, als ob sie den Wagen ziehen hülfen. Sein Haupt ward von keiner Krone, sondern mit großen Perlen eines unschätzbaren Wertes bedecket. Auf jeder Seiten hing ein Rubin, bis an die Ohren, deren Größe jeder zwei Datteln übertraf. Es hing ihm auch eine Schnure der köstlichen Edelgesteine von dem Halse bis an den Gürtel, deren Glanz die Augen blendete. Der vielen Rubinen, Diamanten, Smaragden und Saphirn zu geschweigen, die er hin und wieder an sich truge. Neben ihm saß statt der Kaiserlichen Gemahlin, welche vor zwei Jahren gestorben, das unschätzbare Kleinod Asiens, die himmlische Banise, welche sich ihrer Gewohnheit nach nicht sonderlich ausgeschmücket, sondern nur einen schneeweißen Rock angeleget hatte, welcher, wie auch die fliegenden Locken mit einigen vortrefflichen Diamanten beworfen war, deren Blitz aber gegen ihre Augen und englischer Gestalt gleichsam zu verdunklen schiene. Hinter diesen kam auf einem gleichfalls kostbaren Wagen die Prinzessin von Saavady gefahren, deren Seite Prinz Zarang von Tangu besaß; und kunnte man des Zarangs Mißvergnügen und der Prinzessin beängstigte Liebe beiden aus den Augen lesen. Diesen folgete das übrige Frauenzimmer nach, unter welchen ich die holdselige Eswara erblickte, welche mich seufzende anblickte, nicht weiß ich, ob sie hierdurch ihre Liebe oder ihre Strafe von dem Manne, welche ich ihr herzlich gönnete, andeuten wollte. Zuletzt beschlossen zweihundert Soldaten zu Fuße den ganzen Aufzug. Dieser Zug ging nun gleich auf das prächtige Schiff zu, wenn aber die Vördersten an das Ufer kamen, schwenkten sie sich nach der rechten Hand von dem Wasser ab, daß also die hintersten bis auf den Kaiser an den Fluß gelangen kunnten. Als nun Prinz Xemin meinen Herrn ersahe, stieg er von dem Pferde, welches mein Prinz gleichfalls tat, und sich recht brüderlich umarmeten, bis der Kaiser ankam, welchen der Prinz mit zur Erde geschlagenem Angesichte gleichsam anbetete. Wie ihn der Kaiser zuwinkte, verfügte er sich an den Wagen, und küssete sein Hand. Die Prinzessin Banise verwendete indessen kein Auge von meinem Prinzen, welches ich genau bemerkte, und ließ solche Blicke schießen, die etwas Feuriges[141] anzudeuten schienen, wiewohl sie sich so angenehm hierinnen zu mäßigen wußte, daß man billig nur mutmaßen durfte. Der Kaiser erlaubte zugleich meinem Prinzen, das königliche Schiff zu betreten, und sollte er die Prinzessin von Saavady hineinbegleiten. Welchen Befehl mein Prinz gehorsam verrichten mußte, und war es gut, daß Xemin solches mit anhörte, sonst hätte er wähnen mögen, mein Prinz wäre meineidig worden. Sobald der Kaiser vom Wagen gestiegen, fielen alle Anwesende nieder, huben die Hände dreimal empor, und küsseten die Erde, welches die gewöhnliche Ehre eines Kaisers von Pegu ist. Hierauf begab sich der Xemindo vermittelst eines kleinen Schiffes nach dem Hauptschiffe, welchen Prinz Xemin nebst der Banisen begleiteten. Mein Prinz aber führete die Prinzessin von Saavady, welches ihm Zarang gerne erlaubte, in einem Schiffe, worein sich Zarang nebst mir gleichfalls begab, und geschah diese Überfahrt auf unserm Schiffe mit solcher Stille, daß, wenn der Wind so stille gewesen wäre, wir unmöglich anstoßen können. Als wir nun allerseits das große Schiff betreten, auch alle Anwesenden sich in die andern Schiffe begeben hatten, so fuhren wir unter dem Schalle vieler Trompeten und anderer unzählicher Instrumenten freudigst dahin und nach Macaon, allwo dieses Schiff-Fest jährlich begangen wird. Gegen den Abend bekamen wir erwähnte Stadt zu Gesichte, welche eine ziemliche Festung zu sein schiene: Und als wir uns derselben genähert hatten, empfing sie uns dermaßen mit Stücken, daß sich der Fluß gleichsam von dem schrecklichen Knallen schwellte, und man eine geraume Zeit die Stadt vor heftigem Dampfe nicht sehen kunnte. Nachdem wtir aber angeländet, wurden wir mit großem Freudengeschrei des Volkes angenommen, und sofort ein jeder in der Stadt angewiesen, wo er bis zu folgendem Morgen seine Bequemlichkeit haben sollte: Dahin wir uns denn verfügten, und also mein Prinz auch nur des bloßen Ansehens von seiner Prinzessin wenig genoß. Folgenden Morgen begaben wir uns nach dem Palast des Kaisers, welcher, wie fast alles andere, gleichfalls aus- und inwendig mit Golde gezieret, und mit lustigen Gärten umgeben war. Aus diesem Palaste verfügten sich alle hohe Personen nach einem andern, welcher an dem Fluß gebauet war, in welchem der Kaiser nebst denen Prinzessinen sich an die Fenster begaben, und diesem Schiffs-Feste zusahe. Solches bestund nun hierinnen, daß alle Vornehme des Hofes, und wem es beliebte, auf den kleinen[142] Schiffen die Wette renneten, da denn ein jeder selbander das Ruder regieren mußte. Wer nun zum ersten an den Palast unter des Kaisers Fenster kam, der trug den Preis davon, und bekam von der Prinzessin Banise einen güldenen Kranz, die nächsten aber einen silbernen und so fort an. Welche aber zurücke blieben, die wurden ziemlich durchgezogen, der letzte aber hatte von dem sämtlichen Frauenzimmer ein bloßes Tuch zu gewarten. Solchen güldenen Kranz von der schönen Prinzessin Hand zu erlangen, bewegte meinen Prinz, daß er sich unterfing, diesem Wettstreite beizuwohnen, welches dem Kaiser sehr wohl gefiel, und dannenhero die andern Prinzen ihm nachfolgeten, deren jeder sich ein Schiff erwählte. Mein Prinz nahm mich zu sich, und ermahnte mich zu äußerster Darstreckung meiner Kräfte, mit Versprechen dreißig Bizen Goldes, wo wir den Preis erlangten: Und legte er einen andern Rock an, ich aber warf meinen gar weg, um desto geschickter zum Rudern zu sein. Als wir uns nun alle zu Schiffe begaben, und eine gleiche Linie quer über den Strom gemacht hatten, wurde das Zeichen mit vierundzwanzig silbernen Trompeten gegeben. Was nun da vor eine ängstliche Bemühung auf allen Seiten zu sehen war, solches ist unbeschreiblich, wiewohl mich meine heftige Arbeit nicht viel umsehen ließ. Ob uns nun zwar etliche Schiffe fast bei zwanzig Schritten zuvor gekommen waren, so schickten es doch die gütigen Götter, daß sie aneinander fuhren, und sich dermaßen verwirreten, daß wir Zeit genung hatten, seitaus zu fahren, und einen weiten Vorsprung zu nehmen, welcher uns denn dermaßen zustatten kam, daß der Hinterstelligen Bemühung nur vergebens war, und wir ganz glücklich unter der Prinzessin Banisen Fenster zuerst ankamen, welche mein Prinz mit einer tiefen Neigung beehrte. Der nächste hinter uns war Prinz Xemin, nach diesem aber Prinz Zarang, welcher vor Verdruß ganz blind zu sein schiene, und mit solcher Gewalt an die vorgesetzten Zielpfäle anlief, daß er rücklings ins Wasser fiel, und mit Mühe mußte errettet werden: Welches denn die Prinzessin von Saavady dermaßen erschreckte, daß wir einen lauten Schrei von ihr hören kunnten. Als nun alle Schiffe angelanget, stiegen die Prinzen ans Land, die übrigen Schiffe aber wiederholten ihr Rennen noch zu unterschiedenen Malen. Die Prinzen legten sich allerseits an, und verfügten sich nach dem Kaiser, um die ausgestellten Preise zu empfangen, jedoch mit ungleicher Vergnügung: Denn als mein Prinz mit[143] einem güldenen, Prinz Xemin aber mit einem silbernen Kranze von der schönen Hand der Prinzessin Banisen gekrönet ward, erhielte Zarang nur von der Hand der Saavaderin einen gläsernen Blumentopf mit Blumen gefüllet, welchen er zwar annahm, jedoch denselben, gleich ob es aus Versehen geschehen, unachtsam auf die Erden fallen ließ, daß er in tausend Stücken zerbrach: wordurch er sein Mißvergnügen sattsam zu verstehen gab. Nach diesen wendete er sich bald zu der Prinzessin Banise, welche dessen Rede, so viel ich anmerkte, jederzeit mit einer Röte und ganz verdrießlich scheinende beantwortete. Mein Prinz stund von ferne, und sahe mit tiefster Seelenempfindung zu; ja so ofte nun Zarang ihre Hand zum Munde führete, sie zu küssen, so ofte empfand sein Herz einen tödlichen Stich. Endlich erblickte ich an der Prinzessin das verlorne Bildnis der Higvanama, welches sie auf ihre linke Brust geheftet hatte. Dieses entdeckte ich sobald bei erster Gelegenheit meinem Prinzen, worüber er sich nicht wenig entfärbet, jedoch nach Art der Verliebten alles zu seinem Besten ausdeutete. Inzwischen wurde alles zu einem kaiserlichen Panquete angeschicket, welches auf einem großen Saale, der fast mit Kristall überzogen war, sollte gehalten werden. Wir wurden in kurzem durch der Trompeten Schall zur Mahlzeit berufen, und mußte auf kaiserlichen Befehl mein Prinz wiederum die Prinzessin von Saavady nach dem Saal begleiten, welches er endlich so weit willig verrichtete, als er nun sahe, daß die Prinzessin Banise nicht von dem Zarang, sondern von ihrem Bruder den Xemin geführet wurde. Welches ein Zeichen kaiserlicher Ungnade gegen den Zarang war, dessen Ursache uns Talemon schon entdecket hatte. Wir wurden auf den mit kostbaren Tapeten belegten Boden zur Tafel gesetzet, und zwar oben der Kaiser, einige Schritte von dessen linken Hand saß die Prinzessin Banise, neben ihr aber wurde doch Zarang gesetzt, um meines Erachtens ihn nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen, welche beliebte Stelle er auch mit sonderbarem Hochmut einnahm, und meinem Prinzen nichts als verächtliche und sauere Blicke mitteilte. Zur rechten Hand des Kaisers wurde der Kronprinz Xemin, neben den die Prinzessin Saavady und alsdenn mein Prinz gesetzet, welchen auf beiden Seiten eine ziemliche Reihe der vornehmsten Herren folgeten. Ob ich nun zwar auch an diese Tafel genötiget wurde, so wollte doch ich lieber meinem Prinz aufwarten,[144] um desto genauer alles zu bemerken, welches mir endlich zugelassen ward. Bei dieser Mahlzeit nun wurde die herrlichste Musik gehöret, welche sich chorweise an unterschiedenen Ecken vernehmen ließ: So stelleten sich auch nach hiesiger Landesart unterschiedene Tänzerinnen und Possenspieler ein, damit alle Sinnen wohl ergötzet würden. Der Schirasser Wein, welcher jährlich in ziemlicher Menge aus Persien nach Hofe verschrieben wird, ginge ziemlich stark herum, und erhitzte sowohl die Köpfe, als die Gemüter. Es war aber nichts geschäftiger als die Augen der schönsten Banisen und meines Prinzen, welche einander unzählig Mal im Anschauen begegneten, und sich hierdurch jederzeit beschämt zurücke und niederschlugen. Unser verliebter Zarang aber ließ sich den Wein dermaßen schmecken, daß hierdurch, ungeachtet voriger Beschämung, seine Liebe gleichsam wieder aufgewärmet ward, also daß er der schönen Prinzessin sehr beschwerlich fiele, indem er ihr entweder, ob sie gleich der Speise genießen wollte, die Hände raubte, oder ihre Achseln mit seinem Kopfe beschwerte, und was dergleichen verliebte Possen durch trunkene Liebe mehr begangen werden. Ja endlich schüttete er ihr gar ein Geschirre mit Wein auf den Hals, wodurch er bei der Prinzessin ein erschrockenes, bei dem Kaiser ein saures Gesichte, bei meinem Prinzen aber ein heimliches Frohlocken erweckte. Damit nun die allgemeine Freude durch diese Grobheit nicht möchte verstöret werden, so wurde es endlich in ein Stillschweigen hiervon verwandelt.

Wie aber nichts vergänglicher ist, als die Weltfreude und Ergötzlichkeit des Zeitlichen: also würde man dieses auch gerne nachgegeben haben, wenn die Zeit nur noch zur Zeit die Vollziehung dieser kaiserlichen Lust erlaubet hätte. Denn, als der Kaiser in voller Majestät seine Pracht erwiese, und seine Vergnügung durch alle ersinnliche Ergötzlichkeit, welche das Glücke einem solchen Monarchen gönnet, suchte, ja niemand von den Anwesenden an einige Hinderung gedachte, siehe, so kam ein Kurier aus Pegu, welcher einen andern aus dem Königreich Martabane und zugleich diese erschreckliche und betrübte Zeitung mitbrachte, daß Chaumigrem, König von Brama, unverwarnter Sache selbtes Reich mit einer gewaltigen Armee überzogen, die Hauptstadt Martabane durch Verräterei erobert, und den Königlichen Stamm erbärmlich umgebracht hätte. Weil nun der erwürgete König Chambainha ein Eidam des Kaisers war, indem er sich die älteste Prinzessin[145] von Pegu vor sieben Jahren vermählen lassen: als wurde der ganze Hof hierüber ungemein bestürzt. Die Musik schwieg im Augenblick stille, alle Tänzer wurden abgeschaffet, und ein jeder ließ sein herzliches Beileid aus den Augen blicken. Außer dem Kaiser sahe man eine ungemeine Großmütigkeit an, welcher auch den Überbringer dieser unglücklichen Post vor sich kommen, und sich den Verlauf des kurzen, doch jämmerlichen Krieges vor unsern Ohren erzählen ließ.

»Eur. Majest.« hub er an, »gehorsamste Folge zu leisten, so berichte in Untertänigkeit, daß ich ein geborner Martabaner und treuer Untertaner meines liebgewesenen Königs bin, welcher mich auch seine königliche Gnade sattsam empfinden lassen, indem er mich gewürdiget, einen Haufen von dreitausend Mann zu Roß zu kommandieren. Dahero ich denn so unglücklich gewesen, daß ich alles mit meinen Augen ansehen müssen, worüber mein Herze noch blutet. E.M. wird es sattsam bekannt sein, wie der Hauptrebelle Chaumigrem, eingebildeter König von Brama, jederzeit einen tödlichen Haß gegen I. Maj. getragen wegen tapferer Bestrafung, womit I.M. Dero gerechteste Rache an seinem gleichfalls rebellischen Bruder ausgeführet, und ihm den verdienten Lohn bei dieser Stadt Macao vor einem Jahre erteilet. Solche Niederlage hat nun diesen Bluthund aus seinen Winkeln wieder hervorgezogen, dessen Frevel sich nicht allein unterstanden, den unrechtmäßigen Besitz von dem Reiche Brama als ein Erbrecht und Kronfolge zu behaupten, sondern auch gar mit Bedrohung vermeinter Rache sich an dem Heil. Haupte I.M. zu vergreifen. Weiln er aber sich nicht getraute, Dero gerechteste Waffen, oder die Peguanische Tapferkeit zu versuchen; als wollte er an dem Schwächern seine Grausamkeit ausüben, um nicht sowohl sich an diesem hohen Kaiserlichen Hause wegen naher Anverwandtschaft meiner entseelten Königin zu rächen, als auch seine Macht zu verstärken: Deswegen er einige Zeit her unterschiedene höchstunbillige Forderungen an das Reich Martabane getan, welche ihm allemal großmütig von unserm tapfern und eines bessern Glückes würdigen Könige abgeschlagen worden. Dahero der Tyranne durch solche Verweigerung sich wohl berechtigt erachtete, einen unvermuteten Krieg anzufangen. Ich sage recht, unvermutet, indem wir des feindlichen Einfalles nicht eher gewahr worden, als bis es das flüchtige Landvolk in unsern Festungen[146] mit Schaden bekräftigte, daß der Feind in vollem Anzuge sei. Es wurde so bald bei finsterer Nacht eilender Befehl an alle Kriegshäupter gesendet, unverzüglich mit ihren Truppen sich nach der Hauptstadt Martabane zu begeben, und sich da zusammenzuziehen, weil man doch wohl sahe, daß der grausamen Macht des Feindes, welche in viermal hunderttausend bewehrter Mann bestund, nicht zu widerstehen war; dannenhero man das ganze Land mußte preisgeben, und den Ausgang dieser schnellen Fehde auf einen Hauptstreich ankommen lassen. Unsere Völker rückten zwar in möglichster Eil herbei, und formierten ein schönes Lager von achtzigtausend Mann. Allein was war diese geringe Macht gegen des Feindes wütende Gewalt; denn dieser kam als eine rauschende Flut daher, und zog auf das Herz des Reichs, will sagen auf Martabane an. Dessen Grausamkeit kunnten wir nun in der Königlichen Burg bei Nachtzeit mit feurigen Buchstaben an dem Himmel lesen, indem man über hundert Feuer zählte, mit welcher der Tyranne seine Wut gegen die verlassenen Hütten der armen Martabaner ausließ. Sobald der Morgen angebrochen, begab sich unser heldenmütiger König selbst ins Lager, nachdem er Stadt und Burg wohl besetzt, und seine Gemahlin und Kinder denen Göttern anbefohlen hatte. Er stellete uns sofort wegen Annäherung des Feindes klüglich ins Feld, und dehnete unsere Schlachtordnung dermaßen weit aus, daß es schiene, als ob wir dem Feinde allen Vorteil benommen hätten. Um den Mittag sahe man den Feind von ferne als einen großen Wald mit einem dicken Staube daherrauschen, welcher uns auch mit einem erschröcklichen Geschrei dermaßen anfiel, als ob er gesonnen wäre, uns auf einmal zu verschlingen. Allein wir empfingen ihn dergestalt, daß wir in kurzen Meister des Feldes waren, indem er wegen allzugroßer Unordnung bald das Feld räumete. So hoch uns nun dieses erfreute, so sehr wurden wir erschrecket, als wir durch unsere Kundschaft benachrichtiget wurden, es wären nur die Vortruppen in fünfzigtausend Mann stark von uns geschlagen worden. Zudem hatten wir bei diesem blutigen Anfange bei zehntausend Mann eingebüßet, da hingegen auch bei fünfundzwanzigtausend feindliche Leichen das Feld bedeckten. Nach diesem Siege rückten wir wieder in unser Lager, um des Feindes Vorhaben folgenden Morgen zu erwarten. Dieser kam abermals mit der völligen Macht angezogen, und griff uns dergestalt auf allen Seiten an, daß[147] innerhalb drei Stunden, ungeachtet äußersten Widerstandes, fast alle niedergemacht, unser König gefangen, und kaum dreitausend der unsrigen in die Stadt entkommen waren. Was dieses vor eine entsetzliche und grausame Schlacht gewesen, kann E. Maj. hieraus abnehmen, wenn ich berichte, daß der Feind wegen Menge der Toten in fünf Tagen sich nicht der Stadt nähern können, obgleich täglich ihrem Bericht nach sechstausend Mann die Toten einscharren müssen. Als die Walstatt in etwas geräumet, und der Feind truckenen Fuß setzen kunnte, hub er sobald eine ernste Belagerung an, welche aber in nichts als in einem stetswährenden Sturm bestund, indem er sechs Tage und Nächte jedwedes Mal mit fünfzigtausend Mann grausam stürmen ließ. Ob wir nun zwar unser wertes Haupt verloren hatten, und in des Feindes Hand wußten, so ließen wir doch nichts von unserer Treue und Tapferkeit erwinden, womit wir uns unserm verlornen Könige noch verbunden zu sein erachteten, indem wir jeden Sturm dermaßen ritterlich abschlugen, daß die Wälle vom feindlichen Blute überall gefärbet waren, und der Feind wegen dessen Schlipferigkeit keinen festen Fuß mehr setzen kunnte. Was wir nun durch unsere Tapferkeit wider solche Gewalt erhalten, dieses verloren wir durch ewig verdammte Verräterei, in einer Nacht, dessen Urheber bloß dem gerechten Himmel bekannt ist. Denn als der Feind seinen Kopf grausam zerstoßen, und doch nicht viel damit ausgerichtet hatte, ließ er endlich von diesem sechstägigen Sturme abblasen, und führte die ziemlich geschwächte Armee zurücke. Worauf wir voller Freuden uns auch zur nötigen Ruhe begaben; wiewohl wir durch fleißige Wachten alle Posten wohl besetzet ließen. Als wir aber am sichersten zu sein vermeinten, erscholle das erschreckliche Geschrei, der Feind sei schon in der Stadt, und sei durch das Wassertor hineingedrungen. Ob nun zwar ein jeder nach den Waffen griff, so war es doch vergebens, weil Schrecken und Finsternis uns verwehrete, zusammenzukommen, und also mußten wir ganz zerstreuet des traurigen Morgens erwarten. Dieser war kaum angebrochen, so erhub sich ein solch grausames Wüten, Würgen und Niederhauen, dergleichen in Asien wohl nie mag geschehen sein. Ein Teil, und zwar die wenigsten, worunter auch mich das Glück oder vielmehr das Unglück schloß, wurden gefangengenommen: ein Teil flohe der Königlichen Burg zu, wiewohl zu höchstem Unglück des Königlichen Hauses, denn der Feind drang sich[148] zugleich mit hinein, und verfuhr doch weit gelinder, daß er der Königin, ihrer Kinder, des sämtlichen Frauenzimmers und einiger großen Herren verschonete, und sie nur gefänglich annahm. Wie nun diesen wütenden Hunden ihre Faust an dem bluttriefenden Schwerte fast erstarrete, huben sie an, die herrliche und schöne Stadt niederzureißen in willens, sie der Erden gleich zu machen, welchem der mit schweren Ketten belegte König mit blutendem Herzen zusehen mußte. Was ich aber zuvor von einiger Gelindigkeit gegen die im Schlosse hohen Gefangene gemeldet, solches war nur ein kleiner Aufschub ihrer verteufelten Tyrannei zu nennen. Denn als auch die andere Nacht verschwunden, sahe man die Sonne ganz blutig aufgehen, und schiene dermaßen traurig zu sein, gleichsam als ob sie sich selbst betrübte, eine solche nie erhörte Grausamkeit mit anzuschauen. Nachdem wir wenigen Gefangene in das Feld gestellet worden, sahe man dreitausend Mann mit Spießen und Musketen daherkommen, welche hundertvierzig kernschöne Weibesbilder, derer jedesmal vier und viere zusammengebunden waren, unter sich führeten, bei jedweder Kuppel aber ging einer von den bramanischen Priestern oder Talegrepos, welche sie trösten, und einen Mut zum Sterben machen sollten. Unter solchen betrübten Haufen leuchtete die schöne Nhai Canato als eine Sonne unter den Sternen hervor, welche itzt in dem Totenmeere untergehen sollte. Und weil sie von so hohem kaiserlichen Stamme entsprossen war, so schiene es, als ob der Tyranne ihr auch im Tode einige schuldige Ehre erweisen wollte, indem zwölf Türhüter mit silbernen Kolben auf den Achseln vor ihr hertraten. Zur Seiten wurden ihre vier Kinder, als zwei Prinzen und zwei Prinzessinnen von so viel Männern auf Pferden geführet. Das übrige Frauenzimmer war alles von hohem Stande, und der Martabanischen Fürsten Weiber und Töchter, deren Gesichter alle dermaßen schöne waren, daß sie unter den abscheulichen Haufen ihrer Führer und Henkersknechte wie die Sonnenstrahlen unter den schwarzen Wolken hervorleuchteten. Man erblickte an ihnen das zärteste Wesen, und spielten die vor Angst erblasseten Rosen ihrer Wangen noch mit solcher Anmut, daß auch die Steine hierdurch hätten sollen erweichet werden, angesehen alle zwischen funfzehen und fünfundzwanzig Jahren ihrer Jugend mit einer schmerzlichen Todesart verwechseln mußten. Dieser vor Augen stehende schmähliche Tod und erbärmliche Unbilligkeit pressete einen[149] Seufzer und Zetergeschrei nach dem andern heraus, worbei diese schwache doch holdselige Kreaturen fast jedesmal in eine Ohnmacht fielen. Ob nun zwar viel andere Weiber, welche ihnen das Geleite gaben, ihnen allerhand Stärkungen und Konfekt reicheten, so kunnten und wollten sie doch nichts kosten, sintemal die Bitterkeit des Todes alle Süßigkeit in Wermut verwandelte. Hinter diesem armseligen Frauenzimmer folgeten sechzig Grepos oder gemeine Priester, je zwei nach einander, welche mit niedergeschlagenen Angesichtern in ihren Büchern lasen, und zum öfteren riefen: ›Herr, der du von keinem andern weder von dir selbsten das Wesen hast, richte unsere Werke, damit sie deiner Gerechtigkeit gefallen mögen.‹ Worauf andere antworteten: ›Herr, verleihe, daß dieses also geschehe, auf daß wir die reichen Gaben deiner Verheißung wegen unserer Sünden nicht verlieren.‹

Was nun das erbärmlichste Ansehen gab, das waren vierhundert kleine Kinder, welche hinter den Priestern in einer langen Reihe daher liefen: Diese waren unterwärts des Leibes ganz bloß, hatten Stricke um ihre Hälsgen und weiße brennende Wachskerzen in ihren Händen. Darauf marchierte die bramanische Wache mit Spießen und Musketen: Diesemnach folgten hundert Elefanten, und überdas eine große Menge Volks zu Roß und zu Fuß, daß also zweitausend Reuter, zehentausend Fußvolk und zweihundert Elefanten diese betrübte Ausführung begleiteten, des übrigen Volkes aber war keine Zahl. Mit diesem ansehnlichen Aufzuge gingen diese könig- und fürstliche Engel, welche einer glückseligen Unsterblichkeit würdig gewesen, durch das Feld nach dem erschrecklichen Richtplatz zu, allwo einundzwanzig Galgen ihrer erwarteten. Sobald man daselbst angelanget, machten sich zu Pferde etliche Herolden hervor, welche überlaut ausruften: ›Jedermänniglichen sei dies Bluturteil kund, welches der lebendige Gott verhängt, der da will, daß gegenwärtige hundertundvierzig Frauen sterben, und in die Luft geworfen werden sollen: Alldieweil aus ihrem Rat und Anstiften ihre Männer und Väter rebellieret haben.‹ Dieses wurde nun vorgeschützet, weil der Bluthund das Königreich Martabane als ein Lehnreich von Brama wissen, und uns zu Vasallen haben wollte. Dieses Urteil war kaum ausgeschrien, so erhub sich von den Gerichtsbeamten und Henkersknechten ein so abscheu- und düsterlich Geschrei, daß einem die Haare zu Berge stunden: Und hiermit griffen die Henker die Verurteilten[150] an. Was man nun hier vor ein jämmerliches Schreien und Weinen anhören, und vor herzbrechende Gebärden sehen mußte, wie sie einander um den Hals fielen, und mit tausend Tränen voneinander Abschied nahmen, solches wird mir niemand verübeln, wenn ich, als der ich es mit angesehen, vor übriger Wehmut fast nicht mehr reden kann.« Zugleich hemmeten ihn auch die Tränen die Rede, daß er eine ziemliche Weile schweigen mußte, und wir ihme fast alle Gesellschaft leisteten, außer der Kaiser, welchem man nur dann und wann einen Tropfen abfallen sahe. Als sich nun dieser betrübte Unglücksbote in etwas wieder erholte, fuhr er also fort:

»Unsere werte Königin steuerte sich inzwischen auf eine alte Frau, und war vor unaussprechlichen Betrübnis schon mehr als halb tot. Ehe die andern aber sich von den unbarmherzigen Henkern wegschleppen ließen, wollte gleichwohl eine von diesen armseligen Damen im Namen ihrer aller der Königin zuvor noch die untertänige Ehrenpflicht erzeigen, und die letzte gute Nacht sagen. Derowegen sie sie denn auf folgende Art, wiewohl mit schwacher und kläglicher Stimme, anredete: ›Durchlauchtigste Frau! Nachdem wir anitzt in dem Stande demütiger Sklavinnen zu der betrübten Wohnung des Todes hintreten, so tröstet ihr, als die schöne Rosenkrone unserer Häupter, uns mit Eurem anmutigen Gesichte, auf daß wir mit desto leichtern Kummer diesen geängsteten Leib verlassen, und vor der mächtigen Hand des gerechten Richters erscheinen, zu dem wir um unendliche Rache dieser uns angetanen unbilligen Schmach mit betränten Augen schreien wollen.‹ Die hochbeängstigte Königin antwortete hierauf erstlich mit einem kläglichen Blick und einem solchen Angesichte, darein der Tod allbereit den ersten Entwurf seiner Gestalt gemacht hatte, hernach mit folgender leisen Stimme: ›Nehmet nicht so bald Abschied, liebste Schwestern, sondern helfet mir vor diese kleine Kinder tragen.‹ Aber das ließen die eilenden Scharfrichter, die mit ihrem Könige die Barmherzigkeit gemein hatten, nicht zu, welche unter wehmütigsten Ach und Weh, Winseln und Rachgeschrei alle diese schöne Leute erwischten, und ohn einiges Verschonen sie an zwanzig Galgen erbärmlichst aufhenketen, und zwar an jedweden sieben, was aber noch das Ärgste war, so wurden sie bei den Füßen aufgehenkt, weswegen sie denn unter schmerzlichem Seufzen erst in einer Stunde in ihrem Blut erstickt[151] waren. Hiernächst galt es der Königin, welche von vier Frauen nach dem Galgen geführet ward, daran sie mit größester Herzensqual ihre Kinder sollte zappeln sehen, welches ihr weit mehr als der eigene Tod zu Herzen ging. Der Rolimmunay, als ein großer Heiliger, redete ihr fleißig zu, wie sie den Tod unerschrocken leiden sollte. Indessen foderte sie ein wenig Wasser, nahm es in den Mund, und sprützte es über ihre vier Kinder, deren jedes sie nacheinander auf die Arme nahm, ihnen einen Abschiedskuß nach dem andern auf den Mund druckte mit so inbrünstiger Bewegung, daß einem Tiger davon die Augen hätten übergehen mögen. Endlich brach sie in folgende Klagworte heraus: ›Ach meine Kinder, die ich aufs neue in dem Eingeweide meiner Seelen geboren, wie wollte ich mich so hoch beglücket achten, wann mir erlaubet wäre, euer Leben durch einen tausendfachen Tod zu erkaufen! Alsdenn würde ich alle Furcht, darinnen ihr mich und ich euch sehe, verlassen, und von diesen grausamen Henkern den Tod so willig erwarten, als gerne ich werde vor dem Herrn aller Dinge in der Ruhe seiner himmlischen Wohnung erscheinen.‹

Dies gesagt, ließ die betrübte Königin ihre Augen auf den Nachrichter schießen, welcher allbereit die zwei kleinen Prinzen gebunden hatte, und sagte zu ihm: ›Sei nicht so unbarmherzig, daß du meine Kinder vor meinen Augen umbringest. Richte mich erst hin, und schlage mir die letzte Gunst nicht ab, die mein sterbender Mund von dir begehret.‹ Mit diesen Worten risse sie die Kinder wieder zu sich, umfing, drückte und herzete sie, und gab ihnen tausend Scheidungsküsse, so lange, bis sich der gütige Himmel selbst über sie erbarmete, und ihre Seele und Atem benahm, ehe sie den Henkersstrick fühlete. Also sank sie unter den Händen der Frauen, auf welche sie sich steurete, tot darnieder. Wie der Henker dieses erblickete, sprang er behende hinzu, raffte und henkete sie geschwinde auf, hernach die vier andern Frauen, und endlich zu ihrer Rechten die zwei jungen Prinzen, zur Linken aber die zwei kleinen Prinzessinen.«

Hier sank zugleich die Prinzessin Banise über der traurigen Erzählung des schmerzlichen Todes ihrer Frauen Schwester in eine starke Ohnmacht, also, daß sie fast nicht wieder zu ermuntern war, und sie dannenhero in ein ander Zimmer mußte getragen werden. Die Tränen häufeten sich auch bei allen Zuhörenden dermaßen, daß man statt vorigen Jauchzens[152] und Musizierens nichts als Klagen und weinendes Kluchzen vernahm, welches denn eine erbärmliche Veränderung des menschlichen Zustandes war. Der großmütige Kaiser aber fuhr fort zu fragen, wie es ferner und bevoraus mit dem Könige abgelaufen sei? wovon er folgenden Bericht erstattete: »Dieses erbärmliche Mordspiel erweckete in Freund und Feinden ein ungemeines Trauren, welches endlich in eine Verbitterung und Aufruhr ausschlagen wollte, indem Chambainha, der ein Sohn und rechtmäßiger Erbprinz des Reiches Brama war, dessen Herr Vater nach eignem hohen Bewußt durch des Tyrannen vorigen Bruder, den Xenimbrun gleichfalls des Reiches und Lebens beraubet worden. Derowegen wachte die alte und natürliche Liebe der Bramaner gegen ihren rechtmäßigen Herrn in etwas wiederum auf, und ließ es sich allerdings zu einem gefährlichen Aufruhr an. Hierzu half nicht wenig das grausame Zeter- und Klaggeschrei der unglaublichen zuschauenden Menge, wovon auch die Erde erzitterte, und kam es so weit, daß hundertzwanzigtausend Mann ins Feld rückten, und sich der Tyrann in die Burg begeben mußte; wiewohl dieser löbliche Eifer bald wiederum erkaltete, und mit der einbrechenden Nacht gänzlich gestillet ward. Unter diesem schändlich erwürgeten Frauenzimmer sind drei Jungfern gewesen, die das Mordkind vorhin zu heiraten begehret gehabt; weil er aber damals noch in dem gräflichen Stande von ihren Eltern abschlägige Antwort bekommen, hat er seine grausame Liebe mit dem Stricke gerochen.

Zu Verhütung aber ferneren Aufstandes ließ der tückische Hund dem gefangenen Könige noch in derselbigen Nacht einen schweren Stein an den Hals henken, und in das tiefe Meer werfen, in welcher jämmerlichen Todesart ihm noch sechzig vornehme Herren, welche alle der erwürgeten Frauen Väter, Männer und Brüder waren, betrübte Gesellschaft leisteten. Dieses ist nun der blutige und tränenwürdige Untergang unsers hochpreislichen Kön. Hauses, wowider wir armen Leute nichts ferner vermögen, als den gerechten Himmel und E.M. mächtigste Waffen um brennende Rache und Hülfe anzurufen.«

Hiermit endigte der Mensch seine traurige Erzählung, woraus der höchst betrübte Kaiser die Hände ineinanderschlug, und mit Seufzen sagte: »Wie unerforschlich ist doch der Schluß des Himmels? Diesem schenkt er einen Lorbeerkranz, und jenem einen Henkerstrick. Hier hebet er[153] einen empor, und dort stürzet er den andern zur Hölle. O Himmel! wie hat es deine Gerechtigkeit zulassen können, daß der Gerechte untergangen, und der Gottlose erhaben ist? Daß sich der Szepter in einen blutigen Mörderstahl, der Thron in einen schwarzen Sarg und die Krone in ein Rad des wandelbaren Glücks verwandelt hat? Ach Nhai Canato, meine werte Tochter! haben mich die Götter deswegen mit dir beschenket, daß sie mich auf diese harte Probe stellen wollen, wenn ich mein liebstes Kind soll am Galgen sterben sehen? Möchte nicht das tapferste Gemüte weichmütig gemacht werden, wenn es sein Fleisch und Blut unter des Henkers Hand wissen soll! O unerträgliches Leid! O Schmerz, welchem kein Schmerz zu vergleichen! Vermaledeiter Wüterich! Verdammter Chaumigrem! Ist dieses jemals erhöret worden, daß man gegen zarte Weibspersonen so abscheulich verfahren hat? Verdammter Hund! kunnte dich nicht die Schönheit, welche auch Tiger bezwinget, überwinden? kunnte dich das jämmerliche Schreien und Weinen der zarten Angesichter nicht bewegen? ja, kunnte nicht die Unschuld der kleinen Kinder und ihr königlicher Stamm einiges Mitleiden in dir erwecken? Gewiß, die Götter sind bisweilen allzu ungerecht gegen uns Menschen, indem sie einer solchen Greueltat, wovon die Sonne errötet, ohne Empfindlichkeit zusehen können. Ach mein Kind, mein Trost! mein Anker, welcher mir zu einer Schiffbruchs-Klippe wird! Ach daß ich doch mit dir in die Erden sollte verscharret sein, weil mir nunmehro das Leben doch nur ein steter Tod sein wird.« – »Großmächtigster Kaiser«, redete ihm hier mein Prinz ein, »dieser hohe Trauerfall, welcher Dero Herz verwundet, betrübet meine Seele, und Ihr Jammer ist meine Qual. Derowegen wird mir erlaubet sein, zu sagen, nicht allein, wie man dem Verhängnis sich geduldig unterwerfen, sondern auch wie man das unschuldige Blut aufs grausamste an dem verdammten Mörder rächen möge. Hierzu aber dienet ein übriges Klagen und Trauren am wenigsten, welches dem Feinde vielmehr zur Ergötzung dienet, wenn er siehet, wie er uns auf das empfindlichste gerühret habe. Zwar die Götter haben denen Menschen eine sonderbare Liebe gegen ihre Kinder eingepflanzet, also daß ihnen nichts empfindlichers als deren Verlust widerfahren kann. Allein auch ein wildes Tier greift den Räuber seiner Jungen beherzt an, und versäumt durch übrige Wehmut keine[154] Gelegenheit, sich zu rächen. So nehmen denn E.M. Dero gerechteste Waffen zur Hand, als das beste Mittel, welches die Götter zur Rache geschaffen, vergießen statt übriger Tränen das schwarze Blut der Feinde, und ruhen nicht eher, bis des Mörders Kopf in einem Mörsel zerstoßen, und die verhaßten Anstifter dieser Mordtat denen Entseelten ein blutiges Rachopfer sein mögen.« – »Ach trautester Pantoja«, erwiderte der Kaiser, »Ihr habt recht, doch wie bald kann der fehlen, welchen die Götter nach Eurem eignen Geständnis auf das empfindlichste angreifen. Hierdurch muß auch ein Amboß, geschweige ein menschliches Herze, gekrümmet und weich gemacht werden, wo der Unglückshammer so gar harte hinschlägt.« – »Die Glut der Rache«, versetzte mein Prinz, »kann alles wieder gerade machen, und diese Wunden können nicht anders denn mit dem Blute des Tyrannen geheilet werden. Ich schwere es bei der ewigen Gottheit, daß, wo mir nicht durch einen Fall das Leben verkürzet wird, ich dermaleinst noch mit eigner Hand die grausamste Rache von diesem Frauenmörder nehmen will.« Zarang hatte bisher ganz unbeweglich gesessen, und kein Zeichen einiges Beileides von sich spüren lassen. Inmittelst weil sein Reich mit Brama grenzte, und er daher nicht wenig zur Rache beitragen kunnte, so wollte er hier im Trüben fischen, und sich diesen Jammerfall so weit zu nutz machen, daß er nunmehro den vorhin beängsteten Kaiser zwingen wollte, ihm die Prinzessin Banise nicht allein selbst anzutragen, sondern auch würklich zu überliefern. Welches alles er sattsam zu erkennen gab, wenn er sich nicht scheute, den Todfeind von Pegu ins Angesicht des Kaisers zu rühmen und zu sagen: »Dieses Ungewitter habe ich nicht allein längst über Martabane zuvor gesehen, sondern sehe es auch bereits über Pegu herrauschen, wo nicht durch Klugheit und angrenzende Verbindung diesem Übel beizeiten begegnet wird. Chaumigrem ist ein kluger König, vorsichtig in Anschlägen und beglückt als tapfer in deren Ausführung. Es hätten sich E. Maj. vielmehr bemühen sollen, vorlängst diesen heldenmütigen Nachbar zu einem Freund und Bundsverwandten zu machen, so hätte er vielleicht nicht Ursache gehabt, sich so grausam zu rächen.« Diese Worte mochten den Kaiser gnung durchs Herze schneiden; weil er aber solches klüglich zu verbergen wußte, als antwortete er ganz glimpflich, jedoch mit einer ernsthaften Majestät: »Und dieses konnte[155] uns geraten werden, uns mit einem Hauptrebellen, welcher das unsrige boshafterweise an sich gebracht, und unrechtmäßig besitzet, noch in Freundschaft und Bündnis einzulassen. Nimmermehr soll dieses von einem großmütigen Herzen erhöret werden, daß es Freundschaft bei einem Drachen und Arznei bei einer Spinne suchen soll. Und ob auch diese Freundschaft gut wäre, wiewohl einem versöhnten Feinde nimmermehr zu trauen ist, so lässet es doch die göttliche Gerechtigkeit nicht zu, daß wir durch Hülfe der Feinde unsern Zweck erlangen: vielmehr wird uns der Himmel strafen, wenn wir einem so weltkündigen Aufruhr durch die Finger sehen wollten.« – »Man muß strafen, wenn man kann, und nicht wenn man will«, antwortete Zarang ganz höhnisch, und weil er denn nicht aufhörete, die Tapferkeit und Großmut des unwürdigen Chaumigrems auf das höchste herauszustreichen, und hierdurch den betrübten Xemindo noch mehr schmerzlichst beleidigen; als kunnte mein Prinz sich nicht enthalten, ihm folgenden Einwurf zu tun: »Es müßte sich«, sagte er, »denn der mörderische Chaumigrem in kurzer Zeit so sehr verändert haben, indem ich sonst mit meinen Augen gesehen, wie das Sprüchwort wahr sei: Die größesten Tyrannen sind die verzagtesten Herzen. Denn als er in Ava von dem Prinzen selbiges Reiches eine derbe Ohrfeige bekam, so brauchte er zwar sechs Vorfechter, die gebührende Rache aber ist er demselben bis jetzo schuldig geblieben. Und ob sich zwar auf dessen Ausfoderung der Prinz anerbot, persönliche Rache von sich nehmen zu lassen, und sich dannenhero an bestimmten Ort zu angesetzter Zeit verfügete, so war doch Chaumigrem wie ein Hase bei der Drummel durchgegangen, daß also ganz Ava ein schlechtes Herz und geringe Tapferkeit in dem Chaumigrem urteilte.« – »Wer weiß«, verteidigte ihn Zarang ferner, »was ihn vor wichtiges Bedenken hiervon abgehalten, zudem beruhet auch nicht die Tapferkeit in einem solchen Privatgefechte, sondern verdunkelt vielmehr den Glanz unserer Herzhaftigkeit, weil sonst mancher Musketierer ehe den Titul eines Tapfern, als eine Generalsperson verdienen würde, Ursach, weil sich jener öfterer vor der Spitze gezeiget, und mit seinesgleichen einen Zweikampf gewaget als dieser. Alleine die wahre Tapferkeit lasset sich in herzhaftiger Klugheit eines Feldherrn und tapferer Ausführung eines heldenmütigen Anschlages spüren.[156] Und daß solche Chaumigrem sattsam besitze, indem er die Eroberung eines ganzen Königreichs so herzhaft in kurzer Zeit zu Ende gebracht, solches wird kein Verständiger leugnen können.« Diese Reden machten meinem Prinzen die Stirn ziemlich warm, jedoch wollte er dessen fernere Erklärung hören, indem er sagte: »So es ja einem solchen Prahler nicht zu viel ist, eine Ohrfeige zu verschmerzen, und die Tapferkeit bloß in dem Felde zu erkennen ist, so muß ich als ein lebendiger Zeuge gestehen, daß keine verzagtere Memme, als eben der Chaumigrem kann gefunden werden. Denn als er im Treffen vor Ava die Armee als unwürdiger Feldherr wider S. Maj. von Pegu anführete, und durch seine Unwissenheit den Kronprinzen auf die Schlachtbank lieferte, so war er der erste, welcher durch unnötige Flucht das ganze Heer in Unordnung und zu einer schädlichen Nachfolge brachte. Daß nun diese jetzt schleunige Eroberung geschehen, solches ist nicht ihm, sondern zuvörderst denen erzürneten Göttern, welche ihn als eine züchtigende Rute gebrauchen, hernach aber der unbeschreiblichen Menge, womit er einen so kleinen Haufen bekriegete, zuzuschreiben. Und wo ja ein unredlicher Überfall eine Tapferkeit zu nennen ist, so ist traun! Chaumigrem der Tapferste in ganz Asien. So aber auch dieses nicht wäre, sondern er hätte durch rechtmäßige Gewalt und eigene Tapferkeit diesen Sieg erhalten, wie es doch nichts weniger ist, so verdunkelt doch der unerhörte Mord an dem unschuldigen Frauenzimmer solches alles dermaßen, daß er vielmehr den Titul eines unehrlichen Mörders und schändlichen Bluthundes, als eines tapfern Soldatens verdienet hat; worinnen mir gewiß auch ein jedwedes tapferes Gemüte wird müssen Beifall geben.« – »Gemach, gemach«, hub Zarang ganz entrüstet an zu antworten, »Ihr seid gewiß in einer üblen Schule erzogen worden, daß Ihr nicht bescheidener von hohen Häuptern zu reden wisset. Und weil Euch die Verantwortung Eurer Reden zu schwerfallen möchte, als hielte ich Euer Schweigen vor sehr nötig.« Worüber sich denn mein Prinz dermaßen ereiferte, daß ich nur immer sahe, wenn er nach dem Säbel greifen würde; hiervon hielte ihn aber so weit die hohe Gegenwart des Kaisers ab, daß er nur dieses sagte: »Verflucht sei derjenige, welcher die betrübte Majestät durch Erhebung ihrer Feinde noch ferner beleidiget. Und weil Ihr der erste seid, der mir das Schweigen aufleget, so will ich meine Meinung[157] von dem unredlichen Chaumigrem gegen Euch behaupten. Seid Ihr nun ein ehrlicher Prinz, welcher sich mit keinem Rebellen gemein zu machen begehret, so werdet Ihr mir morgen zu Pegu mit eigener Faust Rechenschaft von Euren Worten geben: Wohin ich Euch denn mit I. Maj. Vergünstigung zu einem Säbelkampf auf Leib und Leben will ausgefodert haben.« Weil sich denn Zarang ungeachtet des Kaisers an meinem Prinzen auf der Stelle vergreifen wollte, als gebot ihm Xemindo Friede mit diesen Worten: »Verwegener Prinz, wie lange sollen wir Euren Hochmut anhören, und wenn werdet Ihr aufhören, uns empfindlichst zu beleidigen? Behauptet demnach morgen Eure Sache, oder meidet unsern Hof.« Womit Zarang den Saal verließ. Wir aber nebst dem Kaiser begaben uns alsofort sämtlich zu Pferde, und ritten ungeachtet der einbrechenden Nacht nach Pegu. Zugleich bemerkten wir an dem heitern Himmel einen entsetzlichen Kometstern, welcher seinen Strahl recht über Pegu stellete, worüber sowohl der Kaiser als auch wir uns nicht wenig entsetzten. Wie wir um Mitternacht vor Pegu anlangeten, und zu dem Tore einritten, stürzete der Kaiser auf ebener Erde, ob wir gleich Schritt vor Schritt ritten, mit dem Pferde, daß ihm das Blut häufig zur Nase herausfloß, welches denn alles von uns übel gedeutet, und leider! allzuwahr erfüllet worden. Als der Morgen angebrochen, und die Sonne bereits einige Stunden die Stadt Pegu beleuchtet hatte, verfügte sich mein Prinz abermals, wie in Ava, bloß mit Säbel und Schild versehen an den Ort, welcher unfern des Schlosses auf einem grünen Platze mit Palisaden umschränket war. Der Kaiser selbst sahe durch ein verborgen Fenster zu, und die Menge der Zuschauer verwehrete uns fast den Eintritt. Nach Verfließung einer halben Stunde meldete sich ein baumstarker Ritter an, und begehrte in den Schranken eingelassen zu werden, welches ihm aber abgeschlagen ward, und mußte er sein Anbringen außer dem Platze sagen, welches hierinne bestunde: Weil sein gnädiger Herr, als der Prinz von Tangu nicht vor ratsam erachtet hätte, sich persönlich in die Gefahr zu begeben, deren er sich wegen kaiserlicher Ungnade besorgete: gleichwohl aber die verwegene Ausforderung nicht ungeahndet hätte können hingehen lassen: als wäre er zugegen, seines Prinzen Ehre zu schützen, und zu erweisen, daß seine Sache gerecht sei. Sobald dieses der Kaiser erfuhr, ließ er meinem Prinzen[158] zuentbieten, weil der rechte Gegner nicht erschiene, so wäre es demnach ganz unnötig, sich mit einem andern einzulassen. Welches aber mein Prinz durchaus nicht eingehen wollte, sondern vorwendete: Er wollte des Kaisers Hoheit und seine Ehre gegen jedweden handhaben, derowegen er in Untertänigkeit bäte, ihm zu erlauben, die Sache auszuführen, welches ihm endlich zugelassen ward. Und also trat dieser schwarze Ritter hinein, welcher einen Schild an dem linken Arm führete, womit sich mein Prinz ganz hätte bedecken können. Der Säbel war gleichfalls von so ungleicher Länge, daß sich mancher würde bedacht haben, ehe er seinem Feinde einen solchen Vorteil eingeräumet hätte. Dessen ungeachtet verließ sich mein Prinz auf seine Hurtigkeit und gerechte Sache. Diesem nach sahe er seinen Feind mit einem ernsthaften Lachen überzwerch an, und nachdem er vermeinte, daß es Zeit sei, ihn anzugreifen, ging er mit starken Schritten, geraden Leibe und funkelnden Augen auf ihn los, und schlug dergestalt auf ihn zu, daß er bald seinen Fehler wegen Übereilung merkete, und sich dannenhero in etwas zurücke zog. Jener hingegen veränderte vor Zorn seine ganze Gestalt, und stellete sich, als ob er meinem Prinzen durch bloße Gebärden einen Schrecken einjagen wollte. Das Feuer stieg ihm ins Gesichte, die Haare stunden gen Berge, die Stirne runzelte sich zusammen, und alle seine Adern bläheten sich auf, bald schnaubete er vor Grimm, bald hielt er den Atem zurück, und bisse die Zähne so grausam zusammen, daß ihm der Jäscht die Lippen bedeckte; ja er führte solche gewaltige Streiche auf meinen Prinzen, daß ich jedesmal besorgte, er würde ihn mitten von einander hauen. Und empfand also mein Prinz sattsam, was er vor einen starken Feind vor sich habe, welchem nichts als die Geschwindigkeit mangelte. Mein Prinz brachte inzwischen das erste Versehen reichlich wieder ein, indem er seinen Feind sich satt arbeiten ließ: hingegen nahm er alle Hiebe, teils durch seine Hurtigkeit, teils durch seinen stählernen und spiegelglatten Schild aus, indem er bald in die Höhe sprang, bald sich zusammen schmiegete, nachdem es die Notdurft seiner Sicherheit erforderte. Endlich mußte mein Prinz besorgen, es möchte seinem Feinde unter so vielen Streichen einer geraten, wodurch er wohl gar den Sieg verlieren dürfte; als begunnte er ihm etwas näher einzurücken, und indem jener einen starken Streich nach dem Kopfe führte,[159] warf mein Prinz den Schild vor, und tat zugleich einen gewaltigen Hieb, welcher auch so wohl geriete, daß des Feindes rechtes Knie ganz gespalten ward. Und dieses war höchstnötig, indem ihm der feindliche Streich den Arm dermaßen erschellt hatte, daß er den Schild fallen zu lassen gezwungen ward. Als nun der starke Gegener zur Erden stürzte, schäumete er vor Eifer wie ein wildes Schwein. Mein Prinz aber säumete nicht, sondern ergriff den Schild hurtig, stürmete, weil jener keine Gnade begehrete, desto mutiger auf ihn ein, und versetzte ihm unterschiedene Wunden, deren aber keine ihn wehrlos machen kunnte, bis ihm endlich ein kräftiger Streich durch das Haupt fuhr, wodurch er Geist und Säbel verlor, und also meinem Prinzen der völlige Sieg zuteil ward. Hierüber entstund nun ein solches allgemeines Jubelgeschrei, als ob hierdurch Chaumigrem selbst erlegt wäre. Ja, die Peguaner verehrten meinen Prinzen mit so häufigen und wunderlichen Gebärden, daß wir kaum das Schloß erreichen kunnten. Ich mußte des Entleibten Schild und Säbel hinter meinem Herrn hertragen, welcher alsobald vor den Kaiser gelassen wurde, dem es mein Prinz mit diesen kurzen Worten zun Füßen legte: »So müssen alle Feinde des Reiches Pegu gestürzet werden!« Xemindo umhalsete ihn aufs brünstigste, und führte ihn abermals in ein besonder Zimmer, daß ich wieder nichts zu sehen noch zu hören bekam, bis mir der Prinz sein zugestoßenes Glück erzählte.

»Allerwertester Pantoja«, hatte ihn der Kaiser angeredet, »es scheinet, als ob die Götter diesem Reiche zum besten etwas Sonderliches durch Euch beschlossen hätten, indem wir Euch so viel Gutes zu danken haben, daß es am Vermögen fehlet, solches mit würklicher Vergeltung zu ersetzen. Und ob wir zwar vermeinet, Euch durch Zuführung der Prinzessin von Saavady einige Vergnügungen zu verschaffen, so befinden wir doch, daß es scheinet, als ob deren Annehmung mehr eine Höflichkeit, als wahre Liebe verursachet habe. Derowegen sind wir nicht wenig bekümmert, indem wir nicht wissen, auf was Art Euch könne einige Vergeltung angenehm gemacht werden, woran uns denn gleichfalls die Unwissenheit Eures wahren Zustandes merklich verhindert. Denn Ihr sollt wissen, daß wir Euch nicht vor einen Prinzen aus Tannassery halten, sondern vor einen Prinzen des Reichs Ava, welches ein von Euch verlornes Bildnis bekräftiget. Derowegen entdecket uns ungescheuet, ob wir in unserer[160] Mutmaßung irren oder nicht. Lasset Euch dieses nicht abschrecken, daß uns Euer Vater ziemlich zuwider, ich will nicht sagen, ein Nahrungsöl gegenwärtiger Rebellion gewesen, sondern versichert Euch, daß Ihr die Fehler Eures Herrn Vaters reichlich ersetzet habet. Dannenhero dürfte Euch diese Offenbarung ein großes zu Eurer Vergnügung beitragen.« Ob nun zwar mein Prinz hierüber sehr bestürzt worden, so hatten ihn doch die letzteren Versicherungen wiederum aufgerichtet, daß er sich entschlossen, des Kaisers Worten zu trauen, und sich folgendergestalt zu offenbaren: »Großmächtigster Kaiser und Herr! wenn ich Dero hohen Gnade und unvergleichlichen Tugend nicht versichert wäre, daß sie die Missetat eines ungerechten Vaters die Unschuld eines Kindes nicht würden entgelten lassen, so trüge ich billiges Bedenken, mich demjenigen zu offenbaren, welcher die Rache in Händen hat. Nachdem ich mich aber verpflichte, nicht allein nach äußerstem Vermögen die väterliche Scharte wiederum auszuwetzen, sondern auch vor die hohe Wohlfahrt dieses Kaiserlichen Hauses mein Leben aufzusetzen, so lebe ich der festen Zuversicht, es werde Dero Kaiserliche Gnade nicht vermindert werden, ob ich schon bekenne, daß ich wahrhaftig ein Prinz, und zwar der nächste zur Krone von Ava bin, welchen ein unbarmherziger Vater vertrieben, und die gütigen Götter seine Vergnügung in Pegu zu suchen geraten haben.« Der Kaiser hatte meinen Prinzen durch einiges Stillschweigen etwas bekümmert, jedoch durch folgendes Anreden bald wieder ermuntert: »Wertester Prinz! wahr ist es, Euer Vater hat uns nicht wenig betrübet, ja er hat sich nicht als ein naher Vetter und Blutsfreund, sondern als ein geschworner Todfeind gegen uns erwiesen, welches uns aber jedoch keinesweges verhindert, Euch mit aller Gnade und Wohltat zu überschütten; angesehen Ihr den harten Fehler Eures Vaters mit reichem Wucher ersetzet, und uns dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzeihung, sondern auch zu einer genauern Verbindung bewogen habet. Denn Euch soll es ganz Ava zu danken haben, daß es künftig von aller Botmäßigkeit des Peguanischen Throns befreiet, die höchste und unbeschränkte Gewalt allein haben, und dessen Könige niemand als die Götter vor ihre Oberherren erkennen sollen. Ja Eure hohen Verdienste bewegen uns auch, Euer mutmaßliches Absehen gutzuheißen, und durch ein festes Liebesband Pegu und Ava zu verbinden,[161] wodurch der alte Haß getilget, und beide Reiche in blühendem Wohlstande erhalten werden sollen. Sehet, mein Prinz, und saget, ob wir erkenntlicher sein könnten, indem wir unser Liebstes, ja unser Fleisch und Blut, das Opfer eines dankbegierigen Herzens sein lassen, in Hoffnung, das Reich Pegu werde Eurem tapfern Arme noch künftigen Wohlstand zu danken haben.« Diese Worte hatten meinen Prinzen dermaßen aus sich selbst gesetzet, und entzücket, daß er nicht gewußt, wie ihm geschähe, oder womit er seine innerste Herzensvergnügung sattsam ausdrücken möchte. Endlich war er vor dem Kaiser niedergefallen, hatte dessen Knie umfasset, geküsset, und mit schwacher Stimme geantwortet: »Allergnädigster Kaiser und Herr, dessen Tugend und Gütigkeit höher ist, als sie von mir kann erkennet oder begriffen werden! Ich weiß nicht, ob mich die Götter abermals durch einen süßen Traum vergnügen, oder das im Tempel zu Pandior angenehme Schlafgesichte erst erfüllen wollen. Denn E. Majest. sollen wissen, daß, ehe ich noch das werte Pegu gesehen, ich zuvor die Götter zu Pandior sehnlichst um den Ausgang meiner Reise zu zeigen, ersuchet, daß sie mir die vortreffliche Gestalt der überirdischen Prinzessin von Pegu im Schlafe gezeiget, mich aber bis auf diese Stunde in verwirreten Nachdenken gelassen haben. Sollte ich nun nach Dero hohen Worten dieses unerforschlichen Glückes fähig werden, womit könnte ich alsdenn diese unaussprechliche Gnade im geringsten erwidern? Denn ob ich auch ein tausendfaches Leben vor jedweden Peguaner, geschweige vor E. Maj. aufsetzte, so reichete es doch noch lange nicht an dem schönen Verdienst, welchen mir E. Majest. zuerkennen. Ich opfere mich demnach mit Leib und Gemüte und allem, was mir die Götter jetzt und künftig gönnen werden, zu ewigen Diensten vor E. Majest. und dessen Kaiserlichen Hauses Wohlergehen. Und ob ich mich zwar eines solchen himmlischen Schatzes im geringsten nicht würdig erkenne, so flehet doch mein verlangendes Herz um gnädigste Erfüllung Dero hohen Versprechens.« – »Haben wir hier den rechten Zweck getroffen«, hatte der Kaiser lächelnde geantwortet, »und kunnte die Prinzessin von Saavady nicht solchen Dank herauspressen? Inmittelst verziehet hier, und verberget Euch hinter diese Tapeten, wir wollen die Prinzessin herrufen lassen, da Ihr denn unsern Vortrag und ihren Entschluß selbst mit anhören könnet.« Diesem zu[162] gehorsamster Folge hatte sich der Prinz verstecket, und in kurzem durch einen kleinen Ritz der Tapete diese Sonne in dem Zimmer aufgehen sehen, welche der Kaiser bei der Hand an ein Fenster geführet, und sie mit lauter Stimme, also, daß es mein Prinz sattsam verstehen können, angeredet hatte: »Liebste Tochter, Ihr werdet meine väterliche Gewogenheit und Gnade bisher sattsam verspüret, und daraus erkennet haben, wie ich jederzeit als ein treuer Vater vor Eure Wohlfahrt gesorget, um Euch zu vergnügen, damit ich nicht solchen Schmerzen als an der Königin von Martabane erleben möge, wovor mich die gütigen Götter in Gnaden behüten wollen! Nachdem es aber an dem, daß Ihr wohl wisset, wie beharrlich Euch Zarang, der Prinz oder vielmehr König von Tangu, bishero bedienet, und Eure Liebe gesuchet hat. Diesemnach hat er auch noch heute bei mir, als Eurem Vater, inständigste Ansuchung um Vollziehung dieser Liebe tun lassen. Weil nun der betrübte Zustand unsers Reiches und die androhende Gefahr des Feindes erfordert, sich der Freundschaft des Hauses von Tangu zu versichern; als habe ich den Gesandten nicht anders, denn mit einem willfährigen Entschluß abfertigen können. Diesem Euch nun gleichförmig zu bezeigen, ist mein Begehren, und werdet Ihr hiedurch ein merkliches Zeichen kindlichen Gehorsams spüren lassen.« Die Prinzessin war hiedurch ganz erstaunet und erblasset, also, daß sie auch die Wand fassen und sich daran lehnen müssen, da sie denn eine gute Weile kein Wort geredet, sondern sich nur bemühet, durch bewegliches Ansehen den Herrn Vater zu einigem Mitleiden zu bewegen. Als sie aber der Herr Vater zu entschließender Antwort angemahnet, war sie endlich gar vor ihm auf die Knie gesunken, hatte dessen Hand mit Tränen geküsset, und endlich also geantwortet: »Allergnädigster Herr und Vater! ich weiß wohl, daß sich mein kindlicher Gehorsam bis ins Grab erstrecken soll, ja ich bin bereit, solchen mit meinem Blute zu bestätigen: allein, wo dessen Herze einen väterlichen Blutstropfen gegen mich heget, wo ein fußfälliges Kind erbarmungswert ist, wo meine Tränen einen Marmel erweichen können, ja wo meine Seufzer den väterlichen Geist nur etwas bewegen können, so bitte ich, so flehe ich, mich eher zu einem Opfer als zu einer Braut des Zarangs zu bestellen, ich will eher seinen Säbel als seine Lippen küssen, weil mich der Tod mehr als sein Purpur ergötzen soll.« –[163] »Was hat ihn Euch aber so verhaßt gemacht?« hatte der Kaiser gefragt. »Ach, E.M.«, war ihre Antwort gewesen, »erwägen doch, ob dieser zu lieben sei, welcher sich gleich denen Bestien fast stündlich in ärgsten Lastern besudelt, und seine Brunst täglich durch frischen Wechsel zu kühlen trachtet. Sein Hochmut verwandelt sich öfters in Grobheit, und kann hierdurch auch der gemeinsten Seelen einen Ekel erwecken. Ja es mißfället mir dessen ganze Person dermaßen, daß ich spüre, wie dieser Haß durch einen Einfluß des Himmels entspringet, welchem ich nicht widerstehen kann noch will. So bin ich demnach versichert, es werde dessen väterliches Herz ein gehorsamstes Kind nicht so empfindlich betrüben, sondern vielmehr wissen, daß er mehr Schmerzen an mir als an meiner entseelten Schwester erleben würde.« – »Und gleichwohl«, hatte der Kaiser erwidert, »weiß ich Euch nicht besser zu versorgen. Wir sind zwar allerseits dem Pantoja sehr verpflichtet, allein das kleine Tannassery ist Euch nicht anständig, und daß ein König von Siam eine freie Prinzessin beherrschen solle, solches ist uns nachteilig.« – »Derowegen entlediget mich meines Kummers, gnädigster Herr Vater«, hatte sie versetzet, »so es ja die Götter beschlossen hätten, daß meine Blumen nicht in der Knospe verblühen, noch in dem Grabe verwelken sollen, so ist doch dieses gegen selbten mein geheimer und freier Entschluß, eher den Prinzen aus Tannassery in einer belaubten Hütte als den Zarang auf einer Königlichen Burg zu lieben. Denn er ist ja der, welcher verhütet, daß ich nicht zu einer unzeitigen Waise geworden, er ist es, der mein Leben errettet, und unsere Ehre gegen den verhaßten Zarang verteidiget hat. Zudem bin ich versichert, daß er einer höhern Ankunft ist, als er vorgibet; und liebe ich das Bildnis seiner Fräulein Schwester, welches mir das Glück in die Hand geführet, herzlich, also daß ich hieraus einen hohen Bruder urteile. Ich rufe diese stumme Tapeten zu Zeugen an, daß ob ich zwar dem Pantoja nicht mit Liebe, dennoch mit einer sondern Zuneigung aus einem verborgenen Antrieb zugetan bin.« – »Weil Ihr denn«, war des Kaisers Erwiderung gewesen, »die stummen Tapeten zu Zeugen Eurer Liebe anrufet, so mögen sie auch antworten. Ich werde Euch etwas verlassen, und befehle Euch, denen Tapeten gütige Antwort zu erteilen.« In welcher Verwirrung er sowohl die Prinzessin als den verborgenen Prinzen gelassen hatte, der in solcher[164] Angst gewesen, daß er bekennete, es sei vor seinem Feinde zu erscheinen ein Kinderspiel zu achten, gegen diesem, da man einer Person begegnen soll, derer Mund unser Tod und Leben auf der Zunge führet. In solchem Zweifel nun hat die schöne Prinzessin vermeinet, sie wäre in sicherster Einsamkeit. Dannenhero sie ihren Gedanken den Zügel ziemlich schießen lassen, und durch ihre Rede mit sich selbst dem Prinz noch etwas Bedenkzeit gelassen. »Verwirreter Zustand!« hatte sie der Prinz reden hören, »in welchen mich mein Herr Vater versetzet hat. Einerseits betrübet er mich mit dem unanständigen Zarang, andernteils hat mich dessen Mund mit dem tapfern und unfehlbaren Prinzen von Ava erfreuet, welchen zu lieben mir die Tugend befiehlet. Was soll ich aber aus des Herrn Vater dunkeln Worten nehmen? Ich werde mich ja nicht in leblose Tapeten verlieben sollen? Doch, wie ich sie vormals zu Zeugen angerufen, so kann ich es ihrer Verschwiegenheit wohl entdecken, daß mich noch der Prinz von Ava von der verdrießlichen Liebe des Zarangs befreien soll. Zu diesem Entschluß treibet mich, ihr Götter wisset's, keine geile Brunst, sondern die Tugend und die Not. Denn wie ich die Rosen der Wollust jederzeit aus dem Garten meines Herzens gereuet; also habe ich hingegen die Lilien der Keuschheit hinein gepflanzet. Will ich nun diese zu einem reinen Opfer widmen, so zwinget mich die Not und zugleich ein innerlicher Trieb, einen tugendhaften Pantoja, statt des lastervollen Zarangs zu einem keuschen Gärtner zu erwählen, welcher ...« Diese Worte, wie sie meinen Prinzen entzückt, also hatten sie ihn auch ganz beherzt gemacht, daß er sich endlich erkühnet, als den Gärtner vorzustellen. Über dessen Erscheinung die Prinzessin dermaßen erschrocken, daß sie einen lauten Schrei getan, und nach dem Fenster gelaufen war. Als nun Schrecken und Scham die schöne Purpurfarbe ihrer Wangen um ein großes vermehrte, und ein anmutiges Zeugnis ihrer züchtigen Schamhaftigkeit gegeben, oder vielmehr angedeutet hatten, daß der Prinz noch dermaleins ihre Vollkommenheit und keusches Herze als die edelsten Schätze der triumphierenden Natur für lieb- und leibeigen besitzen würde, also war mein Prinz eine gute Weile mit seinen Augen an den ihrigen geheftet verblieben, deren Magnet als zwei hellfunkelnde Nordsterne ihn ganz an sich gezogen hatten. Endlich aber hatte doch mein Prinz auf den Knien das Stillschweigen[165] zuerst gebrochen, und gesagt: »Schönste Prinzessin! Die Götter sind meine Zeugen, daß mich nicht einiger Vorwitz, noch allzu wenige Hochachtung gegen Dero himmlische Person zu dieser Kühnheit verleitet, wenn ich so frei Dero Einsamkeit verstöre, und mich unterfange, so ungescheut den durch Ihre Gegenwart geheiligten Ort zu betreten. Der gnädigste Befehl von Ihr. Maj. Dero Herrn Vater ist hierinne die Richtschnur meines untertänigsten Gehorsams gewesen. Sollte ich aber wegen allzu genauer Beobachtung dieses angenehmen Befehls gesündiget, und durch diese Verwegenheit Dero Tugend zu sehr beleidiget haben, so will ich diesen Fehler auch mit meinem Blute büßen.« Die Prinzessin hatte hierauf eine ziemliche Weile stille geschwiegen, und dadurch meinen Prinzen abermals nicht wenig bekümmert gemacht, endlich aber doch folgendergestalt geantwortet: »Tapferer Pantoja! wann ich mich nicht wegen Errettung meines Lebens Euch verpflichtet wüßte, und Euch nicht kaiserliche Gnade dieses Unterfangen verstattet hätte, so müßte ich bekennen, daß dieses ein höchst strafbares Beginnen wäre, wodurch Ihr Euch unterstündet, meine Tugend und Geduld auf eine harte Probe zu setzen. Nachdem aber dieses mein Herr Vater sonder Zweifel wohl wird überleget haben, und ich also mein übriges Bedenken nur hintan setzen muß: So soll Euch nicht allein dieses vergeben, sondern auch erlaubet sein, demjenigen, was mein Herr Vater Euch befohlen hat, nachzukommen.« Weiln nun mein Prinz in den Gedanken gestanden hatte, es würde der Kaiser bereits diese wichtige Sache mit ihrer Genehmhaltung abgehandelt haben, als war er um so viel desto beherzter zu Entdeckung seines schmerzlichen Anliegens geworden, indem er gesagt: »Durchlauchtigste Prinzessin! Dero hohe Erlaubnis zwinget mich zu einer Bekenntnis, welche ich sonst wohl verschwiegen, und in mein Grab mitgenommen hätte. Ich bekenne aber mein Unvermögen, daß ich zu schwach, will nicht sagen, zu blöde sei, etwas zu entdecken, wodurch ich bis in Himmel könne erhaben, auch bis zur Höllen gestürzet werden, es wäre denn, daß eine nochmalige Versicherung aus Dero holdseligen Munde mich so weit stärkte, es sollte nicht sowohl erlaubt, als auch gnädigst aufgenommen werden.« – »Ich beschwere Euch, Prinz Pantoja«, hatte sie hierauf geantwortet, »daß Ihr Euch frei entdecket, und mich glückselig machet, wenn ich[166] durch einige Hülfe in Eurem Anliegen die Pflicht meiner Dankbarkeit in etwas bezeugen könne.« Hier, sagte mir mein Prinz, wäre er mit solcher Bangigkeit des Herzens befallen worden, als immermehr ein Mensch in letzten Zügen erfahren könnte. Er hätte sein Vornehmen bei sich auf tausenderlei Art überleget, und doch geschlossen, es müßte bei diesem Entschlusse verbleiben. Nachdem er aber nach einem so mühsamen Streite sich ohne Zweifel würde sehr betrübet haben, wenn er so gute Gelegenheit, welche er zeit seines Lebens nicht wieder erlangen möchte, aus bloßer Blödigkeit sollte aus den Händen haben gehen lassen, als hat er dieser gefährlichen Nachfolge mit diesen endlichen Worten zuvorkommen wollen: »Hochwerteste Prinzessin! Weiln ich es mir denn vor die höchste Ehre schätze, meine Pflicht jederzeit durch gehorsame Folge zu bezeugen: So breche demnach die Kette meiner schwachen Zunge, und bekenne aus innersten Grunde seines Herzens, daß Balacin, Prinz von Ava, bereits mit dem einen Fuße das Grab berühre, wo ihn nicht die überirdische Leutseligkeit der himmlischen Banisen vom Tode errettet. Denn wie die Sonne auch abwesende würket, und man den unsichtbaren Göttern die meisten Opfer gewähret, also schwere ich, daß mich Dero Schönheit auch in der Ferne verwundet, und die Strahlen Ihrer Tugend entzündet haben. Die Begierden haben durch Dero hohes Lob auch von weiten als ein Zunder Glut gefangen, welche aber nunmehro durch den Blitz gegenwärtiger Kraft vollkommene Flammen zeigen. Hemmet Sie nun nicht, unvergleichliche Banise, diese Brunst, und lässet die brennende Sonne sich nicht in ein güldenes Licht süßer Gegenhuld verwandeln, so muß Balacin zu Asche werden. Ich erkühne mich nunmehro ungescheut zu sagen: Ich bin verliebt. Banise ist die Sonne, ich Ihre Wende: Sie ist mein Nordstern, ich Ihr Magnet. Schönste Vollkommenheit! mein glühendes Herz zündet Ihr den Weihrauch reinester Liebe an, und ich schwere, auch mein getreues Leben aufzuopfern. Weil nun der Götter Tempel dem offenstehet, welcher Sie zu verehren suchet: so eröffne Sie demnach Ihr himmlisches Heiligtum der Seelen, und verschmähe nicht das flammende Opfer Ihres ewig gewidmeten Balacins.« Die Prinzessin hatte hier durch ihr sonderbares Erröten sattsam zu verstehen gegeben, daß sie sotaner Liebesentdeckung nicht vermuten gewesen; nachdem sie aber sonder Zweifel wohl bedacht[167] gehabt, wie sie sich selbst unwissende verraten habe, so hat sie endlich durch folgende Antwort meinen Prinzen in nicht geringe Vergnügung gesetzet: »Es ist etwas Ungewöhnliches, daß sich eine Prinzessin, welche die Liebe fast noch nicht zu nennen weiß, sollte so bald gefangen geben, und ganz Asien wird mich eines Fehltritts beschuldigen, wenn ich einem fremden Prinzen auf erstes Ansuchen die Hand reichte: Als würde Prinz Balacin den Ruhm sonderbarer Klugheit verdienen, so Er die Flammen seiner Liebe mit Geduld mäßigte, und mit dieser Versicherung vergnügt lebte, daß die Götter mit der Zeit Sein Verlangen wohl erfüllen werden.« Wie nun der Prinz mit Vergnügung ersehen, daß seine Liebe nicht übel aufgenommen würde, so hat er um so viel beherzter solchen guten Anfang verfolget und gesaget: »Allerschönste Prinzessin! diese Worte leget zwar Dero keusche Tugend in Ihren Mund, und gibet Ihr den Rat, sich als eine Sonne der Vollkommenheit vor allen Finsternissen einiger Nachrede zu hüten. Allein es ist ein großer Irrtum, wo man meinen Brand eine jählinge Glut nennen will. Die Flammen haben mir vorlängst die Götter selbst angezündet, und von derselben Zeit an brenne ich, ja jeder Tag hat meinem Schmerzen frisch Öl eingeflößt. Ich habe Ihrer Schönheit schon vorlängst einen Tempel in meinem Herzen gebauet, welches mich erst diese glückselige Stunde entdecken heißt. Zudem wird mir Dero eigene hohe Vernunft beglückt zustatten kommen, wenn Sie erwägt, mit was aufrichtigem Herzen und Darstellung meines Lebens ich mich vor die hohe Wohlfahrt dieses Hohen Hauses bemühet, und wie auch durch fernern Verzug dem Zarang könnte Gelegenheit zur Ausführung verzweifelter Anschläge gegeben werden: Ja ich will nichts sagen von dem drohenden Chaumigrem. Sollen nun diese Vernunftschlüsse etwas gelten, ach so erfreue Sie doch den vor Liebe fast entseelten Balacin mit einer solchen Entschließung, woraus eine allseitige Vergnügung entspringen könnte.« – »Es ist unnötig«, hatte hierauf die Prinzessin etwas freimütiger versetzet, »meine Glut zu verbergen, wovon Balacin bereits die Flammen sattsam gespüret hat. Ich merke der Götter gütiges Verhängnis, welches mir heimlich befiehlet, denjenigen zu lieben, welcher sich verpflichtet hat: und, einer unanständigen Liebe vorzukommen, so sei ihm hiermit dasjenige zur Dankbarkeit gewidmet, was Er selbst dem großen Panther[168] aus den Klauen, und dem Tode aus dem Rachen gerissen hat.«

Wie hier dem Prinzen, als sie ihm zugleich die Lilienhand zum Kusse überreichet hat, müsse zumute gewesen sein, solches überlasse ich andern, welche diese Vergnügung empfunden haben, zu reiferm Nachdenken. Gnug, wenn ich des Prinzen Worte erzähle, daß ihm vor Freuden Hören und Sehen vergangen, und er ihre Hand an seinen Mund drückende fast unbeweglich sitzen blieben, bis endlich der Kaiser das Zimmer wiederum betreten, und die Prinzessin gefraget: Was die Tapeten beschlossen hätten? Da denn endlich der Prinz wieder zu sich selbst gekommen, und die Beantwortung durch folgende Worte auf sich genommen hatte: »E. Maj. überhoher Verstand hat freilich die Stummen redend gemacht und mich in dieser Stunde auf den höchsten Gipfel des angenehmsten Glückes gestellet: Dannenhero bitte ich in tiefster Demut, das höchste angenehme Werk, wie es erwünscht angefangen worden, also auch gnädigst zu vollziehen, und durch Dero väterliches Machtwort völlig zu bestärken.« Hierauf hatte der Kaiser die Prinzessin bei der Hand genommen, sie dem Prinzen zugeführet, und mit diesen Worten übergeben: »So überreichen wir Euch demnach, Prinz von Ava, den letzten Anteil unsers Herzens, und versichern Euch, daß wir nicht fähig sind, etwas Höhers und Angenehmers zur Bezeugung unsers dankbegierigen Gemütes zu schenken. Erkennet's demnach vor ein sonderliches Gnadengeschenke, und erwidert solches mit treuer Aufrichtigkeit und möglichstem Beistande wider unsere Feinde. Wir haben uns um Euretwillen einen nicht geringen Feind an dem Prinzen von Tangu gemacht, welches denn bei jetzig weit aussehenden Zeiten eine geringe Staatsklugheit ist; Eure bekannte Tapferkeit aber verspricht uns, solchen Verlust reichlich zu ersetzen. Die Götter beseligen Euren verliebten Vorsatz, und erfüllen Eure Herzen mit angenehmster Lust! Der Himmel lasse aus diesem Sonnenschein nimmer einen schädlichen Blitz fahren, und verwandele alle Kometen in Glückssterne! Wie nun das Küssen der Kern, ja die Seele der Liebe ist; also versiegelt diesen heiligen Bund mit einem festen und süßen Kusse.« Wie gehorsam diesem angenehmen Befehl mein Prinz nachgelebet, ist hieraus abzunehmen, wenn sich dieser einfache Kuß dermaßen vielmal verdoppelt hat, daß man fast neue Ziffern erdenken müssen, wenn[169] man sie alle hätte nachzählen sollen. Hierbei aber hatten die Götter abermals ein Vorzeichen künftiger blutigen Trennung geben wollen, indem der Prinzessin, als sie dero Herrn Vater, statt kindlicher Danksagung, die Hand küssen wollen, drei Blutstropfen unversehens aus der Nasen auf des Kaisers Rock geschossen, worüber sie sich allerseits nicht wenig betrübet, und sotane angenehme Zusammenkunft zu meines Prinzen hohen Mißvergnügen desto eher geendiget hatten. Sobald wir nun unser Quartier betreten, machte mich mein Prinz zu seinem Liebesvertrauten, und erzählte mir mit höchstem Vergnügen, wie weit die gütigen Götter ihren Ausspruch erfüllet hätten. Diesemnach dauchte meinen Prinzen dieser Hof ein Himmel zu sein, in welchem nichts denn sein ewiges Wohl ohne einiges Verhindern wohnen müßte. Die Vergnügung sahe ihm aus den Augen, und jedwede Gebärde stellete ein Liebeszeichen vor. Ja seine Liebe konnte so wenig ruhen als ein zartes Kind, welches nicht schlafen, noch sonder Tränen allein bleiben kann. Seine Gedanken und Reden mochten vor den Leuten herumschweifen, so weit sie immer wollten: Der Mittelpunkt ihres Zieles blieb doch allezeit die schöne Banise. Ihr Name war ihm ein Zucker in Ohren, und gemeiniglich bei dem andern oder dritten Worte fuhr er ihm aus dem Munde. Sein Herze wohnete mehr in ihr als in unserm Palaste, sogar, daß allerdings Wildfremde ohne Mühe daraus urteilen kunnten, wie heftig verliebet und empfindlich verwundet er sei. In solcher innigsten Vergnügung bildete er sich öfters ein, es wäre nur ein Traum, welcher durch ein unangenehmes Aufwachen verschwinden, und ihn in vorige bekümmerte Nachforschung versetzen würde, angesehen ihm fast ebenso im Tempel zu Pandior zumute gewesen. Ja, er hielte es manchmal vor eine Unmöglichkeit, daß es ihr ernst gewesen sei, und er sich einige gewisse Hoffnung hierauf machen dürfte, welches gleichsam fähig wäre, auch die Götter zu vergnügen. In solchem verliebten Zweifel entschloß er sich einsten, ihr eine schriftliche Versicherung abzufordern, wodurch er sich jederzeit in seiner Hoffnung befestigen, und allen Zweifel-Mut durch öfteres Überlesen verjagen könnte. Dannenhero stellete er mir eine verschloßne Schrift zu, welche mir doch vorhero zu lesen erlaubet war, in welcher er nicht allein seine innigste Liebe wiederholte, und um dero Gegenliebe anhielte, sondern auch, weil er vermeinte, es könnte nicht fehlen,[170] solch hohes Glücke würde ihm von vielen beneidet, und dahero durch heimlich Verleumdung bei seiner Prinzessin verhaßt gemacht werden, beweglichst um Beständigkeit anhielte, und letztens eine schriftliche Versicherung ihrer Gegenhuld verlangete. Meinem wenigen Behalt nach flossen ohngefähr diese gebundene Worte:


Hier kömmt ein kleiner Brief, durch Liebe stilisieret,

Und legt sich, schönstes Kind, zu deinen Füßen hin,

Ich schwere, daß dies Blatt nichts Falsches in sich führet,

Besondern jedes Wort umschränkt der treuste Sinn.

Der Wörter schlechte Pracht entspringt aus frommen Kiele,

Die Dinte schreibt zwar schwarz, doch ist das Herze weiß.

Er setzet reine Treu sich nur zum keuschen Ziele,

Kurz: Dessen Absehn ist ein grünes Myrtenreis.

Bewundre nicht, mein Kind, mein allzu kühnes Schreiben,

Den Ausspruch hat ja selbst dein schöner Mund getan,

Es stünde bloß bei mir, untreu und treu zu bleiben;

Drum nehm ich billig mich des holden Urteils an.

Dein reines Tugendgold beleget mich mit Ketten,

Und deiner Schönheit Macht schließt mich in Fessel ein,

Woraus mich nichts als nur der blasse Tod soll retten,

Und die Erlösung soll bloß in dem Grabe sein.

Erlaube, Engelsbild, dich nunmehr frei zu lieben,

Dem, der sein ganzes Sich dir aufgeopfert hat.

Ein heimlich Schicksal hat mich zu dir her getrieben,

Und meine Freiheit hemmt des Himmels hoher Rat.

Willst du nun, schönstes Kind, die reine Glut verdammen,

Und will dein harter Sinn dem Schicksal widerstehn?

So straft der Himmel dich mit gleichen Liebesflammen,

Denn seiner Rache kann kein Sterblicher entgehn.

Ach lasse meine Glut dir nicht zuwider fallen,

Mein Engel, gönne mir geliebte Gegenhuld.

Ich sichre, sonder Ruhm, mein Lieben soll vor allen

Des Vorzugs fähig sein wie bei Metallen Gold.

Will gleich der gelbe Molch des Neides mich beflecken,

Stürmt gleich ein Nattermaul mit Lügen auf mich ein:

Doch soll das Silberkleid der Unschuld mich bedecken,

Und die Beständigkeit soll ihre Schande sein.

Nicht traue, schönes Bild, verdammten Lästertücken,

Nur glaube, was mein Mund so heilig dir verspricht:

Laß ferner nun kein Netz des Zweifels dich berücken,[171]

So lieb ich deinen Geist, bis mir das Herze bricht.

Was will ich aber viel von meinem Feuer sagen?

Wer weiß, ob Gegenteil auch etwas Flammen hegt.

Die Fessel werden nur vielleicht von mir getragen,

Da sie hingegen doch das Gold der Freiheit trägt.

Jedennoch will ich nicht so etwas Übels hoffen,

Ob sollte Grausamkeit mit Schönheit sein vermählt.

Denn hat des Himmels Schluß mit Liebe mich getroffen,

So trau ich seiner Gunst, er hab auch dich erwählt.

Darum erlaube mir, mich deinen Knecht zu nennen,

Nimm an das treue Herz, das sich dir eigen gibt.

Und lasse Gegenhuld mit gleicher Flamme brennen,

So wisse, daß die Glut selbst Stern und Himmel liebt.

Will mich nun deine Gunst ins Buch der Liebe schreiben:

Ach so erfreue mich durch eine Gegenschrift.

Und lasse bis ins Grab, mich dein, dich meine bleiben:

So hat der Himmel selbst dies Liebeswerk gestift.


Dieses zu überbringen wurde ich befehliget, worzu ich durch Hülfe meiner alten Liebe, der Eswara, auch leicht gelangete, welche mir in kurzem wiederum eine kleine versiegelte Schrift einhändigte, solche meinem Prinzen statt erwünschter Antwort zurücke zu bringen. Dieses verrichtete ich eiligst, und erfreute meinen Prinzen hierdurch aufs höchste, welcher es sobald erbrach, und fast jedes Wort mit einem Kuß beehrte. Den kurzen Inhalt erfuhr ich hernach folgendergestalt:


Ein Brief von deiner Hand erfreuet und betrübet,

Die, deren Geist und Herz von dir ja Flammen fängt:

Die, welche dich fast mehr als ihre Seele liebet,

Und ihrer Sinnen Schiff nach deinen Augen lenkt.

Ich bin erfreut, wenn mir dein Kiel von Liebe schreibet,

Betrübt, wenn Zweifelmut fast jede Silbe rührt:

Da doch die Zuversicht des Liebens Zucker bleibet:

Wie daß denn Balacin mich auf die Probe führt?

Jedoch die Liebe ist ein etwas zartes Wesen,

Ist sie gleich Erz: Die Furcht macht sie zur Märzenblum.

Genug, wenn Balacin soll diese Worte lesen:

Banis ist ihm verpflicht als Schatz und Eigentum.


Und dieses wiederholete er zum öftern dermaßen, daß er fast aus sich selbsten zu sein schiene: Ich halte auch darvor,[172] er wäre in solcher Verzückung noch länger verharret, wenn ihm nicht die Ankunft des Talemons verstöret hätte. Dieser brachte die leidige Zeitung, wie der Tyranne Chaumigrem dem Kaiser einen Krieg, und den Tod seines Bruders Xenimbruns zu rächen, angekündiget hätte; gleich als ob ein König, so er einen seiner Untertanen, überwiesenen Aufruhrs wegen, abgestrafet, einem andern hiervon Rechenschaft zu geben, verbunden wäre. Derohalben wurde mein Prinz zugleich durch diesen in den geheimen Kriegsrat erfordert, da er seine verliebte Gedanken ändern, und dem Talemon folgen mußte, welches er auch willigst verrichtete, und alle Gelegenheit suchte, sich dieses herrlichen Kleinods von Pegu recht würdig zu machen. Weil ich nun befehligt war, im Palast zu verbleiben, als vertrieb ich meine Zeit sehr wohl durch das Fenster, indem ich des Talemons Vorbringen durch einen starken Tumult nicht wenig bestärket sahe. Denn was vor Getümmel von Soldaten, Pferden und Elefanten auf denen Gassen und dem Markte war, solches ist unbeschreiblich; und sahe ich über zwanzig Läufer mit offenen Befehlen aus dem Schlosse laufen, welche die weit entlegene Armee zusammenberufen sollten. Ja es war eine solche Verwirrung, daß ich nicht anders meinte, der Feind hätte schon Pegu berennet, da er doch noch über siebenzig Meilen von dannen war. Als ich diesem Wesen bei zwei Stunden zugesehen, kam mein Prinz ganz tiefsinnig wieder nach Hause, und kunnte ich in langer Zeit nichts von ihm erfahren, bis er mir endlich nur dieses eröffnete, daß wir in drei Tagen eiligst aufbrechen, und uns wieder nach Ava wenden würden. Welches mich heftig erschreckete, und in die falsche Meinung setzte, es hätte irgend Zarang meinem Prinzen einen Stein ins Brett geworfen, und seine Liebe verhindert. Endlich aber erfuhr ich, daß meinem Prinzen in dem Kriegsrat wäre zugemutet worden, weil man sich durch Vergebung der Prinzessin auf Seiten gegen Tangu in nicht wenige Unsicherheit gesetzet, hingegen durch diese Heirat die Krone Ava dem Reiche Pegu hoch verbunden gemacht hätte; als sollte sich mein Prinz persönlich nach Ava verfügen, seinem Herrn Vater diese Bindung hinterbringen, und um wirklichen Beistand wider den rebellischen Chaumigrem anhalten. Hingegen sollte der König von Ava aller Lehnpflicht erlassen, und mit der unumschränkten Gewalt eines Reichs erfreuet werden. Wie nun teils meinem Prinzen[173] die Begierde dieses Kaiserliche Haus zu retten, teils die innigste Liebe und der schleunige Verlust so angenehmster Gegenwart sonderlich anfochte, und mit einem Worte Ehre und Liebe einen heftigen Wettstreit in ihm verursachten; so ließ er doch endlich der Ehre die Oberhand, in Betrachtung, daß solche seiner Liebe einen großen Vorteil verschaffen könne. Inmittelst gebrauchte er diese wenige Zeit dermaßen, daß ich, außer gegen die Nachtzeit, indem daß ich mit Einpacken und möglichster Zubereitung zu bevorstehender Reise beschäftiget war, meinen Prinzen nie zu sehen bekam. Dannenhero ich auch von diesen verliebten Zusammenkünften keine Nachricht erteilen kann: Genung, wenn ich sage, daß dieses hohe Paar mit so reiner und brünstiger Liebe begeistert gewesen, als es dero beiderseitige Tugend und Schönheit immermehr erfodern können. Nunmehro aber brach das betrübte Licht an, da sich die Herzen trennen, und ein trauriger Abschied die Gemüte empfindlichst rühren sollte. Es waren auf Kaiserlichen Befehl dreihundert tapfere Reuter nebst gnugsamen Pferden und Reisekasten uns zugeordnet, welche einesteils bereits vor der Pforte uns aufwarteten. Dannenhero mein Prinz mit schwerem Herzen das Lager verließ, sich ankleidete, und sofort nach Hofe verfügte, woselbst er zuvörderst von dem Kaiser gebührenden Abschied genommen, welchem ich gleichfalls nicht beigewohnet, und dahero von meines Prinzen geheimen Verrichtungen nichts sagen kann. Nach diesem verfügte er sich nach dem Frauenzimmer, und erlaubte mir unwürdigst, diesem traurigen Abschiede persönlich beizuwohnen. Wir wurden alsobald in der Prinzessin Zimmer eingelassen, welche wir auf einem Stuhle in solcher erbärmlichen Gestalt vor uns sitzend fanden, daß die Unbarmherzigkeit selbst zu einigem Mitleiden hätte müssen beweget werden. Die schönen Haare waren zu Felde geschlagen, ein dunkelgelber Atlas verhüllte den schönen Leib, und gab zugleich die innerste Traurigkeit ihres Herzens zu erkennen. Die häufigen Tränen schienen einen Teil der vorigen Anmut weggeschwemmet zu haben, und das englische Haupt war von der linken Hand als einer Marmorsäule unterstützet. Durch solchen traurigen Anblick ward mein Prinz dermaßen gerühret, daß er nichts weiter vermochte, als sich vor ihr auf die Knie zu setzen, und dero rechte Hand eine geraume Zeit an den Mund zu drücken, gleichsam als ob diese Wehmut ein Stillschweigen[174] verursachte. Endlich nach etwas getrockneten Wangen stieß sie mit halbgebrochener Stimme diese klägliche Worte heraus: »So stehet es denn, o grausames Verhängnis! nicht zu ändern, daß ich dasjenige, was meine Seele seinem eigenen Leben vorzeucht, so schleunig entbehren soll? Und ist der Schluß unwidertreiblich, daß sich mein Herze teilen, ja meine Seele sich selbst verlassen muß? Mein Herze bricht mir, die Augen verdunkeln, und ich finde mich nicht geschickt, diesen Verlust lebendig zu ertragen.« Ein ferneres vorzubringen verboten ihr die häufigen Tränen, bis sich der Prinz in etwas erholete, und beweglichst antwortete: »Liebste, werteste, schönste Prinzessin! Ihre Tränen sind meine Wehmut, und Dero Klage betrübet mich bis in den Tod, ja was meinen Augen an Wasser gebricht, das ersetzet mein Herze durch Blut. Ich soll scheiden, ja ich muß scheiden! weil mich unsere Feinde zwingen. Ich sage recht unsere Feinde, weil ich sie künftig vor keine andere als auch meine erkennen werde, indem auch ihr Blut viel zu schwach ist, meine beständige Liebe zu hintertreiben. Ich muß scheiden! aber, ach ihr Götter! nicht auf ewig! Und wo ich mich eines Trostes von meiner schönen Prinzessin versichern darf, so geruhe Sie doch, diese Tränen, welche mein Herze durchdringen, zu mäßigen, und durch überflüssige Traurigkeit mich nicht sterben zu lassen.« – »Grausamer Prinz!« erwiderte sie wehmütigst, »Ihr redet wider Euch selbst, daß Ihr meine Tränen verhindern, und mir nicht erlauben wollet, solches schmerzliche Scheiden schmerzlichst zu bejammern. Denn diese Tränen sind die besten Zeugen ungefärbter Treue, und wo Ihr diese zu hemmen suchet, so verbietet Ihr mir, Euch zu lieben.« – »Ich bin«, versetzte mein Prinz, »auserwählte Prinzessin! bis in das Grab hiervor verpflichtet, es würde mich aber mehr erfreuen, wenn mein Abzug mit größerer Herzhaftigkeit als Wehmut ertragen würde, jedoch ohne einigen Abgang unserer geschwornen Liebe. Zudem, liebste Prinzessin! was wollte Sie denn tun, wenn Sie mich vor sich in einem Sarge liegen sehen, und mir die letzte Pflicht erweisen sollte?« Allein hiedurch wurde die betrübte Prinzessin empfindlichst gerühret, daß sie mit lauter Tränen sagte: »Ach unbarmherziger Prinz! womit dräuet Ihr mir, und mit was vor unglückseliger Vorbedeutung wollet Ihr mein Elend und Jammer vermehren? Ich weiß ohnedies nicht, was es ist, das eine so sonderbare Traurigkeit in meinem[175] Herzen erwecket, und mir ein Unglück vorbildet, welches ich noch zur Zeit nicht begreifen kann. Sollte es nun ja an ein Sterben gehen, so werde ich viel eher dem Tode zum Schlachtopfer dienen müssen, als Ihr, der Ihr Euch in die Sicherheit begebet, und gar leicht Eurer getreuen Prinzessin bei der Wiederkunft als einer Leichen den letzten Kuß gewähren dürfet.« Hiedurch hatte sich die Prinzessin sattsam an dem Prinzen gerochen, indem er sich häufiger Tränen nicht ferner enthalten kunnte, wiewohl er sich nicht wenig schämete, und selbe zu verbergen suchte. »Worzu dienet es«, hub er nach einigem Stillschweigen an, »uns selbsten zu fernerer Betrübnis Anlaß zu geben, da wir doch bereits in solchen Schmerzen versetzet worden, daß er außer dem Tode unmöglich kann vergrößert werden. Ich bin vielmehr kommen, weil mir das Verhängnis, Dero Kaiserlicher Herr Vater, die Wohlfahrt dieses Reichs, ja meine Liebe, womit ich mich der schönsten Seelen in der Welt verpflichtet weiß, es so befiehlet, demjenigen auf eine Zeitlang den Abschiedskuß zu erteilen, welches ich außer diesem nicht eher denn mit dem Leben entbehren würde. Mit der gewissen Versicherung, daß, wie die Hoffnung das einige Labsal aller Schmerzen ist, also auch eine glückliche Wiederkunft uns itzige Wehmut ziemlich verweisen werde, daß wir nicht besser unser Vertrauen gegen die Götter, durch größere Standhaftigkeit erwiesen haben. Über das soll dieser Abschied und diese Abwesenheit ein vollkommenes Zeugnis unserer innigsten Liebe sein: Ob mir zwar jedwede Minute zu einem Jahre geraten, und lauter ungeduldiges Sehnen nach der Wiedersehung meines Augentrostes gebären wird. Lebet wohl! Gute Nacht!« Die betrübte Prinzessin wollte den Prinzen noch nicht verlassen, sondern verfolgte ihre wehmütige Klage mit diesen Worten: »Ach verziehet, mein Prinz und gönnet noch eine Viertelstunde Eure Gegenwart derjenigen, welche vor Wehmut fast zu sterben vermeinet. Denn ich versichere, das schärfste Messer würde mit geringerem Schmerzen mein Herze durchschneiden als das schmerzhafte Wort ›Lebet wohl‹! Und kein Donnerschlag würde in meinen Ohren härter erschallen als die unverhoffte gute Nacht!« Mein Prinz, welcher möglichst eilte, diesen traurigen Abschied zu endigen, und sich selbst vor Betrübnis nicht zu lassen wußte, küßte ihre Hand mit tränenden Munde, und sagte: »Ach schönste und werteste Prinzessin![176] Sie glaube, daß kein Gift meine Seele so quälen, noch keine Galle mir so bitter sein kann als dieses Scheiden: Wie aber derjenige, welcher an den süßen Port seiner Liebe glücklich anländen will, die Großmut zu einem steten Kompaß haben muß; also bilde ich mir ein, daß, wo ich einer so vortrefflichen Schönheit, wie ich in Dero englischen Person angetroffen, würdigst genießen will, ich mich allem Unglück großmütigst widersetzen, standhaft widerstehen, durch alle Widerwärtigkeit dringen, und doch endlich in Dero Arme kommen müsse. So begreife Sie sich demnach, und lasse die vorgebildete Freude, welche bei ehestem Wiedersehen unsere Herzen beseligen wird, itzigen Wehmutskummer übertreffen, so wird Sie sehen, wie eine großmütige Hoffnung das Unglück selber trotzen könne.« Hierdurch schiene die Prinzessin etwas besänftiget zu sein, dahero sie denn meinen Prinzen anmutigst küssete, und mit beweglichsten Worten den letzten Abschied nahm: »So fahret wohl, mein Prinz, mein Engel, mein Leben, fahret wohl! und bedenket, daß Ihr etwas hinter Euch gelassen, welches sich durch langes Absein selbst verzehren würde. Fahre wohl, liebster Schatz, den mich die Liebe du zu nennen zwinget! Fahre wohl, weil es doch muß geschieden sein. Die Götter führen und begleiten dich! Es müsse lauter Sicherheit auf allen Wegen wachsen, wo du nur deinen matten Fuß hinsetzen wirst! Wo du dein Haupt hinlegest, da umschatte dich der Götter Schutz! Ja es müssen alle deine Tritte zu Rosen werden! Fahre wohl!« Welches letztere Wort sie mit einem brünstigen Kuß auf des Prinzen Lippen versiegelte. Wodurch denn mein Prinz gezwungen ward, dies kurze Adieu dazu zu setzen: »So lebe demnach auch wohl, unschätzbarer Engel! und vergiß nicht desjenigen, dessen innigste Liebe auch in der Aschen brennen wird. Gute Nacht, liebste Banise! lebe wohl, schönste Prinzessin! Ich scheide dem Leibe nach von Pegu, und hinterlasse dir doch mein Herze zu einem unverfälschtem Liebespfande. Versichre dich, daß mein Schatten, ja mein Geist Tag und Nacht dich begleiten, und um dich schweben werde. Lebe wohl! Der Himmel lasse dich gesund, bis ich dieses Zimmer wieder fröhlich beschritten, und die Rosen auf deinen Lippen brechen könne. Lebe wohl!« Wie nun der Schluß durch unzähliche Küsse gemacht, und mein Prinz mit einigen kostbaren Kleinodien, wie auch ich mit einem Saphirringe beschenket wurde, so eilte mein Prinz[177] gleichsam ganz daumelnde aus dem Zimmer, und begab sich nach dem Palast, allwo unterschiedene Große vom Hofe aufwarteten, um von meinem Prinzen gebührenden Abschied zu nehmen, welche er aber ganz kurz und voller Gedanken beurlaubete, sich nebst uns allen zu Pferde begab, und in vollem Galopp mit tränenden Augen Pegu verließ. Und dieses ist auch leider! das letztemal gewesen, daß sie mein Prinz gesehen. – Hier wendete sich der Prinz um, und hätte sich in sotaner schmerzlichen Erinnerung fast verraten, indem er seinen Augen nicht mehr zu gebieten vermochte, dannenhero Scandor seine Erzählung möglichst verkürzte, und sie durch folgende Worte endigte:

Nachdem wir nun nach einiger Zeit glücklich in Ava angelanget, so bildete sich mein Prinz nichts fester ein, denn er würde ein angenehmer Gast sein, und durch gutes Vorbringen sich Königlicher und Väterlicher Gnade wiederum würdig machen. Wie denn auch in der ganzen Stadt eine ungemeine Freude über unsere Ankunft entstund. Allein was uns zum ersten ein übles Zeichen gab, war, daß nicht allein niemand bei dem Prinzen eine Willkommensbesuchung ablegen durfte, sondern auch sogar keine Verordnung, unsere mitgebrachte Geleitsvölker zu verpflegen, erteilet wurde, welche zwar von den Inwohnern willig und gerne aufgenommen, und von ihnen reichlich versorget wurden. Nach zwei Tagen, als wir etwas ausgeruhet hatten, ließ sich der Prinz bei dem Herrn Vater endlich anmelden, welcher auch den Oberreichsschenken abfertigte, und anstatt einer väterlichen Bewillkommung ihn mit einem harten Verweis wegen Übertretung des Gebots, inner Jahr und Tag nicht wieder zu kommen, ansehen ließ. Ob nun zwar mein Prinz die Ursache seiner Wiederkunft beweglichst vortragen ließ, und alles dasjenige tat, was einem tapfern Prinzen und treuen Liebhaber gebührte; so handelte doch der König so unbesonnen, und ließ uns anbefehlen, uns so lange, ohne jemands Besuchung innezuhalten, bis zum Königlichen Befehl ein Gnügen geschehen, und das Jahr verflossen sei. Ja, wir sahen unser Haus mit zweihundert Mann umringet, welche uns ungescheuet bewachen, und allen Ausgang verwehren mußten. Wie nun meinem Prinzen damals zumute war, solches ist daraus abzunehmen, daß er sich gänzlich vorsetzte, mit bloßem Säbel auszufallen, und durch solche Gewalt die Wache so lange zu zwingen, bis sie ihn niedermachete. Welches[178] ich aber vernünftig widerriet, in Betrachtung, daß die Wache nicht nach dessen Tode, sondern nach der Person trachten würde, wodurch denn der ohnedies rasende König zu noch größerer Unbesonnenheit möchte angetrieben, und durch sein ferneres Unglück die arme Prinzessin wohl gar in Tod gestürzet werden. Also saßen wir nun zwei Monat lang, daß uns auch alle Zusammenkunft mit der Prinzessin Higvanama verwehret wurde. Endlich lief die grausame und blutige Zeitung ein, wie inzwischen Chaumigrem ganz Pegu erobert, und den Kaiserlichen Stamm ausgerottet habe. Was ich nach diesem mit dem Prinzen ausgestanden, ist unbeschreiblich, indem ich ihn zwei Tage fast stets ohnmächtig unter meinen Händen gehabt habe, und da dessen elender Zustand nach Hofe berichtet ward, kam endlich Befehl, die Wache sollte uns verlassen, und der Prinz auf freien Fuß gestellet sein. Ob uns nun zwar diese Befreiung nunmehr viel zu langsam zustatten kam, so erholte sich doch mein Prinz in etwas. Und wie er sich in seinem größten Leidwesen jederzeit des göttlichen Ausspruchs zu Pandior fest getröstete, und es vor unmöglich hielte, daß die Götter einem Tyrannen erlauben würden, solches ihr Ebenbild zu töten; so befehligte er gegenwärtigen seinen vornehmen Bedienten nach Pegu zu eilen, und in geheim der Sachen wahre Beschaffenheit zu erkundigen, bevoraus, ob seine werte Prinzessin noch lebte, wiewohl er mit lauter verzweifelten Anschlägen zu Rate ging. Vor vierzehen Tagen aber schickten es die gütigen Götter, daß, als der König Dacosem die Prinzessin Higvanama seine Tochter, ungeachtet sie dem Prinzen von Siam versprochen, dennoch an einen ihr ganz unanständigen Fürsten aus Ava mit Gewalt verheiraten wollte, und deswegen der ersten Zusammenkunft, wobei sonder Zweifel die Vollziehung dieses Zwanges geschehen sollen, beiwohnte, der alte König sich in dem Trunke heftig übernommen, und folgenden Morgens tot im Bette gefunden worden. Hierdurch wurde nun die Prinzessin Higvanama erlöset, und mein Prinz ein gewaltiger Monarche. Und wäre zu wünschen, die gütigen Götter hätten irgendwo die schöne Banise vor meinen Prinzen aufbehalten: Angesehen ihm zugleich das Reich Aracan durch Hintritt des Königs zugefallen, und er nunmehro dem Peguanischen Bluthunde sattsam gewachsen ist, seine Prinzessin mit viel hunderttausend Säbeln mächtigst zu erlösen.[179]

9

Von diesem Apalita siehe Roger. Heydenthum p. 795.

10

Ein Bizen wieget zwei Pfund, fünf Unzen Gold, Venedischen Gewichts.

11

Von den grausamen Martern der Christen zu Japon besiehe Francisci Kunst- und Sitten-Spiegel p. 1148.

Quelle:
Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen: Die Asiatische Banise. München 1965, S. 102-180.
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