Fallschirm [3]

[180] Fallschirm . Mit wachsender Ausdehnung und Heftigkeit des Luftkrieges gewann der früher fast nur zu Schaustellungen benutzte Fallschirm an praktischer Bedeutung. Fesselballon, später auch Flugzeug und Luftschiff wurden mit ihm ausgerüstet. Der Zweck, Rettung der durch Abschuß des Luftfahrzeuges gefährdeten Besatzung, wird besonders beim Fesselballon, durch die heute durchgebildeten Konstruktionen erfüllt. Voraussetzung ist rechtzeitiges Abspringen, um von dem abkürzenden Luftfahrzeug frei zu kommen. Die heutigen Systeme haben gemeinsam: den meist aus Seide[180] (Festigkeit etwa 1000 kg in Kette und Schuß, Gewicht 90–95 g/qm) gefertigten Schirm von kreisrundem Grundriß; ein in der Mitte befindliches Luftabflußloch verhindert das starke Pendeln. Am Umfang greifen die Tragleinen an, die in zwei Auslaufleinen enden. An letzteren wird der Brustgurt des Abspringenden oder, mittels Knebelleinen, der Ballonkorb befestigt. Die Schirmfläche beträgt beim Sprungfallschirm (eine Person, Belastung höchstens 100 kg) etwa 50 qm, beim Korbfallschirm (Fesselballonkorb mit 2 Personen, 200 kg) etwa 165 qm. Die Endfallgeschwindigkeiten schwanken zwischen 3 und 5 m/Sek., entsprechend einem freien Absprung aus etwa 1 m Höhe zum Boden. Der Fallschirm liegt in gebrauchsfertigem Zustande zusammengefaltet in einer flachen oder runden Packung, die am Luftfahrzeug befestigt ist. Beim Fesselballon hängt die Packung am äußeren Korbrand, am Trapez oder an einer besonderen Leine am Ballonkörper (Korbfallschirm); beim Flugzeug zumeist hinter dem Führersitz, beim Luftschiff an der Außenseite der Gondeln. Aus der Packung ragen nur die Auslaufleinen heraus. Von der richtigen Faltung des Schirms in der Packung ist das einwandfreie und rasche Entfalten beim Absprung abhängig. Zur vollen Entfaltung genügen 1–3 Sekunden Fallzeit, entsprechend 5–45 m Fallraum bezw. 10–30 m/Sek. abzubremsender Fallgeschwindigkeit.

In Deutschland am meisten angewandt ist der Fallschirm von Kätchen Paulus, dessen wesentliche Merkmale in obigem bereits beschrieben sind. Ferner ist zu erwähnen der Fallschirm mit Innenleinen (Ballonhüllenges. Tempelhof), Fig. 1. Letztere (b) bewirken eine flachere Wölbung des Schirmes (a); die Projektion der Schirmfläche wird größer und damit (bei gleichem Stoffverbrauch) die Fallgeschwindigkeit geringer. Bei dem auf demselben Prinzip beruhenden Korbfallschirm (Fig. 2) geschieht die Auslösung des Korbes am Trapez durch Herausziehen des Bolzens f, der durch den Splint g gesichert ist.[181]

Als Flugzeugfallschirm ist zumeist die Konstruktion von Heinecke im Gebrauch. Die flache Packung ist am Flieger befestigt. Durch Einschaltung einer mehrere Meter langen Leine entfaltet sich der Schirm beim Absprung erst in gewisser Entfernung vom Flugzeug, wodurch die Gefahr einer Kollision beider vermieden wird. Eine Mittelleine erlaubt die Regelung der Fallgeschwindigkeit durch Veränderung der tragenden Fläche. Bei Benutzung des Fallschirmes vom Flugzeug aus besteht die Schwierigkeit der Abbremsung des Rucks bei der raschen Oeffnung des Schirms infolge der großen Horizontalgeschwindigkeit (40–50 m/Sek.) des Flugzeugs, wobei eine Zugbeanspruchung von ungefähr 2000 kg auftritt. Versuche der Ballonhüllengesellschaft Tempelhof führten zur Konstruktion des Stufen- und des Bremsfallschirmes. Bei ersterem (Fig. 3) öffnet sich erst eine Teilfläche, der äußere Kranz (I). Die Endfallgeschwindigkeit beträgt hierbei 10 m/Sek. In den Innenleinen des Kranzes hängt nun zusammengefaltet das mittlere Schirmstück m, durch Schlaufen s und Knoten k in seiner Lage festgehalten, bis der Abspringende mittels einer Entsicherungsleine (in der Figur weggelassen) die Packung während des weiteren Falles selbst auslöst, wobei das Mittelstück in die Endstellung II rutscht. Fig. 3, III, zeigt das Mittelstück in seiner Packung von unten. Beim Bremsfallschirm (Fig. 4) wird die lebendige Kraft durch eine zwischen Fallschirm und Person geschaltete Bremse (b, Seiltrommel auf Konus laufend) vernichtet. Durch die Bremseinrichtung wird eine annähernd konstante, einen einstellbaren Grenzwert (300 kg) nicht überschreitende Bremskraft gewährleistet.

Helffrich.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 180-182.
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